Protocol of the Session on March 6, 2025

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Kommunales und Landesentwicklung - Drucksache 8/504 -

Wir haben jetzt hier gerade die Berichterstattung von Herrn Hande gehabt. Ich eröffne die Aussprache und ich habe hier jetzt gar nicht so viele Redner gemeldet. Deswegen schaue ich erst mal in die Runde. Ich habe zunächst Herrn Schlösser von der AfD.

Falls jetzt Fragen sind: Ich habe nur noch einen Redner, Herrn Quasebarth, der gemeldet ist. Wenn noch jemand möchte, kann er sich dann mal kenntlich machen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Thüringer, am 14. November des letzten Jahres habe ich mich an dieser Stelle als Einziger klar und deutlich dagegen ausgesprochen, den Gedenktag am 8. Mai 2025 einmalig anlässlich des 80. Jahrestags als Feiertag zu begehen. Mit meiner Auffassung bezog ich mich auf einen seit Kriegsende bestehenden Konsens unter den Parteien der Nachkriegsgeschichte der alten Bundesrepublik. Es war bis zu diesem Tag Konsens, dass der 8. Mai zwingend als Gedenktag und nicht als Feiertag zu begehen ist. Ich hatte mich auf Theodor Heuss, Walter Scheel und Richard von Weizsäcker bezogen – allesamt nicht als Geschichtsrevisionisten bekannt. Ich war also mit meiner Meinung nie allein. Inzwischen, das haben wir gerade gehört, bin ich bzw. sind wir als AfD in unserer Auffassung auch im Landtag augenscheinlich nicht mehr allein. Das zeigt die Beschlussfassung, die ebenfalls vorsieht, dass der 8. Mai nicht als Feiertag begangen werden soll. Wenn Sie sich nur eine Sekunde von Ihrer ideologischen Verblendetheit lösen würden und sich für diese Sekunde in die Zeit des 8. Mai zurückversetzen würden, würden Sie erkennen, dass selbst für die Geretteten – und ich erwähne das hier ausdrücklich, weil kritisiert wurde, ich hätte mich nicht mit den Befreiten aus den KZ beschäftigt – aus dem KZ Buchenwald zum Beispiel kann der 8. Mai kein uneingeschränkter Feiertag gewesen sein. Viele der Geretteten sind auch nach dem 8. Mai gestorben oder litten Jahrzehnte an den Folgen, wahrscheinlich bis heute. Freunde und Bekannte, Mithäftlinge und Familienmitglieder hatten das Martyrium eventuell nicht überstanden. Daran konnte der 8. Mai nichts ändern. Denken Sie bitte auch an die vielen Leute, die das zum Anlass genommen haben, mit Deutschland ganz zu brechen und auszuwandern und teilweise Deutschland bis heute nicht wieder betreten haben.

Es bleibt bei mir die Hoffnung, dass den Vertretern der Kartellparteien bewusst geworden ist, wie kurzsichtig,

unausgewogen und letztlich unanständig es wäre, den 8. Mai zum Feiertag zu erklären. Auch wenn Sie heute hier alle möglichen anderen Gründe für Ihre Entscheidung vorschieben werden, natürlich wäre ein solcher Spontanfeiertag ein planerisches Fiasko ohne Wirkung für die Menschen, die die Zeit längst verplant haben, und für die Unternehmen kaum umzusetzen. Für die Entscheidung, den 8. Mai nicht als Feiertag zu begehen, bedarf es keines Tabubruchs, keines Geschichtsrevisionismus und keiner Schuldumkehr, nur Einfühlungsvermögen und Anstand. Deswegen werden wir der Beschlussempfehlung folgen und den Antrag ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Vizepräsidentin Dr. Urban)

Danke schön. Als nächster Redner hat Herr Quasebarth vom BSW das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne dort oben!

Ich muss ein kleines bisschen ausholen. Ich weiß auch, es gehört eigentlich nicht hierher, aber wenn wir über den 8. Mai reden, dann möchte ich Ihnen als Erstes einmal von meiner Mutter erzählen. Meine Mutter wurde nämlich 1945 geboren, und zwar im Frühjahr 1945 – also nicht am 8. Mai, sondern am 8. März im Norden von Erfurt, zwei Monate vor Kriegsende. In diesen Monaten, die Erfurter wissen das vielleicht noch, die alten Erfurter, fielen noch Bomben auf Erfurt. Streng genommen hat die Royal Air Force und die United States Army Air Forces nicht gespart und bis in den März hinein über 1.000 Tonnen Bomben über der Stadt abgeworfen. Ich erzähle Ihnen das aus einem ganz bestimmten Grund. Dieser Grund hat mit meiner Oma wiederum zu tun. Die Alliierten hatten nämlich Oma Martchen in den letzten Kriegswochen eine Bombe aufs Haus geworfen. Danach hat die halbe Vorderfront vom Haus gefehlt. Die Familie – also meine Oma, der Vater war schon im Krieg gestorben, meine Mutter und ihre drei Brüder – hat überlebt, zum Glück. Sonst stünde ich heute nicht hier und könnte nicht vor Ihnen reden. Meine Oma hätte also allen Grund gehabt, wütend über die Bombardierung zu sein, und wütend war sie auch. Stinksauer war sie, wenn ich mich recht an sie erinnere, wenn sie vom Krieg gesprochen hat. 30 Jahre lang war sie stinksauer, aber eben nicht auf die Bomberpiloten der Alliierten, sondern auf den Mann, der diesen Krieg vom Zaun gebrochen hatte und Deutschland, Europa und die Welt in einen Krieg gestürzt und unfassbares Leid und Tod über Millionen Menschen gebracht hat. Für meine Oma war der 8. Mai ein Tag der Befreiung. Das ist der Punkt, auf den ich hinauswill. Denn meine Oma konnte sehr gut unterscheiden zwischen Auslöser und Ursache. Ihre Lektion, die sie durch eben diese Geschichte, die am Küchentisch wieder und wieder erzählt worden war, diese Lektion, die sie an mich weitergab, war auch für mich dann plötzlich ganz simpel und nachvollziehbar: Ein Glück, dass es vorbei ist. Mit „es“ hat meine Oma immer nicht nur den 8., also alles gemeint, was dem 8. Mai 1945 vorausging. Ein Glück, dass es vorbei ist – eine wahre Befreiung.

Die Debatte, die wir heute hier führen, ist keine bloße Formalie. Sie ist eben Ausdruck der Frage, wie wir erinnern. Und damit sind wir wieder zurück bei Ihrem Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linken. Ein gesetzlicher Feiertag, so Ihre Argumentation, würde dem Tag den Rahmen und die Würdigung geben, die er verdient. Das ist so. Worum es mir geht und worum es uns geht, das ist ja auch die Frage, ob das genug ist. Erinnern ist mehr als ein Feiertag im Kalender, das wissen Sie so gut wie ich. Erinnern ist eine Aufgabe, die aktive Auseinandersetzung erfordert – siehe die Geschichte mit meiner Oma. Und genau hier setzt unser Vorschlag einer Gedenkwoche an. Sie erinnern sich an den November. Eine Woche, die nicht nur das historische Datum ehrt, sondern die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit in den Mittelpunkt rückt: in Schulen, in Vereinen, in der politischen Bildung. Eine Woche, in der Zeitzeugen ihre Geschichten erzählen, in der Museen ihre Tore weit öffnen, in der junge Menschen ermutigt werden, Fragen zu stellen, in der die Boomer, also quasi meine Generation oder die Generation vor mir, eingeladen werden, darüber zu reflektieren, wie sie sich selbst sehen als Mittler zwischen der Kriegsgeneration auf der einen Seite und den jungen Leuten, die wir heute hier zu Gast haben im Landtag auf der anderen Seite. Denn Erinnern ist nicht das stille Betrachten von Gedenktafeln, es ist das lebendige Weitertragen von Geschichten. Denn dieser 8. Mai, der birgt so viele Geschichten, die allesamt noch nicht erzählt worden sind. Für manche Menschen begann mit dem 8. Mai auch eine Zeit des Schmerzes und der Neuanfänge:

Flucht, Vertreibung, neue politische Abhängigkeiten. Für andere begann damit eine Zeit des Aufbaus, des Glücks und eine lange Ära des Friedens. Das wollen wir nicht vergessen. Es gibt nicht die eine einheitliche Erfahrung dieses Tages. Deswegen brauchen wir Raum für Differenzierung, für Diskussion. Wir brauchen Raum für Reflexion. Eine Gedenkwoche kann diesen Raum, kann diese Zeit geben. Es ist unsere Aufgabe, die Aufgabe unserer Generation, Geschichte erfahrbar zu machen, eben nicht durch starre Rituale, sondern durch eine Erinnerungskultur, die echte Anteilnahme ermöglicht. Kommen wir zusammen. Reden wir. Und vor allem aber hören wir einander zu.

Wenn wir Ihren Antrag heute ablehnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, dann, weil wir ihn weiterdenken mit einer Gedenkwoche, die nicht nur Symbol ist, sondern gelebte Erinnerung, denn Erinnern braucht Raum und Zeit, auch, um Muster in der Geschichte zu erkennen. Eines dieser Muster lautet beispielsweise, Krieg neigt dazu, an seinen Ursprungsort zurückzukehren. Der Zweite Weltkrieg begann im September 1939 mit dem Überfall auf Polen. Bereits im Mai 1940 – ich konnte es nicht glauben und musste das noch mal nachschlagen und nachprüfen –, nur sieben Monate später kehrte er nach Deutschland zurück, als die Alliierten anfingen, Bombenangriffe auf das Ruhrgebiet zu fliegen. Ich denke immer noch, dass es ein Irrtum ist, zu glauben, Militarisierung und Aufrüstung allein führten zu mehr Sicherheit. Denn klar, Kriege werden militärisch entschieden, doch ihre Ursachen liegen selten nur im Militärischen. Die Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Diktatur war das Ergebnis harter, unerbittlicher und militärischer Gewalt und es war das Ergebnis einer klaren politischen Vision für eine Nachkriegsordnung, die sicherstellen sollte, dass sich das eben nicht wiederholt. Heute erleben wir eine zunehmende Militarisierung, eine Militarisierung des Denkens. Feindbilder werden neu gezeichnet. Verteidigung wird mit Angriff verwechselt und der Glaube, dass allein Waffen Frieden sichern können, greift um sich. Die Lehren des 8. Mai sind nicht eindimensional. Er erinnert uns einerseits daran, dass Freiheit verteidigt werden will, und er erinnert uns andererseits daran, dass ungebremstes Wettrüsten jederzeit in Eskalation umschlagen kann. Erinnern heißt auch, sich diesen Widerspruch bewusst machen. Die Frage ist also nicht, ob wir erinnern, sondern wie wir erinnern. Ein Feiertag kann ein Zeichen setzen, doch eine Gedenkwoche kann ein Bewusstsein schaffen. Erinnern darf nicht erstarren, es muss atmen, wachsen und es muss verstanden werden. Lassen Sie uns daher den 8. Mai nicht als isolierten Tag betrachten, sondern als Auftakt einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, die mehr ist als formale Ehrung. Lassen Sie uns diesen Tag nutzen, um gemeinsam zu fragen: Welche Lehren ziehen wir aus der Vergangenheit für unsere Zukunft? Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, BSW, SPD)

Danke schön. Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen von Rednern. Bitte schön, Frau König-Preuss von den Linken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, Zuschauerinnen auf der Tribüne und am Livestream, ich stehe hier so ein bisschen irritiert nach den zwei Reden, die es jetzt hier gerade gab. Die eine war auf der einen Seite erwartbar, auf der anderen Seite, glaube ich, anmaßend und überhöhend, im Sinne davon, sagen zu können, ob sich Juden und Jüdinnen am 8. Mai 1945 wirklich befreit gefühlt haben. Ich glaube nicht, dass Ihnen das zusteht, darüber ein Urteil zu fällen oder das zu bewerten.

(Beifall Die Linke)

(Abg. Quasebarth)

Und ich bin mir sehr sicher, dass diejenigen, die am 8. Mai befreit wurden – und das waren eben an erster Stelle diejenigen, die in den Jahren vorher verfolgt, entrechtet, geknechtet, verletzt, ermordet wurden –, sehr wohl den 8. Mai als Feiertag sehen. Und ich sage das auch deswegen aus der Überzeugung, weil ich knapp anderthalb Jahre in einem Elternheim in Israel für Holocaust-Überlebende gearbeitet habe und sehr wohl weiß, wie es denjenigen, die befreit wurden, ging, nachdem sie befreit wurden. Und ich finde es absolut erschütternd, was hier erneut für Aussagen aus der AfD-Fraktion zum 8. Mai gekommen sind. Ich muss ehrlich sagen, ich finde es auch erschreckend, wie wenig Reaktion es darauf gab, was sozusagen schon hingenommen wird und wo nicht mehr widersprochen wird.

(Beifall Die Linke)

Das ist einer der Gründe, warum wir übrigens auch sagen, dass es notwendig ist, den 8. Mai als Feiertag zu machen, wenn sich hier die AfD plötzlich gemein macht mit Menschen, die sich sehr klar positioniert haben, und meint, sie würde mit denen auf einer Ebene stehen. Wenn die AfD sich hier hinstellt und sagt, die Koalition hätte sich ja jetzt auch der Position der AfD angeschlossen und es kommt kein wirklicher Widerspruch aus ihren Reihen. Was ist denn los? Was ist denn los bei Ihnen, warum machen Sie das nicht? Und ich muss ehrlich sagen, das finde ich schon etwas schockierend.

Wir als Linke haben vorgeschlagen, dass der 8. Mai in diesem Jahr einmalig ein Feiertag wird. Wir haben in der ersten Lesung dazu hier im Landtag in der ersten Debatte sehr viel auch inhaltlich ausgeführt und begründet. Zwischendurch gab es, wie gesagt, die Innenausschusssitzung, die sich damit beschäftigt hat und wo dann am Ende leider mehrheitlich dieser 8. Mai – dieses Jahr zum 80. Mal – als einmaliger Feiertag von der Mehrheit abgelehnt wurde. Es gab unterschiedlichste Gründe, angefangen von „die Zeit würde nicht mehr ausreichen, das umzusetzen“. Doch, die reicht aus. Das hätte man auch im Übrigen schon eher machen können, weil wir den Antrag ja nicht erst jetzt vor einem Monat eingereicht haben, sondern bereits im November hätte das geschehen können. Die entsprechende rechtliche Grundlage dafür ist vorhanden. Also auch da gab es keinen Widerspruch. Es gab aber weitere Argumente, unter anderem, dass man damit ja den 8. Mai nicht genügend – ich sage mal – würdigen würde, wenn man es nur einmalig macht, und dass es ja eigentlich auch gut wäre, wenn man den 8. Mai nicht nur im Jahr 2025 zum Feiertag erklärt, sondern wenn man das grundsätzlich macht, eben aufgrund der Bedeutung des 8. Mai 1945, aufgrund der Bedeutung der Befreiung. Übrigens sprechen sich unterschiedlichste Personen dafür aus, dass der 8. Mai ein Feiertag werden soll in Bundesländern, aber es gibt auch diejenigen, die sagen, eigentlich muss es bundesweit erfolgen, darunter der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Gewerkschaften, unterschiedlichste SPD-Landesverbände. Ich meine sogar, die SPD-Vorsitzenden haben sich bereits schon einmal dafür ausgesprochen. Die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht hat sich dafür ausgesprochen. In Berlin hat die CDU einem entsprechenden einmaligen Feiertag mit zugestimmt. Hier in Thüringen werden jetzt Argumente gefunden, warum das nicht gehen soll. Ich glaube, an der Stelle kann man auch mal die eigene Ehrlichkeit, die ehrliche Authentizität und die eigene Haltung ein Stück kritisch hinterfragen. Warum stimmen Sie dem nicht zu? Ist es Ihre eigene Überzeugung oder konnten Sie sich aus unterschiedlichen Gründen vielleicht in der Koalition nicht durchsetzen? Oder stimmen Sie nicht zu, weil der Vorschlag aus der Linken kommt? Oder ist das, was Sie bisher öffentlich im Hinblick auf den 8. Mai von sich gegeben haben, vielleicht doch nicht so ernst gemeint?

Es gibt kein Grund, dem heute nicht zuzustimmen. Trotzdem wird es aus der Brombeere vielleicht auch noch weitere Argumente geben. Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass es im Innenausschuss Debatten gab und dass in diesen Debatten unter anderem auch gesagt wurde, man sei ja offen, man fände das ja

grundsätzlich auch okay, aber vielleicht wäre es ja doch sinnvoller und besser, den 8. Mai grundsätzlich als Feiertag in Thüringen einzuführen und nicht nur einmalig.

Wir sind dem natürlich sehr offen gegenüber und ich kann Ihnen jetzt schon sagen, wenn Sie heute hier den einmaligen Feiertag für dieses Jahr ablehnen werden, nehmen wir natürlich die Anregung aus dem Innenausschuss auf und werden einen Gesetzentwurf einreichen, mit dem wir den 8. Mai als Feiertag in Thüringen grundsätzlichen etablieren wollen. Herzlichen Dank.

(Beifall Die Linke)

Ich danke. Ich frage jetzt noch mal in die Reihen der Abgeordneten: Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Dann schaue ich mal zur Landesregierung. Innenminister Georg Maier hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich kann mich noch gut an den 8. Mai 1985 erinnern. Das ist jetzt gerade 40 Jahre her. Sie wissen, dass ich im Westen geboren und aufgewachsen bin. Damals sprach der Bundespräsident Richard von Weizsäcker und er hat zum ersten Mal gesagt, dass es ein Tag der Befreiung ist. Die alte Bundesrepublik hat 40 Jahre lang gebraucht, 40 Jahre lang, um an den Punkt zu kommen. Das war ein Meilenstein und hat auch für mich, für meine persönliche politische Sozialisierung – ich war damals in der 12. Klasse – ganz wesentlich dazu beigetragen, dass ich für mich selbst immer die Bekämpfung des Faschismus zur obersten Maxime erklärt habe und das will ich auch weiterhin tun.

Deshalb sage ich das auch ganz offen, ich bin dafür, dass der 8. Mai zu einem Feiertag wird. Wenngleich das Wort „feiern“ in diesem Zusammenhang etwas schwierig ist, aber nichtsdestotrotz, es ist natürlich ein ganz besonderer Tag, der meines Erachtens zu einem Feiertag gemacht werden sollte. Nun ist es aber so, dass natürlich, wenn es jetzt darum geht, das ad hoc zu machen, damit auch Risiken verbunden sind, dass dieser Tag eben nicht diese Bedeutung durch einen – wie soll ich sagen – würdigen Feiertag erfährt,

wie er erfahren sollte. Das darf man nicht von der Hand weisen. Es wird dazu führen, dass gerade auch viele Familien, Pendler, aber auch Menschen, die zum Beispiel in Krankenhäusern arbeiten oder in anderen Einrichtungen, die auch an Feiertagen arbeiten müssen, sich plötzlich vor die Situation gestellt sehen, dass eben Kindergärten angeschlossen sind. Die Menschen konnten sich nicht entsprechend darauf vorbereiten.

Ich sage es Ihnen en ganz offen, ich mache mir ein bisschen Sorgen über den 9. Mai, wie er in Moskau stattfinden wird. Ich habe die Befürchtung, dass der Tag der Befreiung dort mit einem Angriffskrieg verknüpft wird. Auch das sollte im Hintergrund eine Rolle spielen, dass dieser Zusammenhang, dass eben auch missbräuchlich damit umgegangen werden kann, eine Rolle spielen sollte.

Also noch mal, ich mache das sehr deutlich: Ich bin dafür, den Tag dauerhaft zum Feiertag zu machen. Wir hätten das, so wie wir – wir sage ich jetzt mal zu Rot-Rot-Grün – 2015 den Gedenktag eingeführt haben, hätten wir das auch schon frühzeitig machen können und vielleicht auch machen sollen. Wir wussten natürlich auch schon vor einem Jahr, dass der 80. Jahrestag ansteht, und insofern haben wir jetzt, wenn da gestolpert wird und wenn das ad hoc jetzt schiefgeht, weil – wie gesagt – die Menschen sich kaum darauf vorbereiten können, nichts gewonnen. Deshalb würde ich dafür plädieren, das Thema noch einmal gemeinsam zu diskutieren. Ich würde dafür werben, dass man das tut, dass man den zum Feiertag macht. In Berlin ist das ja so, allerdings jetzt war es der 75. Jahrestag, dann der 80., nach meiner Kenntnis.

(Abg. König-Preuss)

Dort haben sich die Parteien dazu entschlossen, es so zu tun. Ich würde das unterstützen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Herzlichen Dank. Wir kommen damit zum Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Sie haben ja gehört, dass es eine Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss auf Ablehnung des Antrags gibt, deshalb werden wir jetzt direkt über den Antrag abstimmen, und ich bitte zunächst um Handzeichen, wer dem Antrag in der Drucksache 8/68, Antrag der Fraktion Die Linke, zustimmen möchte. Hier sehe ich die Hände der Fraktion Die Linke. Wer ist dagegen? Hier sehe ich die Hände der Fraktionen der SPD, BSW, CDU, AfD. Wer enthält sich? Sehe ich niemanden. Damit ist der Antrag abgelehnt und wir würden damit diesen TOP schließen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, Die Linke: 8. Mai Feiertag!)

Wir haben in der Tagesordnung vereinbart bzw. festgehalten, dass der Punkt 8 von der Tagesordnung abgesetzt wurde. Deshalb eröffne ich jetzt die Aussprache zu TOP 9

Geschlechtergerechtigkeit am Thüringer Arbeitsmarkt stärken Antrag der Fraktion Die Linke - Drucksache 8/317 -

Ich schaue zunächst mal zur Linken, es ist Begründung gewünscht, ja? Es haben sich zwei gemeldet?

(Zuruf Abg. Maurer: Ja!)

Okay. Frau Maurer. Gut. Gern.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Gäste da oben! Danke, dass ich die Gelegenheit habe, den Antrag zur Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt einzubringen. Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der den Blick auf die ungleichen Chancen von Frauen auf dem Thüringer Arbeitsmarkt lenken soll.

Wir wissen – das haben wir gestern auch schon in der Aktuellen Stunde, zumindest in Ansätzen, debattiert –, dass die Ursachen genau dafür vielschichtig sind, die Übernahme von Sorgearbeit, Teilzeittätigkeiten und diskriminierende Berufswahlmuster spielen dabei natürlich genauso eine Rolle wie gesellschaftliche Rollenbilder, die bis heute nur schwer aufzubrechen waren und sind.

Besonders betroffen – und auch das wollen wir in diesem Antrag auch gleich unterstreichen – sind Frauen mit Migrationshintergrund und sind Frauen mit Behinderungen, die gleich mehreren Diskriminierungsformen ausgesetzt sind. Für sie sind die Hürden am Arbeitsmarkt häufig noch viel höher, während gleichzeitig die finanziellen Absicherungen im Erwerbsleben und im Alter darunter leiden.

Unser Antrag fokussiert sich vor allem auf drei Bereiche: Familienfreundlichkeit in den Betrieben, Unterstützung von Frauen, die mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, und Impulse für eine Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingen auf Landes- und Bundesebene. Wir zielen darauf ab – und das ist vollkommen klar –, dass Armut und gesundheitliche Risiken verringert werden und Frauen beruflich, ökonomisch gestärkt werden müssen.

(Minister Maier)

Ich möchte an dieser Stelle aber der Debatte nicht allzu viel vorweggreifen. Diese Teile unseres Maßnahmenpakets werden wir im Verlauf der Debatte noch einmal ausführen. Aber nur so viel vorab: Wir sind davon überzeugt, dass es ein Bündel an Maßnahmen braucht, um Frauen endlich aus der Armutsfalle zu holen und ihnen die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, die sie verdient haben.

Von daher lade ich alle demokratischen Fraktionen gern ein. Lassen Sie uns gemeinsam für gerechte und eine echte Geschlechtergerechtigkeit in Thüringen und darüber hinaus sorgen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die strukturellen Hürden für Frauen in Thüringen und darüber hinaus weiter auszubauen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe vor allem auf eine konstruktive Diskussion. Danke.

(Beifall Die Linke)

Herzlichen Dank für die Einbringung. Es haben sich jetzt schon einige Redner gemeldet. Zunächst würde ich Frau Güngör von den Linken das Wort geben.