In den vergangenen Wochen beteiligten sich mehrere Tausend Menschen bei Coronaprotesten in Thüringen. Häufig finden diese Versammlungen an Montagen statt, in einigen Fällen auch an anderen Wochentagen.
1. Wie stellt sich jeweils die Summe der Teilnehmendenzahl aus dem Spektrum der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker an den Montagen des 6., 13., 20. und 27. Dezember 2021 sowie am 3., 10., 17. und 24. Januar 2022 bei den stattgefundenen Coronaprotesten in Thüringen dar?
2. Wie und durch wen wird die Teilnehmendenzahl dabei jeweils vor Ort in den Zuständigkeitsbereichen der Landespolizeiinspektionen Erfurt, Suhl, Gera, Gotha, Nordhausen, Saalfeld und Jena ermittelt und inwiefern finden dabei Schätzungen oder Zählungen statt?
3. Erfolgt die Art und Weise der Zählung oder Schätzung durch Beamtinnen und Beamte vor Ort in eigenem Ermessen oder welche Vorgaben bzw. Empfehlungen werden dazu durch die Landespolizeiinspektionen, die Landespolizeidirektion oder das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales vorgenommen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Lukasch beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Antwort zu Frage 1: Am 06.12.2021 nahmen ca. 6.000 Personen, am 13.12.2021 ca. 6.600 Personen, am 20.12.2021 ca. 14.000 Personen, am 27.12.2021 15.500 Personen, am 03.01.2022 ca. 17.500 Personen, am 10.01.2022 ca. 21.000 Personen, am 17.01.2022 ca. 21.000 Personen und am 24.01.2022 ca. 25.800 Personen an Versammlungen im Sinne der Fragestellung teil.
Antwort zu Frage 2: Die genannten Zahlen stammen aus der Gesamteinsatzdokumentation der Landespolizeidirektion. Die Werte setzen sich bereichsübergreifend aus Zählungen und Schätzungen der vor Ort eingesetzten Beamten zusammen. Soweit mengenmäßig möglich oder aufgrund polizeilicher Maßnahmen erforderlich, erfolgt eine Zählung, im Übrigen werden Schätzungen vorgenommen.
Antwort zu Frage 3: Die Zählungen und Schätzungen erfolgen durch die Einsatzkräfte vor Ort. Standardisierte Vorgaben im Sinne der Fragestellung bestehen nicht.
Vielen Dank. Wie stellt sich ergänzend die Zahl der eingesetzten Polizeibeamtinnen und ‑beamten sowie die Zahl der Teilnehmenden bei den Protesten der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker diese Woche am Montag, also am 31. Januar, sowie am Mittwoch, dem 2. Februar, in Thüringen dar?
Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass nach Angaben der Polizei am Montag, dem 31., in Saalfeld gemäß Pressemitteilung der Polizei 2.000 Demonstrantinnen und Demonstranten teilnahmen, anwesende Beobachterinnen und Beobachter jedoch schon am Abend eine hohe dreistellige Zahl schätzten und die folgende Auszählung des gesamten Aufzugs per Videomaterial eine Teilnehmendenzahl von knapp über 1.000 ergab und wie wird solchen Ungenauigkeiten nachgegangen und wie prüfen Sie die Zahlen?
Frau Abgeordnete, sehen Sie es mir bitte nach, Sie haben mit Ihrer Anfrage einen recherchierbaren Sachverhalt abgefragt. Jetzt habe ich Sie so verstanden, dass Sie mich fragen, wie die Prognoseeinschätzung für die nächsten Tage aussieht.
Das wäre mir sehr lieb, wenn Sie noch mal eine gesonderte Nachfrage stellen würden. Dann habe ich es jetzt falsch verstanden. Ich hatte es so verstanden, dass Sie jetzt die Teilnehmerzahlen für die nächsten Tage wissen wollten.
haben Sie die Fragen vielleicht mit formuliert? Weil Sie mir immer etwas zurufen. Ich hätte die Bitte, dass ich das mit Frau Lukasch, die die Fragen gestellt hat, direkt klären kann. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir hier noch mal eine gesonderte Nachfrage zukommen lassen,
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen jetzt in die nächste Lüftungspause, und zwar dauert die 20 Minuten, wie Sie wissen. Das bedeutet, dass es 15.00 Uhr weitergeht. Wir haben jetzt allein aus diesem Komplex noch acht Fragen und dann würden auch noch etliche weitere hinterherkommen, allerdings endet die vereinbarte Zeit für die Fragestunden um 15.25 Uhr. Also nach dem Wiederaufnehmen der Fragestunde um 15.00 Uhr gibt es dann noch 25 Minuten Fragezeit, und um 15.25 Uhr geht es dann weiter mit dem Tagesordnungspunkt 31 a unserer regulären Tagesordnung, nur für Ihre persönliche Arbeits- und Zeitplanung. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Pause.
Meine Damen und Herren, wir machen weiter. Damit stellt Frau Abgeordnete König-Preuss Ihre Mündliche Anfrage in der Drucksache 7/4792.
In den vergangenen Wochen – ich füge ein: eigentlich seit mehr als 1,5 Jahren – fand eine Vielzahl meist rechtswidriger Coronaproteste in Thüringen statt. Dabei wurden auf verschiedenste Weise in mehreren Fällen auch antisemitische Stereotype und Codes bedient, beispielsweise durch stilisierte Davidsterne mit der Aufschrift „ungeimpft“, die einzelne Teilnehmer bereits mehrfach bei Protesten in Thüringen beispielsweise in Form einer Armbinde trugen.
1. Wie viele antisemitische Vorfälle welcher Art wurden der Landesregierung im Zusammenhang mit den Protesten aus dem Spektrum der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker in Thüringen zwischen dem 6. Dezember 2021 und dem 24. Januar 2022 in Thüringen bekannt?
2. Wie viele antisemitische Vorfälle wurden der Landesregierung bzw. ihr nachgeordneten Behörden im Zusammenhang mit den Protesten aus dem Spektrum der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker jeweils in den Jahren 2020, 2021 und 2022 – bis zum 24. Januar – in Thüringen bekannt?
3. Wie hoch ist die Summe der Gesamtzahl antisemitischer Straftaten in Thüringen jeweils in den Jahren 2020, 2021 und 2022 – bis 24. Januar –?
4. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu antisemitischen Stereotypen, die im Zusammenhang mit den Protesten aus dem Spektrum der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker verbreitet werden?
Danke, Frau König-Preuss. Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Inneres und Kommunales. Herr Staatssekretär, Sie haben wieder die Dauerarena.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich einige Punkte vorab anmerken: Extremisten, vor allem bekannte Rechtsextremisten sowie Reichsbürger und Selbstverwalter, nutzen die aktuellen wieder verstärkt auftretenden Proteste gegen die Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, um ihren Anliegen breitere gesellschaftliche Resonanz zu verschaffen. Dabei stehen insbesondere die Verschärfungen des Infektionsschutzes und die öffentliche Diskussion über eine etwaige Impfpflicht im Vordergrund. Für Extremisten bietet die Pandemie weiterhin eine willkommene Gelegenheit, ihre Botschaften mit dem Ziel in die Öffentlichkeit zu tragen, eine Anschlussfähigkeit für verfassungsfeindliche Bestrebungen herzustellen.
Insbesondere der Bereich „Geschichtsrevisionismus“ spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Vergleiche zwischen Pandemiepolitik und Nationalsozialismus, die Gegner der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bzw. Impfskeptiker mit Verfolgten des Nationalsozialismus, mit Widerstands- oder Freiheitskämpfern und/oder mit Verfolgten in Unrechtsregimen ganz allgemein gleichsetzen, deuten auf eine relativierende Haltung unter anderem gegenüber den historischen Verbrechen des Nationalsozialismus hin. Oft ist diese Position mit einer Täter-Opfer-Umkehr verbunden, indem zudem verstörungstheoretische und antisemitische Stereotype globaler Mächte im Hintergrund für die Lage verantwortlich gemacht werden und der demokratisch gewählten Regierung der Bundesrepublik die Legitimität abgesprochen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König-Preuss beantworte ich unter Berücksichtigung der Vorbemerkung für die Landesregierung wie folgt:
Antwort zu Frage 1: Regelmäßig sind antisemitische Einstellungen nicht ausschließlich durch die Begehung von Straftaten festzustellen. Die Auseinandersetzung mit Vorurteilen gegen Jüdinnen und Juden oder gegen den jüdischen Glauben ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die nicht allein von den Sicherheitsbehörden gelöst werden kann. Ich versichere, dass die Sicherheitsbehörden ihren Beitrag dazu leisten und auch zukünftig leisten werden. Im angefragten Zeitraum wurde ein Vorfall mit antisemitischem Hintergrund bekannt.
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen: Die enorme Vielzahl an Einsätzen der Polizei im Rahmen des Protestgeschehens hat eine erhebliche Mehrbelastung der Einsatzkräfte zur Folge. In aller Regel werden im Einsatzverlauf nur die Gesamtzahl der festgestellten Straftaten erhoben und jeweils ein Vorgang samt Aktenzeichen dazu generiert, auch wenn mehrere Personen an der Begehung beteiligt waren und mehrere Delikte verwirklicht wurden. Später müssen dann – ich hatte das bereits ausgeführt – die Folgeaktenzeichen zu allen Beteiligten generiert und die entsprechenden Vorgänge im Vorgangsbearbeitungssystem ergänzt und bearbeitet werden. Das ist aber aufgrund der Folgeeinsätze derzeit nicht immer zeitnah möglich. Hinzu kommt die gegebenenfalls erforderliche Auswertung von polizeilichen Videoaufzeichnungen, welche zur Einleitung weiterer Ermittlungsverfahren führen kann. Dies führt dazu, dass die Daten zu der Anzahl von Straf- und Ordnungswidrigkeiten nicht valide und als nicht abschließend anzusehen sind.
Antwort zu Frage 2: In der laufenden Auswertung des Coronaprotestgeschehens wurden im angefragten Zeitraum geschichtsrevisionistische und/ oder verschwörungstheoretische Beiträge im niedrigen zweistelligen Bereich bekannt. Die Anzahl von antisemitischen Straftaten im angefragten Zeitraum beläuft sich auf drei Delikte.
Antwort zu Frage 3: Für das Jahr 2020 wurden im Freistaat Thüringen 116 antisemitische Delikte registriert. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 wurden 114 antisemitische Straftaten bekannt. Die Gesamtzahl der antisemitischen Straftaten des Jahres 2021 sowie des Jahres 2022 liegt noch nicht valide vor.
Antwort zu Frage 4: Die Landesregierung verurteilt antisemitische Einstellungen und Handlungen. Beim Bekanntwerden von antisemitischen Straftaten werden diese konsequent verfolgt.
Sehr geehrte Damen und Herrn Abgeordnete, Deutschland trägt, insbesondere vor dem Hintergrund des Völkermordes des nationalsozialistischen Unrechtregimes an Juden in Europa, eine
besondere Verantwortung. Der Schutz jüdischen Lebens ist deutsche Staatsräson und somit auch Leitbild der Politik des Freistaats Thüringen. Die Landesregierung verurteilt jegliche Form von antisemitischen Anfeindungen und Bedrohungen gegenüber jüdischen Bürgerinnen und Bürgern. Sie tritt entschieden gegen alle Formen des Antisemitismus auf, sowohl mit Mitteln der Strafverfolgung als auch der Prävention. Dabei werden die den Vorurteilen zugrunde liegenden politischen Ursachen besonders in den Blick genommen. Nur wenn sich alle Jüdinnen und Juden in Deutschland sicher und zu Hause fühlen können, haben wir den Kampf gegen Antisemitismus gewonnen. Aus diesem Grund steht das Thema „Bekämpfung von Antisemitismus“ und der Schutz von Menschen jüdischen Glaubens sowie der jüdischen Gemeinden in Deutschland und in Thüringen ständig auf der Agenda der Sicherheitsbehörden. Zuletzt wurde in der Stuttgarter Erklärung der Innenministerkonferenz am 2. Dezember 2021 in der Stuttgarter Synagoge diese hohe Priorität noch einmal deutlich hervorgehoben. Darüber hinaus möchte ich auf die erfolgreiche und enge Zusammenarbeit mit dem Landesbeauftragten für die Förderung jüdischen Lebens hinweisen. Dieser ist Ansprechpartner für die jüdische Landesgemeinde und die Jüdinnen und Juden im Freistaat Thüringen und koordiniert darüber hinaus ressortübergreifend die Förderung jüdischen Lebens und jüdischer Kulturen sowie Maßnahmen und Instrumente der Bekämpfung des Antisemitismus.