In den vergangenen Wochen kam es zu einer Reihe überwiegend unangemeldeter Versammlungen aus dem Spektrum von Coronaleugnern, ‑skeptikern und ‑maßnahmenkritikern in Thüringen, die in der Regel rechtswidrig zustande kommen und eine Vielzahl von Verstößen gegen die Infektionsschutzbestimmungen begehen. Im Vorfeld wird in sozialen Medien, häufig über offen zugängliche Gruppen des Dienstes „Telegram“, zu derartigen unangemeldeten Versammlungen mobilisiert.
Welche öffentlich zugänglichen Telegram-Gruppen sowie gegebenenfalls Websites, YouTube-Kanäle etc. aus dem Spektrum von Coronaleugnern, ‑skeptikern und ‑maßnahmenkritikern fließen namentlich in die Bewertung der wöchentlichen Versammlungslagen in Thüringen mit ein?
Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Inneres und Kommunales, Herr Staatssekretär Götze. Sie können dann gleich stehen bleiben für die kommenden Fragen, wenn Sie das möchten. Es sei denn, Sie wollen gern auch noch mal ein bisschen spazieren gehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kalich beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Das Amt für Verfassungsschutz klärt im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenstellung Telegram-Gruppen und die Kanäle im Internet sowohl offen als auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln auf. Die Polizei betreibt ebenfalls Aufklärung im Internet. Neben Telegram werden dabei öffentlich zugängliche Quellen aus Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und weiteren öffentlich zugänglichen sozialen Medien gesichtet.
Die unüberschaubare Vielzahl der Quellen sowie häufige Wechsel beim Informationsangebot erschweren die Internetaufklärung deutlich und führen oftmals nur zur kursorischen Prüfung der Datenmengen. Eine Auflistung der erfragten Informationen kann auch aus polizeitaktischen Gründen nicht gegeben werden. Zudem ließe sie spezifische Rückschlüsse auf die Tätigkeit des Amts für Verfassungsschutz zu und würde somit seine Aufgabenerfüllung gefährden. Eine Einzelfallabwägung mit dem Informationsinteresse des Abgeordneten ergibt hier, dass dem Geheimschutz Vorrang vor dem Informationsanspruch des Abgeordneten einzuräumen ist.
Der Kollege Kalich hatte ja nachgefragt nach öffentlich/offen zugänglichen Gruppen. Ist es möglich, dass die uns schriftlich, gegebenenfalls auch als Verschlusssache, so wie schon häufiger geschehen, zugearbeitet werden? Denn es geht nicht darum, irgendwelche geheimen oder Quellenzugänge zu erfahren, sondern welche offenen Strukturen mit erfasst werden.
Also, ich bleibe hier bei meiner Aussage, dass schon aus polizeitaktischen Gründen diese Antwort nicht gegeben werden kann. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass wir es bei diesem Fragenkomplex mit 38 Fragen zu tun haben, die den Charakter einer allgemeinpolitischen Richtungskontrolle besitzen und aus meiner Sicht auch in ihrem Umfang nicht in den Rahmen einer Mündlichen Fragestunde passen. Insofern wäre hier eigentlich § 85 Geschäftsordnung des Thüringer Landtags mit dem vorgegebenen Zeitrahmen für die Beantwortung anzuwenden. Ich bitte um Verständnis, dass diese Antworten innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit nicht gegeben werden können, da die Prüfung hier nur sehr kursorisch erfolgt.
Weitere Nachfragen? Dann geht es weiter mit der Frage des Herrn Abgeordneten Reinhardt in der Drucksache 7/4790.
In den vergangenen Wochen kam es zu einer Reihe an Versammlungen aus dem Spektrum von Coronaleugnern, ‑skeptikern und ‑maßnahmenkritikern in Gera. Am 18. Januar 2022 wurde der Oberbürgermeister der Stadt Gera durch einen nach meiner Kenntnis planmäßigen unangemeldeten Aufzug vor seinem Privathaus bedroht. Ebenso soll am 25. Januar 2022 eine Gruppe um einen bundesweit aktiven Neonazi aus Halle das Privathaus aufgesucht, Parolen skandiert und anschließend ein Video davon in sozialen Medien verbreitet haben.
1. Wie stellen sich die Zahlen der Teilnehmenden von Protesten der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker zwischen dem 6. Dezember 2021 und dem 24. Januar 2022 in Gera jeweils dar – bitte nach Versammlungsdatum darstellen –?
2. Wie stellen sich die Zahlen der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei den Protesten der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker zwischen dem 6. Dezember 2021 und dem 24. Januar 2022 in Gera jeweils dar – ebenfalls mit der Bitte versehen, nach Versammlungsdatum darzustellen?
3. Wie hoch ist jeweils die Summe der zwischen dem 6. Dezember 2021 und dem 24. Januar 2022 in Gera durchgeführten Identitätsfeststellungen, eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren und
eingeleiteten Strafverfahren im Zusammenhang mit Protesten der Coronaleugner, ‑skeptiker und ‑maßnahmenkritiker?
4. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zu den bedrohlichen Anfeindungen – insbesondere am 18. und 25. Januar 2022 – gegen den Oberbürgermeister vor und welche Maßnahmen ergreift sie zu dessen Sicherheit?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Reinhardt beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Antwort zu Frage 1: Vom 6. Dezember bis 24. Januar 2022 wurden im Sinne der Fragestellung folgende Teilnehmerzahlen festgestellt: 9. Dezember 2021 150 Teilnehmer, 13. Dezember 2021 6 Teilnehmer, 20. Dezember 2021 2.240 Teilnehmer, 27. Dezember 2021 4.000 Teilnehmer, 30. Dezember 2021 160 Teilnehmer, 3. Januar 2022 3.500 Teilnehmer, 10. Januar 2022 3.069 Teilnehmer, 17. Januar 2022 3.580 Teilnehmer, 18. Januar 2022 1.200 Teilnehmer, 19. Januar 2022 130 Teilnehmer, 23. Januar 2022 50 Teilnehmer, 24. Januar 2022 3.100 Teilnehmer. So weit die Antwort zu Frage 1.
Die Antwort zu Frage 2: Die Zahlen der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei den Protesten gegen die Maßnahmen der Pandemieeindämmung zwischen dem 6. Dezember 2021 und dem 24. Januar 2022 in Gera stellen sich wie folgt dar: 9. Dezember 2021 21 Polizeibeamte bzw. ‑beamtinnen, 20. Dezember 2021 28 Polizeibeamte, 27. Dezember 2021 78 Polizeibeamte, 30. Dezember 2021 61 Polizeibeamte, 3. Januar 2022 36 Polizeibeamte, 10. Januar 2022 404 Polizeibeamte, 17. Januar 2022 358 Polizeibeamte, 18. Januar 2022 88 Polizeibeamte, 19. Januar 2022 137 Polizeibeamte, 23. Januar 2022 65 Polizeibeamte und 24. Januar 2022 145 Beamte.
Die Antwort zu Frage 3: Es wurden 112 Identitätsfeststellungen durchgeführt, 28 Bußgeldverfahren und 48 Strafverfahren eingeleitet, die Zahlen zu eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Versammlungsteilnehmerinnen und Versammlungsteilnehmer sind in dieser als nicht valide anzusehen. In aller Regel werden im Einsatzverlauf nur die Gesamtzahl der bekannten Straftaten erhoben und jeweils ein Vorgang samt Aktenzeichen dazu generiert, auch wenn mehrere Personen an der Begehung beteiligt waren und mehrere Delikte verwirklicht wurden. Die enorme Vielzahl an Einsätzen hat eine erhebliche Mehrbelastung der Einsatzkräfte
und Sachbearbeiter zur Folge. Später müssen dann die Folgeaktenzeichen zu allen Beteiligten generiert und die entsprechenden Vorgänge befüllt und bearbeitet werden. Das ist aber aufgrund der Folgeeinsätze derzeit nicht immer möglich. Hinzu kommt gegebenenfalls die erforderliche Auswertung von polizeilichen Videoaufzeichnungen, welche zur Einleitung weiterer Ermittlungsverfahren führen kann.
Die Antwort zu Frage 4: Am 18. Januar passierte gegen 20.00 Uhr zunächst ein Aufzug, bestehend aus 1.200 Teilnehmern, die Neue Straße aus Richtung Kultur- und Kongresszentrum kommend. In der Neuen Straße vor dem Abzweig Tivolistraße stoppte der Aufzug für ca. 3 bis 4 Minuten in Höhe des von dort einsehbaren ca. 50 Meter entfernten Wohnobjekts des Geraer Oberbürgermeisters Vonarb. Durch die Versammlungsteilnehmer wurden hier unter anderem Parolen gerufen, die sich gegen die Person des Oberbürgermeisters richteten. Es wurde mehrfach „Julian muss weg“ skandiert. Aus dem Aufzug heraus leuchteten Versammlungsteilnehmer mit mitgeführten Taschenlampen auf verschiedene Fenster des Mehrfamilienhauses. Zu Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zum Nachteil des Oberbürgermeisters und/oder seiner Familie kam es nach jetzigem Kenntnisstand in diesem Zusammenhang nicht. Danach setzte sich der Aufzug unmittelbar in die Tivolistraße in Bewegung und passierte ohne ein erneutes Aufstoppen das Wohnhaus des Oberbürgermeisters in Richtung Clara-Zetkin-Straße. Das war der Ausgangspunkt der Versammlung. Es ist daher davon auszugehen, dass zumindest einem Teil der Demonstranten die genaue Adresse des Oberbürgermeisters bekannt war und die Aktionen zur Verbreitung der Adresse maßgeblich beigetragen haben. Im Zuge des gesamten Verlaufs der Demonstration am 18. Januar 2022 wurden drei Bußgeldverfahren sowie zwei Strafverfahren eingeleitet.
In einem ähnlichen Szenario am 25. Januar 2022 versuchten aus einem Aufzug heraus zehn Personen unter Mitführung von Kameras zum Wohnort des Oberbürgermeisters vorzudringen. Nach Ansprechen durch die vor Ort befindlichen Polizeikräfte entfernten sich diese Personen. Zu weiteren Annäherungen an das Wohnobjekt des Oberbürgermeisters kam es nicht.
Die Ereignisse des Versammlungsgeschehens in Gera waren Anlass für eine Gefährdungseinschätzung durch das Landeskriminalamt. Das Wohnhaus und die Person des Oberbürgermeisters Vonarb unterliegen insofern einer abstrakten Gefährdung. Bereits seit Beginn der Versammlungsbewegungen in der Stadt Gera im Zusammenhang mit der Coronapandemie wurde die Wohnanschrift des Herrn
Oberbürgermeisters regelmäßig als Schutzobjekt im Einsatzkonzept berücksichtigt, so auch am 18. und 25. Januar 2022.
Mit der Einstufung einer abstrakten Gefährdung wurden angemessene Schutzmaßnahmen, die das Wohnobjekt des Oberbürgermeisters betreffen, festgelegt. Diese werden bis auf Weiteres aufrechterhalten.
Vielen Dank erst mal, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung. Ich habe zwei Nachfragen. Das eine ist: Nach meinem Kenntnisstand wird in der öffentlichen Telegram-Gruppe „Spaziergang Gera“ seit gestern zu einer Veranstaltung am Samstag aufgerufen, bei der unter anderem auch ein Lokalpolitiker der Linken von Coronaleugnern, ‑maßnahmenskeptikern und ‑kritikern zu Hause besucht werden soll.
Erste Frage: Haben Sie davon Kenntnis und wie bewertet die Landesregierung derartige Aufrufe und welche Maßnahmen ergreifen Sie?
Zweite Frage, ergänzend zu dem ersten Fragenkomplex, den Sie schon beantwortet haben: Wie stellen sich ergänzend die Zahlen der eingesetzten Polizeibeamtinnen/-beamten sowie die Zahl der Teilnehmenden bei den Protesten der Coronaleugner, ‑skeptiker, ‑maßnahmenkritiker in der Woche vom 31. Januar 2022 bis zum Mittwoch, 2. Februar, in Gera dar?
Diese Aufrufe sind, das hatte ich deutlich zum Ausdruck gebracht, völlig inakzeptabel. Ich gehe davon aus, dass Sie diese Information schon an die zuständigen Polizeibehörden weitergegeben haben, damit diese die entsprechenden Schutzmaßnahmen ergreifen können. Wenn das noch nicht geschehen ist, dann hätte ich die Bitte, dass Sie sich mit den zuständigen Polizeibehörden auch noch einmal unmittelbar in Verbindung setzen. Ich nehme diese Information selbstverständlich auch mit und wir werden die im Landeskriminalamt entsprechend bewerten lassen, wobei ich jetzt nicht weiß, um welche Person es sich konkret handelt, da Sie den Namen nicht genannt haben.
Herr Staatssekretär, gibt es Angaben über die Anzahl der Verletzten während der von Ihnen genannten Spaziergänge?
Diese Frage kann ich Ihnen so ad hoc nicht beantworten. Die Zahlen liegen mir hier leider nicht vor.
Ich hatte eingangs schon auf den Umfang der vorliegenden Anfragen und die zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit hingewiesen. Ich würde Sie bitten, hier eine gesonderte Anfrage zu stellen, damit wir den Kollegen, die diese Fragen beantworten müssen, dann auch genug Zeit geben, um die Sachverhalte zu recherchieren und korrekt zu beantworten. Also stellen Sie bitte eine Kleine Anfrage.