Protocol of the Session on June 2, 2021

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Grundsätzlich werden wir immer wieder von Neuem die Frage beantworten müssen, ob tatsächlich jedes Haus neu gebaut werden muss oder ob es nicht viel sinnvoller und nachhaltiger sein kann, alte Bausubstanz – eben auch im ländlichen Raum – zu erhalten. Auch da werden selbstverständlich neue Baustoffe benötigt, aber meist nur in einem beschränkteren Umfang und in einer Art und Weise, sodass vieles von dem, was wir vor Ort haben, weiterverwertet werden kann.

Was wir nicht brauchen, ist Aktionismus an der falschen Stelle oder Ignoranz einer schwierigen Situation. Wir sollten uns dabei auf unsere Stärken konzentrieren und das sind nun einmal Forschung und Entwicklung. Daraus entsteht Innovation. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. Aus den Reihen der Abgeordneten habe ich keine Wortmeldungen mehr. Ich habe es schon signalisiert bekommen, Herr Minister Tiefensee hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream, diese Aktuelle Stunde oder besser ge

sagt das Thema ist brandaktuell. Das Thema der steigenden Rohstoffpreise, der Knappheit ist – Herr Müller und andere haben es gerade angedeutet – natürlich kein neues Thema. Wir haben im Jahre 2011 extreme Preisanstiege bei Seltenen Erden, 2017/2018 noch mal bei Lithium, Kobalt, Palladium deutliche Anstiege gesehen. Aber wir diskutieren heute ein, wie ich gesagt habe, brandaktuelles, bedrohendes Thema. Ich habe mich mit diesem Thema seit Wochen beschäftigt. Wir haben dieses Thema in der Begegnung der Wirtschaftsministerinnen und Wirtschaftsminister mit Herrn Minister Altmaier vor zwei Wochen angesprochen, wir werden es jetzt in der Wirtschaftsministerkonferenz Mitte Juni wieder auf die Tagesordnung setzen und – auch das ist angeklungen – wir haben es bereits im Wirtschaftsausschuss ausführlich diskutiert. Trotzdem ist es gut, dass es jetzt hier in der Öffentlichkeit noch einmal angesprochen wird, nicht zuletzt deshalb, weil es erst einmal ein Erfolg ist, dass Politik wahrnimmt, was sich im Lande abspielt. Obwohl es eine interne Besprechung mit dem Bundeswirtschaftsminister Altmaier gewesen ist, darf ich hier so viel sagen, dass ich nicht den Eindruck hatte, dass über die Knappheit in der Chipindustrie hinaus dieses Thema wirklich in der vollen Wucht im Bundeswirtschaftsministerium angekommen ist.

Die Thematik, die Situation ist hinlänglich beschrieben. Die ist kurz zusammengefasst so: Auftragsbücher voll, nach Corona wollen wir durchstarten und jetzt ist plötzlich Kurzarbeit angesagt, die Preise steigen dramatisch, auf denen die Anbieter von Leistungen, weil die Verträge so gestaltet sind, sitzen bleiben bzw. mit höheren Kosten rechnen müssen, Bauverzug – und das alles führt dazu, dass der Aufschwung nach Corona gefährdet ist.

Was sind die Ursachen? Für diese kurzfristigen Preissteigerungen und Knappheiten ist insbesondere die Ursache in den wirtschaftlichen Entwicklungen in China und in den USA zu sehen. Das ist thematisiert worden. Die USA sind nicht nur zeitiger aus der Pandemie gestartet, haben Engpässe in ihrer Holzproduktion, die jetzt aufgefangen werden müssen durch Importe, sondern es gibt ein ehrgeiziges Programm von Präsident Biden, das insbesondere auch für die Holzbauten viel Unterstützung vorsieht. Das alles zusammengenommen – der chinesische Markt agiert ähnlich – führt dazu, dass das Holz ohne Umwege auf irgendwelchen Umschlagplätzen im Container landet, in Hamburg oder Rotterdam nach den USA verschifft und dort zu astronomischen Preisen verkauft wird. Engpässe beim Holz, Engpässe beim Verpackungsmaterial, Engpässe bei Paletten, die übrigens dazu führen, dass auch klassische Industriebetriebe von dieser Lieferkettenengpasssituation betroffen sind –

(Abg. Müller)

Kunststoff, Feinbleche, Stähle –, alles das zusammengenommen ist eine dramatische Situation. Dazu kommt – auch das ist angeklungen –, dass wir uns auch in der Zukunft mittelfristig Engpässe bei Rohstoffen, insbesondere beim Gips, vergegenwärtigen müssen. Das ist die unangenehme Folge der Entscheidung, dass wir die Braunkohletagebaue, die Braunkohlekraftwerke abschalten, deren Nebenprodukt die REA-Gipse sind.

(Beifall CDU)

Jetzt ist die entscheidende Frage und wohl auch die der Aktuellen Stunde: Wie reagieren wir darauf, was können wir tun? Herr Prof. Voigt, ich habe quasi mit dem Hörrohr zugehört,

(Zwischenruf Abg. Urbach, CDU: Sie sind modern!)

was denn jetzt an substanziellen Vorschlägen kommt, was wir jetzt tun können, was wir mittelfristig tun sollten und was eher die langfristige Perspektive ist. Und ich bin ganz bei Ihnen: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass dieser Zustand so schnell wie möglich beendet wird. Nur wie, das ist die große Frage. Wir haben ein Instrument, was kurzfristig beim Holz sofort wirkt, indem wir nämlich die Verordnung aus dem April 2021, die Verordnung zur Begrenzung des Holzeinschlags, sofort außer Kraft setzen. Der Bundeswirtschaftsminister hat uns erzählt: Die läuft ja nur bis zum 30. September – erlassen von der Bundeslandwirtschaftsministerin im April 2021, rückwirkend zum Oktober 2020. Sie wissen, das Forsteinschlagsjahr geht von Oktober bis Oktober. Hier könnte man sofort die Produktion oder die Ausweitung des Markts für Nadelhölzer, insbesondere die Fichtenhölzer, um 15 Prozentpunkte steigern. Warum warten wir auf den 30.09.? Wir haben jetzt diese Situation und wir haben noch Juni, Juli, August, September, vier Monate, wo weniger Holz, insbesondere Nadelholz, sehr stark nachgefragt von den USA, auf dem Markt ist. Ich will betonen, dass diese Verordnung – um Frau Glöckner nicht zu sehr den Schwarzen Peter zuzuschieben – eine von den Ländern geforderte Verordnung gewesen ist, die allerdings viel zu spät gekommen ist und die darauf reagieren sollte, dass man erst mal das kontaminierte Holz nimmt und nicht dem Einschlag von gesundem Holz den Vorzug gibt. Aber diese Verordnung ist aus der Zeit gefallen, sie gehört beseitigt.

Das Zweite, was wir tun können – und das ist angeklungen –, ist natürlich eine Ultima Ratio. Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt hier kein volkswirtschaftliches Seminar abhalten. Selbstverständlich ist es so, dass eine Exportbeschränkung – Frau Kniese, ich habe nie über ein Exportverbot gespro

chen, was ja ein Unterschied ist – immer die Gefahr birgt, dass es Gegenreaktionen gibt. Das ist mir selbstverständlich klar. Und natürlich sollte die Anregung, über Exportbeschränkungen nachzudenken, ein Weckruf sein, ein Weckruf an die Bundesregierung, insbesondere an die Europäische Union, wie wir diesem Problem Herr werden können. Aber um diesen Vorschlag nicht einfach nur als eine Schaufenstergeschichte abzutun, will ich schon deutlich machen, worauf ich mich beziehe. Ich beziehe mich auf eine Verordnung der Europäischen Union aus dem Jahr 2015 mit der Nummer 479. Dort heißt es: Wenn eine Krise eingedämmt oder beseitigt werden soll, die dadurch entsteht, dass der Export lebenswichtiger Produkte zu dieser Krise führt, dann kann auf Antrag eines europäischen Landes die Ausfuhr dieser Produkte von Ausfuhrgenehmigungen abhängig gemacht werden. Man muss schon mal ernsthaft darüber nachdenken: Es geht nicht darum, hier den Markt zu blockieren, den USA und China den Import abzuwürgen, sondern es geht darum, hier regulierend einzuwirken.

Das dritte Instrument ist die auch schon angesprochene sogenannte Stoffpreisgleitklausel. Wenn man sich mit der Thematik beschäftigt, muss man wissen, dass die zwar eingeführt werden kann, sie aber bei einer Ausschreibung wirksam werden zu lassen, ist an sehr, sehr hohe und enge Kriterien gebunden. Ich habe alle Vergabestellen in der letzten Woche darüber informiert, wie mit dieser Stoffpreisgleitklausel umzugehen ist. Es geht nämlich so, dass das Statistische Bundesamt die Indizes für die Preise veröffentlicht und nur dann – und ausschließlich dann –, wenn diese Indizes Sprünge machen, darf der Auftraggeber bzw. der Bieter solche Preisgleitklauseln vereinbaren. Das könnte für alle Aufträge gelten, die noch keinen Zuschlag erhalten haben, also selbstverständlich auch für diejenigen, die schon in Bearbeitung sind, aber wo ein Zuschlag noch nicht erfolgt ist, geschweige denn für die, die jetzt gerade am Beginnen sind. Mein Appell an die öffentliche Hand ist also, dass wir das in der öffentlichen Hand tun und auch natürlich in unserer Landesregierung.

Dann haben wir mittelfristige Maßnahmen. Es ist über die Sägewerkskapazitäten gesprochen worden. Ich bin mir nicht sicher, ob wir da den Daumen auf dem Problem haben. Das Problem ist meiner Ansicht nach nicht so sehr die Kapazität der Sägewerke – die verdienen sich momentan übrigens dumm und dämlich. Wer sich überhaupt nicht dumm und dämlich verdient, das sind diejenigen, die das Rohholz liefern. Die Preise sind nämlich beim Schnittholz angestiegen und beim Rohholz nicht.

(Minister Tiefensee)

(Beifall AfD)

Dort haben wir – ich habe es jetzt nicht genau im Kopf – eine Bewegung von 60 Euro auf 80, auf 70 Euro, also nur einen ganz geringen Preisanstieg. Und siehe Verordnung kommt es jetzt darauf an – und das ist auch der Appell an die Erzeuger –, dass wir die Preise anheben. Und ich bin mir bewusst – Thüringen ist ein sehr, sehr kleines Land –, wenn die ihre Rohpreise anheben, dann sagt das Sägewerk, dann nehme ich eben das polnische oder tschechische Holz. Das ist alles nicht ganz so einfach. Aber auch dort liegt ein Ansatzpunkt, dass wenigstens die Wertschöpfung bei uns bleibt und dass die Waldbesitzer außerdem angehalten werden, mehr Holz einzuschlagen. Sie sagen, wir schlagen doch nicht das Holz ein, wenn die Preise dieselben sind und nur die Sägewerke verdienen. All das muss man zusammendenken und das ist nicht ganz so trivial.

Und schließlich geht es um die Frage, wie wir langfristig agieren können. Kollege Kemmerich – gerade nicht mehr im Saal – hat die große Rundumkeule, den Rundumschlag, was die Bürokratie angeht – Vergabegesetz und weiß ich nicht, was – angesprochen. Ich möchte ihn daran erinnern: Bitte nicht mehr das Lieferkettengesetz in Verbindung mit KMU in den Mund nehmen, denn das zeugt davon, sich mit der Sache nicht beschäftigt zu haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Lieferkettengesetz gilt ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit 3.000 Beschäftigten und ab 2024 für die mit 1.000 und mehr Beschäftigten. Es hat also überhaupt gar nichts und ausdrücklich nichts mit KMU zu tun. Und so könnte man die einzelnen Dinge ansprechen, die angezeigt worden sind. Wir müssen uns – und auch das ist angeklungen – darum kümmern, dass wir Ersatzbaustoffe finden.

Liebe CDU, ich bin im Januar 2015 nach Nordhausen gefahren und habe angeregt, dass wir ein Institut gründen, dass sich mit Recycling und Wertstoffen beschäftigt. Im Jahre 2018 ist es gegründet worden, also nicht erst jetzt mit dem Haushalt 2021. Wir geben da in den Jahren 2018 bis 2022 6,5 Millionen Euro. Jetzt kommt das zweite Thema, wo die CDU einem Vorschlag des Wirtschaftsministers durch eine entsprechende Anmerkung im Haushalt gefolgt ist – danke dafür –, indem wir nämlich das Kompetenzzentrum für Nachhaltiges Bauen mit den vier Einrichtungen, die Sie kennen, aus der Taufe gehoben haben und dort 6 Millionen Euro investieren.

An dieser Stelle und in vielen anderen Bereichen, wo Forschung etwas helfen kann, werden wir auch

weiter investieren, damit wir mittelfristig gewappnet sind, solche Preisschwankungen und Lieferengpässe zu beseitigen. Danke, dass wir das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Wir haben nicht sehr viele Möglichkeiten und sind insbesondere auf Bund und EU angewiesen, dass sie jetzt dringend nach Lösungen suchen und sie auch umsetzen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister, für den ausführlichen Beitrag. Das ergäbe jetzt für die Fraktionen je Fraktion wieder 2 Minuten Redezeit. Gibt es Wortmeldungen? Nein, das ist nicht der Fall. Damit schließe ich diesen Teil der Aktuellen Stunde und rufe den fünften Teil der Aktuellen Stunde auf.

e) auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Risikoabwägung und Kindeswohl statt ‚Regierungsimpfturbo‘ für Kinder und Jugendliche in Thüringen!“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/3400 -

Das Wort hat für die AfD-Fraktion Abgeordneter Dr. Lauerwald.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen Abgeordnete und Zuhörer am Livestream, am risikoreichsten regieren die, welche über das Leben anderer regieren. Die Thüringer Landesregierung will den Impfturbo für die Kinder starten und plant diesen schon konsequent durch, obwohl keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission zum Einsatz eines Impfstoffs für unter 16-Jährige vorliegt.

(Beifall AfD)

Bisher war es üblich, dass Impfstoffe über viele Jahre getestet werden. Denn es ist eben nicht nur ein kleiner Pieks, sondern etliche Risiken und Nebenwirkungen sind möglich, vor allem auch langfristig, gerade bei Kindern und Jugendlichen, deren Körper sich noch entwickeln.

Der Impfturbo wurde vor einigen Wochen ins Spiel gebracht, der Impfplan ist aber älter. In dem Konzept für den Übergang von der Notbetreuung in den eingeschränkten Regelbetrieb in Thüringer Kitas vom 13. Mai 2020 wurde bereits verlautbart, dass der vollständige Regelbetrieb von zwei Vorausset

(Minister Tiefensee)

zungen abhängt: Impfstoff liegt vor oder Eindämmung der COVID-19-Pandemie war erfolgreich. Nun, weil Deutschland sich nicht an die Vorgaben der WHO hält und die Inzidenzwerte höher berechnet als andere Länder, ist die Pandemie zumindest mathematisch noch nicht erfolgreich eingedämmt. Die Lösung „Impfung“ wurde bereits vor einem Jahr als konkretes Ziel benannt, obwohl noch kein Impfstoff in Sicht war. Der Plan war da, bevor ein richtiger Impfstoff entwickelt wurde.

Am 17. Juli letzten Jahres habe ich auf Folgendes hingewiesen: Besonders umstritten ist der mehrfache Versuch, einen Immunitätsnachweis und damit eine gesetzliche Ungleichbehandlung und folglich quasi eine indirekte Nötigung, sich impfen zu lassen, um keinen Nachteil zu erfahren, einzuführen. Damals hatte Herr Spahn das dann doch noch aus dem Gesetzentwurf herausgenommen. Damals wollte mir Frau Rothe-Beinlich den „goldenen AluHut“ verleihen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das würde ich heute wie- der machen!“ Und damals meinte Herr Hartung – ich zitiere –: „Deswegen hier zu erzählen, wir wären kurz vor ei- ner Impfpflicht, wir müssten uns alle einen Immuni- tätsnachweis machen lassen, das ist so hanebü- chen.“ Punkt, Punkt, Punkt. (Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Ge- nau!)

Knapp ein Jahr später brauchen wir im Alltag Immunitätsnachweise.

(Beifall AfD)

Die beste Garantie für die Herausgabe der Grundrechte ist nicht mehr mal das Grundgesetz, sondern eine Impfung.

(Beifall AfD)

Nein, wir haben keine Impfpflicht, aber jetzt starten wir den Impfturbo für Kinder, obwohl noch keine Zulassung der STIKO da ist. Das Erschreckende ist, dass diese Impfung für Kinder und Jugendliche vor allem fremdnützig ist. Sie degradieren Kinder, Sie wollen nicht ausreichend geprüfte Stoffe in Kinderkörper spritzen, damit die Kinder andere nicht gefährden.

(Unruhe DIE LINKE)

Die Risiken für die Kinder selbst sind Ihnen vollkommen egal. Es wird weiterhin konsequent ausgeblendet, dass Kinder nur äußerst selten schwer an COVID-19 erkranken.

(Unruhe DIE LINKE)

Hinsichtlich der Sterberaten …

(Beifall FDP)

Ich bitte doch um etwas Ruhe im Saal. Das Wort hat überwiegend der Abgeordnete Dr. Lauerwald.