Protocol of the Session on May 7, 2021

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Antrag der Fraktion der CDU erfordert die Feststellung des Landtags, dass die Mehrheit der Thüringer Bevölkerung die Anwendung der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen als Beitrag zur Steigerung der inneren Sicherheit befürwortet und dass Videoüberwachung von besonders gefährdeten öffentlichen Plätzen unter anderem das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung steigert.

Beide Antragspunkte sind Thesen, die durch mehrere wissenschaftliche Studien beleuchtet wurden – das wurde von meinen Vorrednern auch schon erwähnt – und – auch das wurde schon erwähnt – sind teilweise revidiert. Auch ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Antwort zur Kleinen Anfrage des Herrn Abgeordneten Walk in Drucksache 7/1843 aus der 7. Legislaturperiode verweisen. Dort hat das Innen- und Kommunalministerium zu beiden angeführten Thesen ausgeführt. Zum Sicherheitsgefühl sind beispielsweise die Arbeiten von Bornewasser und Schulz, von Rothmann und Glaubitz einschlägig. Demnach unterscheidet sich das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung an Plätzen mit und ohne Videoüberwachung nicht signifikant.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Sagt die eine Studie, ja?!)

Die Einführung von Videoüberwachungsmaßnahmen führt demnach nicht zwingend zu einer Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls.

An dieser Stelle gleich der Hinweis: Ich freue mich auch auf die Beratungen im Ausschuss und möchte darauf hinweisen, dass man sich bezüglich des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit beim subjektiven Sicherheitsgefühl noch mal Gedanken machen sollte, ob das wirklich tatsächlich zu subsumieren ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts ist das zumindest nicht der Fall. Also das sollten wir nicht allzu sehr in den Vordergrund rücken, sondern Leben, Leib und Gesundheit der Betroffenen oder andere Rechtsgüter, die wirklich geschützt werden, in den Blick nehmen.

Zur Frage der Akzeptanz, speziell der Thüringer Bevölkerung, sind mir keine expliziten Arbeiten bekannt. Allgemein hingegen belegen mehrere Studien eine hohe Akzeptanz, gleichwohl die Mehrheit der Befragten die kriminalpräventive Wirkung anzweifelt. Seit kurzer Zeit wird – Herr Walk, Sie haben das bereits erwähnt – die Studie zum Thema „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ erstellt.

Das Institut für angewandte Sozialwissenschaften führt im Auftrag des Bundesinnenministeriums hierzu eine Befragung von 120.000 Bürgerinnen und Bürgern durch. Viele Thüringer haben dazu Post bekommen und sind zur Mitarbeit gebeten. Die Thüringer Polizei beteiligt sich an der Studie mit dem Fachbereich Polizei der Verwaltungsfachhochschule für öffentliche Verwaltung. Die Erkenntnisse dieser Dunkelfeldforschung haben Themenbezug und werden von uns insofern auch erwartet.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei befugt gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 1 zum Zweck der Gefahrenabwehr an einem öffentlich zugänglichen Ort, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden sollen, schon jetzt zur offenen Beobachtung mittels Bildübertragung und zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen von Personen. Darüber hinaus – daran möchte ich erinnern – besteht für die kommunalen Ordnungsbehörden gemäß § 26 Abs. 2 Ordnungsbehördengesetz die Möglichkeit, Videoüberwachung durchzuführen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für Ordnungsbehörden fordern tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Die Voraussetzungen sind gegenüber einer Polizeimaßnahme insofern etwas niederschwelliger. Damit stehen sowohl den originären Gefahrenabwehrstrukturen der Kommunen als auch der grundsätzlich subsidiär zuständigen Polizei rechtliche Instrumente im Sinne des Antrags der CDU zur Verfügung.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die dort getätigten Aussagen greifen jedoch zu kurz und deshalb möchte ich die folgenden Ausführungen ergänzen. Es muss in jedem Fall, also bei jedem als gefährlicher Ort eingestuften Arial eine singuläre Prüfung erfolgen, ob eine Videoüberwachung konkret zulässig ist. Diese Prüfung umfasst auch die Verhältnismäßigkeit, mithin die Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit der Maßnahmen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Landesregierung wird unter besonderer Berücksichtigung datenschutzkonformer Videoüberwachung zur Vorlage einer landesweiten Konzeption zur Eindämmung von Straftaten an gefährlichen Orten aufgefordert. Diese Forderung der CDU ist mit dem Verständnis der dargestellten Einzelfallprüfung nicht ohne Weiteres und so pauschal übereinzubringen. Das Innen- und Kommunalministerium vertritt die Auffassung, dass im Rahmen von Einzelfallprüfungen genau abgewogen werden muss, welche konkreten Delikte in dem jeweiligen Bereich began

gen respektive bekannt geworden sind, und insbesondere, ob eine Verhinderung dieser Delikte mit Videoüberwachung überhaupt erreicht werden könnte. Zudem ist abzuwägen, welche sonstigen Behördenmaßnahmen in Betracht zu ziehen sind, die im Sinne der Erforderlichkeit weniger eingriffsintensiv und deswegen zu präferieren sind. Denkbar sind dabei insbesondere zunächst organisatorische Maßnahmen zur Steigerung von behördlicher Präsenz und in Fällen von Gefahrensituationen personenbezogene Standardmaßnahmen, wie zum Beispiel Identitätsfeststellung und Platzverweise.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in dieser Diskussion oftmals keine Erwähnung findet, sind die städtebaulichen Maßnahmen der Kommunen. Auch das ist hier schon angeklungen. Eine Videoüberwachung erzielt vielleicht nicht den gleichen Effekt, wenn man mal auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger abheben möchte, wie eine gut beleuchtete Straße.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Genau! Des- wegen Maßnahmen bündeln!)

Ich denke, da gibt es in unseren Gemeinden an der einen oder anderen Ecke auch noch Nachholbedarf. Auch das wäre in diesem Kontext, wenn wir von Maßnahmenbündeln sprechen, mit zu betrachten.

Insofern komme ich zum Ende meiner Rede und freue mich auf die Diskussion im Innenausschuss und bin auch auf den Ausgang dieser Diskussionen gespannt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Gibt es weitere Redewünsche? Herr Abgeordneter Mühlmann, Fraktion der AfD. Ihre Redezeit beträgt noch 1 Minute und 50 Sekunden.

Ich habe die erfreuten Rufe wahrgenommen, dass ich noch mal vorgehe. Ich habe auch einiges, was ich noch ansprechen wollte, aber ich werde das jetzt alles nicht ansprechen. Aber zu einem bestimmten Punkt muss ich noch mal was sagen.

Es wurde unter anderem vorhin genannt, dass wir 300 Anwärter in der Thüringer Polizei als Einstellungskorridor haben. Das ist ernst gemeint? Rechnen Sie einfach mal nach. Diese 300 Anwärter, das klingt erst mal so viel, das ist es aber leider nicht. Wenn Sie nämlich die Zahl nachrechnen und diesen Einstellungskorridor, der von der Landesregie

rung dazu aufgestellt wird, einfach mal bis 2025 hochrechnen und gegen die Abgänge rechnen, werden Sie feststellen, dass Sie im Jahr 2025 ein Mehr von ca., also auf jeden Fall unter 100 Polizeibeamten im Land haben. Das ist bei Weitem noch nicht mal ein richtiger Tropfen auf den heißen Stein, weil wir schließlich 500 unbesetzte Haushaltsstellen in der Thüringer Polizei und über 1.000 unbesetzte Dienstposten nach den Organisations- und Dienstpostenplänen haben. Deshalb ist mir das wichtig gewesen, diesen Punkt, den Sie vorhin aufgegriffen haben, hier noch mal anzusprechen. Die 300 sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und die reichen bei Weitem nicht aus. Deshalb müssen wir dringend, muss die Landesregierung dringend hier nachregulieren, die 300 sind nicht genug.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Es wurde Ausschussüberweisung an den Innen- und Kommunalausschuss beantragt. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, AfD. Wer ist gegen diese Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Macht die FDP noch mit? Dann stellen wir das so fest, damit hat der Antrag eine entsprechende Überweisung erfahren, das ist hiermit angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schier Unglaubliches ist eingetreten, wir haben die uns vorliegende Tagesordnung in Gänze abgearbeitet. Dazu herzlichen Glückwunsch.

(Beifall CDU, FDP)

Damit kann ich auch die heutige Sitzung schließen. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Nachhauseweg, ein schönes Wochenende und wir sehen uns hoffentlich in alter Frische zur nächsten planmäßigen Sitzung am 2., 3. und 4. Juni wieder. Auf Wiedersehen.

Ende: 17.31 Uhr