Aber was sind denn aus meiner Sicht die Grundprinzipien, wonach wir tatsächlich Gesundheitspolitik ausgestalten können? Das ist einmal der Erhalt der Freiberuflichkeit. Das heißt, es muss auch Schluss sein mit dieser Hybris der Politik, die glaubt, tief in das ureigenste Handlungsfeld von Ärztinnen und Ärzten hineinregieren zu können. Dieser Etatismus ist etwas, das, glaube ich, auch die Freude am Beruf verleiden kann. Wir müssen zusehen, dass es weiterhin die freie Arztwahl gibt. Wir müssen sehen, dass die Rahmenbedingungen auch so sind, dass nicht nur mehr medizinische Fachkräfte ausgebildet werden, sondern dass man auch die Bürokratie im Griff behält, eine angemessene Vergütung zahlt und das auch am Ende dazu führt, dass die Dinge, die heute noch häufig über staatliche Institutionen gemacht werden – beispielsweise Qualitätskontrolle, Weiterentwicklung – in der Hand der Berufsstände verbleiben. Insofern: Nicht nur wer das Land ernährt, sondern vor allen Dingen wer es versorgt, verdient Respekt.
Es gibt drei Trigger, die den Entwicklungsdruck in unserem Gesundheitswesen ganz gut beschreiben. Das ist einmal der demografische Wandel, dann haben wir auch die Anspruchshaltung der Patienten, die gerade in der Notfallversorgung für die Strukturen, die wir haben, tatsächlich schwierig zu händeln ist, und es ist die Digitalisierung.
Ich habe eben etwas zu der Frage „Strukturableitung“ gesagt: Versorgungsbedarfe in den Regionen erfassen und daraus die Struktur entwickeln, die am Ende auch Menschen, Patientinnen und Patienten versorgt. Der demografische Wandel hat Multimorbidität zur Folge. Die Leute sind nicht schlimmer krank, sie sind nur mehrfach und anders krank und damit stimmen und passen auch natürlich die Angebotsstrukturen nicht mehr, die wir in den Regionen haben. Andere Bundesländer haben hier schon Modellprojekte, wie wir beides zusammenfassen – ambulante Versorgung und auch teilstationäre Versorgung.
Es ändert sich aber auch der Nachfragemarkt, dass für bestimmte Angebote überhaupt keine Nachfrage in den Regionen ist. Das sehen wir dann, wenn Krankenhäuser beispielsweise versuchen, in Teilbereichen, in besonders hoch vergüteten DRG-Fragen tatsächlich ihren eigenen Haushalt zu Recht vor der großen roten Summe zu bewahren. Es gelingt zunehmend immer weniger. Mein Appell: Wir müssen hier tatsächlich auch über neue Strukturen nachdenken.
Wir haben die Verknappung des Angebots, also die Altersstruktur der Ärzte und natürlich den Fachkräftemangel, der auch die Assistenzberufe wie MFA, PTA in den Apotheken usw. betrifft.
Ein zweiter Problemkomplex ist die Anspruchshaltung der Patienten, die oftmals eine Vollversorger-/ Vollkaskomentalität haben. Die Diskussion darüber, wie wir wieder Gesundheitskompetenz an die Patienten bringen, ist etwas, glaube ich, was ganz entscheidend ist. Sie haben den Versuch mit der Landesgesundheitskonferenz gemacht. Aber ich glaube, das reicht am Ende nicht aus, wenn Leute das Wissen tatsächlich gar nicht mehr einschätzen können, das früher über Generationen vorhanden war, mit geringfügigen Erkrankungen umgehen zu können. Da brauchen wir andere Lösungsmodelle.
Wir haben eine Verunsicherung durch Informationsflut, durch digitale Angebote. Deswegen ist sozusagen die große Diskussion um Big Data nicht die entscheidende, sondern wir brauchen die Big Idea, also wie Angebote in der Versorgung gemeinsam mit den Akteuren tatsächlich wirken können. Insofern hoffe ich sehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir recht zügig in eine sachorientierte Problemlösungsdebatte kommen. Frau Werner, wir werden Sie dabei auf alle Fälle mit unseren Positionen, die wir haben, unterstützen. Sie werden vielleicht schnell genervt sein von uns, aber das, glaube ich, dürften Sie als Ministerin gar nicht anders erwarten, wenn die FDP wieder hier im Haus sitzt. Wir freuen uns auf die Debatte mit Ihnen.
Vielen herzlichen Dank, Herr Montag. Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Herr Möller.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Gäste, der Herr Ministerpräsident hat mir die Redezeit verschafft und die kann ich jetzt auch nutzen, um seinen Darstellungen – ich kann auch eigentlich Falschdarstellungen sagen – und im Grunde auch Diffamierungen mal zu widersprechen. Das fängt schon damit an, dass Sie versuchen, immer wieder diese typischen Feindbilder zu erzeugen, und dabei mit den Fakten im Grunde schon vorsätzlich Schabernack treiben. Da erzählt mein Kollege Höcke von einem Problem, was durchaus schon eine ganze Menge Menschen hier in Thüringen erlebt haben, nämlich dass man ins Krankenhaus kommt, in diese Anamnesesituation kommt: Es ist ein ausländischer Arzt da und es gibt eine Sprachbarriere. Es gibt diese Sprachbarrieren. Ich weiß nicht, ob Sie sie bisher nicht erfahren haben, aber selbst in meiner Familie habe ich sie schon erfahren.
Und was machen Sie daraus? Ein real existierendes Problem – und wir wollen eigentlich alle über real existierende Probleme reden, das wurde auch vorhin von Ihnen, glaube ich, so gesagt – wird benannt und Sie ziehen den Schluss daraus: Der Mann, seine Fraktion, die Partei, für die er steht, die wollen die Ärzte insgesamt verächtlich machen. So ein Quatsch! Sie wissen das ganz genau, was Sie hier machen. Das ist nichts anderes, als ein Narrativ zu erzeugen. Sie pflegen Ihre eigenen Vorurteile,
Sie pflegen Ihre eigenen Stereotype, statt zuzuhören und sich des Problems anzunehmen. Das ist nicht fair, das entspricht auch nicht Ihrer Rolle, die Sie als Ministerpräsident einnehmen sollten. Das
geht weiter, Sie haben die Axt ja noch gröber geschwungen: Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Als ob das ein Spruch der AfD ist! Mit so einem Ding kommen Sie um die Ecke und dann wundern Sie sich, dass die Leute draußen auf der Straße oder an den Wahlurnen sagen: Na ja, so ganz überzeugend ist Ihre Propaganda gegen die AfD eben doch nicht.
Wer so wirklich hanebüchen versucht, die Position der AfD ins Braune zu zeichnen, der braucht sich nicht wundern, wenn dem eigenen Gerede kein Glauben mehr geschenkt wird. Und genau in dieselbe Richtung geht auch der Thüringen-Monitor; er überzeichnet derart grob, dass man sich nicht wundern muss, wenn Ihnen keiner mehr Glauben schenkt.
24 Prozent der Menschen wären rechtsextrem. Wissen Sie, wie es da auf der Straße aussehen würde? Wissen Sie, was wir da jeden Tag in der Zeitung lesen würden? Das ist im Kern eine Verharmlosung des echten, des gewaltbereiten, immer gewaltbereiten Rechtsextremismus,
was hier stattgefunden hat, und zwar auf scheinwissenschaftlicher Ebene. Das kann man und muss man natürlich auch im Parlament ansprechen.
Was wir immer wieder merken, ist, dass Ihnen unsere Position natürlich nicht gefällt. Wir werden sie trotzdem weiter sagen. Es hilft nichts, wenn Sie versuchen, uns als tumbe Ausländerfeinde darzustellen, bloß weil wir sagen, wir gehen nicht mit, wenn Sie sagen, wir brauchen jede und jeden. Das ist eine Aussage, die nicht stimmt, die geradezu kontrafaktisch ist, wenn ich mir Thüringen angucke. Thüringen braucht in einigen Bereichen Fachkräfte, übrigens auch nicht in allen Bereichen. Dieser Fachkräftemangel, den Sie hier vortragen, um Ihre Zuwanderungspolitik zu rechtfertigen – was an sich schon nicht geht, weil Zuwanderung ins Sozialsys
tem nicht kompatibel ist mit einer Lösung für Zuwanderung oder für ein Fachkräfteproblem –, dieser Fachkräftemangel existiert gar nicht so flächendeckend, wie Sie sagen.
Der existiert in bestimmten Bereichen. Oft existiert er aber vor allem bei den Firmen, die nicht genügend zahlen, die zwar ganz konkrete Vorstellungen von ihren Arbeitnehmern haben, nämlich dass sie möglichst ungebunden sind, zeitlich flexibel einsetzbar sind, örtlich ungebunden sind und sich möglichst auch noch beim Gehalt – wie soll ich sagen – nicht allzu sehr nach oben orientieren, insbesondere an westdeutschen Regionen. Und diese Menschen, die da gesucht werden, die gibt es in der Tat nicht mehr viel, weil sich die Leute auf solche Arbeitsverhältnisse nicht mehr einlassen müssen. Das heißt, wenn Sie wirklich den Fachkräftemangel ins Visier nehmen wollen, dann müssen Sie ganz gezielt bestimmte Branchen ansprechen. Aber in der Breite, wie Sie hier behaupten, existiert er eben nicht.
Deswegen tragen wir natürlich auch Ihre Argumentation nicht mit und sind nicht der Meinung, dass wir deswegen eine Zuwanderung von 10.000/20.000/30.000 Leuten hier in Thüringen brauchen, um dieses Problem zu lösen. Der Verweis von Herrn Höcke, von unserem Fraktionsvorsitzenden, auf die Tatsache, dass es so viele Leute hier in der eigenen Bevölkerung gibt, die gern arbeitswillig sind – ich selbst kenne auch genügend Menschen –, die um die 60 sind und keine Chance mehr haben, in den Arbeitsmarkt reinzukommen, wie passt denn das zum Fachkräftemangel? Das passt nämlich überhaupt nicht.
Sie als alter Gewerkschafter brauchen mir nicht erzählen, dass Sie diese Schicksale nicht auch kennen.
Dann noch mal etwas zu Augsburg, weil Sie es angesprochen und gesagt haben, zu Augsburg kann man doch alles sagen, es wird doch alles zu Augsburg geschrieben, dass es Menschen mit Migrationshintergrund waren, man kann das doch alles sagen. Die Frage ist, wie es gesagt wird. Wissen Sie, wenn man heute die Zeitung liest, dann weiß man doch ganz genau eins: Gibt es so einen Vorfall wie in Augsburg und ist darin von „Männern“ die Rede, dann waren es Ausländer. Der Mensch weiß ja mittlerweile, zwischen den Zeilen zu lesen. Sind
es Deutsche – wird von Deutschen gesprochen –, sind es in der Regel Menschen mit Migrationshintergrund. Wird allerdings der Täter als Hans F. bezeichnet, dann weiß man, es war wirklich ein Deutscher. Genau diese Erkenntnis – Sie wissen das vielleicht noch nicht –, aber genau diese Erkenntnis hat sich flächendeckend durchgesetzt.
Mittlerweile weiß man, dass man auch in der heutigen Presse- und Rundfunklandschaft – wie in der DDR – zwischen den Zeilen lesen muss. Genau das tun die Menschen mittlerweile auch,
weil so wenig wie hier im Landtag – es gilt dasselbe auch in der Presse- und Rundfunklandschaft – die Wahrhaftigkeit das Ziel ist. Man versucht, Narrative zu erzeugen, man versucht, negative Aspekte der herrschenden Politik zu verschleiern, und man versucht natürlich auch, entsprechende Denk- und Sprechverbote aufzustellen. Das gehört auch dazu.
Wenn man beispielsweise versucht, wie Sie das eben gemacht haben, das Ansprechen eines real existierenden Problems am Ende mit tumber Ausländerfeindlichkeit auszukontern oder als tumbe Ausländerfeindlichkeit einzuordnen, dann ist das genau das. Sie begründen damit ein Sprechverbot. Wer will sich denn als „tumber Ausländerfeind“ bezeichnen lassen? Das Risiko geht doch allenfalls noch ein Berufspolitiker ein, aber doch kein Mensch, der in einem normalen Arbeitsverhältnis ist, insbesondere nicht, wenn er vielleicht Beamter ist. Was Sie also machen, wenn Sie auf real existierende Probleme mit solchen Anfeindungen reagieren, dann bauen Sie genau solche Sprechverbote auf, die angeblich nach Ihrer Meinung gar nicht existieren.
Vielen Dank für die Möglichkeit einer Zwischenfrage. Zur Einordnung: Ich hatte mich gemeldet, weil der Fraktionsvorsitzende der AfD Höcke die ausländischen Ärzte pauschal diskreditiert hat. Der Ministerpräsident hat sich darüber empört und Sie haben Ihr Unverständnis darüber erklärt. An der Stelle wollte ich Sie fragen, wie Sie denn die Aussage von Herrn Höcke, die ich gut gehört habe, einordnen, als er sagte: Das sind dann diese Ärzte, die die
Anamnese – also die Aufnahme dessen, was dem Menschen fehlt – nicht einmal mehr in deutscher Sprache machen können. Sie haben – damit guckte er ins Rund – das ja auch schon alle erlebt. – Das ist eine pauschale Verunglimpfung ausländischer Ärzte. Wie können Sie diese Aussage so im Raum stehen lassen? Oder meine Frage: Wie ordnen Sie die dazu ein?
Wissen Sie, ich habe selbst ausländische Ärzte oder Ärzte mit ausländischen Wurzeln hier in Thüringen kennengelernt. Die haben ein Deutsch gesprochen, sodass ich mich mit denen wunderbar unterhalten konnte. Ich habe aber auch schon beispielsweise im Zusammenhang mit Untersuchungen bei meiner Tochter im Uni-Klinikum Jena Situationen erlebt, da musste ein anderer Arzt hinzugezogen werden, weil es eben nicht möglich war, dieses Gespräch auf Deutsch in einer Art und Weise zu führen, dass die Anamnese so fehlerfrei und ohne Kommunikationsprobleme über die Bühne gebracht werden konnte, wie es bei einem so kritischen Thema wie der Gesundheit von Menschen, der Vorbereitung von Operationen oder wichtiger kritischer Untersuchungen eigentlich erforderlich ist. Die Tatsache, dass das so möglich ist, zeigt, wie blind die Politik und auch die Verwaltung im Bereich dieses Problems in den letzten Jahren gehandelt haben. Das ist ein Thema, das Herr Höcke deswegen völlig zu Recht angesprochen hat.