Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beenden die Lüftungspause und fahren fort in der Aussprache zum Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission. Ich erteile dem Abgeordneten Walk, CDU-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Dittes, ich würde gern noch einmal auf die Dinge eingehen –
vielleicht kriegen wir dennoch ein vernünftiges Ergebnis hin –, auf Ihre Einlassungen zunächst einmal eingehen, weil mir das wichtig ist, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, die Einlassung von Ihnen bezüglich der Prüfkommission, die eingesetzt wurde, um die Personaldatenspeicherung zu kontrollieren, und auf den Hinweis der Parlamentarischen Kontrollkommission im Tätigkeitsbericht, diese Prüfungskommission aus Sicht der anderen Länder als sogenanntes potenzielles Leck anzusehen. Die Vorwürfe aus den anderen Ländern und aus dem Verfassungsschutzverbund sind bekannt und sind auch belegt. Was falsch ist – und deswegen bin ich hier noch einmal nach vorn gegangen, weil mir das wichtig ist, das klarzustellen. Ich möchte keinesfalls, dass ein falsches Bild entsteht bezüglich des sich anschließenden Satzes auf Seite 71 der Rede – ich trage es auch gleich noch einmal vor. Ich habe mich noch mal mit Kollegin Marx und mit Herrn Kollegen Hausold zusammengesetzt, sozusagen in einer außerordentlichen kleinen Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, weil wir das gemeinsam klarstellen wollen. Es ist durchgerutscht in der Rede – wir haben auch in der Kommission über diesen Passus nicht gesprochen –, deswegen will ich es klarstellen und will Ihnen auch die Passage noch einmal nennen, die wir jetzt streichen werden. Ich hatte ausgeführt in dem Bericht nach der Frage nach dem potenziellen Leck und den Vorwürfen der anderen Länder – jetzt zitiere ich –: „Dieser berechtigte und nachvollziehbare Vorwurf resultierte aus den Vorkommnissen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des NSU-Komplexes, als [...] dem Deutschen Bundestag und anderen Landtagen sowie nicht zuletzt auch dem hiesigen Landtag durch die Landesregierung auf äußerst bedenklicher Grundlage umfangreiches Material ohne Abstimmung mit den anderen Ländern zur Verfügung gestellt wurde.“ Diesen Passus werden wir streichen und wir werden in der nächsten Sit
zung uns noch einmal Gedanken machen, wie wir das anders formulieren bzw. ob wir das am besten gestrichen lassen. Das war wichtig, damit dies nicht falsch ankommt. Ich entschuldige mich ausdrücklich dafür, dass uns das gemeinsam durchgerutscht ist. Deswegen war es wichtig, dass wir uns eben noch einmal zusammengesetzt haben, um das klarzustellen.
Auf weitere Punkte von Ihnen will ich aber dennoch eingehen. Sie hatten zum einen gesagt, dass im Bericht kein Hinweis auf die rechten Netzwerke im Sicherheitsbereich Nordrhein-Westfalen von uns gegeben wurde, was impliziert, dass das möglicherweise kein Thema war. Auch diese rechten Netzwerke werden natürlich in unseren Berichten, in unseren Sitzungen thematisch aufgegriffen, allerdings nicht im Tätigkeitsbericht. Das hat einfach pragmatische Gründe, führt aber nicht dazu, dass wir dieses Thema verkennen – ganz im Gegenteil.
Sie hatten dann angesprochen und den Vorwurf erhoben, dass wir mit dem Tätigkeitsbericht den Rechtsextremismus verharmlosen. Dem will ich ausdrücklich und ganz entschieden entgegentreten, denn ganz klar ist auch die Haltung meiner Fraktion.
Ich spreche jetzt aber auch als Person. Der Bericht war aber der Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission. Ich spreche jetzt für unsere Fraktion und für mich ganz persönlich: Es weiß jeder, wo wir stehen. Ganz klar, die größte Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung, für unsere Verfassung, für unser Grundgesetz geht eindeutig vom Rechtsextremismus aus.
Das will ich noch mal eindeutig betonen. Und wenn Sie aufmerksam zugehört haben, haben wir uns auch in der Parlamentarischen Kontrollkommission sehr viel Mühe gegeben, diese ganzen Vernetzungen darzulegen. Ich will beispielsweise sagen: Die internationale Vernetzung, was wir jetzt schnell noch rausgeschrieben haben, die Scharnierfunktion ist ja das ganz Gefährliche, die Vermischung von bürgerlichen Interessen und Unterwanderung durch Rechtsextreme. Wir haben die Instrumentalisierung von Corona-Demonstrationen angesprochen. Wir haben die Instrumentalisierung von Kindern im Bereich der Kampfsportszene angesprochen. Wir haben die unsäglichen Bürgerwehren angesprochen. Wir haben darauf hingewiesen, dass Thüringen der Hotspot in der rechtsextremistischen Musikszene ist. Ich habe im Auftrag meiner Kollegen aus der Parlamentarischen Kontrollkommission davon gesprochen, dass der 2. Juni letzten Jahres ein
schwarzer Tag war, weil Rechtsextremisten – so deutet alles darauf hin – den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke regelrecht hingerichtet haben. Wie man dann auf die Idee kommen könnte, den Rechtsextremismus zu verharmlosen, verstehe ich nicht.
Noch mal eine Tatsache: Von den 82 Seiten entfällt ein Viertel auf den Bereich „Rechtsextremismus und Reichsbürger“. 22 Seiten haben wir diesem Kapitel gewidmet, weil es uns wichtig war, das herauszustellen. Für den Bereich des Linksextremismus habe ich einfach nur die Zahlen, die ich mir jetzt nicht mehr aufgeschrieben habe, noch mal dargelegt. Für den Bereich „Linksextremismus“ haben wir 5 Seiten, für den Bereich „Rechtsextremismus“ 22 Seiten. Allein daran erkennt man doch, wo wir in der Kommission den Schwerpunkt gesetzt haben. Da will ich einfach nur noch mal die Zahlen wiedergeben. Wenn sich doch die Zahlen im linkspolitisch motivierten Straftatenbereich verdoppeln – 108 Prozent innerhalb eines Jahres –, wenn sich die Gewalttaten im Bereich „Links“ um ein Drittel erhöhen, wobei sich die Gesamtgewalttaten aber verringern, da muss es doch erlaubt sein, auf diesen Umstand hinzuweisen.
Und der letzte Punkt: Zum Personal können wir noch so viel diskutieren. Wir sitzen in einer Geheimkommission bereits zusammen, in der G 10Kommission. Zukünftig werden wir in einer neuen Parlamentarischen Kommission auch zusammensitzen. Wir sind gemeinsam im Innenausschuss und es wird immer Streitpunkt zwischen Ihnen und mir bleiben, zwischen Ihrer Fraktion und unserer Fraktion. Das ist eben der Unterschied, dass wir sagen, wir wollen die Sicherheitsbehörden stärken, und das geht nur durch mehr Personal. Der Präsident, den ich eben im Gegenlicht gar nicht gesehen habe, Herr Kramer und auch der Minister weisen zu Recht immer wieder darauf hin, dass wir zu wenig Personal haben.
Über einen Umstand haben wir überhaupt nicht gesprochen: dass der Verfassungsschutz überhaupt noch Arbeitsfähigkeit dadurch gewährleisten kann, dass er von Abordnungen lebt. Die Abordnungen – das wissen Sie besser als alle anderen hier im Raum – werden durch Minimierung des Personals in der Landespolizeidirektion gewährleistet. Wenn wir ständig zwischen 20 und 30 Personen abgeordnet haben – jetzt sprechen wir nicht von den unbesetzten Stellen, die jetzt hier von mir nicht erwähnt werden sollen –, dann zeigt das, dass das Amt überhaupt nicht mehr arbeitsfähig wäre, wenn nicht über Abordnungen.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Herr Walk, Sie wissen, dass die Abordnungen ei- nen anderen Hintergrund haben! Das wissen Sie!)
Ja, das weiß ich. Ich spreche aber von der Gesamtarbeitsfähigkeit. Fakt ist, ohne diese Abordnungen ist das Amt nicht arbeitsfähig. Da bin ich bei dem Punkt, wo wir politisch auseinanderliegen,
Dazu haben Sie zweimal Grundsatzbeschlüsse auf Ihren Parteitagen gefasst. Wir sagen: Wir wollen die innere Sicherheit und den Verfassungsschutz stärken. Das macht den Unterschied aus.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Wir wollen die Sicherheit stärken, das ist der Un- terschied! Sie die Sicherheitsbehörden!)
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Marx, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch ich möchte mich noch mal dafür entschuldigen, dass da ein Passus im Bericht stand, der einfach untragbar ist. Den haben wir jetzt gestrichen in einer kurzen außerordentlichen Sitzung. Ich hoffe, es kommt nicht wieder vor, aber Sie wissen es selber, bei ziemlich langen Vorlagen unterfällt einem auch mal ein Fehler. Wir korrigieren den. Die Sachen dort sind vollkommen richtig von Herrn Dittes bewertet worden und deswegen jetzt auch nicht mehr Bestandteil des Berichts.
Herr Möller, Sie arbeiten sich wie immer an der Person des Herrn Kramer ab mit persönlichen Vorwürfen. Das zeigt mir eigentlich nur, dass Herr Kramer seine Arbeit richtig macht. Herzlichen Dank dafür.
Besonders skurril fand ich, dass Sie sagen, er spricht mit Leuten, die sozusagen eigentlich auf der Beobachtungsliste seines Amts stehen. Also, ich spreche ja nun auch gerade mit Ihnen.
Die Thüringer AfD ist ja nun auch auf dem Fokus des Verfassungsschutzes. Trotzdem sprechen wir mit Ihnen hier in diesem Haus. Ich möchte Ihnen nur sagen, was mir auch noch aufgefallen ist, eine kleine Äußerung: Sie haben gesagt, das wäre nicht der Rede wert, wenn irgendjemand Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei seiner Festnahme leistet, das wäre doch was Normales, das ist doch eine alltägliche Situation, das muss doch nicht in so einen Bericht geschrieben werden.
Das ist eben keine alltägliche Situation und da unterscheiden wir uns, denke ich, alle hier im Haus von Ihnen, dass wir unsere Sicherheitsbehörden eben nicht solchen Situationen aussetzen wollen. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist etwas, mit dem wir uns hier im Haus schon sehr oft beschäftigt haben.
Gerade bei den Reichsbürgern – um die geht es in dem Kapitel – ist es auch schon zu Todesfällen gekommen, beispielsweise in Bayern, wo ein Gerichtsvollzieher erschossen worden ist. Aber an so etwas erinnern Sie sich ja wahrscheinlich nicht.
Es bleibt für meine Fraktion weiterhin dabei, auch wenn nun auch ein erstes braunes Nest in einem Verfassungsschutzamt in Nordrhein-Westfalen ausgehoben worden ist: Zu einer wehrhaften Demokratie gehört ein professionell arbeitender, gut ausgestatteter Verfassungsschutz, und zwar auch zur Abwehr der Angriffe von innen auf unsere Demokratie. Ich habe von diesem Pult aus schon öfter betont, dass es keine gute Idee wäre, der Polizei, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt, die Aufgaben der Frühwarnungsaufklärung von verfassungsfeindlichen Aktivitäten zu übertragen. Dies gilt einmal mehr nach den Schlagzeilen der letzten Wochen und Tage über mehr und mehr Nester in der Polizei. Wie bei Compliance-Grundsätzen in der Wirtschaft brauchen wir im Bereich politischer Aufklärung mindestens ein Vier-Augen-Prinzip – und dem dient die parlamentarische Kontrolle, dem dient die Parlamentarische Kontrollkommission –, damit eine dunkle Seite der Macht keine Chance in diesem Metier bekommt. Das ist wichtig.
Die Einzelfälle in den Polizeiskandalen der letzten Wochen sind mittlerweile dreistellig und verweisen auf Strukturen. Wir haben gelesen von Chatprotokollen mit menschenverachtendem Inhalt, von unberechtigten Zugriffen auf Polizeidatenbanken, von Waffenfunden bei Angehörigen von Spezialkommandos und schließlich auch noch der Geschmacklosigkeit, dass die sich dann noch bewusst als NSU 2.0 bezeichnen. Rechtsextreme Netzwerke in der Polizei werden zum Untersuchungsfall und – das sage ich Ihnen jetzt hier mal – auch für den Verfassungsschutz.
Ich habe am 19.09. zusammen mit Kolleginnen und Kollegen hier aus diesem Haus zum 20. Jahrestag des ersten Mordes des NSU an Enver Şimşek in Jena an einem Platz gestanden, wo wir einen Platz mit dem Namen dieses Menschen zum Gedächtnis versehen haben. Und das zweite Jubiläum war letzte Woche erst: vor einer Woche 40 Jahre Oktoberfestattentat vom 26.09.1980. Erstmals gab es an diesem Tag eine öffentliche Entschuldigung von Ministerpräsident Söder bei den Opfern bei der Gedenkfeier am letzten Samstag. Das ist eine erschütternde Bilanz. Unvollständige Ermittlungen, Akten über mögliche Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu Verbindungen des vermeintlichen Einzeltäters insbesondere zur Wehrsportgruppe Hoffmann werden bis heute – was skandalös ist – unter Verschluss gehalten. Aber schon seit Jahrzehnten geht es in München nicht nur um Unterschlagung vermuteter Kenntnisse des VS zu diesen Verbrechen, nein, es geht da vor allem auch um zweifelhafte Polizeiarbeit. Da geht es um Aufklärung, wehrhafte Demokratie und Strafverfolgung.
40 Jahre Oktoberfestattentat, 20 Jahre erster Mord des NSU – wo ist der Zusammenhang? Im Buch von Ulrich Chaussy „Oktoberfest. Das Attentat: Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann“ findet auf Seite 237 ein Kriminalbeamter Erwähnung, der bereits am 01.02.1981 die Saug- und Faserproben aus dem Auto des angeblichen Alleintäters Gundolf Köhler mitsamt sämtlichen Zigarettenkippen aus dem Aschenbecher des Autos vernichtet hat – schon ein Vierteljahr bevor die Akten und Asservate an den Generalbundesanwalt gingen. Dieser Beamte wechselte nach der Wende zum Thüringer Landeskriminalamt und brachte noch einen weiteren Oktoberfestermittler mit. Karl-Heinz Hoffmann, Gründer und Chef der Wehrsportgruppe Hoffmann, der der Oktoberfest-Attentäter angehört hat, zog in den 90er-Jahren auch nach Thüringen um, nach Kahla, angeblich aber nur, um das Erbe seiner Familie in Besitz zu nehmen und sein Alter straftatfrei zu verbringen. Er hielt dann aber doch Wehrsportübungen ab und pflegte intensive Kontakte zur rechten Szene.
Im Jahr 2010 wird im Thüringer Landeskriminalamt ein Jahr vor dem Auffliegen des NSU und der BAO „Feuerball“ ein Netzwerk beobachtet, in dem sich lauter Menschen befinden, die man später dem engsten Umfeld des NSU zurechnen wird. Da taucht auch wieder Hoffmann auf, inzwischen lebt er in Sachsen. Im Standardwerk, dem Buch „Heimatschutz“ von Dirk Laabs, finden Sie lauter Bekannte wie Wohlleben und Kapke und im Übrigen auch einen Liedtext eines Liedes mit dem Namen „Dönerkiller“, das die Naziband „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“ herausbringt und in dem der „Blutdurst des Killers nach neun Morden“ – die Zahl wird genannt – als „noch nicht gestillt“ besungen wird, ein Jahr vor dem Auffliegen des NSU, in dem angeblich noch niemand ahnen konnte, dass die sogenannten Dönermorde rechten Tätern zuzuordnen waren.
Meine Fraktion besteht auch deshalb heute mehr denn je auf dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz, damit der parlamentarisch kontrollierte Verfassungsschutz nämlich – und es ist an der Zeit – künftig auch die Aufgabe erfüllen kann, schwarze oder besser tiefbraune Schafe bei der Polizei, soweit sie auch bei uns vorhanden sein sollten, zügig zu identifizieren. Wir können und müssen übrigens noch mehr tun. Es ist 40 Jahre nach dem Attentat in München und 20 Jahre nach dem ersten Mord des NSU an dem Blumenhändler Enver Şimşek nun spätestens nach den Neuwahlen im kommenden Jahr auch an der Zeit für einen dritten NSU-Untersuchungsausschuss, der sich angesichts der von mir geschilderten Abgründe fokussiert noch einmal konkret mit der Polizeiarbeit während der Straftaten des NSU beschäftigen sollte, vor allem auch mit der Tätigkeit der von der Polizei eingesetzten Vertrauenspersonen, weil wir alles daran setzen müssen, nicht so wie München dazustehen.
Okay, dann verabschiede ich mich hier mit dem Dank an Herrn Kramer – ausdrücklich – und an die Mitarbeiter des Amts und die Controller, die alles daran setzen, das Amt gut zu machen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Henfling, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.