Protocol of the Session on April 25, 2024

Von Herrn Schlömer habe ich permanent gehört, was sie gemacht haben und was sie machen wollen. Das ist das, was ich moniere: Wir müssen die Situation nicht beschreiben, wir müssen sie verbessern. Dafür brauche ich konkrete Ideen, Lust an Veränderungen und Erklärungen für diejenigen, die den Veränderungsprozess über sich ergehen lassen sollen, dass die auch Lust bekommen. Das hat mit Schulung zu tun. Wenn eine Regierung permanent sagt, Digitalisierung kostet nur Geld, ist nur teuer, wird in der Zukunft nichts bringen, ist eher Last als Lust, dann werden wir nicht vorangehen.

(Beifall Gruppe der FDP)

Sie können die diversen Protokolle der Diskussionen, die hier in den letzten Jahren stattgefunden haben, gern lesen. Ich glaube, Sie kommen auch selber darauf.

Fünftens, Bildung muss verlässlicher werden.

(Beifall Gruppe der FDP)

Schön, Herr Holter, dass Sie jetzt da sind und sich gestern so gefreut haben. Aber was wir gestern erzielt haben – Entschuldigung, ich glaube, gestern war es –, ist doch nur ein Minimalkompromiss, wo wir Dinge in der Schulpolitik repariert haben, die seit zehn Jahren liegen geblieben sind.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Mehr ging ja mit Ihnen nicht!)

Bei uns ging mehr.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Nein, das ging gar nicht!)

Gehen wir mal kurz auch da in die Analyse. Herr Hartung von der SPD, bevor Sie hier herumbrüllen, die Analyse bleibt: Jede zehnte Stunde fällt aus. Die meistgegebene Stunde in Thüringen ist zurzeit Schulausfall. Das ist die Situationsbeschreibung. Jeder zehnte Schüler verlässt ohne Schulabschluss diese Schulen.

(Unruhe DIE LINKE)

Da brauchen Sie doch nicht herumzumeckern. Dem zu begegnen, ist hier einzige Sache, zu sagen, wir machen Schulassistenten, Verwaltungsassistenten etc. pp. Teilweise werden wir mit Verwaltungsassistenten Bürokratie bewältigen, die Sie unsinnigerweise geschaffen haben. Aber zurück zum Thema.

Am entscheidenden Punkt – und meine Kollegin Franziska Baum hat es ja gesagt –, wie wir tatsächlich dafür Sorge tragen können, dass Unterricht immer stattfindet, dass immer Wissen stattfindet, ist der Punkt „Digitalisierung“. Da sind wir wieder. Da sind wir keinen Schritt vorangekommen. Das sind alles Man-möchtemal-Formulierungen. Hier müssen wir den Thüringern wirklich versprechen – da oben sitzen die Gäste jetzt meist, ich sehe es nicht sofort – im fortgeschrittenen Alter – aber Sie alle haben Enkel, Sie haben alle die nächste Generation vor sich, und deshalb wissen Sie, wie wichtig es ist, dass die jungen Menschen nach Hause kommen und sagen, ich habe was gelernt in der Schule. Wenn wir in den Trendatlas der Jugend schauen, dann ist eine große Sorge der Jugend, dass sie nicht mehr ausreichend ausgebildet und auf das Leben vorbereitet wird. Das sind die Spätfolgen von Corona, wo wir die jungen Menschen nicht in die Schule gelassen haben.

(Beifall Gruppe der FDP)

Und das setzt sich bis heute fort in der Generation, die wir heute als Jugend sehen und die große Sorge um ihre eigene Zukunft hat ob der vielfältigen Krisen, die wir einfach zu verzeichnen haben.

Sechster Punkt: Maßnahmen für mehr Ordnung und Kontrolle in der Migration und Maßnahmen für mehr Ordnung und Sicherheit auch in der gefühlten Situation, die wir alle erleben auf unseren Straßen, auf unseren öffentlichen Plätzen. Reden Sie mit den Leuten in Erfurt über die Situation, die wir hier am Anger erleben. Viele sagen mir bedrückenderweise: Ich gehe dort nicht mehr lang als junge Frau, ich gehe dort nicht mehr lang als junger Mensch. Diese Probleme müssen wir lösen, da wird auch nicht einfach nur eine Videokamera helfen, denn das verlagert dann nur die Gefahrenpunkte an andere Stelle.

Insofern nochmals: Es ist zu wenig zu sagen, die Vorteile der Migration zu beschreiben, wenn ich die Nachteile negiere. Um wieder Zutrauen in den Sinn von Einwanderung zu holen, muss ich eben die Probleme des Tages lösen. Und der Vorwurf geht an Teile derjenigen, die die Regierung tragen. Es gibt hier Menschen auch in diesem Parlament, denen die Worte „all cops are bastards“ leicht von der Zunge gehen. Wer so denkt, wird kein Vertrauen erwirken bei den Menschen, die oftmals unter Einsatz ihrer persönlichen Unversehrtheit unsere Sicherheit schützen, wird kein Zutrauen in diejenigen haben, die sich vielleicht dafür entscheiden sollen, ihre zukünftige Berufsausbildung in diesem Weg zu gehen. Obersten Respekt sollten wir haben vor den Beamten in der Polizei und des Vollzugs.

(Beifall Gruppe der FDP)

Ich glaube, auch da haben wir nicht alle dieselben Ansichten.

Meine Damen und Herren, alles, was ich hier aufgezählt habe, sind zuvorderst Aufgaben desjenigen, der die Verantwortung im Freistaat trägt. Am 1. September können die Thüringer Bürgerinnen und Bürger darüber

entscheiden, wer das in Zukunft zu tun hat. Ich hoffe, dass sie weise Entscheidungen treffen werden. Denn eines hat auch der Vertreter der AfD vermissen lassen, nämlich einen klaren Plan für die Zukunft.

(Beifall Gruppe der FDP)

Die Situationsbeschreibung, das, was wir am Stammtisch oftmals hören, da werden wir uns alle relativ schnell einig. Gemeckert ist viel. Das ist ein typisch deutsches Phänomen, dass wir alle wissen, was schiefläuft, dass wir alle sagen, warum hat die Nationalmannschaft schlecht gespielt. Aber wie machen wir es denn besser? Wenn wir dann hier darüber fabulieren, dass wir die deutsche Geburtenrate steigern sollen, ich weiß nicht, ob das auch nur in Thüringen geht, ob wir die Insel der geburtenstarken Jahrgänge schaffen

können. Da müssen wir nur mal in andere Länder schauen. Zum Beispiel Ungarn.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Ich schaue nie nach Ungarn!)

Ungarn hat sehr viel Geld in die Hand genommen und Gelder herausgelegt, um vermeintlich zu motivieren, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Ich glaube, das ist ein ganz anderes gesellschaftliches Problem. Ich selber habe sechs Kinder, ich weiß, wie man damit leben kann und auch wie die Kinder damit groß werden. Das fängt ja damit an, dass man als Vater mit sechs Kindern in ein Restaurant kommt und teilweise die Leute einfach aufstehen und sagen, das ist mir zu laut, ich gehe mal lieber. Kinderlärm ist Zukunftsmusik, haben wir an anderer Stelle gesagt. Ich glaube, das ist eine lange Debatte und die kann man nicht monetär unterstützen. Insofern fehlt der Vorschlag der Vertreter der AfD hier an irgendeiner Zukunftsperspektive.

Dass wir jungen Menschen qualifizieren, die häufig keinen einen Berufsabschluss haben, das brauche ich nicht als Initiative zu benennen, das ist selbstverständlich.

(Beifall Gruppe der FDP)

Aber ganz schräg wird es bei der sogenannten Rückholinitiative oder bei dem Blick auf die Tatsachen der Zuwanderung und Abwanderung. Der Vertreter der AfD wird nicht müde zu behaupten, dass seit 2015 10 Millionen Menschen nach Deutschland eingewandert wären. Wenn das ja stimmen würde, wären wir von 81 Millionen ja auf 91 Millionen gewachsen. Tatsächlich sind wir aber nur um 3 Millionen gewachsen. Die meiste Binnenwanderung kommt übrigens daher, wo wir sie auch brauchen, nämlich aus der Europäischen Union.

(Beifall Gruppe der FDP)

Ohne die Binnenwanderung der Europäischen Union, ohne die Freizügigkeit der Europäischen Union wäre die deutsche Volkswirtschaft längst am Ende. Leider ist Herr Höcke nicht mehr da,

(Beifall Gruppe der FDP)

man merkt ja immer, wenn er aus seiner Blase rauskommt, da wird es ungemütlich, jetzt scheut er natürlich auch die Auseinandersetzung mit seinen eigenen Dingen, die er hier nennt. Deshalb mal zwei Fragen: Aktiv will Herr Höcke aus der Europäischen Union austreten, angeführt von dem europäischen Spitzenkandidaten dieser Partei, dessen leitender Mitarbeiter jetzt gerade verhaftet worden ist wegen vermutlicher Spionage für eine dritte Nation. All das ist sehr bedenklich. Ein Austritt aus der EU wäre ein großer Schaden für die deutsche Volkswirtschaft, auch für Thüringen. Die Hauptexportquote der Thüringer Wirtschaft, der Thüringer mittelständischen Wirtschaft geht in die europäische Gemeinschaft. All das würde versiegen. Da hilft auch nicht sein Bonmot: Da machen wir einfach freie Märkte. Etwas komplizierter ist das schon. Wir haben das am Brexit gesehen, dessen Folgen hat er ja auch geleugnet. Insofern Vorsicht, wen wir tatsächlich am 1. September damit betrauen, für Thüringen eine bessere Zukunft zu machen. Ich empfehle jedem den Blick

in die entsprechenden Möglichkeiten, die das Netz bietet, tatsächlich mal Parteitagsreden oder Ähnliches von denjenigen zu hören, die meinen, die Geschicke des Freistaates übernehmen zu können.

Letzter Punkt, den ich da noch bringen möchte, ist auch, wie dort mit Dingen gearbeitet wird, die einfach behauptet werden. Ich finde auf der Straße tatsächlich viel Zustimmung zu dem Bonmot: Man kann hier nicht mehr sagen, was man denkt. Die Meinungsfreiheit wäre in Gefahr. Meine Damen und Herren, es ist vielleicht ungemütlicher geworden, seine Meinung zu sagen. Ich weiß, wovon ich spreche. Aber in dem Land kann jeder immer noch sagen, was er will.

(Beifall Gruppe der FDP)

Es gibt das Recht auf dumme Meinung, es gibt das Recht auf schwurbelnde Meinung, es gibt das Recht, wirklich alles zu sagen. Wir sollten nur – das als Appell an alle Thüringerinnen und Thüringer – wieder davon Gebrauch machen, sie immer und jedem sagen zu wollen und zu können und genauso Entspanntheit an den Tag zu legen, wenn ich mal auf jemanden treffe, der nicht meiner Meinung ist.

(Beifall Gruppe der FDP)

Denn auch das erleben wir alle, glaube ich, dass sehr unversöhnlich Position bezogen wird, oftmals auch geschimpft wird, sobald man nicht der Meinung des anderen ist. Da erkenne ich auch oftmals die Funktionä

re der AfD, das ist auch die Diktion: Altparteien, alles ist irgendwo angestaubt und nicht in der Fähigkeit, die Zukunft zu gestalten.

Meine Damen und Herren, viele in diesem Parlament werden den Beweis antreten, dass wir das besser können als diejenigen, die uns das hier absprechen, und auch diejenigen, die uns das auf Demonstrationen absprechen, die da sehr gefeiert worden sind, sogenannt gegen rechts. Auch hier stelle ich fest, dass die Meinungsfreiheit geschleift wird, weil Vertreter der Freien Demokraten dort beschimpft worden sind, auch mit Teil des Systems. Also auf beiden Seiten der politischen Agenda – links wie rechts – sehe ich Attacken gegen die Meinungsfreiheit, nicht der politischen Mitte, für die wir Freien Demokraten kämpfen, und wo ich sehe, dass der Thüringen-Monitor auch ein großes politisches Spektrum eröffnet. Deshalb mache ich all denjenigen in Thüringen Mut, die glauben, es gibt eine schlechte Zukunft. Nein, ich glaube, eine gute

Zukunft. Und mit der guten Zukunft können wir jeden Tag starten, starten wir jetzt und heute. Herzlichen Dank.

(Beifall Gruppe der FDP)

Als Nächster erhält Abgeordneter Liebscher für die Fraktion der SPD das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Zuschauertribüne, es ist der letzte Thüringen-Monitor über den dieser 7. Thüringer Landtag diskutieren wird. Ich bin mutmaßlich auch der letzte Redner in dieser Legislatur, der was dazu sagt – es sei denn, ich schaffe es hier noch mal, jemanden nach vorn zu treiben, aber schauen wir mal. Aber ich möchte als letzter Redner zum Thüringen-Monitor natürlich auch erst mal den Dank an das Team der Friedrich-Schiller-Universität um Frau Prof. Marion Reiser für die Datenerhebung und die Leistung vorn anstellen. Herzlichen Dank dafür! Denn in dem Thüringen-Monitor steckt nicht nur viel Mühe, sondern er liefert die Fortsetzung einer Reihe von Feststellungen über die Verfasstheit unserer Gesellschaft seit über 20 Jahren. Damit bietet sich

(Abg. Kemmerich)

die Chance, die Ergebnisse der Studie in eine Relation zu setzen, die tiefe Einblicke in das Meinungsbild und die Positionierung der Thüringer Bevölkerung in Haltungsfragen ermöglicht. Das ist wirklich Gold wert.

Im Titel des aktuellen Thüringen-Monitors ist der Begriff „Polykrise“ aufgeführt. Damit erscheint sehr präzise beschrieben, unter welchem Eindruck die Befragten an der Studie teilgenommen haben. Deshalb möchte ich zunächst auf den gemeinsamen Erfahrungshintergrund unserer Gesellschaft zu sprechen kommen, weil ich davon überzeugt bin, dass diese Einordnung die Ergebnisse des Thüringen-Monitors in den richtigen Bewertungsmaßstab setzt. Im Anschluss werde ich auf einige Einzelaspekte eingehen und eine entsprechende Konsequenz versuchen daraus zu ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sage und schreibe 88 Prozent der Bevölkerung in Thüringen sagen zur Frage der Demokratieunterstützung: Das ist eine gute Sache. Aber nur 45 Prozent sind mit der Demokratie zufrieden. Nun haben sich einige die Interpretation dieses Phänomens auch heute hier wieder leicht gemacht und auf die Regierung geschimpft, was völlig in Ordnung ist. Aber man kann die Sache auch ernst nehmen und etwas genauer hinschauen. Denn mit dem Antritt der rot-rot-grünen Koalition im Jahr 2014 ist die Demokratiezufriedenheit schlagartig auf ein Höchstniveau angestiegen. Nach der Euphorie kam zwar eine kleine Delle, aber dann die schrittweise Rückeroberung der Demokratiezufriedenheit. Selbst nach dem Gebietsreformknick 2017 und dem zerschlagenen Vorschaltgesetz wurden die höchsten Zufriedenheitswerte überhaupt erzielt.

Die Landtagswahl zum 7. Thüringer Landtag brachte jedoch ein Ergebnis hervor, das zwangsläufig zur Unzufriedenheit führen musste. Ein Virus erfasste wie in einem schlechten Science-Fiction-Film unsere Gesellschaft und eine Mehrheit des Thüringer Landtags wählte einen Ministerpräsidenten der stimmenmäßig kleinsten Fraktion des Parlaments. Die AfD jubelte über eine erfolgreich ausgebrachte Leimspur und der neue Ministerpräsident hatte keine Regierung – es war ja auch eher spontan, Herr Kemmerich. Der vermeintliche Ministerpräsidentskandidat der AfD musste gewissermaßen missbraucht wieder nach Hause schlappen, die CDU beschäftigte sich mit sich selbst und die FDP-Fraktion zerbröselte in eine Gruppe von Abgeordneten. Na, kann man denn damit zufrieden sein als Thüringer und Thüringerin? Ich meine nicht.