Protocol of the Session on February 2, 2024

Die Regierungsparteien haben einen Antrag vorgelegt, der teilweise in die richtige Richtung geht. Der Antrag bedarf aber noch einer Überarbeitung. Eine Anhörung im Ausschuss sollte Klarheit darüber schaffen, wie bereits zu dieser Thematik geforscht wurde und welche Maßnahmen zur Behandlung existieren, um diese Unterschiede eben auch adressieren zu können. Ähnlich wie beim FDP-Antrag zu ME/CFS muss auch unterschieden werden, welche Versorgungsfragen tatsächlich politisch beeinflusst werden können und sollten oder wo wir es lieber den im Gesundheitswesen und Medizinstudium Tätigen überlassen.

Ich empfehle, diesen Antrag an den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung zu überweisen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Nächste Rednerin ist Abgeordnete Pfefferlein, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne hier im Thüringer Landtag, ja, ich möchte mich auch erst mal ganz herzlich bei der Gruppe der FDP noch bedanken für den Antrag. Der ist ja schon über ein Jahr alt

(Beifall Gruppe der FDP)

und hat trotzdem ein wichtiges Thema aufgegriffen, was wir heute hier noch mal abschließend diskutieren dürfen. Ich möchte noch mal darauf aufmerksam machen, wie wichtig dieses Thema ist, weil es eigentlich auch die letzten Jahre immer ein Stück weit komplett unter dem Radar gelaufen ist, es wurde nicht thematisiert. Es wurde nicht darüber gesprochen, obwohl Endometriose sehr verbreitet ist und viele Frauen darunter leiden und die Diagnose, wie schon gesagt wurde, erst nach vielen Jahren festgestellt wird. Wenn man sich vorstellt, viele Jahre Schmerzen zu haben und kennt die Diagnose nicht, das ist schon ein Albtraum. Deshalb vielen Dank noch mal an der Stelle.

Wir haben als Rot-Rot-Grün, wie gesagt, noch so einen weiterführenden Antrag, also noch dazu beigetragen, weil in der Anhörung wurde das auch noch mal sehr deutlich diskutiert, was noch fehlt. Deshalb haben wir, wie gesagt, diesen Antrag noch gestellt. Vor allen Dingen geht es ja um Fort- und Weiterbildung und auch noch mal um die dringende Aufklärung.

Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht und diese beiden Sachen liegen heute auf dem Tisch. In der Anhörung wurde nämlich auch vielfach beklagt, dass die Vernachlässigung geschlechterspezifischer Aspekte in der Medizin ein großes Thema ist, denn das fehlende Wissen über den Einfluss von Genderspezifika kann erhebliche gesundheitliche Folgen haben. Da gibt es einen enormen Nachholbedarf in einigen Fachgebieten. Weil wir darum wissen und es von der Forschung in die Praxis ein langer Weg ist, gibt es nämlich auch jetzt unseren Antrag. Die Geschlechterunterschiede in der medizinischen Forschung müssen eine viel größere Rolle spielen. Treffen die Forschungsergebnisse auf alle Geschlechter in gleicher Art zu? Wo brauchen wir verschiedene Aspekte, die die geschlechterspezifischen Differenzen beachten? Die Ergebnisse und Erfahrungen müssen als Lerninhalte in der Ausbildung und im Studium der Berufe des Gesundheitswesens verbindlich verankert werden. Längst wissen wir um die genderspezifischen Unterschiede bei Risikofaktoren, Symptomen, Diagnosen und Therapieerfolgen. Und doch bildet in der medizinischen Forschung in Deutschland meist der menschliche Körper die Norm. Genauer gesagt, orientieren sich die meisten medizinischen Studien am 75 Kilo schweren Mann. Das Resultat dieser Einseitigkeit ist die einseitige Ausrichtung der Diagnostik, der Medikation auf den männlichen Körper. Doch je nach Geschlecht zeigen Krankheiten andere Symptome auf und müssen auch anders behandelt werden. Wir wissen um die Wirkungsunterschiede von Medikamenten bei den Geschlechtern durch die unterschiedliche Ausstattung mit Stoffwechselenzymen und die Wechselwirkungen mit Geschlechtshormonen. Aber auf dem Beipackzettel werden unterschiedliche Dosierungen nur nach Kindern und Erwachsenen unterteilt. Dass bei Frauen und Männern unterschiedliche Symptome auftreten, das wurde hier schon an dem Beispiel Herzinfarkt erklärt, das möchte ich an der Stelle nicht noch mal wiederholen, aber da zeigt sich, dass wirklich auch zum Beispiel

(Abg. Zippel)

Frauen nach einem Herzinfarkt meistens eine halbe Stunde später ins Krankenhaus gebracht werden, weil die Diagnosestellung halt anders ist.

Unser Augenmerk muss also der geschlechtersensiblen Medizin gelten. Die berücksichtigt die biologischen Unterschiede, aber auch die soziokulturellen Einflüsse bei der Behandlung und bei der Diagnose. Andererseits nämlich werden bei Männern psychische Erkrankungen oft zu spät erkannt. Das passt eben schlichtweg so nicht ins Bild. Die zwei Beispiele, das mit dem Herzinfarkt und den psychischen Erkrankungen, zeigen, dass das Wissen um unterschiedliche Symptome und Krankheitsverläufe in der Praxis ankommen muss. Eine geschlechtersensible Medizin und Forschung kann für mehr Gerechtigkeit sorgen und kann Leben retten. Dafür brauchen wir Strukturen, mehr Forschung und mehr Wissen. Ich bitte um Unterstützung dieser Anträge. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die Fraktion der AfD spricht jetzt Abgeordneter Dr. Lauerwald.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen Abgeordnete, Zuhörer auf der Tribüne und Zuhörer am Livestream, die Endometriose ist eine chronische benigne Erkrankung, die etwa 10 Prozent der Frauen im reproduktiven Alter betrifft. In Deutschland erhalten 40.000 Frauen und Mädchen diese Diagnose. Die Endometriose kommt bei Frauen also sehr häufig vor, sie betrifft oft mehrere Organsysteme. Die Diagnose wird, wenn überhaupt, erst nach vielen Jahren gestellt. Die Hauptsymptome sind Regelstörungen, Darmentleerungsstörungen, schmerzhaftes Wasserlassen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Unfruchtbarkeit. Die Patientinnen haben dadurch einen hohen Leidensdruck. Das frühzeitige Erkennen und eine rechtzeitige Diagnose dieser Krankheit sind von entscheidender Bedeutung für einen möglichen Behandlungserfolg. Unter Berücksichtigung von Risikofaktoren und der Abwägung von Nutzen und Risiken werden unspezifische, individuelle Therapien mit den Patienten versucht. Eine kausale Therapie der chronisch verlaufenden Endometriose ist nicht bekannt. Die Grundlagenforschung hat es bisher nicht geschafft, die Ursache der Erkrankung herauszufinden. Oder vielleicht doch? An der Nagoya University GraduateSchool of Medicine in Japan hat das Team um Ayako Muraoka im Endometrium bei Endometriosepatienten signifikant häufiger Fusobakterien als bei Patienten ohne Endometriose nachgewiesen. Diese Bakterien können einen Mechanismus in Gang setzen, der zuvor inaktive Fibroblasten in spezielle Myofibroblasten umwandelt. Im Mausmodell konnte eine Therapie mit Antibiotika die Gewebsläsionen schrumpfen und die Entstehung der Endometriose verhindern. Weitere Forschungen sind notwendig. Ein in Frankreich entwickelter Speicheltest

ist erst im experimentellen Stadium und internationale multizentrische, randomisierte und prospektive Studien müssen herausfinden, ob er im klinischen Alltag zur Diagnosefindung einen Vorteil bringt. Daher steht im Vordergrund die Aufklärung über die Endometriose, deren Symptome, Erkennung, Diagnosestellung und Behandlung. Diese Aufklärung sollte in den Medien, in den Schulen, im Biologieunterricht oder durch Faltblätter, Fragebögen und Broschüren, zum Beispiel des von der Sozialpädagogin Lena Ullinger gegründeten Netzwerkes „Endometriose: Sexualität und Partnerschaft“ erfolgen. Die Familien müssen frühzeitig erreicht werden, damit junge Mädchen und Frauen die Symptome der Erkrankung erkennen und einordnen können. Auch die ärztliche Weiterbildung ist zu verbessern. Zur Diagnosefindung reichen die Anamnese-Ultraschalluntersuchungen und andere Bildgebungsverfahren aus. Laparoskopien sind obsolet. Es wird dringend Zeit, dass adäquat gehandelt wird, um diese Erkrankung zu erforschen, die Öffentlichkeit und die Betroffenen zu

(Abg. Pfefferlein)

sensibilisieren, um rechtzeitig eine Diagnose stellen zu können und hoffentlich bald eine kausale Therapie zur Verfügung haben zu können.

Ein Defizit in der Betreuung der zahlreichen Patienten ist die unzureichende finanzielle Absicherung der Arztpraxen. Der Aufwand wird – wie so oft – nicht ausreichend vergütet, es gibt zu wenig zertifizierte Endometriosepraxen und einige Praxen gaben daher ihr Zertifikat auch wieder zurück. Die Betreuung, Beratung und das Erstellen eines Therapiekonzepts erfordern Zeit und Aufwand. Das wird in unserem Gesundheitssystem nicht entsprechend abgebildet. So gibt es bisher keine eigenständige Abrechnungsziffer dafür. Traurige Tatsache ist somit, dass mindestens die Hälfte der betroffenen Patienten keine adäquate Therapie erhält.

Ein Lichtblick bei dieser Erkrankung ist ein Früherkennungsprogramm der Charité für heranwachsende Mädchen und junge Frauen. Die universitäre wissenschaftliche Grundlagenforschung stellt eine wichtige Säule im Gefüge dar. Grundlagenforschung ist allerdings eine teure Angelegenheit. Begrüßenswert ist, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags Ende 2022 eine Förderung der Endometrioseforschung in Höhe von 5 Millionen Euro beschloss. In diesem Jahr soll die Förderung noch einmal erhöht werden. Hoffen wir, dass es dazu kommt.

(Beifall AfD)

In erster Linie sind die medizinischen Fachgesellschaften zuständig und gefordert, um diese Erkrankung zu erforschen, Leitlinien aufzustellen, Weiterbildung zu organisieren und Diagnostik und Therapie zu bahnen. Die Korrekturen, welche der Gesundheitsausschuss in seiner Beschlussempfehlung vorgibt, sind die begrüßen und zu integrieren.

Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass die Medizin mit ihren Fachgesellschaften den Vorrang innehat und die Politik lediglich die Finanzierung und die Rahmenbedingungen gewährleisten muss. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Lauerwald. Wiederum für die AfD-Fraktion rufe ich Frau Abgeordnete Herold auf.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne, Zuschauer im Netz! „Geschlechtersensible Medizin stärken – optimale Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen für alle Menschen in Thüringen gewährleisten“, heißt der ambitionierte Antrag der Fraktionen von Links, Rot und Grün.

Das vorliegende Werk auf vier Seiten gleicht einem populärwissenschaftlichen Überraschungsmenü, stark überwürzt mit Genderfeminismus und ein paar abgestandenen und falschen Opfermythen. Einer davon ist der längst durch die Praxis und unter anderem durch pharmazeutische Forschungen widerlegte Mythos von der Norm des männlichen Körpers. Seit vielen Jahren schon gibt es Untersuchungen zu völlig unterschiedlichen Wirkungsweisen vieler Pharmazeutika auf männliche und weibliche Individuen. Natürlich muss man an dieser Stelle auch die Frage stellen, wie sich denn die Probandengruppen zusammensetzen, die sich für Forschungen der pharmazeutischen Industrie gegen Entgelt zur Verfügung stellen.

(Beifall AfD)

(Abg. Dr. Lauerwald)

Ich kann mir gut vorstellen, dass risikoaffinere Männer eher dazu neigen, sich in einer Pharmagruppe oder in einer Testgruppe Geld zu verdienen als Frauen, die sowieso gesundheitsbewusster sind und nicht so risikoreiche Handlungen eingehen, wie als Testperson für pharmazeutische Forschungen zur Verfügung zu stehen.

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Aber das ist für die Daten kein Problem!)

Auch da sollten wir mal genau hinschauen, bevor wir wieder irgendwelche Opfermythen konstruieren.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP: Das ist so!)

Die Diagnostik in der Medizin ist immer patientenbezogen. Es ist doch nachvollziehbar, dass die Patienten auf Symptome hin untersucht werden und nicht daraufhin, ob die Symptome in ein biologisch männliches Körperschema passen.

Genderspezifische Differenzen können bei einer schulmedizinischen Untersuchung keine Rolle spielen dergestalt, dass zum Beispiel ein männlicher Körper eben keine Regelbeschwerden vorweisen kann und auch keine Schwangerschaft, da die ganze Genderei zur Geschlechtsbestimmung und Geschlechtsfindung ein soziales Konstrukt ist.

Unter Punkt I.3 behauptet der Antrag, dass sich in der medizinischen Forschung aktuell kaum Gendersensibilität finden würde. Daher frage ich Sie: Wie würde sich denn die Diagnostik der Endometriose verbessern, wenn gendersensibel an jeden Patienten herangegangen würde? Oder glauben Sie, Männer, die sich als Frauen identifizieren, entwickeln dann auch schon mal eine Endometriose?

Der Leidensweg der kranken Frauen hat nichts mit Gendersensibilität zu tun, sondern mit fachlich unzulänglich weitergebildeten Gynäkologen.

(Beifall AfD)

An dieser Stelle sei mir auch der Hinweis erlaubt: Ich halte seit vielen Jahren – und damit bin ich auch nicht alleine – Frauen, biologische Frauen, die sich auch als Frauen identifizieren, für in der Regel die besseren, weil einfühlsameren Gynäkologinnen.

Zu 7. darf ich darauf hinweisen, dass jede therapeutische Intervention, medikamentös oder instrumentell, für eine schwangere Frau und ihr ungeborenes Kind eine nicht kalkulierbare Gefahr darstellt. Nicht umsonst wird seit vielen Jahren auf Medikamente bei schwangeren Frauen weitgehend verzichtet, eben weil die Gefahr für das wachsende Kind unkalkulierbar ist. Auch hier haben wir es nicht mit dem Fehlen geschlechtsbasierter Forschung zu tun, sondern einfach mit Erfahrungsmedizin, deren Wissenszuwachs vor vielen

Jahren auch teuer erkauft wurde.

Bei den abenteuerlichen Behauptungen dieses Antrags geht es weiter, zum Beispiel mit der Forderung nach mehr Fachwissen um Klimakterium und seine Symptome im medizinischen Grundstudium. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich mit der Studienordnung beschäftigen würden, mit der Weiterbildungsordnung auch, dann könnten Sie wissen, dass das Spezialkenntnisse sind, die in die Hand der Facharztausbildung für Gynäkologie gehören. Außerdem ist es jedem Kollegen unbenommen und auch Verpflichtung, sich während seines gesamten ärztlichen Berufslebens ständig weiterzubilden.

In II. und III. kommen die üblichen Forderungen nach mehr desselben, nämlich mehr Gendermedizin, wobei ich hier nochmals ausdrücklich anmerken möchte, dass der Inhalt dieses Begriffs überhaupt nicht geklärt

und definiert ist. Auch der Ruf nach gendermedizinischen Versorgungsstrukturen ist völlig überflüssig, da es längst fachärztliche Ausbildungen für spezifische Männer- und Frauenerkrankungen gibt.

Unter II.4 wird nach Fortbildungsmaßnahmen für Gendersensibilität in der Medizin gefragt. Daher frage ich mich jetzt hier auch, was dort an Sensibilität vermittelt werden soll. Wird dort gelehrt, wie man einem Mann, der sich als Frau fühlt und auch als Frau in eine Sprechstunde kommt, gendersensibel nahelegt, dass er unter Umständen Prostatakrebs hat? Auf Ihre Antwort bin ich gespannt.

(Beifall AfD)

Ich könnte jetzt die Liste meiner Kritikpunkte noch um einiges verlängern, komme aber jetzt hier zum Schluss und bitte meine Fraktionskollegen darum, diesen Antrag zusammen mit mir an den Ausschuss zu überweisen, damit wir ihn dort nach allen Regeln der parlamentarischen Kunst gemeinsam analysieren und ad acta legen können. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke, Frau Kollegin Herold. Aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich keine Wortmeldungen mehr. Frau Ministerin steht schon in den Startlöchern, bitte schön.