Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich hier ins Rund schaue und an die Diskussionen und an die Debatten von eben noch mal erinnern darf, wundere ich mich schon, dass die, die so engagiert um Gleichstellung oder sonst was diskutiert haben, scheinbar jetzt irgendwo Kaffee trinken sind.
Das finde ich ein bisschen schade, denn Politik ist – muss ich ehrlicherweise sagen – immer konkret, vor allen Dingen dann, wenn es so ein guter Antrag ist wie der von der Parlamentarischen Gruppe der FDP. So, das soll genug Eigenlob sein, denn tatsächlich hat Kollege Plötner recht. In der medizinischen Forschung in Deutschland bildet doch zum Großteil der männliche Körper die Norm. Das hat Auswirkungen im Bereich der Forschung, hat auch Auswirkungen bei der Frage der Medikation, das hat Auswirkungen bei Behandlungen, bei Früherkennung usw.
Unter anderem auch die forschende Pharmaindustrie hat sich natürlich schon auf den Weg gemacht, das zu ändern. Auch die Studien bei der Medizintechnik, auch da wird mehr und mehr Rücksicht genommen und rekurriert. Aber natürlich ist die sogenannte Gender Medicine etwas, was auch einen biologischen Hintergrund hat. Wir müssen hier gemeinsam zu Lösungen mit Industrie und Forschung kommen.
Aber ich möchte vor allen Dingen zur Endometriose sprechen. Denn auch wenn das viele noch nicht gehört haben, ist doch Endometriose die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung und geht einher mit einer großen Belastung für die Betroffenen. Der chronische Krankheitsverlauf und die Schmerzsymptomatik der Erkrankung führen in der Regel zu einer hohen Belastung im privaten wie auch im beruflichen Alltag.
Dennoch ist die Krankheit bislang nicht als schwerwiegende chronische Krankheit anerkannt, was ein großes Problem ist. Sie ist vor allen Dingen keine seltene Krankheit. Denn laut dem aktuellen Frauengesundheitsbericht des Robert-Koch Instituts leiden 10 Prozent aller Frauen an Endometriose mit unterschiedlichem Schweregrad. Gerade gestern, am 1. Februar, hat das Zentrale Institut der Kassenärztlichen Vereinigung eine Studie zu Endometriose veröffentlicht, die zeigt, dass im Jahr 2022 in Deutschland 340.000 Frauen mit Endometriose ärztlich diagnostiziert waren.
Die Betroffenen haben oft eingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Häufig führt die Erkrankung zu Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen, Erwerbminderungsrente oder dann ganz Rente. Auch hier braucht es Unterstützung, denn gerade bei der Antragstellung, beispielsweise für den Grad der Behinderung, erfahren die Betroffenen durch komplexe, sich regional stark unterscheidende Formen der Antragstellung ein weiteres Hindernis, das durch andere, einheitliche Vorgaben schnell zu beseitigen wäre.
Endometriose ist eine noch weitgehend unbekannte Krankheit. Trotz der großen Beeinträchtigung und trotz der hohen Betroffenenzahl gibt es wenig Erkenntnisse über die Krankheit. Es mangelt an Grundlagenforschung. So ist beispielsweise die Ursache für die Krankheit bislang weitgehend unbekannt und das, obwohl es eben einen extrem hohen Bedarf an wirksamen Therapien und Medikamenten gibt. Doch das geht natürlich auch über die reine Forschungs- und Wissensfrage hinaus. Denn trotz der hohen Verbreitung und der gravierenden Auswirkungen wird die Erkrankung gesellschaftlich zu wenig wahrgenommen. Die meisten Betroffenen haben vor ihrer Diagnose noch nie von Endometriose gehört. Auch in der Politik hat die Erkrankung noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit bekommen.
Mit dem Beschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, unseres Antrags würden wir als Thüringen wieder eine Spitzenposition einnehmen. Denn es wäre bundesweit der erste umfassende Antrag, der Endometriose in den Blick nimmt und mit konkreten Maßnahmen unterfüttert. Dass das wohl so kommen wird, dafür danke ich all denjenigen, die gleich zustimmen werden, und all denjenigen, mit denen wir im Gesundheitsausschuss dazu verhandelt haben.
Ich glaube wir tun heute einmal mehr das Richtige in Thüringen. Insofern will ich noch einmal auf den bestehenden Handlungsbedarf auch und gerade in Thüringen hinweisen. Thüringen braucht einen Aktionsplan „Endometriose“.
Der Antrag mit der Forderung nach einem Aktionsplan, der sowohl mit der Endometriose-Vereinigung Deutschland e. V., als auch eben Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Medizin abgestimmt ist, hat zentrale Eckpunkte. Aufklären und Fortbilden, Erforschen, Fördern und akute Maßnahmen zur schnellen Diagnose von Betroffenen. Was meinen wir mit Aufklären und Fortbilden? Wir brauchen eine landesweite Aufklärungskampagne, eben zu Unterleibschmerzen und Endometriose und deren konkreten Auswirkungen, dass das eben bekannt ist bei denjenigen, die auf Personen treffen, die davon betroffen sind. Das gilt für uns alle. Das gilt für Arbeitgeber, das gilt für Krankenkassenmitarbeiterinnen und ‑mitarbeiter, es gilt aber auch für die öffentliche Verwaltung insgesamt.
Wir brauchen systematische Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten durch die Landesärztekammer entsprechend der bundeseinheitlichen Leitlinien, die es ja gibt, der Deutschen Gesellschaft für Gynä
kologie und Geburtshilfe. Wir brauchen aber eben auch das Streben nach einem Förderprogramm zur Erforschung von Ursachen der Endometriose,
damit neue Diagnoseverfahren und bessere Behandlungsmöglichkeiten entstehen und damit die Leidenszeit verkürzt wird. Kollege Plötner hat darauf hingewiesen, dass zwischen sieben und zehn Jahren vergehen, bis man erstmalig tatsächlich sicher eine Diagnose Endometriose erhält. Da brauchen wir auch die Krankenkassen an unserer Seite und wir brauchen die Einführung eines jährlichen Vaginalultraschalls als zuzahlungsfreie Kassenleistung.
Das ist konkret. Politik ist konkret. Die Frage der Gleichstellung ist konkret. Wir brauchen eben auch einen zuzahlungsfreien Zugang zu hormonellen Präparaten für diagnostizierte Endometriose-Betroffene, denn das ist – das weiß man – das Einzige, was das Leiden mildern kann. Insofern mag dieses Thema für den einen neu sein, es ist aber nicht minder wichtig. Deswegen hoffe ich auf eine sachliche Debatte, hoffe auf eine breite Unterstützung und darf mich bis hierher schon mal für die gute Diskussion bedanken und wir werden sehr genau darauf achten, dass dieser Antrag von der Landesregierung auch tatsächlich die notwendige Aufmerksamkeit und Umsetzung erfährt. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Plötner, Fraktion Die Linke, das Wort.
Gut, Herr Plötner verzichtet. Dann wäre die nächste Rednerin Frau Abgeordnete Klisch, Fraktion der SPD.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kollegen, meine Vorredner haben es gesagt, Sie haben es eigentlich auch in der letzten Stunde insgesamt gehört. Man kriegt schon den Eindruck, nicht nur in der Sprache, sondern auch in der Medizin gilt das Motto: „It‘s a man‘s world“. Dieser Textbaustein „It‘s a man‘s world“ war mal vor 60 Jahren ein Song von James Brown, den kennen viele vielleicht. Als der damals rauskam, hat das „Rolling Stone“-Magazin getitelt, dass das ein biblisch-chauvinistischer Song ist und dass diese Textzeile eben biblisch-chauvinistisch sei.
So kann man aber letztendlich den Titel auch über Frauenerkrankungen legen, denn wie wir als Gesellschaft mit Frauenerkrankungen umgehen, ist das letztendlich momentan immer noch, obwohl wir in einer modernen Zeit leben, mit biblisch-chauvinistisch zu betiteln.
Endometriose ist ein Beispiel für solch eine Erkrankung, die spezifisch nur Frauen betrifft, die letztendlich im Verborgenen stattfindet, obwohl jede zehnte Frau davon betroffen ist. Das kann man eigentlich nicht verstehen, wie quasi eine Volkskrankheit bisher so im Verborgenen behandelt wurde. Ich möchte jetzt nicht alle Aspekte, die meine Vorredner in der Einbringung angeführt hatten, noch mal wiederholen, aber die SPD sagt auch Ja zu mehr Forschung bei Endometriose, Ja zu auf jeden Fall dann hoffentlich auch besseren und effektiveren Therapien und gerade auch Ja zu der Aufklärung. Also es braucht Aufklärung,
es braucht einfach, mehr darüber zu reden, sodass es nicht nur den Ärzten und Ärztinnen klar ist, dass diese Erkrankung möglicherweise genau das abbildet, was die Frauen an Symptomen angeben, sondern es muss eben auch in allen anderen Gesellschaftsstrukturen bekannt sein, dass es das gibt. Wir hatten eine schriftliche Anhörung zu dem Endometriose-Antrag und wir wissen spätestens seit der Anhörung, aber letztendlich durch sämtliche Befragungen, die uns so bekannt sind, dass Endometriose wirklich nur ein Beispiel ist. Das ist quasi die Spitze des Eisbergs, wenn wir über frauenspezifische Erkrankungen reden, auch wenn wir insgesamt über geschlechterspezifische Erkrankungen reden.
Denn nehmen wir mal Symptome – und da rede ich jetzt mal nicht vom Männerschnupfen. Allein bei den Symptomen wissen wir, dass es einfach unterschiedliche Ausprägungen zwischen Männern und Frauen gibt. Also Frauen spüren zum Beispiel einen Herzinfarkt meist anders, Frauen geben Schmerzen anders an und Männer geben vielleicht den Schnupfen etwas anders an. Wir wissen das aber auch bei Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Wir wissen, dass Medikamente teilweise anders wirken, sowohl bei Frauen als auch bei Männern andere Nebenwirkungen auftreten. Nichtsdestotrotz werden sehr viele Pharmastudien hauptsächlich mit Männern durchgeführt, sodass letztendlich gar nicht klar ist, was manche Medikamente mit Frauen machen.
Nein, die Männer kriegen dafür Geld. Die sind keine Versuchskaninchen, sondern die werden eben lieber genommen, weil sie eben offensichtlich einfacher zu haben sind und das für Geld machen. Also keine Versuchskaninchen.
Wir sehen das aber auch bei Erkrankungen. Es gibt viele Erkrankungen, die zum Beispiel bei Frauen gehäuft auftreten, also auch die Immunerkrankungen zum Beispiel. Ich bin Fachärztin für Neurologie und ich habe zum Beispiel sehr viel mit Multiple-Sklerose-Patientinnen hauptsächlich zu tun und wir wissen, es gibt einen sehr hohen Anteil an Frauen, die solche Erkrankungen bekommen. Wir wissen bis heute nicht warum. Die Forschung wird da auch nicht intensiviert und genau das sind die Punkte, die mein Vorredner, Herr Plötner angesprochen hat, die wir als rot-rot-grüne Fraktion gern mit diesem Antrag zum Thema „gendergerechte oder bzw. frauengerechte Erkrankungen“ auf den Weg bringen wollen. Wir wollen auch hier mehr Forschung. Wir wollen hier eben auch bessere Therapien für Frauen und wir wollen natürlich insbesondere mehr Aufklärung.
Insofern kann man sagen: Wir, die rot-rot-grüne Fraktion, wir haben quasi einen Ergänzungsantrag bzw. sozusagen eine größere Fassung formuliert und wir haben uns letztlich gesagt, act local think global und wir wollen hier in Thüringen einfach den Anfang machen. Wir wollen mit diesem Antrag den Anfang
machen, wollen damit auch ein Beispiel für Deutschland bringen. Wir möchten gern einen Aktionsplan für Frauengesundheit in Thüringen, am besten auf Grundlage eines Frauengesundheitsberichts – das wäre das Tollste – und wir hoffen, dass hier alle im Rund mit uns diesen Weg gehen und ein Signal setzen, dass wir uns auf den Weg sozusagen zu einer Medizin für alle Geschlechter machen, nicht nur in Thüringen, sondern in Deutschland und hoffentlich in der Welt. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bestrebungen der FDP, die Forschung und Behandlung von Endometriose zu stärken und zu verbessern sind begrüßenswert,
denn wie die Zahlen zeigen – und das haben wir von den Vorrednerinnen und Vorrednern schon gehört –, wird Endometriose in der Regel erst nach sieben Jahren diagnostiziert. Und was sieben Jahre der Ungewissheit und des Leidens bedeuten, das brauche ich, glaube ich, niemandem zu erklären. Hier braucht es dringend eine nachbessernde Forschung. Tragisch ist, obwohl wir als Landtag die Forschung fördern und unterstützen können, dass wir Ergebnisse und Verbesserungen für die Patienten eben leider nicht erzwingen können. Insgesamt unterstützen wir das Ziel, eine bessere Vorsorgekultur zu etablieren und Krankheiten zu endstigmatisieren. Dazu wäre beispielsweise auch eine Aufklärungskampagne geeignet.
Kritischer betrachtet wurden in den Ausschusssitzungen die im Antrag erwähnten Testverfahren, die die Endometriose nicht zuverlässig diagnostizieren können. Entsprechend helfen einige der von der Parlamentarischen Gruppe der FDP vorgeschlagenen Maßnahmen den Frauen leider nicht ausreichend. Ein unzuverlässiger Test, der keine klare Aussage über das Vorhandensein einer Erkrankung liefert, ist unbrauchbar, da er keine Grundlage für eine Therapie bietet. Beispielsweise an dieser Stelle ist der Antrag noch nicht ausgereift und hätte weiterer Änderungen bedurft. Deshalb werden wir uns bei diesem Antrag enthalten.
Kommen wir zum Antrag von Rot-Rot-Grün. Wir hatten das Thema gerade schon angedeutet. Kennen Sie die Symptome eines Herzinfarkts bei Frauen?
Sehr gut. – Kurzatmigkeit, Atemnot, Schweißausbrüche, Rückenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen im Oberbauch, Ziehen in den Armen, unerklärliche Müdigkeit und Depressionen. Die meisten Menschen sind sich dieser Symptome nicht bewusst. Ich kann Ihnen sagen, dass jetzt in den Erste-Hilfe-Kursen dieses Thema behandelt wird. Einige von Ihnen wissen das, ich habe selber über viele Jahre hinweg solche Kurse gegeben. Ich kann Ihnen sagen, dass ich schon vor Jahren direkt darauf abgezielt habe, zu unterscheiden, dass die Symptome bei Frauen eben unterschiedlich sein können, um diese Sensibilität eben auch zu erzeugen. Dass es jetzt Pflicht in den Kursen ist, ist leider längst überfällig, aber gut, dass es jetzt stattfindet.
Deshalb muss Medizin natürlich auch diese Unterschiede zwischen Mann und Frau berücksichtigen – nicht nur in dieser Situation.