Protocol of the Session on February 2, 2024

Wenn Sie mir zuhören würden, dann könnte ich Ihnen auch erläutern, wie Sprache Gedanken formt. An wen denken Sie, wenn ich sage, Sie sollen mir berühmte Schauspieler nennen? Können Sie mal ausprobieren. Da werden Namen wie George Clooney, Brad Pitt oder Matthias Schweighöfer kommen. Erst wenn man nach Schauspieler/-innen fragt, dann werden Sie auch Namen wie Jennifer Aniston, Sandra Hüller oder

Angelina Jolie hören. Von solchen Beispielen gibt es Hunderte. Und problematisch wird das durchaus, wenn sich dieses Phänomen auch auf Kinder auswirkt.

Mittlerweile sind Politikerinnen eine stinknormale Sache. Aber wenn immer nur von Handwerkern, von Ingenieuren, von Förstern gesprochen wird, dann hat das einen Effekt auf Mädchen, welche Berufe sie sich vorstellen können oder welche erst mal nicht.

Aber zurück zu „diskriminierungsfrei“: Hier möchte ich gern noch einmal eine Stellungnahme von QueerWeg e. V. zitieren, die vieles Wichtige auf den Punkt bringt: „Eine größere soziale Relevanz hat der Bedarf nach einer geschlechtersensiblen Sprache erhalten, als das damals unionsgeführte Bundesinnenministerium

2019 mit

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: „Innenministerium“, ist das gegendert?)

einer Reform des Personenstandsgesetzes eine Entscheidung des […] positiven Geschlechtseintrags für intergeschlechtliche Menschen einforderte. Somit ist auch im deutschen Recht anerkannt, was im medizinischen und gesellschaftswissenschaftlichen Diskurs schon lange Fakt ist, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Wenn der CDU-Antrag nun von einer ‚ideologischen Auffassung‘ spricht, die angeblich ‚das biologische Geschlechtersystem von Männern und Frauen infrage stellt‘, leugnet dieser nicht nur die faktische Existenz von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen; er zieht auch eine Ideologie der Zweigeschlechtlichkeit der Realität vor.“ – QueerWeg e. V.

(Unruhe CDU)

Am Mittwoch gab es vor diesem Landtag eine Kundgebung, die eben von QueerWeg und anderen Queeren-Initiativen organisiert wurde. Und in dieser Kundgebung machten Redner/-innen deutlich, dass sie sich persönlich von diesem Gesetz betroffen fühlen. Eine Rednerin sagte etwa, es fühlte sich so an, als sollen queere Personen wieder unsichtbar gemacht werden. Queere Personen, also zum Beispiel Trans-, Inter-, Nonbinäry-Personen wurden über Jahrhunderte in unserer Gesellschaft nicht nur unsichtbar gemacht, sie wurden aktiv ausgegrenzt, ihnen wurde Gewalt angetan, sie wurden diskriminiert. Und ein kleines Sternchen mag für viele von uns kein großes Ding sein, aber für queere Menschen bedeutet es eben eine ganz wichtige Errungenschaft, nämlich endlich als sichtbarer Teil unserer Gesellschaft auch wahrgenommen zu werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn Gendern nun in den Schulen verboten werden soll, dann macht das natürlich auch was mit queeren Jugendlichen. Gerade queere Jugendliche, die meist sowieso schon in einer sehr schwierigen Lage sind, vielleicht von Selbstzweifeln geprägt sind, denen wird von der CDU extra noch mal signalisiert: Du sollst in unserer Sprache keinen Platz haben; wir wollen nicht, dass du Teil dieser Gesellschaft bist. Das ist ein absolutes fatales Zeichen an Jugendliche und das Gegenteil von Minderheitenschutz.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: So ein Humbug hier!)

Dazu will ich auch einmal den MDR zitieren, der übrigens gestern in seinem Artikel ganz wunderbar gezeigt hat, wie unkompliziert und kreativ die verschiedenen Arten des Genderns genutzt werden können. Dafür muss man aber aufmerksam lesen können. Im Artikel steht: Es erschließt sich uns nicht, wovor Kinder und Jugendliche geschützt werden sollen, teilte der Thüringer Lehrerverband dem MDR mit. Die Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen handhaben das Gendern sehr unterschiedlich, eben weil es bisher weder ein Verbot noch ein Gebot gibt. Den Vorwurf, die gendergerechte Sprache würde den Schülerinnen und Lehrern von

der Politik übergestülpt, kann der Thüringer Lehrerverband nicht nachvollziehen. Landesvorsitzender Tim Reukauf sagt MDR Thüringen: Tatsächlich erleben wir in den Schulen eher das Gegenteil; für die jungen Menschen ist es mittlerweile ganz selbstverständlich, kommt also demografisch betrachtet eher von unten in die Gesellschaft hinein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schüler ab der 5. Klasse setzen sich bewusst mit der Thematik auseinander, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie mit den verschiedenen persönlichen Erfahrungen im Umgang mit der eigenen Körperidentität konfrontiert werden und das nicht immer positive Erfahrungen sind. Und: Ein Verbot ließe sich also nicht nur schwer durchsetzen, es wäre auch ein furchtbares Signal der Intoleranz an die nachfolgende Generation.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das habe nicht ich gesagt, sondern Tim Reukauf vom Thüringer Lehrerverband.

Mich verwundert vor allem, dass gerade die CDU-Fraktion, die meint, man könne mit Faschisten anständig diskutieren, diese Diskussion Lehrkräften und Schüler/‑innen nicht zutraut. Seien wir ehrlich: Schule ist häufig langweilig, aber welche Stunden bleiben uns denn in Erinnerung. Bei mir zumindest sind es genau die, wo wir im Unterricht endlich mal über kontroverse gesellschaftspolitische Themen diskutiert haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Dr. Dietrich, AfD: Rechtschreibung und Lesen war nicht dabei!)

Das war spannend, das hat zum Nachdenken angeregt. Und diese Debatte überhaupt zu führen, das wollen Sie in den Schulen nun verbieten. Eine gesellschaftliche Entwicklung, die auf TikTok, die an den Abendbrottischen, die in Freund/-innenkreisen sowieso diskutiert werden, das wollen Sie aus den Schulen raushalten. Ich frage mich: Wem soll das irgendwas helfen oder weiterbringen?

Was mich besorgt, ist, dass Sie auch in Ihrer Rede sich nicht zu schade sind, rechte Kampfbegriffe wie angeblicher Genderzwang in Ihrer Rede zu benutzen. Auch Gendermainstreaming wird als ideologisches Projekt verurteilt. Gendermainstreaming ist zugegebenermaßen kein schönes Wort, aber im Grunde soll es

nur darauf hinwirken, dass eben bei allen politischen Maßnahmen die Gleichstellung der Geschlechter mit betrachtet wird. Und ich warte auf den Tag, wo Sie erklären, dass auch die Gleichstellung von Mann und Frau eigentlich nur irgendein Ideologieprojekt ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Bündnisgrüne kämpfen für eine Gesellschaft, in der es darum geht, dass Minderheiten keine Sorge haben müssen, gegen die Mehrheitsgesellschaft ausgespielt zu werden. Das macht eine liberale

Gesellschaft aus. Eine liberale Gesellschaft braucht keine Sprachpolizei, Rede- und Sprechverbote sind das Gegenteil einer liberalen Gesellschaft.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen hoffe ich sehr, dass die Freien Demokraten erkennen …

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Beifall CDU, AfD, Gruppe der FDP)

(Abg. Wahl)

Ich wurde allerdings auch so viel unterbrochen, dass ich auf 10 Sekunden noch gehofft hätte. Na gut.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Es ist unfassbar, wie die alten Männer da applaudieren!)

Jeder soll reden und reden lassen wie er will, darum geht es.

(Unruhe im Hause)

Nachdem wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, rufe ich als nächsten Redner Herrn Prof. Dr. Voigt für die CDU-Fraktion auf.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Es geht um politische Strategie bei dem Thema! Deutlicher kann man es nicht demonstrieren!)

Herr Abgeordneter Dittes, Sie können später noch mal reden, jetzt redet Abgeordneter Voigt.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Damen und Herren! Herr Dittes, ich habe das schon gemerkt, dass Sie hier momentan so eine Art Selbstvergewisserungsplenum betreiben. Das haben wir durch diese ganze Aufgeregtheit heute erlebt. Aber, ich glaube, es macht Sinn Themen zu versachlichen, mit der nötigen Gelassenheit zu nehmen, wie es Frau Marx gesagt hat, und das machen wir auch bei diesem Thema. Das kann ich Ihnen persönlich auch empfehlen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Da sind wir sehr gespannt!)

Im vergangenen Jahr haben dieses Hohe Haus nach Auskunft der Präsidentin 24.000 Menschen besucht, darunter waren viele Schülerinnen und Schüler, die hier oben sitzen. Wir haben in diesem Hohen Haus gemeinsam beschlossen, dass wir …

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben das nicht gemeinsam beschlos- sen!)

Ja, Sie nicht, aber das Hohe Haus hat das beschlossen, und so verstehen wir Demokratie in diesem Land. – Das Hohe Haus hat beschlossen, dass wir uns in öffentlichen Einrichtungen an die Regeln des Rates für deutsche Rechtschreibung halten sollen. Gestern erst wieder haben Schülerinnen und Schüler hier in diesem Haus Informationsmaterial bekommen, in dem stand, dass das hier das Redner/-innenpult ist.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, das ist ein Redepult!)

Nein, ich habe es extra noch mal nachgeschaut. – Da sehen Sie, wo schon das Problem beginnt, Frau Rothe-Beinlich, weil es eben keine Klarheit mehr gibt innerhalb der deutschen Sprache.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber wir wissen doch alle, was ge- meint ist!)

(Beifall CDU)

(Unruhe SPD)

Der Kern unseres Gesetzes ist: Thüringen ist ein Land der Sprache. Thüringen ist ein freiheitsliebendes Land und jeder Bürger soll so reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, nach seiner Fasson.

(Unruhe DIE LINKE)