Zweitens wird damit auch all das, was Sie in den letzten Tagen und Wochen formulieren, insbesondere Herr Voigt, völlig unglaubwürdig, wenn Sie sagen, Sie wollen die AfD inhaltlich stellen. Das will ich noch mit
einem anderen Punkt sagen. Wenn jetzt hier eben über den Ticker geht, dass Sie sagen, Sie sind bereit, dieses Gesetz auch mit der AfD durchzusetzen, dann sage ich ganz klar: In einer Zeit, wo Millionen hier in Deutschland auf die Straße gehen gegen die AfD und ihre faschistische Ideologie, ist es doch alles andere als sinnvoll, nämlich völlig absurd, was Sie hier versuchen und dass Ihnen nichts Besseres einfällt, als Partei- und Fraktionsvorsitzender Ihrer Partei zu sagen, Sie drücken diesen Antrag oder dieses Gesetz mit der AfD durch. Wäre Friedrich Merz wirklich Parteivorsitzender, der Führung ergreift, würde er eingreifen.
Denn um es noch einmal klar zu sagen, den Gegner da drüber, den stellt man inhaltlich, wenn man ihm klar widerspricht, und nicht, wenn man ihm mit den Themen auch noch den blauen Teppich ausrollt.
Wenn Sie wirklich Gegner der AfD sein wollen, dann hören Sie auf, die Diskurse der AfD zu übernehmen, wenn beispielsweise Mitglieder Ihrer Fraktion in Newslettern von Remigration reden oder beispielsweise Sie, Herr Voigt, zitiert werden mit dem Verramschen des deutschen Passes oder wir heute hier über das sogenannte Korrekte-Sprache-Gesetz, wo Sie meinen, es gäbe eine ideologisierte Minderheit, die in diesem Land den Menschen vorschreiben will, wie man zu sprechen hat. Ich habe es im November 2022 schon
gesagt und ich sage es auch heute noch einmal: Was Sie mit diesem Gesetz betreiben, ist und bleibt nichts anderes als eine billige Kopie des Kulturkampfes von rechts.
Wer Höcke wirklich stellen will, der muss Haltung zeigen in diesem Land, anstatt zu versuchen, noch irgendwie anderthalb Stationen mit der AfD mitzufahren. Und wenn Sie es wirklich ernst meinen, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf schreiben, um noch einmal da konkret darauf einzugehen.
Ich nehme mal zwei Sätze, die Sie in der Begründung formulieren, und zitiere aus Ihrem Gesetz und dort aus der Begründung bzw. auch aus der Einleitung. Zitat: „Alle Menschen sollten sensibel entsprechend ihres Geschlechts angesprochen werden. Dabei handelt es sich um eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht durch eine verordnete […] Änderung […] erzeugt werden kann.“ Und zweitens: „Sprache wird von Menschen gelebt. Sie entwickelt sich aus dem Leben und verändert sich fortwährend.“ Doch beides stellen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf dann wieder infrage, Sie wollen Regeln verordnen und übergehen dabei einfach, dass Sprache von Menschen in diesem Land gelebt wird, und zwar ganz egal, ob Menschen nun geschlechtergerecht sprechen oder nicht. Das sollten wir allen überlassen, und zwar auch in Verwaltung und Schule, und eben nicht gesetzlich verordnen am Ende. Wenn Sie wirklich das ernst meinen, was in Ihrem Gesetzentwurf steht, dann ziehen Sie ihn zurück.
Das Absurde ist ja, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf erneut implizieren oder unterstellen, es gäbe Regelungen in diesem Land, wo irgendwas verordnet worden wäre, dass Menschen geschlechtergerecht zu sprechen haben oder sogar bestraft werden in Schule oder Verwaltung, wenn sie es nicht tun. Aber auch diesen Nachweis bleiben Sie erneut wieder schuldig, wie auch schon im November 2022 bei der Debatte zu Ihrem Antrag.
Ich will da auch noch einmal erinnern an beispielweise die über 150 Wissenschaftlerinnen der Universität Erfurt, die sich damals in einem offenen Brief an den Landtag gewandt haben in der Sorge, und die haben sie auch klar zum Ausdruck gebracht, dass die Thüringer CDU in diesen Fragen bereit ist, mit den Stimmen der AfD Einschränkungen der sprachlichen Vielfalt durchzudrücken. Aber auch diese Stimmen aus der Wissenschaft, die negieren Sie einfach, übergehen Sie einfach, das ist Ihnen vollkommen egal.
Es sind aber nicht nur diese beiden genannten Sätze, die im Widerspruch zu Ihrem Gesetzentwurf stehen, denn wie schon beim letzten Mal, ziehen Sie ja wieder den Rat für deutsche Rechtschreibung als Kronzeugen dafür heran, dass dieses Gesetz notwendig sei. Aber auch den Zahn will ich Ihnen ganz schnell ziehen. Dazu will ich den Vorsitzenden des Rates, Herrn Lange, zitieren, der hat nämlich in einem Interview, wie ich finde, in einem sehr differenzierten Interview mit dem Journalisten Jan-Martin Wiarda in der letzten Woche Folgendes gesagt – Zitat – „Das Verbot von Gendern – oder auch nur dessen Ankündigung – grenzt an Populismus.“
Und auf die konkrete Nachfrage des Journalisten, ob das Untersagen von Gendern in Schule und Verwaltung durch den Beschluss des Rates gedeckt sei, hat er ganz klar festgestellt: Nein, die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung würden so etwas nicht decken.
Und wenn ich dann einmal beim Rat der deutschen Rechtsprechung bin, dann will auch noch gleich an zwei anderen Punkten Ihre Gesetzesbegründung widerlegen: Sie schreiben davon, dass sich Veränderungen in der Sprache nur dann durchsetzen, wenn die Mehrheit der Sprechenden das auch allgemein akzeptiert. Und deshalb stellen Sie auch auf Umfragen ab, bei denen beispielsweise die Mehrheit der Bevölkerung sagt, sie lehnen das Gendern ab.
Ihre Argumentation hinkt aber gleich an zwei Stellen, und zwar: Beispielsweise gibt es eine Befragung eines Meinungsforschungsinstituts, laut der beispielsweise 71 Prozent der Befragten Anglizismen ablehnen. Nun frage ich: Wo ist jetzt Ihr Gesetzentwurf, der die Verwendung von Lehnwörtern aus dem Englischen untersagt und wie finden Sie es, dass der Rat der deutschen Rechtschreibung dann eben auch in seinen letzten Empfehlungen Wörter wie „timen“, „mailen“, „whatsappen“ oder „Fake News“ in das Stichwortverzeichnis aufgenommen hat. Da zeigt sich dann, wie inkonsistent Ihre Argumentation eigentlich ist.
Und auch, weil Sie immer diese Umfrage mit den zwei Dritteln oder über 80 Prozent derjenigen, die das ablehnen, heranziehen, will ich da auch noch mal einen differenzierten Blick wagen. Es gibt nämlich auch eine Befragung von Infratest dimap aus dem Jahr 2022 und die zeigt nämlich ein anderes Bild: 69 Prozent der Befragten befinden die Nennung der weiblichen und der männlichen Form für gut, 63 Prozent sagen, sie haben keine Probleme mit neutralen Gruppenbezeichnungen oder 56 Prozent mit geschlechtsneutralen Ausdrücken. Für gar nicht gut hingegen befinden nur 31 Prozent Sonderzeichen wie Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich, aber auch das ist ihnen völlig egal, weil das passt ja auch überhaupt nicht in Ihre Argumentation, derart differenziert den Blick auf Sprache hier in unserem Land tatsächlich auch zu betrachten.
Und wie schon im November 2022 finde ich es auch genauso absurd, dass Sie in Ihrem Antrag erneut verschiedenste Gruppen für Ihr Anliegen instrumentalisieren. Ich nenne da als Beispiel den Blinden- und Sehbehindertenverband oder auch Menschen, die die deutsche noch erwerben müssen, oder auch Analphabetinnen in diesem Land. Da kommen Sie wieder mit der Lesbarkeit und Verständlichkeit um die Ecke,
wenn wir beispielsweise über die Menschen in unserem Land reden, die nicht richtig lesen oder schreiben können und deswegen auch von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind. Das ist aber lächerlich, denn Analphabetismus und Legasthenie gab und gibt es auch mit oder ohne geschlechtergerechter Sprache und nicht das Verbot von Sprachformen hilft den Menschen, sondern die gemeinsame Bekämpfung von Analphabetismus in unserem Land durch die Förderung der Lese- und Rechtschreibkompetenzen und ein Ende der Stigmatisierung der Betroffenen.
Und ich sage es auch noch mal: Auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband befürwortet eine Sprache, die kein Geschlecht ausschließt. Er weist lediglich auf die technischen Schwierigkeiten hin und bietet sogar ganz konkret Hilfe an, nach Lösungen zu suchen. Dazu sollten Sie sich einfach mal die entsprechende Themenseite auf der Webseite des Bundesverbands auch anschauen.
Und richtig absurd wird Ihr Gesetz dann auch noch mit Blick auf die Frage der juristischen Perspektive auf das Grundgesetz. Sie meinen, geschlechtergerechte Sprache widerspräche dem entsprechenden Gebot im Artikel 3 des Grundgesetzes. Aber das Gegenteil ist der Fall und ich bin übrigens auch deshalb noch mal dankbar, dass auch am Mittwoch bei der kleinen Demonstration Vertreterinnen des Vereins QueerWeg
noch mal darauf hingewiesen haben. Denn mit der Entscheidung des damals unionsgeführten Bundesinnenministeriums im Jahr 2019 zur Reform des Personenstandsgesetzes wurde eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, in der das höchste deutsche Gericht einen positiven Geschlechtseintrag für intergeschlechtliche Menschen einforderte. Und damit ist auch in dem deutschen Recht das anerkannt, was im medizinischen und gesellschaftswissenschaftlichen Diskurs eben schon längst Fakt ist: Es gibt mehr als zwei Geschlechter.
Sie allerdings sprechen in dem Kontext von einer ideologischen Auffassung und davon, dass das biologische Geschlechtersystem von Männern und Frauen in Frage gestellt wird. Damit leugnen Sie nicht nur die Existenz von intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, nein, Sie stellen auch eine höchstrichterliche Entscheidung in diesem Land infrage und das ist völlig absurd.
Und ich will mit der Frage nach der juristischen Perspektive auch noch mal ein anderes Urteil heranziehen, nämlich das des Oberlandesgerichts in München aus dem letzten Jahr: Das Gericht urteilte, dass Mitarbeitende auf Basis eines Genderleitfadens und Unternehmensvorgaben zum Beispiel eben auch mit dem sogenannten Gendergap, also dem Unterstrich, angesprochen werden dürfen. Die Richterinnen sahen darin nämlich keinen Verstoß gegen das allgemeine Gleichstellungsgesetz oder andere Gesetze und betonten hingegen sogar: Es gibt kein Recht für Gegnerinnen von geschlechtergerechter Sprache, damit in Ruhe gelassen zu werden.
Nun will ich noch auf zwei konkrete Regelungen in Ihrem Gesetz eingehen und da noch mal was klarstellen. Sie begründen ja die Notwendigkeit des Verbots auch mit der Anwendung einer rechtssicheren Sprache in der Verwaltung, in Gesetzestexten, in Verordnungen und weiteren Rechtstexten. Und auch dazu verweise ich gern auf eine rechtliche Expertise, nämlich die zur geschlechtergerechten Amtssprache von Prof. Dr. Ulrike Lembke aus dem Jahr 2021, sie stellt fest und ich zitiere: „Die Rechtschreibregeln haben eine reine Ordnungsfunktion, während die Regelungen zu geschlechtergerechter Amtssprache der Konkretisierung von Grundrechten und der Aktualisierung der Gesetzesbindung und Verwaltung dienen. Aus rechtlicher Sicht ist
die Verwendung geschlechtergerechter Amtssprache inklusive des Gendersterns […] [kein Fehler], sondern […] [ein] hoheitliches Sprachhandeln und damit [für] die Verwaltung insgesamt […] [dann auch für den] demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar.“
Auch Ihre Regelungen zum Verbot im Schulbereich würden übrigens alles andere als Frieden schaffen. Sie begründen das Verbot im Schulbereich ja damit, dass verhindert wird, dass Schülerinnen Nachteile erwachsen würden, wenn sie geschlechtergerechte Sprache verwenden. Abgesehen davon, dass Sie den
Na, dann legen Sie doch, wenn Sie in der Debatte sind, die Beweise vor. –, sorgt Ihr Gesetzentwurf genau für das Gegenteil. Wenn nämlich das Verbot durchgesetzt wird, werden die Schülerinnen und Lehrkräfte benachteiligt, die für sich entscheiden, geschlechtergerecht sprechen zu wollen. Zweitens würde eine erhebliche Unsicherheit im Alltag in den Schulen damit einhergehen, wenn es um den Umgang beispielsweise auch mit Lehrmaterialien geht. Herr Tischner, ich frage Sie beispielsweise auch mal als Vorsitzender des Kuratoriums der Landeszentrale für politische Bildung: Wenn Ihr Gesetzentwurf durchgesetzt werden würde, würde das bedeuten, dass am Ende Lehrkräfte in der Schule mit geschlechtergerecht formuliertem Bildungs
material der Bundeszentrale für politische Bildung nicht mehr arbeiten dürften. Ist das das Ziel, was Sie mit diesem Gesetzentwurf verfolgen?
Beispielsweise haben Organisationen dort, wo es ähnliche Vorhaben schon gab, wie in Sachsen, erhebliche Probleme damit, wenn außerschulische Akteurinnen und Akteure an die Schulen gehen wollen und dann dort geschlechtergerecht sprechen. Dann sind sie völlig verunsichert. Mit Schulfrieden und eigenverantwortlicher Schule hat Ihr Gesetzentwurf so rein gar nichts zu tun. Ich persönlich habe genug Vertrauen, sowohl in die Schülerinnen, die hier sitzen, als auch in die Lehrkräfte an den Schulen, einen gelassenen Umgang
Aus all den genannten Gründen lehnen wir – das wird Sie jetzt wenig verwundern – natürlich nicht nur Ihr Gesetz, sondern auch den Antrag der AfD ab. Der übertrifft Ihren Gesetzentwurf ja nur noch darin, dass vorgeworfen wird, dass Schulen in Thüringen zu einem gesellschaftspolitischen Experimentierfeld der Landesregierung geworden seien. Der Alternativantrag der CDU macht es auch nicht besser.
Ich habe es am Anfang gesagt: Wir hätten uns heute, statt diese Debatte zu führen, über ganz viele andere Sachen austauschen können. Aber, ich sehe, dass die CDU versucht, weiter von ihrer Schwesterpartei in Österreich, der ÖVP, zu lernen, wo nämlich auch gerade eine absurde Debatte über das Binnen-I läuft. Da aber halte ich es an der Stelle mit den Genossinnen der KPÖ. Die sagen nämlich: Während das Leben für viele Menschen in den letzten Jahren durch die Krisen nicht einfacherer geworden ist, beschäftigt sich die ÖVP in Österreich – oder hier eben die CDU – mit der Frage, ob das Binnen-I einen Platz in der Verwaltung oder den Schulen haben soll, als hätten wir keine anderen Probleme zu lösen. Das ist peinlich und einfach nur absurd, Herr Voigt.
Das zeigt nämlich, wer wirklich die Probleme in diesem Land lösen will, der wendet sich lieber an Rot-RotGrün, denn die Prioritäten der CDU liegen ja offensichtlich ganz woanders.