Der vorliegende Gesetzentwurf der CDU-Fraktion sieht die Einrichtung eines Vorabklärungsverfahrens vor, das dem Thüringer Verfassungsgerichtshof dem Wunsch seines Präsidenten entsprechend die Kompetenz einräumt, jenseits eines Streitfalles in einem eigenen Verfahren die Auslegung der Artikel 50 und 70 der
In der Begründung heißt es dazu, dass klargestellt werden müsse, welche Mehrheit ein einzelner Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten im dritten Wahlgang auf sich vereinen muss. Es ist bekannt, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen gibt, die letztlich auch dazu geführt haben – das wurde auch schon erwähnt –, dass im Verfassungsausschuss keine Einigung für eine Verfassungsänderung erzielt werden konnte. Wie die Anhörung im Verfassungsausschuss gezeigt hat, gibt es eben auch gute Gründe dafür, die Regelung so zu belassen, wie sie ist, weil sie einen Letztentscheidungsmechanismus vorsieht, der die zügige Wahl eines Ministerpräsidenten sicherstellt, der seine Legitimation vom neu gewählten Parlament ableitet. Der neue Nomos-Kommentar zur Thüringer Verfassung wurde auch schon erwähnt, hierzu wurde ausführlich argumentiert.
Es hat also rein sachliche Gründe, weshalb eine Einigung über die von der CDU gewünschte Verfassungsänderung nicht zustande gekommen ist. Dass nun aber vor diesem Hintergrund mit dem Gesetzentwurf versucht wird, quasi über die Hintertür zu demselben Ergebnis zu kommen wie mit der Verfassungsänderung beabsichtigt war, das halte ich für verfassungsrechtlich bedenklich.
Denn mit der angestrebten Regelung würde unter Umgehung der für eine Verfassungsänderung notwendigen Zweidrittelmehrheit im Parlament der Verfassungsgerichtshof mit der Auslegung dieses Artikels im Sinne der angestrebten Verfassungsänderung in diesem konkreten Fall quasi faktisch zum „Ersatzgesetzgeber“, und das berührt den Grundsatz der Gewaltenteilung. Aber auch in anderer Hinsicht wirft der Gesetzentwurf eine Reihe von Fragen auf. Mit dem Gesetz soll dem Verfassungsgerichtshof eine weitere Angelegenheit zur Entscheidung zugewiesen werden. Es bedarf einer Klärung, ob eine solche Zuweisung im vorliegenden Fall von den Voraussetzungen des Artikels 80 Abs. 2 Thüringer Verfassung gedeckt wird. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers nur Angelegenheiten „in der Sache“ zur Entscheidung zugewiesen werden könnten. Und um eine solche geht es laut Begründung des Gesetzentwurfs hier gerade nicht.
Unklar ist auch, wie es um die Verbindlichkeit der vom Verfassungsgerichtshof zu treffenden Auslegungsentscheidung bestellt sein soll. Das wurde auch von Vorrednern bereits erwähnt. Für wen sollen die Entscheidungen mit welchen Konsequenzen rechtsverbindlich sein? Soweit es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt, dass die zur Feststellung von konkreten Wahlergebnissen oder Mehrheiten zuständigen Gremien unter Berücksichtigung der Auslegungsentscheidung des Verfassungsgerichtshofs weiterhin eigene individuell überprüfbare Entscheidungen treffen, dann bedeutet das, dass wohl keine Verbindlichkeit eintreten soll. Das wiederum hat zur Folge, dass etwa die Landtagspräsidentin bei der Feststellung des
Wahlergebnisses zur Ministerpräsidentenwahl von der Auslegungsentscheidung des Verfassungsgerichtshofs auch abweichen könnte. Welchen Sinn hat dann aber die Vorabauslegungsentscheidung des Verfassungsgerichtshofs,
wenn dann am Ende doch der übliche Kontrollmechanismus durch Organklage beim Verfassungsgerichtshof greift? Hinzu kommt, dass im Falle einer Klageerhebung nach der Ministerpräsidentenwahl die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, die an der Auslegungsentscheidung beteiligt waren, in dem Klageverfahren wegen Vorbefassung doch wohl von ihrem Richteramt ausgeschlossen sein dürften. Das wiederum würde
die Funktionsfähigkeit des Verfassungsgerichtshofs beeinträchtigen, was schon für sich genommen einer Zuweisung dieses Vorabklärungsverfahrens als weitere Angelegenheit nach Artikel 80 Abs. 2 entgegenstehen dürfte.
Wenn die Auslegungsentscheidung des Verfassungsgerichtshofs indes rechtsverbindlich wäre, dann gäbe es für eine eigene Entscheidung der Gremien und damit auch für ein nachträgliches Organstreitverfahren, das nach dem Gesetzentwurf nach wie vor möglich ist, keinen Raum mehr, denn dann würde das Rechtsschutzbedürfnis entfallen.
Offen ist zudem, ob die Entscheidung im Vorabklärungsverfahren nach den Vorgaben des § 20 des Verfassungsgerichtshofsgesetzes getroffen werden soll. Wenn dem aber so sein soll, dann kann doch eine Entscheidung „im Namen des Volkes“ nicht unverbindlich sein. Oder soll dem Verfassungsgerichtshof doch nur eine Art „Gutachterrolle“ zukommen? Die Frage stellt sich.
Bedenklich ist außerdem, dass mit dem Gesetz eine besondere Verfahrensart nur für zwei konkret vorgegebene Einzelfälle, also die Auslegung der Artikel 50 und 70 der Thüringer Verfassung eingeführt wird. Was sind die Gründe für diese Beschränkung? Was passiert mit der Regelung, wenn diese Auslegungsfragen einmal entschieden sind? Hat sich das Gesetz damit erledigt, weil kein objektives Klärungsinteresse, wie es im Gesetzentwurf heißt, mehr besteht? Was ist überhaupt dieses objektive Klärungsinteresse? Hier haben wir wieder einen unbestimmten Rechtsbegriff, der neue Fragen aufwirft – also Fragen über Fragen.
Ich mache an dieser Stelle aber erst mal einen Cut, weil ich sehe, meine Redezeit geht zu Ende. Nach alledem können Sie erkennen, dass ich diesem Gesetzentwurf sehr skeptisch gegenüberstehe. Gleichwohl beantrage ich die Überweisung in den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, um die angesprochenen und noch eine ganze Reihe weiterer Fragen dort zu besprechen und insbesondere auch zu besprechen, inwieweit das sogenannte Interpretationsverfahren nach Artikel 140 Abs. 1 der Bremischen Verfassung, das angesprochen wurde, überhaupt als Vergleichsmaßstab für den vorliegenden Gesetzentwurf herangezogen werden kann. Auch da habe ich erhebliche Zweifel. Vielen Dank. Es tut mir leid, ich habe keine Zeit mehr.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne und am Livestream, es wurde zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU schon vieles gesagt. Ich möchte das nicht
wiederholen, sondern nur Folgendes: Ich bringe zum Ausdruck, dass ich mit vielem dessen, was hier gesagt wurde, ausdrücklich konformgehe. Ich finde, Frau Abgeordnete Marx und die Vorrednerin haben den Stand der Debatte zutreffend zusammengefasst.
Nur in einem Punkt will ich etwas weitergehen und ergänzen: Wir sind zwar auch der Auffassung, dass das Gesetz in den Justizausschuss überwiesen werden soll und eine Anhörung entsprechend auch durchgeführt werden soll und dort auch Debatten dazu stattfinden sollten. Ich bezweifle aber oder habe meine Zweifel jedenfalls, inwiefern eine neuerliche Anhörung zu dieser Frage gewinnbringend sein wird, denn – so ist meine Erinnerung, ebenso wie die von Herrn Blechschmidt – die Mehrheit der Wissenschaftler, die man für gewöhnlich bei solchen Anhörungen fragen würde, welche Position sie zu diesem Gesetz vertreten, hat sich bereits zu der sehr eng damit verbundenen Frage der Auslegung der Verfassung in der Frage der Ministerpräsidentenwahl schon geäußert und mehrheitlich festgestellt, dass kein Änderungsbedarf besteht, weil die Auslegung ja sehr eindeutig sei in eine bestimmte Richtung.
Insofern gehe ich davon aus, dass die Anhörung zu diesem Gesetz das ähnliche Ergebnis hervorbringen würde, nämlich die Feststellung, das Gesetz erübrigt sich weitgehend, weil es sozusagen die Absicht hegt, eine Frage klären zu lassen, die keiner Klärung bedarf. Insofern dreht sich das so ein Stück weit im Kreis. Aber auch da: Ich denke, es schadet jedenfalls nicht, wenn man sich externen Sachverstand noch mal anhört. Und wenn sich der Ausschuss dann mit dieser Frage noch einmal befassen möchte, dann soll er das gern tun, an unseren Stimmen wird das mit Sicherheit nicht scheitern.
Ich möchte insofern zu diesem Gesetz nur zwei Gedankenfetzen loswerden als Stellungnahme meiner Fraktion:
Erstens: Wir sind ausdrücklich ebenfalls der Auffassung, die auch schon im außerparlamentarischen Raum geäußert wurde, dass dieses Gesetz in bedenklicher Hinsicht die Systematik unserer demokratischen Rechtsordnung infrage stellt. Es stellt sich in der Tat die Frage, ob hier nicht das Wesen des Verfassungsgerichts als Kontrollinstanz so ein Stück weit hintergangen wird und ein Stück weit ad absurdum geführt wird. Frau Martin-Gehl, frühere Verfassungsrichterin, hat das ja besser zum Ausdruck gebracht, als ich es jemals könnte. Es stellt sich dann die Frage der Befangenheit bei Richtern, die sich dann schon vorher geäußert haben, falls eine nachträgliche Prüfung stattfinden würde usw. Das muss ich nicht noch einmal wiederholen. Es wirft jedenfalls eine ganze Reihe von Fragen auf, was in diesem Gesetz hier vorgeschlagen ist.
Zweitens – und das muss ich an dieser Stelle loswerden, auch wenn es vielleicht unangenehm ist für den einen oder anderen: Das Entscheidende oder warum wir dieses Problem, das aus Sicht einer bestimmten Fraktion ja besteht, nach wie vor haben, ist ja auf diese Fraktion selbst zurückzuführen. Ich meine, bei der Frage der Auslegung der Verfassung in diesem Punkt, nämlich der Frage der notwendigen Mehrheit oder
der notwendigen Stimmen bei der Wahl des Ministerpräsidenten, hätte die Fraktion der CDU doch bei der letzten Ministerpräsidentenwahl durchaus forcieren können, dass dort eine Klärung stattfindet, indem sie sich einfach gegen den Kandidaten, der dort zur Wahl stand, im dritten Wahlgang im März 2020 ausgesprochen hätte. Hat sie aber nicht, sie hat sich ja ausdrücklich dafür entschieden – und das auch öffentlich kundgetan –, sich bei dieser Wahl zu enthalten, hat damit auch der derzeit amtierenden Minderheitsregierung den Weg zurück in die Staatskanzlei geebnet, nachdem sie abgewählt worden war wenige Wochen davor und hat auch verhindert, dass eine Klärung dieser Frage stattfindet, weil das hätte sie ja dann beantragen können im Anschluss. Die Präsidentin hätte ja ein Ergebnis dieser Wahl festgestellt, ich nehme an, dass sie die Wahl des Ministerpräsidenten festgestellt hätte. Da hätten Sie, Herr Schard – Ihre Fraktion –, Weimar anrufen können. Von dieser Möglichkeit haben Sie Abstand genommen. Insofern – wie gesagt: Sie hätten
die Chance gehabt, Sie haben sie nicht genutzt, aus welchen Gründen auch immer, das werden Sie besser wissen als ich aus welchen Gründen. Aber das hier jetzt hinten rum zu versuchen – es wurden schon die Schwächen aufgezählt, die Ihr Vorschlag mit sich bringt –, das findet zumindest nach jetzigem Stand nicht unsere Zustimmung. Aber wie gesagt, wenn sich der Ausschuss damit befassen soll, dann soll er das gern tun. Wir werden uns daran auch interessiert beteiligen und uns gerne anhören, was die Wissenschaft und sonstige Sachverständige dazu beitragen können. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Aus den Reihen der Abgeordneten habe ich jetzt keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Für die Landesregierung hat sich Ministerin Denstädt zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen Abgeordnete, sehr geehrte Gäste auf den Rängen und am Livestream, der Gesetzentwurf greift einen Vorschlag des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs auf – das haben wir jetzt schon mehrfach gehört –, den er im Rahmen des dreißigjährigen Verfassungsjubiläums vorgestellt hat, und zwar ein Vorabentscheidungsverfahren des Verfassungsgerichtshofs.
Ein solches Verfahren, welches eine Rechtsfrage abstrakt und losgelöst von einer konkreten Maßnahme oder einer zu überprüfenden Rechtsnorm klären will, ist ein Exot – und auch das haben wir schon gehört von Frau Astrid Rothe-Beinlich –, aber nicht systemwidrig. Dazu zwei Beispiele: Nach Artikel 140 Abs. 1 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen ist der dortige Staatsgerichtshof zuständig zur Verhandlung und Entscheidung von Zweifelsfragen über die Auslegung der Verfassung. Auch dem Bundesverfassungsgericht konnten nach § 97 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in der bis zum 24. Juli 1956 geltenden Fassung bestimmte verfassungsrechtliche Fragen sogar zur Begutachtung vorgelegt werden. Wir reden hier also nicht über etwas gänzlich Neues. Nach Artikel 80 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen können dem Verfassungsgerichtshof durch Gesetz weitere Angelegenheiten zur Entscheidung zugewiesen werden. Auch das haben wir bereits gehört.
Für den Vorschlag der CDU-Fraktion dürfte deshalb meiner Auffassung nach keine Änderung der Verfassung erforderlich sein. Dennoch sollte der vorgelegte Vorschlag wohlerwogen und breit diskutiert werden. Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen haben bereits auf einige zu diskutierenden Fragen, insbesondere hinsichtlich der Frage der möglichen Selbstbindung des Hofes, hingewiesen.
Ich möchte mich jetzt jedoch aus Zeitgründen auf einen Aspekt des Gesetzentwurfs beschränken. Insbesondere die vorgeschlagene Antragsbefugnis, welche sich an der des Organstreitverfahrens und der abstrakten Normenkontrolle orientieren soll, überzeugt nach der Kürze der Zeit möglichen, überschlägigen Prüfung nicht. Die Antragsberechtigung im Organstreitverfahren besteht zum einen für Verfassungsorgane, aber auch für andere Beteiligte, wenn sie oder das Organ, dem sie angehören, in ihren durch die Verfassung übertragenen Rechten verletzt oder gefährdet sind. Es geht also um die Verletzung subjektiver Rechte.
Demgegenüber fordert der Entwurf ein objektives Klarstellungsinteresse für ein Vorabklärungsverfahren, bei dem die Verletzung subjektiver Rechte weder ausreichend noch erforderlich ist. Das passt nicht zusammen und auch nicht zum Ausnahmecharakter eines Vorabklärungsverfahrens. Es erfordert hohe Hürden für ein solches Verfahren hinsichtlich des Anwendungsbereichs und auch hinsichtlich der Antragsbefugnis.
Sehr geehrte Damen und Herren, schon dieser Aspekt des Entwurfs macht deutlich, welche durchaus schwerwiegenden rechtssystematischen Fragen zum Gesetzentwurf zu bedenken sind. Für die Landesregierung biete ich an, diese Diskussion, sollte der Entwurf in den Justizausschuss überwiesen werden, mit meiner Expertise für die Landesregierung zu begleiten. Vielen Dank.
Der Chef der Staatskanzlei, Minister Hoff, hat sich noch zu Wort gemeldet. War das ein Zwischenfragenversuch, Herr Schard?
Entschuldigung, ich war hier abgelenkt, Herr Schard. Ich habe das leider nicht gesehen, dass Sie sich hingestellt haben.
Die Ministerin hat sich zu dem unmittelbaren Gesetzentwurf geäußert, den die Fraktion der CDU hier vorgelegt hat. Herr Schard hat in seiner Begründung des Gesetzentwurfs auf den Anlass, den die CDU zugrunde gelegt hat – das ist die Äußerung des Verfassungsgerichtspräsidenten zum Verfassungsjahrestag auf der Wartburg – und darüber hinaus auf den Umstand, der nun seit geraumer Zeit immer wieder Gegenstand der Diskussion ist, hingewiesen und deutlich gemacht, dass es eine solche Regelung bräuchte. Frau RotheBeinlich ist darauf eingegangen, dass eine solche gesetzliche Regelung sozusagen im Wesentlichen für ein, maximal zwei Gegenstände hier geschaffen werden soll. Das ist eine vermeintlich unklare Regelung in Bezug auf die Wahl des Ministerpräsidenten.
Ich glaube, dass es insbesondere auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne noch mal wichtig ist, deutlich zu machen, dass wir uns bei dem in Rede stehenden Sachverhalt, über den wir hier sprechen, nämlich die Regelung in Artikel 70 Abs. 3 Satz 3 der Thüringer Verfassung, wie die entsprechenden Regelungen im dritten Wahlgang aussehen, vergegenwärtigen müssen, dass wir hier kein Thüringer Spezifikum haben, das quasi ein Solitär ist, der deshalb eine verfassungsrechtliche Überprüfung braucht. Ich will auch noch mal darauf hinweisen, dass wir bis zur Ministerpräsidentenwahl des Jahres 2014 eine verfassungsrechtlich völlig unumstrittene Situation hatten, dass nur zu dem Zeitpunkt, als der heutige Ministerpräsident Bodo Ramelow als Kandidat angetreten ist,
seitens der CDU-Fraktion das erste Mal in der Verfassungsgeschichte des Freistaats Thüringen die Frage aufgeworfen wurde und im Prinzip schon die Nichtzulässigkeit insinuiert wurde, dass ein im dritten Wahlgang gewählter Kandidat auch mit mehr Nein- als Jastimmen gewählt werden könnte. Landesverfassungen, die bei der Regelung der Wahl des Regierungschefs nicht ausdrücklich, sondern allenfalls implizit von mehreren Bewerbern ausgehen, normieren kein ausdrückliches Erfordernis, dass dann, wenn nur ein Bewerber zur Wahl steht, er mehr Jastimmen als Neinstimmen auf sich vereinigen muss. Deshalb entspricht die
hier diskutierte Regelung von Artikel 70 Abs. 3 Satz 3 der Thüringer Verfassung Regelungen, die wir in einer Vielzahl von Landesverfassungen, übrigens auch im Grundgesetz finden, nämlich dort in Artikel 63 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz, in dem geregelt ist, dass im dritten Wahlgang die meisten Stimmen für die Wahl des Kandidaten und das Amt des Bundeskanzlers ausreichend seien, so übrigens auch in Artikel 33 Abs. 4 Satz 2 der Verfassung Schleswig-Holstein. Die aktuelle Regelung der Thüringer Verfassung, wonach derjenige Kandidat als Ministerpräsident gewählt ist, der im dritten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann, ermöglicht bereits im Moment des Wahlakts eine Minderheitsregierung und damit eine originäre bzw. formelle Minderheitsregierung, von der wir wissen, dass sie verfassungsrechtlich einer Mehrheitsregierung in keiner Weise nachsteht.