Protocol of the Session on November 3, 2023

Die Vorbereitung der Landesregierung auf die Re-Verstaatlichung war rückblickend vollkommen unzureichend, was auch der Thüringer Rechnungshof feststellte. Es gab fehlende Vorbereitung, fehlende Zielsetzung und fehlende Entscheidungsgrundlagen. Es fehlt schlichtweg an allem, was relevant ist. Zielangaben und Alternativplan wurden erst erstellt, wenn der Rechnungshof es forderte, und auch erst zwei Monate vor der geplanten Umsetzung. Diese Irrfahrt – denn als Plan darf man es gar nicht bezeichnen – führte von Anfang an zu einer absehbaren Situation zwischen Skylla und Charybdis. Und als man dann im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie nicht mehr weiterwusste, half der persönlich bekannte und ehemalige Berliner Staatssekretär weiter. Das Ergebnis: enorme Kostensteigerung beim Maßregelvollzug, die in den Haushalt 2023 einkalkuliert werden mussten, zusätzliche Personalstellen, zusätzliche Beratungskosten und natürlich die Unsicherheit für die Arbeitsplätze der Mitarbeiter in den Vollzugsanstalten.

(Zwischenruf Abg. Plötner, DIE LINKE: Unfug!)

Nun sind im Ökumenischen Hainich Klinikum Mühlhausen und der Helios Fachklinik in Hildburghausen unumkehrbare Fakten geschaffen worden. Viele Strukturen brachen zum 01.01. dieses Jahres weg. Dienstpläne und Abrechnungen funktionieren nicht mehr, Experten müssen mit ungelerntem Personal ersetzt werden, es fehlt an Material – alles Dinge, die einem gesagt werden, wenn man dort hingeht und wenn man die Ohren offenhält.

Statt einer schlanken Verwaltungsstruktur gibt es mit dem Thüringer Zentrum für Forensische Psychiatrie einen Wasserkopf von mehr als zwanzig Personen, die nur selten in der Einrichtung, dafür aber mit einem Entscheidungsmonopol ausgestattet sind. Selbstständig arbeitende Mitarbeiter werden so in ihrer Kompetenz beschnitten und ihre Motivation nachweislich gebrochen. Personal geht teilweise schon in Vorleistung, um notwendige Dinge zu beschaffen, von denen die Sicherheit und Gesundheit der Patienten und des

(Vizepräsidentin Lehmann)

Personals abhängen. Ein unhaltbarer Zustand. Ob Probleme mit den Fahrzeugen, dem Personal oder der Beschaffung, diese Re-Verstaatlichung ist krachend gescheitert und hat sich zum Sicherheitsrisiko für Thüringen entwickelt.

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Woran machen Sie das fest?)

Die wichtigste und vorrangige Aufgabe des Maßregelvollzugs, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, kann so nicht vollumfänglich erfüllt werden.

Jahrelang hatte die Landesregierung Zeit, diese Re-Verstaatlichung vorzubereiten und hat in ihrer Selbstherrlichkeit – und anders kann man das tatsächlich nicht bezeichnen – Risiken und Probleme, die durch die Praktiker, aber auch hier im Parlament durch die CDU-Fraktion kontinuierlich vorgetragen wurden, schlichtweg ignoriert. So, wie die momentane Situation im Thüringer Maßregelvollzug ist, kann es nicht bleiben und darf es nicht weitergehen. Es braucht eine ehrliche Debatte um diese Missstände und keine Beschönigungen von Frau Werner im Ausschuss.

Summa summarum liefert nicht nur der Bericht des Rechnungshofs, sondern auch die Praxis ein vernichtendes Urteil für die Umsetzung der Re-Verstaatlichung des Maßregelvollzugs. Wir als CDU-Fraktion sind überzeugt, dass die niedersächsische Lösung die beste Variante dargestellt hätte. Natürlich sind wir uns bewusst, dass es keine Re-Re-Verstaatlichung geben wird. Deshalb gilt es jetzt, alles daranzusetzen, die Situation zu stabilisieren und zu verbessern – ja, ich muss sagen, zu retten. Erst dann kann über eine fortschreitende Re-Verstaatlichung weiter diskutiert werden. Es braucht aber auch eine Aufarbeitung und die Verantwortungsübernahme für die Fehler, die bei der Re-Verstaatlichung begangen wurden. Wir müssen klären, welche Entscheidungen zu diesen Zuständen geführt haben und auch, wer sie getroffen hat.

Der Rechnungshof konstatierte, die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung war inhaltlich und methodisch unzureichend. Das Ministerium muss Verantwortung zeigen und sich die eklatanten Fehler eingestehen. Um die Missstände aufzuklären, ist ebenfalls ein Besuch der Strafvollzugskommission nötig. Nun gilt es, endlich anzupacken. Wir wollen wissen, auf welche Grundlage und mit welchem Zeitplan die Entscheidung zur

Re-Verstaatlichung getroffen wurde, in welchen Schritten, unter welcher Leitung der Vorgang angegangen wurde, welche Gutachter und Berater beteiligt waren, ob intern oder extern, und vor allem in welchem Umfang diese honoriert wurden, ob die Stellenbesetzung für die Leitung des Thüringer Zentrums für Forensische Psychiatrie ausgeschrieben und im Rahmen der Bestenauslese besetzt wurde. Zu guter Letzt wollen wir wissen, wie der Wasserkopf des Thüringer Zentrums für Forensische Psychiatrie sich an der Praxis orientieren kann. Erst, wenn das alles erfolgt ist und ein hieb- und stichfester Plan für die Re-Verstaatlichung bzw. für die weiter voranschreitende Re-Verstaatlichung vorliegt, können wir entsprechend fortfahren.

Wenn wir Maßnahmen evaluieren und über den weiteren Verlauf und das beste Vorgehen entscheiden, dazu benötigt es eine Grundlage, um nicht in die gleiche Misere zu stolpern. Andernfalls wird weiterhin die Sicherheit der Mitarbeiter, Patienten und der Bevölkerung riskiert. Und das darf so nicht weiter sein. Deswegen unser Antrag und deswegen das Thema heute hier im Plenum. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als Nächste hat Abgeordnete Herold für die AfD-Fraktion das Wort.

(Abg. Zippel)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Netz! Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion stellt viele berechtigte und sinnvolle Fragen, umso mehr ist es zu bedauern, dass die Landesregierung von ihrem Recht auf einen Sofortbericht ausdrücklich keinen Gebrauch macht. Über Ihre Motive, verehrte Frau Ministerin, vermögen wir nur zu spekulieren. Es kommen unter anderem Aufschieberitis, mangelnde Vorbereitung, kein Interesse am Thema oder der Wunsch nach Nichtöffentlichkeit bei der Behandlung dieser für die Landesregierung wenig ruhmreichen und heiklen Angelegenheit infrage.

Der Ursprungsantrag der CDU stammt vom 7. Dezember 2022. Sowohl die Neufassung des Antrags als auch sein Vorgänger feiern also nächsten Monat in der Warteschleife ihren ersten Geburtstag. Das wirft in meinen Augen einen bezeichnendes Licht auf die Arbeitsweise des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Was hat das mit der Warteschleife zu tun? Gar nichts!)

Das hat allerhand mit der Warteschleife zu tun, Herr Kollege Blechschmidt, denn in der Warteschleife hängen noch viele andere Dinge, unter anderem die Umsetzung der Unterstützung der Niederlassungen. Die hängt da seit zwei Jahren und passiert ist seitdem nichts.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall AfD)

Es hängen sinnvolle und nützliche Maßnahmen zur Unterstützung der Förderung des medizinischen Nachwuchses in der Warteschleife. Das Einzige, wo das Ministerium wirklich in hektischem, blindwütigem, unkontrolliertem Arbeitseifer ausgebrochen war, das war die politisch inszenierte Coronakrise. Da hat es nicht an Personal und nicht an Nachdruck gemangelt, sich schädliche Maßnahmen auszudenken, die umzusetzen und zu überwachen –

(Beifall AfD)

anders als bei dieser sinnvollen Angelegenheit und bei vielen anderen im Gesundheitswesen und in der Thüringer Gesundheitspolitik, wo ganz viele wichtige und für die Versorgung der Bevölkerung notwendige Maßnahmen einfach nicht angegangen werden, auf Eis liegen oder in irgendeinem Schreibtisch verschimmeln.

Der Maßregelvollzug in Thüringen war 2002 von der damals amtierenden CDU-Regierung privatisiert worden. Folgt man jetzt den verschiedenen Verlautbarungen in den Medien, hat es dann mit dem weiteren Verlauf auch keine grundsätzlichen Probleme gegeben. Aufgrund jüngerer Gerichtsurteile zu staatlichen Durchgriffsrechten auf die unmittelbaren Persönlichkeitsrechte der Untergebrachten hätte hier und da eine Korrektur erfolgen können oder müssen, um die staatliche Kontrolle und die Letztverantwortung für die Untergebrachten zu sichern.

Nach der Wiederverstaatlichung war hier und da zu lesen, dass die privaten Betreiber ihrer Pflichterfüllung zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber nachgekommen waren. Insgesamt ist es also fragwürdig und unbedingt aufzuklären, warum und zu welchem Ende dieser teure und umständliche Prozess der Wiederverstaatlichung überhaupt in Gang gesetzt werden musste, mit welchen Fehlern und Mängeln er behaftet war und welche weiteren Fehler und Mängel und Schäden für die, die es angeht, aus diesem Vorgehen noch erwachsen werden. Möglicherweise wurden hier auch in beträchtlichem Umfang Steuermittel in den Sand

gesetzt – das sind wir ja nun schon gewohnt von Rot-Rot-Grün –, die anderweitig viel besser verwendet worden wären. Das und vieles anderes gilt es aufzuklären. Daher unterstützen wir diesen Antrag und werden der Ausschussüberweisung auf jeden Fall zustimmen, um dort in aller Breite und Gründlichkeit diese Angelegenheit zu debattieren. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächster Redner erhält Herr Abgeordneter Plötner für die Fraktion Die Linke das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Anwesende, beim Maßregelvollzug in Thüringen, um vielleicht noch mal bisschen zur Erhellung beizutragen, geht es darum, dass Menschen, die in Haft müssen und eine psychische Erkrankung haben und deswegen medizinisch versorgt werden müssen, logischerweise dann auch untergebracht werden müssen. Ich hoffe mal, dass das in Ihrer aller Leben bisher noch nicht so die große Rolle gespielt hat. Deswegen erwähne ich das hier noch mal zu Beginn, damit auch allen klar ist, worüber wir jetzt überhaupt reden.

Die CDU-Fraktion hatte in ihrem Ursprungsantrag gefordert, dass die Re-Verstaatlichung, die jetzt begonnen hat, umgehend rückgängig gemacht werden soll, und ist mittlerweile aber – ich glaube oder ich hoffe zumindest, ein Stück weit mit mehr Erkenntnis – dazu übergegangen, eine kritische Evaluation einzufordern. Es ist von meiner Seite aus erst mal zu begrüßen, dass Sie von diesem Kurs abgewichen sind, das gänzlich zu verhindern oder sofort rückgängig zu machen und mehr Anerkennung und Verständnis für einen Maßregelvollzug in staatlicher Hand haben. Auch als Koalitionsfraktion sind wir zutiefst davon überzeugt, dass der Weg der Re-Verstaatlichung bisher erfolgreich war und auch in Zukunft erfolgreich sein wird, weil endlich ein verfassungsrechtlicher Normalzustand hegestellt wird, und eben auch erfolgreich, weil keine Profitinteressen über das Wohl der Inhaftierten und der zu Versorgenden und auch der Beschäftigten in den Maßregelvollzügen geht und weil der Maßregelvollzug in öffentlicher Hand auch entgegen der Behauptung der CDU-Fraktion eben doch für die Steuerzahlenden günstig ist. Es gibt Berechnungen, dass sich jährliche Einsparungen auf 3 bis 4 Prozent belaufen könnten. Das sind immerhin 640.000 Euro in Thüringen.

Ich habe auch noch mal eine kleine Grafik mitgebracht, wo man das, glaube ich, wunderbar erkennen kann. Also 2002 die Privatisierung des Maßregelvollzugs erfolgt. Das ist – Stand letztes Jahr – mehr als eine Vervierfachung der Kosten für den Freistaat Thüringen und deswegen auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und für uns alle. Deswegen ist dieses fiskalische Argument, was die CDU einst einbrachte, warum man diesen Weg überhaupt tun sollte, ich glaube, krachend gescheitert und sollte uns alle dazu aufrufen, dass wir den Weg der Re-Verstaatlichung gehen. Es gibt da auch den CDU-Hinweis, dass es jetzt bundesverfassungsrechtlich nicht ausgeurteilt ist, dass man das zwingend in staatlicher Hand haben muss. Es ist aber eben auch nicht verboten, dass zu tun, und es gibt natürlich keine Grundsatzentscheidung, dass man das irgendwie privatisieren sollte. Deswegen, glaube ich, ist das wirklich ein Scheinargument. Wir müssen wirklich mit Vorsicht damit umgehen, wenn Maßregelvollzug von Konzernen geführt wird, die Unternehmen sind, die sich am DAX befinden. Dann, glaube ich, müssen wir das wirklich mit hoher Vorsicht betrachten und richtigerweise die Landesregierung unterstützen, dass wir den Weg der Re-Verstaatlichung dort weitergehen.

(Abg. Herold)

Kollege Zippel hat auch noch mal den Blick nach Niedersachsen geworfen. Da möchte ich mal ganz kurz zitieren aus einer Landtagsdebatte vom 17. Dezember 2019. Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann sagte damals – Zitat –: Der von der CDU-FDP-Vorgängerregierung veranlasste Verkauf von acht der zehn Maßregelvollzugskliniken des Landes sei im Nachhinein kein großer Erfolg gewesen, denn in den privat geführten Einrichtungen habe sich die Lage wirklich teilweise verschlechtert. – Eine Frage der Kapazitäten, die mussten damals auch ausgeweitet werden mit Containern und Modulen, das war Anlass der Debatte zu dem Zeitpunkt und hat auch noch mal in Niedersachsen deutlich gemacht, dass es auch dort der falsche Weg ist, wie in Thüringen die Privatisierung der falsche Weg war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass auch die Behauptung hier wieder aufgemacht worden ist, dass die Beschäftigten irgendwie im Unklaren gewesen seien – ich denke, die Ministerin wird sicherlich auch noch dazu Ausführungen machen. Aber es wurde eben ein Transformationsprozess frühzeitig begonnen. Es wurden Verhandlungen aufgenommen und auch eine Projektgruppe eigens für die Re-Verstaatlichung und Re-Organisation des staatlichen Maßregelvollzugs eingerichtet und natürlich auch die Interessen der Beschäftigten ständig beachtet. Auch die Betriebsräte in den betroffenen Maßregelvollzugskliniken begrüßen den Weg einer Re-Verstaatlichung. Deswegen kann man, glaube ich, nicht davon sprechen, dass hier eine hohe Unsicherheit besteht, sondern wirklich hier auch ein gemeinsames Agieren in diesem Transformationsprozess in Zeiten des Wandels in diesem Bereich dann auch zu vollziehen.

Als Zwischenfazit können wir heute natürlich sagen: Es zeichnet sich eine erfolgreiche Umsetzung der Re-Verstaatlichung des Maßregelvollzugs ab, entgegen der Behauptungen, die hier mehrfach im Raum gestanden haben. Deswegen werden wir weiterhin unterstützen, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen, denn er ist effektiver und er ist gemeinwohlorientierter und letztendlich tatsächlich auch für uns alle kostensparender. Deswegen sollten wir das fortsetzen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Gruppe der FDP erhält Herr Abgeordneter Montag das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist heute kein guter Tag für das Gesundheitsministerium, es ist ein Antrag, ein Gesetzentwurf nach dem anderen, wo deutlich wird, dass Sie Ihren Job nicht bis zum Ende erledigen, wenn Sie ihn überhaupt erledigen.

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Sie können eines nach dem anderen machen, wir machen alles parallel! Also mal nachdenken!)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ja, mit Hunderten Mitarbeitern!)

Sorry, wir sind vier Abgeordnete, jetzt werfen Sie uns doch bitte nicht vor, dass wir Ihnen ständig Anträge und komplexe Gesetzentwürfe hier in den Landtag spülen.

(Zwischenruf Abg. Henkel, CDU: Das wäre Ihre Aufgabe als Ministerin!)

Das wird ja langsam lustig. Wenn Sie keine Lust mehr haben, dann treten Sie zurück von Ihrem Amt!

(Beifall AfD)

(Abg. Plötner)

Dass ich mich jetzt hier rechtfertigen muss, dass die Opposition Anträge stellt oder Gesetzentwürfe einbringt, das ist ja wohl doch ein bisschen…

Aber vielleicht hilft ja einfach noch mal ein Blick zurück in die Vorgänge um die Re-Verstaatlichung. Ich werfe Ihnen doch gar nicht vor, dass das kein komplexes Unterfangen ist.

Herr Dittes, wollen Sie anstatt meiner hier die Rede für die FDP halten

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Gern.)