Protocol of the Session on November 3, 2023

denn Sie hatten gerade gesagt, dass Sie Kenntnis darüber haben, dass sich Menschen in Thüringen anmelden, um Familiennachzug durchzuführen, und dann wieder verziehen. Können Sie mir eine Quelle bzw. Zahlen nennen, die das, was Sie hier gerade dargestellt haben, bestätigen?

Die Quelle sage ich Ihnen mit Sicherheit nicht, bei den Zahlen müssen wir mal schauen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Ich werde, wissen Sie – ja, ja –, Sie können sich auch vorstellen, warum man solche Quellen nicht nennt.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Nennen Sie eine Zahl!)

Sie können mir jetzt glauben, ob die seriös sind oder nicht. Wissen Sie, Sie sind vollkommen realitätsentrückt, was diese Fragen angeht. Sie wollen die Realität einfach nicht wahrhaben. Das ist das Problem. Und es ist

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Moment mal – jetzt hat erst mal Kollege Schard das Wort.

ein Teil des Problems, dass Sie sich ständig die Welt anders ausmalen, als sie wirklich ist. Und, das sage ich Ihnen auch, ohne einen realistischen Blick, ohne eine differenzierte Betrachtungsweise kommen Sie einer Entspannung dieser gesamten Lage keinen Schritt näher, sondern Sie entfernen sich immer mehr davon.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Sie verkaufen das als Wissen, aber das haben Sie einfach nicht!)

Das Ganze wird Ihnen dann, wenn wir so weitermachen, auch um die Ohren fliegen. Das ist das Problem. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, Menschen mit geringer Bleibeperspektive gar nicht erst auf die Kommunen zu verteilen. Denn auch das würde helfen, den Städten und Kreisen Luft zu verschaffen. Abgelehnte Asylbewerber müssen natürlich konsequent und schnellstmöglich abgeschoben werden. Ausgesprochene Duldungen, meine Damen und Herren, müssen natürlich auch permanent auf ihre fortdauernde Begründung geprüft werden. Um das Abschiebemanagement neu zu ordnen, wird die Landesregierung außerdem aufgefordert, eine zentrale Ausländerbehörde aufzubauen, in deren Zuständigkeit

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Aber das Landesamt lehnen Sie doch ab!)

dann auch Rückführungszentren errichtet und betrieben werden, in denen abgelehnte Asylbewerber untergebracht und natürlich effektiver abgeschoben werden können.

In den Landeseinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften, jetzt komme ich auf den Antrag der FDP mit zu sprechen, soll konsequent das Sachleistungsprinzip umgesetzt werden, damit Anreize für ungerechtfertigte Migration auch auf dieser Ebene abgebaut werden. Hierzu soll eine Guthabenkarte ausgegeben werden, womit dann Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs bargeldlos erworben werden können. Überweisungen von dieser Bezahlkarte sowie Zahlungen ins Ausland sollen damit natürlich nicht möglich sein, denn dadurch werden auch weitere Zahlungen an Schlepper erschwert und damit auch die Schlepper- und Schleuserkriminalität eingedämmt. Eine Einführung einer solchen Bezahlkarte wäre eine konsequente Weiterentwicklung des Sachleistungsprinzips. Eine Integration in die Gesellschaft von begründeten Aufenthalten würde dadurch auch nicht erschwert.

Die Bundesländer sind für den Vollzug des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständig. Das ist klar. Um einen Flickenteppich zu vermeiden, sollten auch verschiedene Regelungen vermieden werden, sodass eine einheitliche Kartenlösung im Bundesgebiet, in allen Bundesländern eingesetzt wird. Diese Forderung – auch das muss Bestandteil dieser Änderung, dieser Vorschläge sein –, ist aus unserer Sicht elementar.

Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um einen Wettbewerb der Einschränkungen und willkürlichen Maßnahmen. Nein, darum geht es nicht. Es geht darum, mit dieser Krise fertig zu werden, ohne diese Gesellschaft auf allen Ebenen zu überfordern. Ein Laufenlassen, wie es in der Vergangenheit passiert ist, das ist staatspolitisch nicht zu verantworten und bedarf einer dringenden Korrektur. Im Bund werden, wie gesagt, deshalb auch schon solche Gespräche geführt. Und Thüringen muss dann eben beim Bund auch darauf hinwirken, dass die Zuwanderung besser gesteuert wird. Die Angleichung von Sozialsystemen und ‑leistungen auf einen europäischen Standard ist dabei genauso elementar wie die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer um die Staaten Moldau, Georgien, Armenien, Indien, Algerien, Tunesien

und Marokko – denn aus diesen Ländern werden kaum Asylanträge positiv verbeschieden –, was dann Rückführungen effizienter und auch umsetzbarer machen würde.

Die bisherige Weigerung, meine Damen und Herren, der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen und Parteien haben in diesem Punkt genauso wenig mit einem vertretbaren Realitätsbewusstsein zu tun – das höre ich hier immer wieder – wie die Zusatzerklärung Thüringens bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz und der dortigen Ablehnung der Verlagerung der Asylverfahren an die EU-Außengrenzen oder auch die Auffassung, dass alle, die drei Jahre hier sind, dann auch bleiben können sollen, egal über welchen Weg sie hier eingereist sind.

Es mag nicht dem Weltbild einzelner politischer Vertreter entsprechen, das mag nicht so sein. Aber nicht alle, die hierherkommen, können auch das Fachkräfteproblem lösen. Das ist von Herrn Kemmerich auch angesprochen worden. Auch das ist realistisch. Die Einwanderung findet vielfach – und das muss man an dieser Stelle auch so sagen – nicht in den Arbeitsmarkt satt, sondern in großem Umfang in die Sozialsysteme. Das ist so. Auch wenn Sie es vielleicht oder mit Sicherheit an dieser Stelle nicht so wahrhaben wollen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Aber dafür gibt es doch auch Ursachen und das muss auch nicht so bleiben!)

Herr Dittes, gerade die hohe Zahl derjenigen, die sich nach Jahren des Aufenthalts eben noch in diesem Hilfebezug befinden, denke ich, zeigen das ausdrücklich. Derzeit machen wir es der Einwanderung qualifizierter Fachkräfte beinahe schwerer als den Menschen, die irregulär in unser Land kommen. Das ist ein Zustand, der weder logisch noch sinnvoll und erst recht nicht im Interesse dieses Landes und auch nicht im Interesse von Thüringen ist.

Ich will zum Schluss kommen, meine Damen und Herren. Wer diese Krise lösen will, wer in Zukunft auch noch auf funktionierende Sozialsysteme bauen will und wer in Zukunft auch noch denen helfen können will, die wirklich Hilfe nötig haben, der verweigert sich in dieser Situation nicht den erforderlichen Maßnahmen, sondern ist zu den dringend gebotenen Änderungen bereit. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Bitte, Herr Schubert.

Ja, Herr Schubert, Ihre Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Schard, ich hatte eine Nachfrage. Sie haben von den verschiedenen Stellschrauben gesprochen, die Sie drehen wollen. Geben Sie mir recht, dass eine der wichtigsten, wenn

nicht sogar die wichtigste Stellschraube die Bekämpfung von Fluchtursachen sein müsste? Und wenn das so ist: Welche Gedanken haben Sie sich in diese Richtung gemacht? Hat die CDU auch Vorschläge zur Bekämpfung von Fluchtursachen und können Sie uns darüber erzählen?

Herr Schubert, es geht – und das habe ich gesagt – um eine Vielzahl von Maßnahmen, die ergriffen werden müssen. Da gehören Fluchtursachen natürlich mit dazu. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht sagen, dass das das Wichtigste ist, sondern es ist ein Punkt, der in diesem Bereich mit reinspielt. Wichtig ist, zu akzeptieren, dass nicht jeder, der kommen will, auch kommen kann. Das hilft nicht weiter. Ich kenne natürlich die Linie Ihrer Partei und auch die Äußerung Ihrer ehemaligen Vorsitzenden, Bundesvorsitzenden Frau Hennig-Wellsow,

die aus Thüringen kommt. Die Vorstellung der offenen Grenzen, dass kommen kann, wer kommen will, ist gescheitert. Das sehen wir jeden Tag in unserem Land. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Schard. Ich rufe Frau Abgeordnete Henfling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, wir führen hier die gleiche Diskussion, aus meiner Perspektive rechts in diesem Hause, genauso ziellos, wie wir das schon am Mittwoch gemacht haben, weil Ihre Vorschläge schlicht und ergreifend keines unserer Probleme lösen, die wir auf dem Tisch liegen haben. Aber ich habe ja ein bisschen mehr Zeit, dann kann ich auch noch mal deutlicher ausführen, was ich damit meine.

Der Antrag der CDU hat sich von einem Antrag zum Landesaufnahmeprogramm Afghanistan zu einem Antrag über alles und nichts gewandelt. Sie haben, glaube ich, schon in Ihrem Ursprungsantrag vergessen, warum wir unter anderem ein Landesaufnahmeprogramm Afghanistan haben. Sie haben vergessen, dass seit mehr als 30 Jahren Millionen Afghaninnen wegen bewaffneter Konflikte auf der Flucht sind, und Sie haben vergessen, dass Afghanistan nicht sicher ist. Das ist spätestens seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 unübersehbar. Während des Afghanistan-Einsatzes hat die Bundeswehr mit Menschen in Afghanistan kooperiert, unter anderem auch mit Menschen, die mit verschiedenen Bundesministerien gearbeitet haben. Aufgrund ihres engagierten Einsatzes für Frieden und Demokratie werden sie nun von den Taliban bedroht und verfolgt, sodass sie unseren Schutz benötigen. Das sind die sogenannten Ortskräfte und besonders schutzwürdige Personen. Diese erhalten Aufnahmezusagen und befristete Aufenthaltserlaubnisse. Auf diesem Wege wurden im Jahr 2021, als es auch noch möglich war, in Thüringen 281 Afghaninnen aufgenommen. 281 im Jahr 2021. Seitdem haben wir zwei aufgenommen. Zwei! Und das liegt nicht am Landesaufnahmeprogramm, sondern das liegt daran, dass man aus Afghanistan nicht mehr rauskommt. Sie stellen sich jetzt hier hin und da knüpfen wir bei dem an, was Katharina König-Preuss – Katharina, alles gut, ja, und wenn es 200 wären, wäre es immer noch keine Zahl, über die es hier wirklich ernsthaft zu streiten gilt. Das ist das, was ich wirklich unterirdisch finde. Katharina König-Preuss hat das am Mittwoch auch noch mal deutlich gesagt, worüber wir hier eigentlich reden.

Wir haben das jetzt noch auf das Landesaufnahmeprogramm Syrien erweitert. Da haben wir von Januar bis September 640 Visa erteilt. Das ist aber nur die Erteilung der Visa. Das heißt nicht, dass 640 Leute tatsächlich schon hier sind. Wir reden vom Familiennachzug. Darauf hat Steffen Dittes vorhin noch mal hingewiesen: Wir reden also davon, dass Menschen ihre Familien, das, was Sie alle auch machen würden, wenn Sie in so einer Situation wären, aus Syrien und aus Afghanistan rausholen. Sie würden es genauso machen. Sie stellen sich hierhin und tun so, als wären Sie die besseren Menschen, weil Sie einen Pass haben, der auf dieser Welt viel mehr wert ist als der von jemandem aus Afghanistan oder Syrien. Da haben Sie Glück gehabt!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben einfach Glück gehabt, im richtigen Land geboren zu sein. Es ist unfassbar überheblich, wie Sie über andere Menschen reden, die ihr Leben riskieren.

(Abg. Schard)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Lassen Sie uns tauschen! Sie gehen nach Afghanistan und dafür darf einer kommen!)

Herr Kemmerich hat ja schon angekündigt, er macht es selber. Ich bin gespannt.

(Zwischenruf Abg. Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann würde ich Sie als Erstes abschieben!)

Sie reden hier über Menschen, die ihr Leben riskieren, die über das Mittelmeer in einem verdammten klapprigen Boot fahren, in einer menschenverachtenden Art und Weise, als wären das alles Menschen, die zu Hause in ihrem Heimatland sitzen und denken: Ach Mensch, habe ich heute mal Langeweile, in Deutschland, habe ich gehört, kriege ich 300 Euro auf die Hand, dann fahre ich einfach mal mit einem kaputten Boot über das Mittelmeer. Merken Sie eigentlich, was Sie sagen, wenn Sie so was sagen? Merken Sie eigentlich, wie absurd das ist, was Sie da sagen?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommen wir mal zu der Frage der Überforderung. Man kann Überforderung herbeireden und man kann wirklich überfordert sein. Mein Gefühl in den letzten Monaten ist, dass vor allen Dingen bestimmte politische Kräfte daran interessiert, sind, Überforderungen herbeizureden,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil Sie nämlich ganz genau wissen, wie politisch effektiv es ist, der Bevölkerung einzureden, dass Sie überfordert sind.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Erzählen Sie das mal den Kommunen! Das ist absoluter Bullshit!)

(Unruhe CDU)

Das hat die AfD während der Coronapandemie auch schon gemacht, nämlich von permanenter Überforderung der Bevölkerung zu sprechen. Genau das Gleiche tun Sie auch. Es liegt nämlich nicht daran, dass Menschen zu uns kommen, dass wir bestimmte Sachen nicht auf die Kette kriegen, sondern es liegt unter anderem daran, dass wir dafür nicht vorbereitet sind, dass wir strukturell für diese Aufgabe nicht vorbereitet sind. Wir haben an vielen Stellen in der Frage eine dysfunktionale Verwaltung, die bestimmte Sachen nicht hinbekommt, wo wir einfach zu langsam sind und uns nicht daran gewöhnt haben, dass Migration eine Daueraufgabe ist, die wir auch personell, die wir auch finanziell in den Verwaltungen abbilden müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wer regiert denn das Land?)

Und wenn man sich Ihren Antrag mal ganz genau anguckt, dann ist das doch ein politisches Armutszeugnis, was Sie hier auf den Tisch gelegt haben. Sie wollen, dass der Landtag feststellt, dass wir nichts hinbekommen. Was ist denn das für ein politischer Anspruch? Sie haben da keinen einzigen wirklich sinnvollen Vorschlag drin, den man hier umsetzen könnte, wo am Ende irgendetwas besser wäre für die Kommunen, für das Land, für die Verwaltung und für die Menschen in Thüringen und auch nicht für die Geflüchteten, für die wird es am schlimmsten bei dem, was Sie da reingeschrieben haben.

Das ist genau das Problem, was ich damit habe. Ich diskutiere sehr gern mit Ihnen über Migrationspolitik, aber können wir vielleicht mal anfangen, so darüber zu diskutieren, dass man nicht permanent das Gefühl hat, dass es eigentlich, auch gerade von der CDU und auch von der FDP, ein reiner Abwehrkampf gegen das Thema an sich ist, gegen Geflüchtete an sich ist, gegen Migrantinnen und Migranten an sich ist. Können

wir anfangen, darüber zu diskutieren, was wir hier bei uns vor Ort tun müssen, um das Problem tatsächlich zu begreifen und anzupacken. Da helfen Ihre polemischen und populistischen Vorschläge überhaupt nichts.