Protocol of the Session on November 3, 2023

(Beifall Gruppe der FDP)

Für einen Rechtsstaat ist es genauso elementar, Schutzbedürftigen Hilfe zu leisten. Aber damit, glaube ich, gehen die Sachen schon wieder auseinander. Die Frage ist, wo leisten wir Hilfe. Ich nehme mal die zentrale Frage auf: Zurzeit sind viele Menschen von Krieg, Hunger, Umweltkatastrophen, vielerlei Dingen bedroht und das geht in die dreistellige Millionenzahl. Wir werden die Probleme dieser Welt nicht auf deutschem und nicht auf europäischem Boden lösen können. Das ist der Eindruck, den Sie teilweise zu erwecken versuchen. Es wird nicht funktionieren.

Deshalb sind wir alle aufgefordert, die Anstrengungen darauf zu richten, auch vor Ort zu helfen. Es ist zwar fast eine Binse, aber trotzdem eine starke Wahrheit. Jeder Euro, den wir in den Krisengebieten selbst investieren, um dort konkrete Hilfe zu leisten, auch unter Einbindung oder in Zusammenarbeit mit den weltweiten Hilfswerken wie der UNHCR. Jeder Euro ist dort viel besser investiert, als wenn wir hier Systeme hochfahren, die nicht nur an ihre Grenzen gekommen sind, sondern längst über die Grenzen hinaus gekommen sind.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Halleluja, ist das weltfremd, was Sie hier erzählen!)

Zum Thema „Arbeitsmigration“ sind die Mittel des Asylrechts – zurück zu Punkt 1 – eben untauglich, das merken wir gerade. Arbeitsmigration muss auf völlig andere Art und Weise organisiert werden. Da gibt es die Beispiele aus Kanada, aus Australien, aus vielerlei Ländern, aber auch in Europa, Schweden, Dänemark. All das sollten wir zum Anlass nehmen, wirklich zu hinterfragen, ohne sich gegenseitig vorzuhalten, es falsch zu sehen. Es ist scheinbar falsch, wie wir es gerade machen. Das zeigt uns die Reaktion der Bevölkerung und

auch die Umfrageergebnisse.

Insofern sind weitreichende Systemkorrekturen zu machen. Eine Korrektur ist eben auch, dass wir die europäischen Grenzen tatsächlich sicher machen und gegen den unberechtigten Zutritt stark machen. Das ist auch notfalls – das wird mir in der Diskussion ja vorgeworfen – mit Gewalt zu tun. Bei dem Begriff „Gewalt“ möchte ich nur jeden daran erinnern, was passiert, wenn ich ohne entsprechendes Visum in die Vereinigten Staaten von Amerika Einlass begehre. Da wird mir erst relativ bestimmt und entspannt gesagt: Bitte nehmen sie denselben Flieger, in dem sie gekommen sind, und fliegen zurück. Wenn ich das nicht wahrnehmen sollte, dann kommen auch sicherlich ein paar nette Herren oder Damen und sagen: Dann werden wir sie begleiten. Den Rest brauche ich jetzt nicht weiterzuentwickeln. Das ist ein völlig legitimes

(Vizepräsident Bergner)

Recht jeden Staats, zu sagen: Ich kontrolliere meine Grenzen und wer sie unberechtigt übertritt, den weise ich auch zurück.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben das Völkerrecht nicht verstanden, Herr Kemmerich! Das ist Ihr Problem!)

Schließlich und letztlich ist auch eine zentrale Forderung: Unberechtigt ist jeder, der keine Rechte hat, einfach reinzugehen. Jeder der behauptet, ich bin Asylberechtigter, das ist aus sich heraus nicht richtig. Deshalb schlagen wir vor, diese Asylfrage außerhalb der europäischen Grenzen zu klären, damit wir mehr Kontrolle über das Geschehen haben und denjenigen wirklich helfen können, die hilfebedürftig sind.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das macht es ja nicht besser!)

Letztlich ist auch eine Diskussion, die auch von den Vorsitzenden der Grünen wird, von Ricarda Lang und von dem Herr Kretschmann aus Baden-Württemberg: Sachleistungen statt Bargeld. Wir müssen die möglichen Pull-Effekte herunterdimmen, die in Deutschland vorherrschen und es erkennbar attraktiver machen, nach Deutschland zu kommen als in jedes andere europäische Land. Das ist eben eine durchaus sehr großzügige Ausstattung.

Last, but not least ist es auch die Frage, wie wir den Zugang in den Arbeitsmarkt organisieren. Bei den

Zahlen der Flüchtlinge aus der Ukraine arbeiten in Deutschland – konnten wir die Tage noch sehen – unter 20 Prozent. Aus anderen Staaten sind es weit über 50 Prozent, bei denen wohl noch der Zugang zum Arbeitsmarkt organisiert wird. Also ist es gar nicht so fernliegend und irgendwie unmenschlich, da zu sagen, wir müssen die Asylsysteme straffen und einfach nicht nur im Sinne derjenigen, die bei uns als Flüchtling untergekommen sind, sondern im Sinne der gefühlten Gerechtigkeit aller in Deutschland, die auf die Situation schauen und Menschen zu sagen: Werden die alle gleichbehandelt? Ist mein Engagement für die Gesellschaft, ist mein Engagement in die Arbeitswelt allein gleich viel wert wie das Engagement derjenigen, die das eben nicht so sehr tun? Deshalb sage ich noch mal ausdrücklich: Jeder, der arbeiten kann, sollte dies auch im Rahmen seiner Möglichkeiten tun. Ob man das nun Arbeitspflicht oder tatsächlich die Gegenleistung für das Entgegenkommen der Gesellschaft nennt, ist unterm Strich egal, aber wichtig ist, dass sich jeder so einbringt, wie er das kann. Danke schön.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kemmerich. Ich rufe für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Schard auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident, dass es in Sachen Migration nicht so weitergehen kann, ist mittlerweile auch in der Bundesregierung angekommen. Für so manche Feststellung und auch die Benennung von dringenden Handlungsnotwendigkeiten, die teilweise mittlerweile von Regierungsparteien im Bund angesprochen und diskutiert werden, bin ich hier vor Monaten, vor Wochen, zum Teil auch heute, beschimpft und betitelt worden. Die Feststellung, dass es so nicht weitergehen kann, weil die Gesellschaft und auch Thüringen am Rande der Leistungsfähigkeit angekommen ist, das dürfte jedem, der den Bezug zur Realität nicht ganz verloren hat, durchaus einleuchten.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Wir schaffen das!)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ja, aber was denken Sie denn?)

(Abg. Kemmerich)

Ja, Herr Dittes, das ist so, auch wenn es Ihnen nicht passt. Und wenn Sie mal in die SPD-Fraktion im Bund schauen, dann merken Sie natürlich, welche Diskussionen dort geführt werden müssen.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schubert?

Ich habe ja noch gar nicht angefangen. Am Ende, bitte.

Am Ende.

Wenn etwas nicht funktioniert, dann muss umgesteuert werden. Das ist auch Aufgabe von Politik, meine Damen und Herren, und das ist Aufgabe von Regierung. Gerade in der Migrationspolitik funktioniert vieles nicht. Ich warne auch an dieser Stelle davor, dass die Hoffnungen der Menschen auf dringend notwendige Veränderungen nicht enttäuscht werden. Auf dem Spiel stehen sowohl der soziale als auch gesellschaftliche Frieden, das Vertrauen in das Funktionieren unseres Staats und nicht zuletzt auch das Vertrauen in eine funktionierende Demokratie, in der Gesetze angewandt und durchgesetzt werden. Auch das ist natürlich die Vorgabe für den Bund-Länder-Gipfel am Montag, auf dem es meiner Ansicht zu dringenden Ergebnissen kommen sollte und auch muss.

Um die weiter gehende Überlastung in den Kommunen zu verhindern und das Migrationschaos zu beenden, muss der Zustrom der Menschen begrenzt, Ordnung muss hergestellt und auch Rückführungen müssen dringend durchgesetzt werden. Die Kommunen haben da in den vergangenen Monaten in Sachen Migration Herausragendes geleistet und sind weiter vor immense Herausforderungen gestellt. Es gibt kaum noch freie Unterbringungsmöglichkeiten oder Schulplätze und verfügbaren Wohnraum in den Städten, in den Gemeinden geschweige denn auch kurzfristig zur Verfügung stehende Integrationsmaßnahmen. Weiter steigende Zugangszahlen sind schlichtweg nicht mehr zu bewältigen. Wenn das Land auch in Zukunft seinen humanitären Verpflichtungen nachkommen will, muss insbesondere die irreguläre Migration begrenzt und beendet werden.

Dafür, meine Damen und Herren, dass es Grenzen in der Aufnahmekapazität gibt, was in der Vergangenheit immer wieder und zum Teil auch heute immer wieder negiert wird, ist am Beispiel Thüringens augenscheinlich und offenkundig. Eben weil in jüngster Vergangenheit keine Kapazitäten mehr zur Verfügung standen, musste sich Thüringen vorübergehend aus dem Verteilsystem des Bundes abmelden. Ich weiß immer noch nicht, ob Hermsdorf und Eisenberg an das EASY-System angeschlossen sind, und was mit den Menschen passiert, die jetzt in die vollen EAEs verteilt werden sollen, das weiß man auch noch nicht.

Meine Damen und Herren, das, was ich gerade beschrieben habe, ist gerade ein Einverständnis dafür, dass es natürlich Grenzen von Aufnahmemöglichkeiten gibt. Die Kommunen können auch nicht dauerhaft dafür herhalten, dass die Landesregierung ihre Hausaufgaben seit langer Zeit nicht gemacht hat und die Kapazität an eigenen Plätzen seit Monaten nicht ausgebaut hat, so wie wir das hier seit Langem gefordert haben.

(Beifall CDU)

Es ist eine Farce – und das kommt noch hinzu – gegenüber den Kommunen, wenn von der Landesregierung aufgestellte Standards nur in den Einrichtungen der Kommunen und nicht in den Einrichtungen des Freistaats gelten. Wenn Thüringen dann noch durch eigene Landesaufnahmeprogramme die Lage verschärft, die Kommunen zusätzlich belastet und natürlich damit auch Anreize für Missbrauch setzt, wird die Landesregierung ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Meine Damen und Herren, es muss dabei bleiben, dass die Außenpolitik vom Bund und im Bund betrieben wird und eben nicht durch den Freistaat Thüringen. Selbst wer in den vergangenen Wochen und Monaten die Migrationspolitik des Freistaats Thüringen lediglich am Rande beobachtet hat, dem offenbarten sich permanente Überforderung sowie auch andauernde Realitätsverweigerung. Wenn Deutschland und auch Thüringen in Zukunft ihren humanitären Verpflichtungen gerecht werden können sollen, dann muss die Migrationspolitik schnell und nachdrücklich auf aktuelle Zustände angepasst werden. Die Zuwanderung muss sinnvoll geordnet werden, die Zuwanderung muss sinnvoll gesteuert werden und auch an den EU-Außengrenzen muss dafür gesorgt werden, dass nicht jeder, der nach Europa kommen will und mitunter auch kein Recht auf Aufnahme hat, auch nach Europa kommen kann.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Dafür sind wir definitiv nicht zuständig!)

Im Bundesrat bzw. am Montag im Bund-Länder-Gipfel werden wir das ja sehen, Herr Dittes.

Die aktuellen Berichte von einer Vielzahl abgelehnter Asylbewerber von dieser Woche, die in der Vergangenheit teilweise bis zu acht Mal in Deutschland eingereist sind und jedes Mal einen neuen Antrag mit der Folge gestellt haben, dass ihnen neue Leistungen bewilligt werden mussten, sprechen nicht gerade für einen durchsetzungsfähigen Staat, der diesem Missbrauch Einhalt gebietet und Einhalt gebieten will. Es sind natürlich solche Berichte, die das Vertrauen in die Politik und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik beeinträchtigen und zuweilen auch zerstören.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas sagen. Wenn man im zuständigen Ausschuss nach solchen Zahlen fragt, dann liegen keine statistischen Erhebungen vor, aber in anderen Bundesländern gibt es komischerweise diese Zahlen. Auch das sind natürlich Umstände, die für sich sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Recht auf Asyl ist nicht automatisch ein Recht auf Zuwanderung und wie ich hier immer wieder wahrnehme, scheinen das manche zu verwechseln. Der Staat hat gerade die Pflicht, das eine vom anderen zu unterscheiden und entsprechend darauf zu reagieren. Die Signale, meine Damen und Herren, dass nahezu jeder, der hierherkommt, dann auch bleiben kann, auch das sind Umstände, die die Menschen auf diese wackligen Boote, auf diese Seelenverkäufer locken. Es sind zwar nicht die einzigen Auslöser dafür, aber mitunter sind es auch gerade diese Signale, die zu den unmenschlichen Dramen im Mittelmeer führen. Wenn die offenkundige Perspektive besteht, dass man hier

bleiben kann, auch wenn man keinen Anspruch darauf hat, dann machen sich natürlich viel mehr Menschen auf den Weg, dann am Ende auch über Schleuser diese Plätze auf den wackligen Booten zu kaufen und bedauerlicherweise für solche Bilder zu sorgen, die wir hier immer entgegennehmen müssen.

Meine Damen und Herren, es ist nicht damit getan, an nur einer Stellschraube zu drehen. Nein, in der Lage, in der wir uns befinden, ist eine Vielzahl an Maßnahmen erforderlich und sinnvoll. Wir fordern an dieser Stelle die Landesregierung auf, die eigenen Landesaufnahmeprogramme zu beenden und dadurch die Belastung in den Kommunen nicht weiter zu erhöhen und den Kommunen natürlich auch die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen, damit diese Überlastung abgefedert werden kann. Gerade der Famili

ennachzug über diese eigenen Aufnahmeprogramme – auch das ist offenkundig – bedeutet künftig eine stärkere Belastung in den Kommunen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Es geht um Familiennachzug, Artikel 6 Grundgesetz!)

Herr Dittes, es sind auch keine Einzelfälle, in denen kurzfristig und gezielt nach Thüringen gezogen wird, sei es manchmal auch durch Scheinanmeldung, um eben Angehörige nachzuholen. Und nachdem das dann umgesetzt ist, findet vielfach auch wieder ein Umzug in andere Bundesländer statt.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist das denn?)

Das mag Ihnen nicht gefallen, aber solidarisch mit anderen Bundesländern ist das nicht. Und wenn Sie das alles anzweifeln, meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Nennen Sie doch mal Zahlen, nennen Sie doch mal Fakten!)

dann empfehle ich Ihnen mal Gespräche mit Ausländer- und Sozialämtern.

Herr Kollege Schard, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dittes?

Wollen wir das nicht am Ende machen, Herr Dittes? Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich brauche. Wir machen das am Ende.

Ganz kurze Frage, die passt auch gerade dazu,

Bitte.

denn Sie hatten gerade gesagt, dass Sie Kenntnis darüber haben, dass sich Menschen in Thüringen anmelden, um Familiennachzug durchzuführen, und dann wieder verziehen. Können Sie mir eine Quelle bzw. Zahlen nennen, die das, was Sie hier gerade dargestellt haben, bestätigen?