Um noch mal eine andere Zahl zu nennen, unsere neue Fachkräftestudie: Nach den Projektionen, die dort vorgenommen wurden, würden bis 2035 rund 140.000 Arbeitsplätze wegen fehlender Arbeitskräfte nicht mehr besetzt werden können – 140.000, das zeigt, dass es ein Risiko ist für unser Land, auch für die Produktivität unserer Wirtschaft.
Jetzt ist es natürlich nicht so, dass wir uns damit nicht beschäftigt hätten, sondern seit vielen Jahren arbeiten wir natürlich an der Fachkräftestrategie. Mit verschiedensten Maßnahmen, die auch immer wieder angepasst werden, begegnen wir dem Problem. Dass das bis jetzt ganz gut gelungen ist, habe ich heute Vormittag auch schon mal dargestellt. Die Zahl der sozialpflichtig Beschäftigten in Thüringen ist gestiegen.
Wir haben eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten deutschlandweit. Wir haben einen hohen Anteil der Erwerbstätigen bei den Frauen – da sind wir an zweiter Stelle –, einen hohen Anteil älterer Erwerbstätiger. Insofern sind diese Potenziale weitgehend ausgeschöpft. Und wenn man sich auch die niedrige Teilzeitquote im Vergleich zu anderen Bundesländern anschaut, kann man fast von Vollbeschäftigung reden. Wie gesagt, ich will nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier auch immer noch Parameter im endogenen Potenzial gibt, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.
Es gibt eine Allianz für Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung. Dort sind die betroffenen Ministerien hier aus dem Land beteiligt, aber natürlich auch die Kammern, die Gewerkschaften, die Sozialpartner, die Bundesagentur für Arbeit usw. Gemeinsam verständigen wir uns immer auf Maßnahmen, die wir auch gemeinsam umsetzen. Anstehend und aufgrund der derzeitigen Fachkräftestudie gibt es eine neue Workshop-Reihe genau in dieser Allianz, die sich noch mal explizit mit dem Thema „endogene, exogene und Digitalisierungspotenziale“, wie es zu recht schon angesprochen wurde, beschäftigen wird, um gemeinsam
Ja, es gibt natürlich nicht ausgeschöpfte, brachliegende Potenziale – das wurde schon angesprochen –: Studienzweiflerinnen, Studienabbrecherinnen, aber auch Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss und Menschen mit Behinderungen, die wir unbedingt in den Arbeitsmarkt integrieren wollen, genauso wie anerkannte und geduldete Geflüchtete, die immer noch ein großes Potenzial für den Arbeitsmarkt sind. Wir werden uns aber trotzdem damit auseinandersetzen müssen, dass auch die Ausschöpfung der endogenen Potenziale nicht ausreichen wird. Deswegen müssen wir gezielt ausländische Arbeits- und Fachkräfte sowie potenzielle Auszubildende anwerben. Und wenn ich sage „wir“, dann meine ich auch „wir“, weil das nur gemeinsam geht. Das kann Politik allein nicht leisten, sondern dafür braucht es auch eine gelebte Willkommenskultur.
Es gibt natürlich auch noch andere Fragen zu beantworten, das wurde hier auch schon von Frau Güngör, aber auch von Frau Lehmann angesprochen, natürlich geht es auch um soziale Fragen wie faire Entlohnung, sichere Beschäftigung, gute Arbeitsrahmenbedingungen. Wenn Unternehmen ihre Fach- und Arbeitskräfte halten wollen, dann müssen sie sich dem auch stellen.
Herr Kemmerich, Sie haben es angesprochen: Die Frage der Rente mit 63. Fragen Sie mal die Beschäftigten, warum sie das in Anspruch genommen haben. Wir wissen es unter anderem aus dem DGB-Index Gute
Arbeit. Die Verdichtung von Arbeit, der immer größere Druck, den es gibt, führt dazu, dass Menschen sagen, ich traue mir nicht mehr zu, bis zur Rente im Arbeitsleben zu bleiben. Das sind die Gründe, warum Menschen gehen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dazu gehören eben auch die Arbeitszeiten. Wir wissen, dass Menschen auch ihre Familie, ihre Kinder, ihre älteren Angehörigen gern betreuen wollen, für sie da sein wollen. Insofern müssen wir mit klugen Antworten kommen. Einfach nur zu sagen: einfach mehr arbeiten – das reicht nicht aus. Es gilt, auch andere Modelle mit in den Blick zu nehmen.
Das Thema der Tarifbindung wurde schon angesprochen. Wir kommen aus dem Niedriglohnbereich und wir sind immer noch im Niedriglohnbereich. Wenn wir uns beispielsweise den Landkreis Sonneberg anschauen, haben wir zwar in Sonneberg eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten thüringenweit, aber wir haben in Sonneberg die meisten Menschen, die davon profitiert haben, dass der Mindestlohn in Deutschland angehoben wurde. Das zeigt noch mal, wie prekär Arbeit hier in Thüringen immer noch bezahlt wird. Auch hier braucht es Veränderungen.
Ich würde gern noch ein paar Worte zu den Maßnahmen der Landesregierung im Bereich der Fachkräftesicherung sagen wollen. Wir haben uns in der Ettersburger Erklärung beispielsweise als Kabinett noch mal dazu verständigt, welche Herausforderungen nicht nur bewältigt werden müssen, sondern dass Fachkräftesicherung auch ein Schwerpunkt der weiteren Arbeit sein soll. Ich habe die Allianz für Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung angesprochen. Die bearbeiten derzeit unter anderem das Thema der Fachkräftezuwanderung und Fachkräfteanwerbung ganz konkret.
Und noch mal in Richtung der AfD: Es geht immer darum, endogene Potenziale zu heben. Das tun wir seit Jahren. Aber wir werden ohne Fachkräftezuwanderung und ‑anwerbung sowie Arbeitskräftezuwanderung und ‑anwerbung die Herausforderungen nicht bewältigen können. Ich habe noch nie von jemandem gehört, mit dem ich mich unterhalten habe, dass er beispielsweise aufgrund von Rot-Rot-Grün das Land verlassen hat – ganz im Gegenteil, wir haben ja auch hier positives Wanderungssaldo. Aber es gibt viele Menschen,
Wir haben sehr viel getan im Bereich der Ausbildung. Das Online-Portal „Deine Ausbildung in Thüringen“ will ich hier an der Stelle benennen, das es seit 2022 gibt. Die neu gewonnenen Praxiskoordinatorinnen die beispielsweise für Berufsfelderprobung Schülerinnen und Schüler und Unternehmen gewinnen und vor allem auch zusammenbringen wollen. Wir haben den Bereich der Weiterbildung weiter gestärkt, indem beispielsweise Thüringer Weiterbildungsagenturen 2022 zunächst in Südwestthüringen gestartet sind. Das wollen wir bis Ende des Jahres auf alle Planungsregionen und Arbeitsagenturbezirke ausweiten, weil wir eben im Blick haben, dass wir eine Struktur von Kleinst- und mittelständischen Unternehmen haben, und die brauchen Unterstützung bei der Weiterbildung. Diese Weiterbildungsagenturen geben uns die Möglichkeit, Unternehmen an der Stelle aus einer Hand zu unterstützen und eben Bürokratie und Verwaltungsaufwand gering zu halten.
Dazu gehören auch Dinge wie Weiterbildungs-Schecks, Anpassungsqualifizierung, Weiterbildungsrichtlinie. Alles Dinge, die über die Fachkräfte- und Weiterbildungsrichtlinie aus dem ESF finanziert werden. Ich will
das Landesprogramm Arbeit für Thüringen ansprechen und hier noch mal ganz kurz darauf eingehen, warum es wichtig ist, dass wir eben vor allem auch die Geflüchteten, die Menschen, die hier leben mit in den Blick nehmen. Zum einen ist es einfach eine humanitäre Aufgabe, der wir uns stellen müssen und dazu gehört, dass sich Menschen eben auch in Arbeit integrieren können, teilhaben können. Wir wissen, dass das für viele Menschen momentan noch gar nicht möglich ist, weil Gesetze dem entgegenstehen. Ich will aber auch sagen, dass es sich auch rumspricht, wenn wir hier nicht gut mit den Menschen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, umgehen. Die Communitys sind an dieser Stelle sehr stark und auch deswegen ist es eigentlich in unserem eigenen Interesse, hier so viele Menschen wie möglich zu gewinnen.
Was das Thema der Anerkennung angeht: Ja, das ist ein Problem und das ist auch kein einfaches Problem, aber die Apothekenkammer – ich weiß gar nicht wer das angesprochen hat, ich glaube Frau Pfefferlein – hat sich mit einem Brief an die Regierung gewandt, in dem sie sich dafür bedankt hat, dass die Prozesse jetzt so gut laufen, dass wir hier die Prozesse vereinfacht haben.
Das war ein mühsamer Prozess, das gebe ich auch zu, aber dieser ist gelungen und dafür auch noch mal allen Beteiligten einen ganz, ganz herzlichen Dank.
Wichtig ist natürlich auch das Thema der Digitalisierung. Herr Kemmerich, da kann ich Ihnen absolut recht geben. Wir müssen alle Wege nutzen und das Projekt „Zentrum Digitale Transformation Thüringen (ZeTT+) “, das auch aus dem ESF-Bundesprogramm kofinanziert wird, gibt eben Beschäftigten, aber auch Unternehmen die Möglichkeit, den digitalen und strukturellen Wandel bewältigen zu können. Wir haben innovative Qualifizierungskonzepte erarbeitet. Es ließen sich weitere Dinge aufzählen: die Pflegeazubi-Richtlinie beispielsweise, unsere Modellprojekte in Vietnam, die wir weiter ausweiten wollen. Ich werde mit dem Ministerpräsidenten hierfür jetzt im November wieder in Hanoi und Da Nang auch werben. Wir haben Kooperationen mit lateinamerikanischen Ländern aufgenommen, ein Projekt mit El Salvador steht beispielsweise im Raum. Ich denke, hierzu können wir wirklich vieles im Ausschuss dann in den Beratungen auch erzählen. Ich hoffe nur, dass die Beratungen auch dazu führen, dass auch die Mittel, die es dafür im Haushalt braucht, sichergestellt werden. Ich will noch mal daran erinnern, dass leider beim letzten Mal, die VEs für die ThAFF, wie auch immer, rausgefallen sind. Ich hoffe das passiert diesmal nicht und freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Danke.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen sehe ich keine. Damit können wir zu den Abstimmungen schreiten. Wir kommen zur Abstimmung zu dem Antrag der Fraktion der CDU. Ich habe vernommen, dass Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft beantragt worden ist. Nicht?
Okay, dann habe ich Sie falsch verstanden. Also, Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Weitere Ausschüsse? Herr Abgeordneter Bühl.
Also ich hatte Überweisung an den Wirtschaftsausschuss beantragt. Das haben Sie schon ganz richtig verstanden.
(Zwischenruf Abg. Aust, AfD: Herr Bergner, bei uns auch Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesund- heit!)
großes Chaos. Ich habe also gesagt: Wir sind jetzt a) bei dem Antrag der Fraktion der CDU. Beantragt ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Gruppe der FDP, CDU-Fraktion, AfD-Fraktion. Linke? Ja oder Nein?
Doch. Also auch die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, also alle Fraktionen und Gruppen des Hauses. Ich frage trotzdem nach Gegenstimmen. Keine. Enthaltungen? Erwartungsgemäß auch keine. Damit ist dieser Überweisung stattgegeben.
Ich frage jetzt nach der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Weiter nichts? Gegenstimmen? Es geht um die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Also keine Gegenstimmen. Enthaltungen? Dann ist auch der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung stattgegeben. Danke schön.
Jetzt müssen wir uns noch über die Federführung verständigen. Ich schaue mal in Richtung der antragstellenden Fraktion, ich nehme an, Federführung bei Wirtschaft beantragt? Also, es ist Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft beantragt.
Das kann ja beantragt werden, aber jetzt ist erst einmal die Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft beantragt und das frage ich jetzt ab. Dann werden wir sehen, ob es dafür eine Mehrheit gibt.
Wer dieser Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Gruppe der FDP und der CDUFraktion. Gegenstimmen? Das sind die Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD. Enthaltungen? Damit ist dieser Federführung nicht zugestimmt.
Damit bliebe jetzt noch der Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung übrig, aber auch das frage ich ab. Wer der Federführung beim Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Gegenstimmen? Das sind die Gegenstimmen der Gruppe der FDP und der CDU-Fraktion. Enthaltungen? Enthaltungen wären jetzt gefragt. Wie bitte?
Sie haben dafür gestimmt? Das habe ich dann tatsächlich übersehen. Das sei mir um diese Zeit verziehen. Wie auch immer, jedenfalls liegt damit die Federführung beim Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung.
Wir stimmen weiter ab und kommen jetzt zur Abstimmung zu dem Alternativantrag der Fraktion der AfD – so wie ich es gesagt habe, nacheinander. Ich habe vernommen, es ist Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft beantragt worden?
Also beide Ausschüsse wiederum. Dann frage ich jetzt, wer der Überweisung des Alternativantrags der Fraktion der AfD an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aller übrigen Fraktionen und Gruppen des Hauses. Damit ist dieser Überweisung nicht stattgegeben.
Ich frage, wer der Überweisung des Alternativantrags der Fraktion der AfD an den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung zustimmt. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Wiederum die Stimmen aus dem Rest des Hauses. Damit ist auch dieser Überweisung nicht zugestimmt.