Protocol of the Session on September 15, 2023

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Abg. Tischner)

Aber, jetzt wollen wir mal zu dem Antrag sprechen.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Die Lehrer werden mindestens drei Monate nicht zugelassen!)

600 werden zugelassen, 300 kommen nur. Das heißt, es ist kein Problem der Studienplätze. Jetzt kommen wir mal zu eurem Antrag, Christian – wollen wir mal ein bisschen in medias res gehen.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: 300 verschwinden!)

Mit diesem Antrag ist es so ein bisschen wie mit Wein, man muss ihn eine Weile in den Keller packen, nach ganz tief unten, muss ihn ein bisschen lagern lassen, muss ihn sich ein bisschen entwickeln lassen, dann wird er vielleicht genießbar. So war es auch mit dem Antrag. Da ist ganz viel drin gewesen, was für uns niemals zustimmungsfähig gewesen wäre. Wir haben in den langen Ausschussberatungen – ich hatte ja die Freude, die Zahl der Beratungen hier kundzutun – vieles davon relativiert, wir haben Sachen rausgepackt und ja, der Ursprungsantrag – du hast es vorhin gesagt – ist von 2017.

Der Antrag an sich ist ein Sammelsurium von Dingen, die aus anderen Anträgen herauskopiert worden sind, zum Beispiel aus dem CDU-Antrag zu Lehramtsanwärtern in der Drucksache 6/3436 oder dem rot-rot-grünen Antrag „Zukunft des Thüringer Bildungswesens“, Drucksache 6/4381. Und ich muss mal ganz ehrlich sagen, man kann mit diesem Rauskopieren von Sachen natürlich einen guten Antrag zusammenbringen, vor allem, wenn man sich überwiegend bei Rot-Rot-Grün bedienen würde, aber es ist nicht sehr ambitioniert.

Und – auch das macht mich ein bisschen ärgerlich – bei diesem Copy-and-Paste haben mehrere Punkte den Eingang in den Antrag gefunden, denen wir niemals zustimmen können, weil sie rechtlich einfach nicht gehen. Einer dieser Punkte – und das ist dir in der letzten Legislatur schon erklärt worden, in dieser Legislatur ist es dir auch wieder erklärt worden –: Die verbindliche Einstellungszusage für alle Lehramtsanwärter auf einen Referendariatsplatz ist rechtlich einfach nicht zulässig. Das ist beamtenrechtlich nicht möglich. Deswegen geht es nicht. Und wieder hat es den Weg in den Antrag gefunden. Das sollte man irgendwann vermeiden. Irgendwann sollte man ein totes Pferd einfach nicht mehr versuchen zu reiten, sondern absteigen.

(Unruhe CDU)

Wir haben viele Dinge verbessern können in dem Antrag, manche Dinge leider nicht. Ich möchte dann wirklich sagen, zu diesen Dingen, die wir nicht verbessern können, ist der Wechsel von der schularten- zur schulstufenbezogenen Lehrerausbildung. Wir lösen wieder nicht das Problem, dass wir acht- bis neunmal so viele Gymnasiallehrer ins Studium bekommen wie Regelschullehrer. Wir lösen nicht das Problem, dass die Hälfte aller Referendariatsbewerber ans Gymnasium wollen. Wir lösen nicht das Problem, dass wir in der Regelschule ein zunehmendes Lehrermangelproblem haben, während wir im Gymnasialbereich ein Überangebot haben.

Das wäre die Chance gewesen, hier auch mal eine Verbesserung herbeizuführen, aber das war mit euch nicht möglich. Trotzdem können wir diesem Antrag zustimmen. Es ist halt wie mit Wein, irgendwann kann man ihn trinken; genießen ist etwas anderes, aber er ist wenigstens trinkbar. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Hartung. Jetzt rufe ich die fraktionslose Abgeordnete Frau Dr. Bergner auf.

(Abg. Dr. Hartung)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen Abgeordnete, liebe Zuhörer, der ursprüngliche Antrag – wie schon mehrfach gesagt – von der CDU stammt aus dem Jahr 2020. Nun endlich wird nach dreijähriger Beratung im zuständigen Ausschuss im Landtag über die geänderte Beschlussvorlage abgestimmt – drei Jahre, in denen sich die Situation noch weiter dramatisch verschlechtert hat. Und all die Maßnahmen, die jetzt in diesem Beschluss sind, sind sicher richtig und sind sicherlich auch wirksam, aber ein Tropfen auf den heißen Stein.

Sicher ist Lehrermangel eine Ursache, aber nicht nur. Übrigens ist der Lehrermangel in Thüringen durchaus auch selbst verschuldet, denn es wurde und wird kaum etwas dafür getan, den Lehrerberuf attraktiver zu machen – und Geld ist nicht das einzige, was Attraktivität eines Berufs ausmacht.

Stattdessen sind Lehrer mit immer mehr unterrichtsfernen Aufgaben betraut worden und müssen die wachsende Bürokratie auch im Schulwesen erfüllen. Hinzu kommen Probleme mit IT-Technik, der Streit über das Gendern, Inklusion und vieles mehr. Das alles führte dazu, dass etliche Lehrer genervt aufgegeben haben und sich andere Jobs suchten.

Lehrerstudenten und Seiteneinsteiger, die mit viel Motivation in der Schule beginnen, werfen oft nach einiger Zeit das Handtuch. Verantwortlich dafür ist auch immer ein schlechtes Arbeitsklima, nicht immer nur wegen Lehrermangel, sondern auch wegen der ideologisch motivierten Vorgaben, die aus dem Bildungsministerium kommen. Kreativität und Experimentierlust werden nicht zugelassen, argwöhnisch beäugt oder streng kontrolliert. Auch an den Schulen hat sich ein Klima der Denunziation etabliert

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Was?)

und Lehrer überlegen sehr genau, ob sie neue Wege gehen können und ihre eigenen Ansichten äußern.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Unfassbar!)

Dabei geht es nicht nur um politische Einflussnahme entgegen des Neutralitätsgebots. Doch bereits kritische Auseinandersetzungen mit Zuständen kann schon dazu führen, dass Lehrer gemaßregelt werden. Wer also wirklich etwas für die Schulen tun will, sorgt für eine umfassende Entbürokratisierung, die Etablierung informeller Bildungsmöglichkeiten und ein freies Klima an den Schulen. Die Landesregierung sollte einmal berichten, wie viele Lehrer seit Beginn der Legislatur in Verwaltungsaufgaben umgesetzt wurden,

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das gibt es alles!)

und auch, wie viele Lehrer

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Einfach mal nachlesen oder eine Anfrage stellen, Frau Dr. Bergner!)

der Schule den Rücken gekehrt haben und sich andere berufliche Perspektiven gesucht haben. Es wäre sicherlich hilfreich, diesen ehemaligen Lehrern eine gute Perspektive für einen Wiedereinstieg zu geben, denn sie haben bereits eine pädagogische Ausbildung. Auch sollte genau hingesehen werden, welche Verwaltungsstellen wirklich notwendig sind und ob die dort beschäftigten Pädagogen nicht wieder im Schuldienst eingesetzt werden können. Natürlich bedarf es auch der verstärkten Lehrerausbildung an den Universitäten, aber das greift nicht kurzfristig.

Kommen wir zu den Freien Schulen, die ein wichtiger, oft besser funktionierender Baustein in der Thüringer Schullandschaft sind. Anstatt diese, wie gesetzlich gefordert, gleich zu behandeln, werden ihnen seit einiger

Zeit die sogenannten Overheadkosten nicht mehr erstattet. Dies führt zu erheblichen zusätzlichen Kosten und schränkt diese Schulen in der Arbeit massiv ein. Dem Geist der Beschlussvorlage ist das diametral entgegengesetzt.

Ein weiterer Baustein, der zu einer Verbesserung der Situation führen würde, wäre die schon erwähnte Etablierung informeller Bildung. Ich verweise auf die entsprechende Petition und die Anhörung im Petitionsausschuss sowie die Ablehnung durch den Petitionsausschuss. Deswegen habe ich hier Widerspruch eingelegt. Es täte dem Landtag gut, sich sachlich und vorurteilsfrei mit dem Für und Wider dieser Petition auseinanderzusetzen. Die Zukunft der Thüringer Kinder sollte es wert sein. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt – doch, Herr Abgeordneter Wolf, bitte schön. Sie haben noch 43 Sekunden.

Vielen Dank, Herr Präsident. Das kann man ja so nicht stehenlassen. Wenn hier von einer Abgeordneten

gesagt wird, wir hätten keine freie Schulkultur und keine freie Meinungsäußerung im Rahmen der entsprechenden Gesetze und auch als Beamtinnen und Beamte, dann ist das schlichtweg falsch.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Methodenfreiheit, pädagogische Methodenfreiheit an unseren Schulen. Und es wird nach Thüringer Lehrplänen unterrichtet. Wenn Sie sich mal damit beschäftigen würden und mal ins Schulgesetz gucken würden: Der Bildungsauftrag ist in § 2 klar und fest formuliert.

(Unruhe Abg. Dr. Bergner, fraktionslos)

Daran halten sich unsere Lehrerinnen und Lehrer und nichts anderes. Und da gibt es auch keine Gegenrede. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wolf. Jetzt haben wir erstmal keine Wortmeldung mehr aus den Reihen der Abgeordneten. Herr Staatssekretär Speitkamp, Sie haben das Pult.

Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, ich habe mich gefreut, so viel Positives über die Schulen und das Attraktiverwerden der Schulen und des Lehrerberufs zu hören. Gleichzeitig war ich etwas verwirrt, dass manche auch den Lehrerberuf hier schlechtgeredet haben oder die Praxis heute an Schule schlechtgeredet haben und der Ansicht sind, dadurch könnte man die Attraktivität des Lehrerberufs steigern. Das fand ich nicht sehr glücklich, denn das Grundanliegen dieses Antrags ist ja, zusammen daran zu arbeiten, dass der Beruf der Lehrerinnen und Lehrer attraktiver wird und mehr Lehrerinnen und Lehrer bereit sind, in Thüringen zu arbeiten und sich mit Heranwachsenden auseinanderzusetzen.

(Abg. Dr. Bergner)

Auch ich muss entschieden zurückweisen, dass ein Klima der Unfreiheit an Schulen herrschen würde – das ist nicht der Fall und das erleben wir jeden Tag im Ministerium, wie selbstbewusst Lehrerinnen und Lehrer ihre Interessen auch uns gegenüber äußern.

(Heiterkeit CDU, SPD, Gruppe der FDP)

Wir stehen aber vor einem Problem, das etwas länger zurückreicht. Wir stehen vor einem Problem, das Jahrzehnte zurückreicht. Über Jahrzehnte hinweg ist es jungen Menschen erschwert worden, in die Schule hineinzukommen. Es gab wenig Wege in den Lehrerberuf in Thüringen, es gab wenig Plätze für das Referendariat, es gab wenig freie Stellen. Ganze Generationen sind sozusagen in dem Gefühl aufgewachsen,

dass sie nicht hineinkommen könnten oder dass es sich nicht lohnen würde, in den Lehrerberuf hineinzukommen. Gleichzeitig ist auch das Prestige des Lehrerberufs nicht gutgeredet, sondern schlechtgeredet worden und die Rahmenbedingungen sind nicht positiv gestaltet worden.

Das Problem, das wir jetzt bewältigen müssen, hat also eine Vorgeschichte und die muss man zumindest ansprechen – die Vorgeschichte von Stellenabbau und von gekappten Lebenschancen.

Wir haben – wenn ich mir einen kleinen Nebenexkurs erlauben darf – in der Haushaltsdebatte auch den Verweis darauf gehört, dass es zu viele Stellen im öffentlichen Dienst gäbe und dass man ja zu Tausenden Stellen einsparen könne. Es ist natürlich klar, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer oder Personen, die überlegen, den Lehrerberuf zu ergreifen, das auch wahrnehmen und daraus ihre Schlussfolgerungen ziehen, ob es sich dann überhaupt lohnt, in Thüringen in den öffentlichen Dienst zu streben, wenn jetzt schon Kürzungspläne, die in dem Umfang ja auch den Lehrerberuf betreffen müssen, hier diskutiert werden im Rahmen der Haushaltsüberlegungen.

Das wäre dann der Anlauf zum nächsten Stellenabbau und das kann die Attraktivität nicht steigern.

Diejenigen, die sich heute für den Beruf der Lehrerin, des Lehrers entscheiden, brauchen ein klares Signal – das Signal, dass ihr Berufswunsch Zukunft hat und dass sie, wenn sie mit dem Studium fertig sind, einen guten Arbeitsplatz in einem sinnstiftenden Beruf in Thüringen bekommen werden. Die Drohung von Stellenabbau ist dann tatsächlich Gift, das schon heute wirken würde. Wir wollen als Landesregierung und auch als Bildungsministerium den künftigen Lehrerinnen und Lehrern eine verlässliche Perspektive geben. Das betrifft jetzt die jüngeren Lehrerinnen und Lehrer oder diejenigen, die noch vor der Tür stehen und hineinwollen.

Wir müssen aber auch über die sprechen, die jetzt in den Ruhestand gehen. Das sind sehr starke Jahrgänge und wir versuchen, auch hier tätig zu werden und diese Lehrerinnen und Lehrer zu stärken, ihnen attraktive Bedingungen zu geben.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Der Versuch reicht nicht!)