Protocol of the Session on September 14, 2023

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: 48 Millionen!)

Es geht ja hier um eine Generaldebatte und eine generelle Einschätzung. Und ich sag es gerne noch mal hier und vor aller Öffentlichkeit: Ja, aus dem Haushalt muss diese Rücklage wieder rausgeschwitzt werden.

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Ihre Vorschläge?)

Ich habe an anderer Stelle auch gesagt: Vernünftig wäre vielleicht auch zu sagen, okay, man macht einen Rückgriff auf die Rücklage von vielleicht 20 Prozent, 25 Prozent. Dann bleibt auch noch genug übrig für die Folgejahre. Und die Grunderwerbssteuersenkung ist die erste Steuerentlastung, die wir diesen Bürgern mitgeben.

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Woraus bezahlen Sie die?)

Die Baubranche da draußen kriselt, die Baubranche kriselt. Das ist ein Konjunkturprogramm für die Baubranche.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Kein Wahlgeschenk!)

Es ist ein Zeichen an die Familien, sich Grunderwerb zu leisten.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Es ist ein Gleichziehen mit den Nachbarländern, wo die Grundsteuer höher ist. Und Sie verweigern sich dessen.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: 0,6 Prozent!)

Das sind Irrlichter in ihrer vollkommenen Größe, meine Damen und Herren.

(Unruhe DIE LINKE)

Ausdrücklich: Wir werden diesem Haushalt in dieser Entwurfsform nicht zustimmen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Damit unterbreche ich die Sitzung bis kurz nach dem Alarm. Ich will vielleicht noch mal darauf aufmerksam machen: Wenn Sie sich Wasser holen, nehmen Sie das, was auf dem Tisch steht, die Gläser, dazu. Dann können wir die Becher draußen ein bisschen sparen. Deswegen stehen die da. Und Tassen und Trinkgefäße gehören nicht oben auf die Tische.

(Zwischenruf Abg. Mitteldorf, DIE LINKE: Entschuldigung, Frau Präsidentin!)

Also bis kurz nach 11.00 Uhr wieder hier, dann würde ich für Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich aufrufen.

Vielleicht könnten die Kolleginnen und Kollegen diverse noch anwesende Handys ausschalten, damit wir fortfahren können. Der Gong scheint nicht zu reichen, er ist kein Warnsignal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir möchten die Sitzung fortsetzen. Wie angekündigt erhält für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die zumindest alle wieder im Saal sind, liebe Gäste, es ist natürlich immer ein bisschen schwierig, nach so einer Unterbrechung fortzufahren. Ich hoffe, dass meine Stimme hält, ich bin ein wenig angeschlagen, allerdings nur, was die Stimme angeht.

Wir haben ja nun schon einiges gehört. Wir befinden uns mitten in der Haushaltsdebatte. Die Landesregierung hat fristgemäß den Haushalt eingebracht. Ich möchte mit meinem Vorredner beginnen, der zwar noch nicht hier ist, aber vielleicht kommt er ja noch, und der eben erklärt hat, es sei überhaupt gar keine Katastrophe, wenn man keinen Haushalt hätte. Das Land sei nicht untergegangen, wir hätten das beim Übergang 2014/2015 schon einmal erlebt.

(Abg. Kemmerich)

Das Land ist vielleicht nicht untergegangen, aber ich fürchte, dass Herr Kemmerich – jetzt ist er da, wie schön – nicht mit den vielen Vereinen und Verbänden gesprochen hat, die genau auf die sogenannten freiwilligen Leistungen angewiesen sind, denn die sind es, die nicht ausgezahlt werden, in einer Zeit, wo es keinen Haushalt gibt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das betrifft sämtliche Bereiche – den Bereich Kultur, Sport, Betreuung, Integration. Sie glauben doch nicht ernsthaft – natürlich kann man sozusagen auch nur mit pflichtigen Aufgaben, also der Bezahlung von Personal etc. und der Aufrechterhaltung von öffentlichen Ämtern, überleben. Aber das gesellschaftliche, das soziale Leben lebt ja genau davon, dass es eben auch freiwillige Aufgaben gibt. Und das sind keine Ideologieprojekte oder irgendwas, wie uns Herr Kemmerich gerade irgendwie vormachen wollte, sondern das sind ganz essenzielle Pfeiler dieser Gesellschaft, die tatsächlich für soziale Arbeit, für kulturelle Arbeit, für Teilhabemöglichkeiten, für Beratung etc. sorgen. Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir einen Haushalt brauchen, davon bin ich jedenfalls zutiefst überzeugt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin auch davon überzeugt – das Haushaltsvolumen ist ja schon genannt worden, es geht um 13,756 Milliarden Euro, das ist also nicht wenig –, dass wir auch und gerade in solchen Krisenzeiten, wie in einer solchen, in der wir uns gerade befinden, nicht sparen dürfen gegen die Krise, jedenfalls nicht an empfindlichen Stellen, weil Ansparen gegen die Krise ganz oft zu noch sehr viel mehr höheren Folgekosten führt. Da nicken sogar manche Haushälter, ich will das nur sehr deutlich machen.

Es ist hier heute noch kaum zur Sprache gekommen, dass wir in den letzten Jahren/Monaten auch ganz besondere Zeiten hatten, das muss man, glaube ich, schon auch immer noch mitberücksichtigen. Ich will erinnern an den furchtbaren Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit all seinen dramatischen Folgen, und zwar in unterschiedlichster Hinsicht. Ich will erinnern an die Klimakrise, ich will erinnern an die Kostensteigerungen, und all das muss ein Haushalt natürlich auch abbilden.

Deshalb ist es gar nicht so, dass irgendwelche zusätzlichen Wunschprojekte der Landesregierung jetzt in der Vorlage dazugekommen sind – und ich habe mir tatsächlich alle Einzelpläne sehr genau angeschaut –, sondern im Prinzip sind wir mehr oder weniger beim Status quo vom letzten Jahr. Das muss man so deutlich sagen. An manchen Stellen geht es ein bisschen runter an manchen Stellen ein bisschen höher. Das ist aber dann beispielsweise der gestiegenen Zahl von Geflüchteten geschuldet, die wir natürlich auch mitberücksichtigen und zugrunde legen müssen. Vor allem aber sind abgebildet gestiegene Preise und Personalkosten aus Tarifverhandlungen, wo wir quasi gezwungen sind, diese auch nachzuvollziehen, und nachvollziehbare Forderungen der Kommunen. Insofern muss man ganz deutlich sagen, dass es eben nicht um irgendwelche Wünsch-dir-was-Projekte geht oder ging, sondern dass dieser Haushalt quasi – in Anführungszeichen – gerade mal das Minimum von dem abbildet, was wir tatsächlich brauchen. Frau Taubert hat das ja vorhin sehr eindrücklich vorgestellt.

Die Finanzministerin hat auch darauf hingewiesen, dass mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf die Haushaltsausgleichsrücklage rechnerisch vollständig aufgebraucht sein wird. Ja, das ist ein Problem, ist aber ehrlich gesagt auch kein ganz neues Problem. Die Beispiele hat Frau Taubert ja benannt, wo wir so was auch schon erlebt haben. Das macht es nicht unbedingt besser. Aber wie gesagt, diese Gelder sind ja nicht eben mal quasi zum Fenster raus verplant worden, sondern für begründete Kostensteigerungen, die sich abbilden lassen müssen.

Was heute nicht zur Sprache kam, aber was sonst gern von der Opposition bemüht wird, ist, dass – Überraschung – irgendwann Anfang bis Mitte nächsten Jahres sich herausstellen wird, dass Gelder, die im Jahr 2023 eingeplant waren, gar nicht verausgabt werden können. Die können wir jetzt leider nicht einfach so mit dazurechnen, aber wir wissen alle, das wird um mehrere Hundert Millionen Euro gehen vermutlich und dann wird die Regierung wieder kritisiert dafür, dass sie gar nicht das umgesetzt hat, was sie eigentlich umsetzen wollte. Wir hatten die Mittel aber auch nicht zur Verfügung. Und oft gibt es Gründe dafür: weil Ausschreibungsverfahren sehr lange dauern, weil wir Stellen nicht besetzen konnten, weil wir das Personal nicht finden. Das heißt, wir wissen alle, dass es da noch Gelder im Rücklauf geben wird, auch wenn wir die jetzt nicht einrechnen können. Das ist eine ganz schwierige Situation für uns als Haushaltsgesetzgeber/gesetzgeberin hier im Landtag, weil wir als Fraktionen im Prinzip kaum Spiel haben, um den Haushalt substanziell zu verändern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde das problematisch. Deswegen müssen wir darüber diskutieren, was wir eigentlich tun können, weil es einfach Aufgaben gibt, die uns wichtig erscheinen und die wir auch noch auf die Spur bringen wollen, die aber im Haushalt noch gar nicht abgebildet sind. Wir sind – wie gesagt – der festen Überzeugung, dass in solchen Krisenzeiten noch über andere Möglichkeiten ernsthaft diskutiert werden muss, wie zum Beispiel Kreditaufnahmen oder auch längere Tilgungsfristen der bestehenden Kredite oder ob eine Finanzierung aus dem schon bestehenden Sondervermögen möglich ist.

Außerdem will ich auf einen noch ganz wichtigen Punkt verweisen, nämlich ein Dauerproblem von sogenannten Projekten. Projekte werden immer nur einjährig gefördert – ein riesiges Problem, weil man weiß, die werden die ersten Monate des Jahres immer dafür gebraucht, um alle Unterlagen einzureichen, um die Projekte bewilligen zu lassen, dann können sie endlich ihre Arbeit aufnehmen, wenn sie einen Bewilligungsbescheid haben, und das letzte Vierteljahr ist eigentlich dafür da, dass sich die Angestellten schon wieder arbeitslos melden müssen, weil sie nicht wissen, ob eine weitere Förderung genehmigt wird. Deshalb sagen wir ganz deutlich: Wir müssen endlich in die Debatte kommen, dass wir Förderzeiträume verlängern wollen, nämlich auf in der Regel drei Jahre. Das ist – glaube ich – ein sehr guter Zeitpunkt. Das muss sich in der Landeshaushaltsordnung dann auch abbilden. Ich bin gespannt, ob wir dazu auch notwendige Mehrheiten finden, weil wir davon überzeugt sind, dass wir wegkommen müssen von dieser Projektitis, die es ganz vielen immer schwer macht zu arbeiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wollen auch wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Schwerpunkte in den Haushaltsberatungen deutlich machen. Es wird Sie jetzt nicht wundern, dass das Zukunftsthemen sind wie zum Beispiel der ganze große Themenbereich „Bildung“, der Themenbereich „Klima“, „Demokratie“ – ich sage es ganz deutlich auch und gerade hier in Thüringen –, aber auch Willkommenskultur.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die letzten Monate haben uns sehr deutlich gezeigt, dass die Klimakrise nicht geschlafen hat. Wenn wir nach Libyen schauen – das ist jetzt ein Blick ein bisschen weiter weg –, aber auch uns an die extremen Wetterlagen hier in Deutschland beispielsweise erinnern, dann wissen wir alle, der Klimawandel ist längst da und wir müssen der Klimakrise entgegensteuern auch als Land, auch weil wir wissen, dass unsere eigenen Bilanzen da noch gar nicht so gut sind. Das will ich selbstkritisch durchaus sagen. Das heißt, die Probleme sind im Vergleich zu den letzten Jahren mitnichten weniger geworden und uns stehen eben intensive Ver

handlungen bevor. Das kann aber nur gelingen, wenn man sich auch ernsthaft als demokratische Fraktionen tatsächlich an einen Tisch setzt und miteinander verhandelt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zeit für taktische Spielchen ist jetzt ganz bestimmt nicht. Dafür sind die zu treffenden Entscheidungen einfach viel zu relevant für das Land und die Bürgerinnen und Bürger und ich hoffe wirklich, dass sich auch und gerade die CDU-Fraktion ihrer Verantwortung bewusst wird. So viel Genaues habe ich da leider nicht gehört, das muss ich so deutlich sagen. Denn die polemischen Beispiele, die immer wieder gebracht werden – ich meine, Herr Voigt hat es nicht mal nötig, jetzt hier zuzuhören, schade eigentlich –, wie zum Beispiel

die Lastenradförderung, die gar nicht im Haushalt steht, die bringen Sie nur, um bestimmte Bilder im Kopf zu bedienen, genauso das Bild von der Terminvergabe der Ärztinnen und Ärzte, als ob der Landeshaushalt auch nur irgendeinen Einfluss auf die Terminvergabe von Ärztinnen und Ärzten hatte. Das ist wirklich einfach irre. – Verzeihung!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt lassen Sie mich auf einzelne Schwerpunktthemen trotzdem eingehen. Das Erste ist – vielleicht nicht für jeden so klar, aber – Europa, Kultur und Medien: Im nächsten Jahr sollen 272.000 Euro und damit so viel wie noch nie für Maßnahmen der Förderung der internationalen Zusammenarbeit bereitgestellt werden. Wir begrüßen das ausdrücklich, weil wir glauben, dass die Verbreitung des Europagedankens und damit auch das konsequente Einstehen für Demokratie, für Grundrechte, für Rechtsstaatlichkeit und auch der intensive Austausch mit anderen Mitgliedstaaten gerade in der jetzigen Zeit, wo die Europäische Union und deren Werte immer wieder infrage gestellt werden, schlichtweg unentbehrlich sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zuschüsse für die Antidiskriminierungsarbeit sind um mehr als 100.000 Euro gekürzt worden. Unsere Erwartung ist, dass dies nicht zulasten der Projektförderung nach Integrationsvorhaben wie dem Thüringer Integrationskonzept geht und auch nicht bei der Antidiskriminierungsarbeit oder beim Queeren Zentrum beispielsweise stattfindet. Gerade wenn wir Gewalttaten und Übergriffe – im Laufe des CSD haben wir das ja leider auf queere Menschen immer wieder erleben müssen – wahrnehmen müssen, wissen wir, da gibt es viel zu tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt zum ganz großen Bereich Bildung: Der Bildungshaushalt ist insofern besonders – vielleicht für diejenigen, die das nicht wissen –, dass dieser in den Chefgesprächen nicht wirklich geeint werden konnte. Der Ansatz des Bildungsministeriums lag rund 400 Millionen Euro über den Vorgaben des Finanzministeriums. Den größten Teil machen hier übrigens Personalkosten aus. Das muss man sich auch immer wieder klarmachen. Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer, davon sind wir alle überzeugt. Wir brauchen mehr Erzieherinnen, wir brauchen mehr Schulsozialarbeiterinnen etc. Da kann man nicht immer vom Kürzen und von Bürokratie sprechen, wenn man auf der anderen Seite weiß, dass uns an allen Ecken und Enden Personal fehlt. Die Konsequenz dieser Nichteinigung ist aber, dass sich im Haushalt beispielsweise die beiden Gesetzesnovellen, die wir im parlamentarischen Verfahren haben, das Kindergartengesetz – wir werden morgen früh darüber diskutieren – und das Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz, noch gar nicht wiederfinden. Das heißt, es fehlen noch 93 Millionen Euro, die sich in diesem Haushalt noch gar nicht finden und für die wir zusätzliche Mittel finden müssen, bereitstellen müssen. Ich bin davon überzeugt, wir

sind davon überzeugt, dass jeder Euro, den wir in Bildung investieren, sich vielfach rechnet, weil wir uns Folgekosten sparen, die extrem teuer sind.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aber nicht mit Schulden!)