Protocol of the Session on September 14, 2023

weil, der Teil der freiwilligen Aufgaben, über den wir wirklich selbstständig hier im Thüringer Landtag entscheiden können, ist weniger als 1,9 Milliarden. Aber Entschuldigung, wir müssen aufhören – und dazu lade ich Sie noch mal ein. Das ist hier das politische Schaufenster unserer Parteien heute – diese erste Beratung. Das weiß ich, ich mache das auch, darauf haben Sie ja hingewiesen, sich 25 Minuten an der Landesregierung, 1 Minute an mir abgearbeitet. Ich arbeite mich ein paar Minuten an Ihnen ab.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Es waren 15!)

Das gehört praktisch zur politischen Folklore dazu, das weiß ich. Aber wir müssen doch jetzt mal beginnen, wegzukommen von diesen Plattitüden und von dieser Schaufensterpolemik.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen rein in den konkreten Haushalt. Und dann bin ich ja bereit, mir tatsächlich auch Ihre Sachen mal anzuschauen. Dann haben Sie eine Pressemitteilung angegeben, Pressestatement der CDU-Fraktion, am 09.08. Das war, als Sie mitbekommen haben, dass es ein strukturelles Defizit gibt im Thüringer Landtag. Lassen Sie mich dazu noch eins sagen. Sie waren entsetzt, als Sie gehört haben, wie groß das strukturelle Defizit ist. Ich weiß nicht, ob Sie die letzten Jahre einmal in die Mittelfristige Finanzplanung reingeguckt haben. Als wir das erste Mal den Haushalt miteinander beschlossen haben für 2021 gab es auch eine Mittelfristige Finanzplanung. Da hatten wir ein strukturelles Defizit für das Jahr 2023 800 Millionen Euro, 800 Millionen Euro.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Das ist eine Aufforderung, das einzusparen!)

Dass Sie jetzt 2023 das erste Mal in die Mittelfristige Finanzplanung gucken und entsetzt sind – geschenkt. Was mich aber wundert, ist, dass Ihre Leute, auf die Sie ja sehr viel Wert legen, praktisch damals in diese Mittelfristige Finanzplanung nicht reingeschaut haben. Wir haben – und deswegen kann ich es Ihnen nicht ersparen – drei Jahre lang gemeinsam einen Haushalt verabschiedet: drei Jahre, drei Haushalte. Sie werfen der Landesregierung vor, nicht in die Zukunft investiert zu haben, das strukturelle Defizit nicht im Blick gehabt zu haben und jetzt einen Offenbarungseid leisten. Soll ich Ihnen mal was sagen, was in den drei Jahren rauskam, nachdem ich, Herr Hey, Astrid Rothe-Beinlich und früher Susanne Hennig-Wellsow mit Ihnen den Haushalt verhandelt haben: 700 Millionen Euro Mehrausgaben gegenüber dem Entwurf der Landesregierung von Rot-Rot-Grün. Diese Landesregierung, die Sie als unverantwortlich in der Haushaltspolitik bezeichnet haben, hat in den letzten drei Jahren Ihnen und uns als Parlament Haushalte vorgelegt mit insgesamt 700 Millionen Euro weniger Ausgaben. Nachdem wir mit Ihnen zusammengesessen haben, wurden es 700 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben.

Deswegen, Herr Voigt, ich werfe Ihnen das gar nicht vor. Sie hatten gute Gründe, politische, manchmal auch fachliche, diese Forderung von Mehrausgaben zu stellen.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Sie hatten manchmal gute fachliche und politische Gründe, diese Forderungen zu stellen, aber dann zeigen Sie doch bitte nicht mit dem Finger auf die Landesregierung, denn die Verantwortung für diese 700 Millionen Euro tragen Sie, die diese Verhandlungen geführt haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Das sind die Projekte gewesen, die Sie alle nicht umgesetzt haben!)

Jetzt haben Sie mir mit dem Zwischenruf auch ein Stichwort geliefert – danke Ihnen –, um wieder auf Ihre Pressemitteilung zurückzukommen. Weil Sie hier sagen, wir haben so ein verantwortungsvolles Papier vorgelegt für die Zukunft Thüringens, haben Einsparvorschläge unterbreitet und dann haben Sie drei Ursachen ausgemacht für das strukturelle Defizit. Sie haben gesprochen vom fehlenden Personalentwicklungskonzept, der immer wieder verschleppten KFA-Reform und vom Thüringer Förderprogrammdschungel. Dann erwähnen Sie die 65 Cent von jedem Fördereuro für Verwaltungskosten. Das ist, glaube ich, in einem wirklich ein Kleinstförderprogramm. Ich bin mir sicher, es ist wahrscheinlich noch ein Förderprogramm, was Sie beantragt haben,

(Heiterkeit DIE LINKE)

denn Sie haben ja jedes Jahr – Janine Merz lach jetzt auch – in den Verhandlungen mit uns eine Liste von Kleinstförderprogrammen hingelegt, was Sie nicht alles gefördert haben wollten. Der Ministerpräsident lobt das 24-Stunden-Dorfladen-Förderprogramm, aber das wollten Sie unbedingt haben. Sie haben einfach völlig außer Acht gelassen, dass wir eine Förderrichtlinie haben zur integrierten Entwicklung des ländlichen Raums, wo die Förderung von 24-Stunden-Dorfläden bereits möglich war. Sie wollten praktisch ein zusätzliches neues Förderprogramm haben, nicht nur das Förderprogramm, sondern das Etikett in der Pressemitteilung. Ich kann noch mehr: Museumspass, Defibrillatoren für die Kommunen. Sie haben jedes Jahr eine Liste kleinteiliger Förderprogramme beantragt, weil Sie eine Pressemitteilung schreiben wollen und dann

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Sie wissen doch selbst nicht, was Sie erzählen!)

im vierten Jahr beschweren Sie sich, dass es zu viele kleinteilige Förderprogramme gibt. Das nehme ich Ihnen nicht mehr ab.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann sagen Sie, das Ausgabevolumen – 13,76 Milliarden Euro – ist deshalb so groß, weil wir die KFA-Reform verschleppt hätten.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

Doch, doch! Ihre – ich habe es doch hier vor mir liegen –: „Jetzt rächt sich“ usw., dass die Reformen, die Sie eingefordert haben, verschleppt worden sind, unter anderem die KFA-Reform. Wenn Sie es nicht finden: 09.08.2023 auf Ihrer Homepage. –

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was heißt denn das – habe ich überlegt –, verschleppte KFA-Reform als Ursache dafür, dass so viel Geld ausgegeben wird? Wollen Sie etwa den KFA so reformieren, dass wir den Kommunen weniger geben?

(Heiterkeit DIE LINKE)

Es ist eine ernst gemeinte Frage. Was wollen Sie eigentlich damit zum Ausdruck bringen? Dass die Kommunen zu viel Geld haben und den Landeshaushalt zu viel belasten?

(Unruhe CDU)

Oder wollen Sie einfach nur was sagen, was sich wie Kritik anhört, aber keine sachliche Grundlage hat?

(Beifall DIE LINKE)

Und das Nächste, was Sie hier als Drittes genannt haben: Personalentwicklungskonzept. Erstens gibt es ein Personalentwicklungskonzept. Das haben Sie ja heute auch wieder genannt und gestern wurde es auch genannt, dass Thüringen zu viele Beschäftigte und Bedienstete hat und dann beziehen Sie sich immer auf den Benchmarkvergleich, der Ihnen vorliegt. Und dann frage ich mich immer: Warum schaut eigentlich keiner in diesen Benchmark-Vergleich hinein und überprüft mal, was Sie sagen und was Sie da einfordern? Deswegen sage ich Ihnen mal zwei Beispiele. Wir haben in den Schulen des Landes 97,8 Beschäftigte pro 10.000 Einwohner. Der Benchmark-Vergleich, auf den Sie sich immer beziehen, sagt, im Durchschnitt der Flächenländer – im Durchschnitt, lediglich im Durchschnitt – sind es 87,2. Das heißt für Thüringen, wir hätten bei dem, wenn man ernst nehmen würde, was Sie hier immer sagen, 2.226 Lehrer zu viel.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Nein!)

Und wenn man das bei der Polizei, Herr Walk, umrechnet, was der Fraktionsvorsitzende immer einfordert, den Benchmark-Vergleich ernst zu nehmen und den Einsatz zu nehmen …

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Hier, Rechnungshofbericht, das ist es! Sie legen sich die Statistik zurecht!)

Ja, ja. Sie können es doch richtigstellen. Um mit Ihren Worten zu sprechen: Ich habe mir das von meinen Leuten mal aufschreiben lassen.

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Polizei gibt es auch den Benchmark-Vergleich auch vom Landesrechnungshof, können Sie auch nachlesen. Dann hätten wir 567 Polizistenstellen zu viel. Das ist das, was Sie hier immer sagen, wenn Sie auf diesen Benchmark-Vergleich zurückgreifen und sagen, wir hätten in Thüringen zu viel. Und da sage ich Ihnen ganz ehrlich: Ich mache nicht dabei mit, Stellen im Bildungsbereich und bei der öffentlichen Sicherheit zu streichen,

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Wir auch nicht!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern es geht darum, dass wir tatsächlich hier ausgewogen an den Bedürfnissen des Landes Thüringen Schulen mit entsprechendem Personal, aber auch mit der entsprechenden Technik ausstatten. Dasselbe gilt natürlich auch für die Thüringer Polizei.

Und weil ich gerade bei der Polizei bin, als der Haushalt noch gar nicht veröffentlicht wurde, aber schon Eckdaten schon öffentlich begründet und dargestellt worden sind, gab es eine Pressemitteilung von Ihrem finanzpolitischen Sprecher Herrn Kowalleck. Dort heißt es zu 200 zusätzlichen Personalstellen: „Offenbar versucht die Ramelow-Regierung kurz vor Toresschluss, zahlreiche weitere Versorgungsposten zu schaffen.“

(Beifall CDU)

Herr Voigt, klatschen Sie ruhig. Ich finde das ungeheuerlich.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Niveaulos!)

Das sind Personalstellen, die zur Umsetzung des Beschlusses des Thüringer Landtags gelten, dass die 300 jährlich einzustellenden Polizeianwärter auch auf Polizeistellen kommen und damit wir den von Ihnen verursachten Rückgang beim Personal ab nächstem Jahr das erste Mal wieder ausgleichen und aufbauen. Was Sie machen mit dieser Formulierung, 60 Polizeibeamtenstellen, 10 Stellen im Bereich LKA zur Verfolgung von Kriminalität, unter anderem Kinderpornografie, 10 Stellen zum Katastrophenschutz sind bei diesen 200 Stellen beinhaltet. Das bezeichnet Ihre Fraktion in einer Pressemitteilung als Versorgungsposten der Ramelow-Regierung. Das ist eine Missachtung der Menschen, die diese wichtige Arbeit in Zukunft für Thüringen leisten. Es ist vor allen Dingen eine Verleumdung dieser Menschen. Ich finde es wirklich eine Frechheit!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann sage ich in diesem Zusammenhang auch noch: Sie wehren sich ja dagegen, dass Sie das Land schlechtreden. Sie haben selber auf die Demografie hingewiesen. In zehn Jahren – stellen Sie sich einfach vor, als ob die zehn Jahre morgen vorbei wären –, morgen würden auf einem Schlag 140.000 Leute in Thüringen nicht mehr zur Arbeit gehen. Das betrifft alles: Polizei, Lehrer, Verwaltung, Ministerien, die Fraktionen hier, Betriebe, alle, 140.000 Menschen in Thüringen. Der Rückgang in einzelnen Landkreisen bei erwerbstätig Beschäftigten wird bis zu einem Drittel, sogar bis zu 37 Prozent, in einzelnen Landkreisen und in einer kreisfreien Stadt auch bis zu 40 Prozent betragen. Das heißt, Sie haben in dem Punkt ja recht, man muss über Strukturen reden. Aber über Strukturen in vielen Bereichen wollen Sie ja gar nicht reden, weil Sie ins Land gehen und sagen: Es kann alles so bleiben, wie es ist. Das ist Ihre Botschaft. Es kann nicht so bleiben, wie es ist. Wir müssen uns genau dieser Frage stellen.

Aber was man auch machen muss, man darf natürlich den Leuten, die im öffentlichen Dienst in Thüringen arbeiten, nicht sagen, dass ihre Arbeit überflüssig ist, und denen, die vielleicht überlegen, in Thüringen eine Arbeit zu suchen und nach Thüringen zu kommen, darf man nicht sagen, dass wir in der öffentlichen Verwaltung, in den Schulen und bei der Polizei bereits zu viele Leute beschäftigen. Die muss man einladen,

hierzubleiben, die muss man einladen, hier zu arbeiten. Das ist die Herausforderung von Politik.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie machen, ist ja nicht nur das Land schlechtreden. Da könnte man sagen, das ist eine Petitesse oder wie auch immer, sondern das hat auch Wirkung. Ich kann es bedauern, dass mir vielleicht nur 40 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer glauben, wenn ich rede. Ihnen glauben vielleicht auch noch 30 Prozent. Aber diese 30 Prozent, denen Sie immer sagen, wir brauchen eigentlich gar keine zusätzlichen Arbeitskräfte, wir haben Arbeitskräfte zu viel, das sind die, die uns am Ende auch fehlen werden und diese Probleme noch

verschärfen.