Ja, weil wir genau das in diesem Haushalt ablesen können. Sie haben neun Jahre Verantwortung für dieses Land gehabt.
(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei)
Und Herr Ramelow, Herr Hoff, Sie können gern weiter dazwischenrufen, ich weiß, dass das ein Zeichen dafür ist, wie nervös Sie sind.
Sie haben eine Regierung übernommen, die 330 Millionen Euro Rücklage hatte auf der hohen Kante des Landes. Und jetzt zum Ende Ihrer Amtszeit hinterlassen Sie eine Reserve von 48,85 Euro und ein jährliches Haushaltsloch, ein strukturelles Defizit von 1 Milliarde Euro. Das ist Ihre finanzpolitische Bilanz.
Die 48,85 Euro reichen nicht mal für eine Tankfüllung und schon gar nicht für einen Familieneinkauf. Das ist die Reserve. Aber ab 2025 gibt es ein strukturelles Defizit – und Sie haben es selber vorgetragen, Frau Taubert – von dauerhaft mehr als 1 Milliarde Euro. Fast jeder zehnte Euro fehlt. Man gewinnt fast den Eindruck, dass Ihnen das alles hier egal ist so nach dem Motto „nach mir die Sintflut“, weil es Sie nichts mehr angeht. Aber ich sage Ihnen eins, Sie haben zu Recht gesagt, wir sitzen alle in einem Boot. Ja, wir sitzen im Boot dieses Landes. Und das, was Sie hier vorlegen, ist etwas, das ein Offenbarungseid ist und man muss es hier wiederholen.
Und das wäre alles nicht so schlimm, wenn man zumindest den Eindruck hätte, dass man sich dieses Problems annimmt. Aber wir haben die steuerstärksten Jahre, die der Freistaat jemals hatte, nicht dafür genutzt. Sie haben die wesentlichen Fragen dieses Landes verstreichen lassen. Sie haben nicht in Zukunft investiert. Was ist übrig geblieben? Jetzt steht der Freistaat mit leeren Kassen da in einer heraufziehenden Wirtschaftskrise, in einer Situation, wo wir das Gefühl haben und die Menschen es zu Recht auch spüren, dass wir echt den Gürtel enger schnallen müssen. Aber was haben wir? In Ihrer Regierungszeit, Herr Ramelow, sind das verlorene Jahre für Thüringen, weil das Haushaltsloch groß, die Reformen nicht passiert und die Rücklage weg ist. Das ist die Situation, die wir mit dem Haushalt 2024 erleben.
Ich bin der Finanzministerin und dem Innenminister ja dankbar, die haben Anfang des Jahres ein Papier vorgelegt, wo sie deutlich gemacht haben, das müssten eigentlich die Rahmenbedingungen für einen Landeshaushalt sein. Orientierung am Haushalt 2022/2023, die Fragestellung auch, wo wir hingehen, aber nichts davon ist übrig geblieben. 700 Millionen Euro aus dem Haushaltsvolumen kommen jetzt aus der Rücklage. Wir setzen keine Prioritäten. Und wenn man mal die Lebenswirklichkeit der normalen Thüringerinnen und Thüringer entwickeln will – meine Großmutter hat mir immer gesagt, ja, wir müssen für die schwierigen Zeiten sparen, man muss sich auf die schlechten Situationen vorbereiten mit Umsicht, mit Bedacht, mit Weitsicht. All das lassen Sie hier vermissen, und das in einer Zeit, wo wir vor einer maximalen Wirtschaftskrise stehen. Ich glaube, das ist eine große Schwierigkeit, mit der Sie uns hier alleinlassen. Und wer zahlt denn die Zeche dafür? Wer zahlt denn die Zeche für diese eine Milliarde Euro strukturelles Defizit? Das sind doch am Ende unsere Kinder. Das ist unethisch, was Sie hier machen, ich kann Ihnen das nicht anders sagen. Es ist absolut unethisch, was Sie hier betreiben,
weil Sie machen sich auf Kosten der kommenden Generationen im Prinzip noch einmal einen letzten Haushalt voll. Das ist das, was Sie betreiben. Und im Kern ist meiner Meinung nach …
Ja, die Tilgung. Wollen wir mal darüber reden, über die Tilgung? Dann gucken wir uns gern mal den Rechnungshofbericht von 2023 an. Soll ich mir das Zitat mal raussuchen, wo drinsteht, dass Sie in den steuerstärksten Jahren, die Thüringen jemals hatte, nicht den Weg in die Tilgung gefunden haben? Sollen wir darüber mal reden? Das ist ein Zitat.
Wenn ich mir anschaue – das ist nicht falsch, das steht da so drin –, Sie haben Steuereinnahmen gehabt, die höchsten, die es jemals gab, und trotzdem haben Sie neun Jahre in Folge einen Haushalt vorgelegt, der mehr Ausgaben hatte als Einnahmen, die dieser Freistaat besessen hat. Das haben Sie nur damit ausgeglichen, dass jedes Mal mehr Wachstum kam und es mehr Steuereinnahmen gab und dass Sie weniger Investitionen getätigt haben, als eigentlich nötig gewesen sind. Sie haben quasi den Maßstab, dass man nur das ausgeben kann, was man auch tatsächlich zur Verfügung hat, in jedem der neun Jahre gerissen. Das ist die Realität.
Wenn wir uns anschauen, was andere Länder in dieser finanzpolitischen Situation machen – gucken wir nur mal nach Sachsen-Anhalt. Die beginnen jetzt gerade, den Gürtel enger zu schnallen, die sagen, ja, Konzentration auf das Wesentliche, auf Lehrer und auf Polizisten, aber ansonsten Einstellungstop in der Bürokratie. Die sagen, wir müssen den finanzpolitischen Gürtel enger schnallen. Die Sachsen, die eine deutlich bessere Pro-Kopf-Verschuldung haben als das Land Thüringen, auch die versuchen, sich am Riemen zu reißen. Aber Sie produzieren den Rekordausgabenhaushalt, den Thüringen jemals gesehen hat. Das ist doch die Realität.
Natürlich, es geht um Prinzipien in der Finanzpolitik. Prinzip 1 ist doch, bitte schön, die Ausgaben dürfen die Einnahmen nicht dauerhaft übersteigen, weil alles andere ist unsolidarisch und ist unethisch. Das ist auf Kosten der nächsten Generation.
Das zweite Prinzip ist doch, dass der Bürger nicht übermäßig belastet werden darf. Aber mit hohen Steuern, mit Höchststeuern, rauben Sie den Menschen eigentlich das, was ihrer Früchte Arbeit ist.
Und das dritte Prinzip ist, ein Landeshaushalt sollte sich dadurch auszeichnen, dass die Ausgaben effizient eingesetzt werden. Aber da kann ich Ihnen nur sagen, auch das findet in diesem Landeshaushalt nicht statt.
Was wir hier erleben, ist doch nichts anderes, als eine Abschlussbilanz von neun Jahren Regierungsverantwortung unter Rot-Rot-Grün. Und wie liest die sich denn? Gucken wir uns das Thema „Bürokratie“ an. Mittlerweile fließen bis zu 75 Prozent eines Fördereuros in die Verwaltung. 75 Prozent, das ist genau die Bürokratie, die Sie geschaffen haben. Das Geld kommt nicht draußen an, da, wo es eigentlich hinmüsste.
Und wo sind wir mittlerweile? Wir haben den zweithöchsten Personalbesatz in der Landesverwaltung nach dem Saarland. Das führt dazu, dass wir für Dinge Gelder ausgeben, die wir gar nicht haben. Wenn ich mir jetzt eines anschaue, Sie wollen in dem nächsten Landeshaushalt 550 neue Stellen einfach obendrauf packen – ohne Sinn und Verstand. Sie schauen gar nicht danach, dass wir auf ein vernünftiges Maß kommen,
was wir uns auch leisten können. Nein, Sie geben einfach weiter aus. Das sind weitere Versorgungsposten für Rot-Rot-Grün.
Gucken Sie sich doch den Rechnungshofbericht an! Da geht es um die Frage „Kosten für politische Führung“. Da erreichen wir in Thüringen mittlerweile doppelt so viel wie der Durchschnitt der anderen Flächenländer. Der Gemeinde- und Städtebund hat es berechnet. 300 Millionen Euro jedes Jahr geben Sie mehr aus als der Durchschnitt. Das ist Geld, was nicht in Kindertagesstätten, was nicht in Schulen, was nicht in den Kommunalen Finanzausgleich fließt, weil Sie sich Personal leisten wollen. Das ist der falsche Weg für
Dasselbe gilt auch – Stichwort „Wirtschaftspolitik“. Wir haben gestern schon intensiv darüber diskutiert, aber ich kann es Ihnen nicht ersparen, weil das die zentrale Frage dieses Landes ist. Weil, wenn wir zukünftig uns selbst mit Einnahmen stärken wollen, dann werden wir das nur dadurch erreichen, dass wir eine florierende Wirtschaft haben. Aber die Realität ist, 2014 war Thüringen noch Vizemeister im Wirtschaftswachstum aller deutschen Länder. Neun Jahre in Folge unter Ihrer Regierungsägide ist Thüringen im Wirtschaftswachstum sogar hinter den Schnitt der Neuen Bundesländer gefallen. Das heißt, wir holen nicht nur gegenüber dem Westen nicht auf, nein, wir fallen auch noch gegenüber dem Rest der östlichen Länder zurück.
Um da mal eine Zahl dranzupacken: Das entgangene Wirtschaftswachstum, wenn wir es nur auf dem Niveau der ostdeutschen Länder gehabt hätte, hätte 15 Milliarden Euro in den Taschen der Unternehmen und der Bürger dieses Landes bedeutet. Das ist Geld, das verloren gegangen ist, weil Sie durch Bürokratie und Gängelung Dinge produziert haben, die unsere Wirtschaft schwächen. So darf es nicht weitergehen.
Oder nehmen wir das Thema „kommunale Finanzierung Flüchtlingspolitik“: Sie lassen die Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge im Stich. Statt partnerschaftlich mit denen die Probleme zu diskutieren und zu lösen, müssen die Kommunen die Ansprüche,
(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Das ist doch falsch! Der Wartburgkreis hat dieses Jahr 3 Millio- nen übrig. Die packen das in die Rücklage rein!)
Wir waren doch bei dem Flüchtlingsgipfel beteiligt. Das war ein Offenbarungseid, was Sie da geliefert haben
keine Aussagen zur Finanzierung. Die Kommunen müssen jetzt einklagen. Das ist kein gemeinsames Miteinander zwischen kommunaler Familie und zwischen der Landespolitik.
Oder nehmen wir doch das Thema „Gesundheitspolitik“: Wo ist denn der Krankenhausplan? Seit zwei Jahren ist er überfällig. Er liegt nicht vor. Jetzt können Sie sagen: Ja, wir diskutieren mal nett. Wir haben mittlerweile lange Wartezeiten auf Arzttermine. Wir haben nicht genügend Fachpersonal, was wir eigentlich brauchten. Woran liegt das im Übrigen? Das ist jetzt eine Anfrage von der Linken im Deutschen Bundestag, die ich zitiere: Wie lange dauert die Anerkennung ausländischer Abschlüsse beim medizinischen Fachper
sonal? Bundesweiter Durchschnitt sind 77 Tage. Wie lange dauert es in Thüringen? 225 Tage – ist Schlusslicht, rote Laterne. Das ist Maßstab Ihrer Politik und das ist das, was die Leute aufregt.
Oder nehmen wir die Bildungspolitik. Mittlerweile verlassen 10 Prozent der Thüringer Schüler die Schulen ohne einen Abschluss. Das ist doch ein Skandal für ein modernes Land! Noch viel schlimmer: Mittlerweile fällt jede zehnte Unterrichtsstunde in diesem Land aus. Sie sind mal gestartet, Herr Ramelow, mit der Aussage: Wir wollen nichts anders, aber vieles besser machen. Mittlerweile ist es so, wir haben mehr Schüler in den Thüringer Schulen, aber wir haben weniger Lehrer vor der Klasse; insgesamt 2.415 Lehrer