Protocol of the Session on September 13, 2023

Dann Ihre Aussage, uns würde nicht interessieren, wie es auf der Welt zugeht. Das ist völlig falsch. Natürlich kennen wir das Gefälle von Wohlstand, von Freiheit usw. usf., da spielen wir ja momentan auch nicht gerade die beste Rolle. Aber wir kennen vor allem auch die Grenzen des Machbaren aus europäischer Sicht. Und Sie kennen die offensichtlich nicht.

(Beifall AfD)

Und wenn Sie uns vorwerfen, wir würden uns nicht dafür interessieren, was in Afrika, in Asien passiert, dann werfe ich Ihnen vor, Herr Tiefensee, dass Sie nicht interessiert, was in Suhl abgeht oder in Erfurt auf dem Anger,

(Beifall AfD)

oder was Sie den Leuten mit Ihrer ganzen Migrationspolitik zumuten, die dafür täglich ihr Fell zu Markte tragen müssen. Das alles spielt nämlich in Ihrer Überlegung, in Ihrer Politik keine Rolle. Und da, sage ich Ihnen, weiß ich ganz klar, wo der Fokus unserer Partei liegt, und der ist goldrichtig und das werden die nächsten Wahlen auch bestätigen.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter Kemmerich für die Gruppe der FDP.

Zwei Anmerkungen. Einmal, Herr Tiefensee – dannach komme ich zum Zweiten –, das bloße Abarbeiten an der Insolvenzstatistik: Das ist ein Gradmesser, aber es ist nicht das, was die Wirtschaft wieder flottmacht. Wir müssen nicht Spaß am Untergang haben und uns diese Zahlen vorwerfen, wir müssen sie vermeiden. Herr Tiefensee hat es mit einem Satz gesagt: Insolvenzen gehören zum Wirtschaftsleben dazu, manchmal muss etwas für was Neues Platz machen. Ich denke an unsere Diskussion über Brotterode oder andere Dinge. Das wird nicht helfen.

Aber in Richtung AfD – und, ich glaube, das ist eigentlich die wirkliche Kritik: Wer den Europaparteitag Ihrer Partei verfolgen musste, konnte da hören, dass zumindest im Antragsbuch stand: wir wollen aus der EU raus, wir wollen aus dem Euro raus. Ich lasse jetzt mal die Nato weg; da wollten Sie auch noch raus. Welchen wirtschaftlichen Schaden Sie wirklich damit anrichten, aus der EU auszutreten, den Euro abzuschaffen, die D-Mark wieder einzuführen. Die D-Mark ginge durch die Decke, der deutsche Export würde einbrechen. Wir erzielen Milliarden Überschüsse, allein in der Europäischen Union.

(Beifall SPD, Gruppe der FDP)

(Unruhe AfD)

Das hat auch Folgen, die wir negativ wieder ausgleichen müssen mit Tagessalden, mit unschönen Verschiebungen der einzelnen Handelsbilanzen und in den europäischen Partnerländern. Aber

(Minister Tiefensee)

ein Rückgrat der europäischen Wirtschaft, der deutschen Wirtschaft ist die europäische Integration, auch für den Wirtschaftsfaktor in Deutschland.

(Beifall Gruppe der FDP)

Und das muss hier jeder wissen im Land: Wenn die AfD das killen will, dann sägen sie mit der Axt nicht nur an dem Baum, auf dem wir sitzen, sondern dem ganzen Wald, auf dem diese Wirtschaft fußt und auf dem unser Wohlstand fußt. Und das muss wirklich auch bekannt sein.

(Zwischenruf Abg. Braga, AfD: Machen Sie gern für uns weiter Wahlwerbung!)

Und das ist die schöne Gelegenheit, das hier und jetzt mal zu sagen.

(Beifall Gruppe der FDP)

Sie können es ja laut sagen: Was stand denn in Ihrem Programm drin, Herr Braga? Was stand denn drin? – Sie wollen aus der EU raus und aus dem Euro raus. Das wurde beantragt.

(Zwischenruf Abg. Braga, AfD: Danke für Ih- ren Einsatz!)

Es wurde nicht beschlossen. Sie haben dann noch Kreide gefressen, aber Sie haben es beantragt. Haben Sie es beantragt? Haben Sie es beantragt, aus der EU auszutreten?

(Zwischenruf Abg. Braga, AfD: Sie leiden an …)

Nein, dann frage ich Ihre Partei: Austritt aus der EU und aus dem Euro?

(Unruhe AfD)

Sie leugnen noch das Bekenntnis zu Europa. Dass da Dinge nicht in Ordnung sind im europäischen Gefüge, dem wird nicht weiter widersprochen. Aber aus der EU auszutreten und den Euro wieder abzuschaffen, das ist grober Unfug. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, Gruppe der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Herr Abgeordneter Müller das Wort.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, mit welchen Phantomschmerzen die Kolleginnen und Kollegen der AfD hier am Rednerpult unterwegs sind. „Tiefe Rezession“! Wir haben das III. Quartal nacheinander ein Wirtschaftswachstumsminus von 0,3 bis 0,4 Prozent. Ja, es ist eine wirtschaftliche Delle in

der Entwicklung und wir wissen nicht genau, wie sie sich weiterentwickeln wird, aber ist beileibe keine tiefe Rezession. Das, was Sie hier versuchen, sind recht populistische Beispiele, um Europa schlechtzureden. Sie reden öffentlich vom Europa der Vaterländer, in einem rechten Sprech, was darauf hinaus soll, Europa abzuschotten, und zwar in einzelne Nationalstaaten mit geschlossenen Grenzen, mit abgegrenzten Wirtschaftsräumen ohne Austausch. Jeder Euro, den wir in Europa investieren, kommt mit dem Faktor drei hier in dieses Land zurück! Das Geld lassen wir dann draußen liegen. Gucken Sie heute nach Großbritannien, die mit einem europafeindlichen Wahlkampf losgezogen sind: Raus aus Europa, wir machen alles alleine, Great Britain first – das hört sich an wie Thüringen first oder was Ähnliches. Es funktioniert nicht. Heute gibt es eine Mehrheit in Großbritannien, die sagt, es war eine verdammt schlechte Entscheidung, aus Europa auszutreten – das wollen Sie machen. Diesen Weg wollen Sie beschreiten. Diesen Weg sollen wir einschlagen und mittragen. Nein, dazu stehen wir nicht zur Verfügung!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Das kann ich nicht erkennen. Damit schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den dritten Teil der Aktuellen Stunde auf

c) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Gefährdet die rot-rot-grüne Landesregierung den Wohlstand unseres Landes? – Wirtschaftliches Wachstum in den Mittelpunkt rücken, Thüringen wieder an die Spitze des Wachstums im Osten stellen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 7/8673 -

Das Wort erhält für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Bühl.

Ich darf Sie, sehr geehrte Abgeordnete, um Aufmerksamkeit bitten für die, die hier am Pult stehen.

Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren, nach den hitzigen Diskussionen der letzten zwei Aktuellen Stunden

(Abg. Kemmerich)

kommen wir nun noch einmal zum Thema „Wirtschaft“. Das zeigt, was für eine Brisanz dieses Thema auch für unser Land Thüringen hat. Minister Tiefensee hat eben davon gesprochen, er würde keine Vanillesoße über das Problem kippen. So ein bisschen hatte ich allerdings bei der Rede schon den Eindruck, dass er versucht hat, Dinge zu beschönigen, die eben nicht zu beschönigen sind. Wir waren beide bei dem Empfang der IHK Südthüringen, dort ist ja ein sehr deutliches Bild gezeichnet worden. Wenn man dem neuen Präsidenten der IHK zugehört hat, wenn man danach auch dem Experten, der gesprochen hat, zugehört hat, dann waren das doch sehr deutliche Aussagen dazu, was es für Standortprobleme in unserem Land gibt, die wir dringend, wirklich dringend aufarbeiten müssen, damit wir weiter in Zukunft auch wirtschaftlich an der Spitze stehen können. Und wenn man sich anschaut, wie die Zahlen sind, und sieht, dass wir in Deutschland mit der Rezessionsrate, mit den Wirtschaftswachstumsraten im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern abgeschlagen sind, dann zeigt das, dass wir ein Problem haben, das man dringend angehen muss.

Wir sehen die Energiekosten, wir sehen das, was die Unternehmer wirklich intensiv beschäftigt. Jeder von uns hat im Sommer während der Sommertouren seine Gespräche geführt. Ich habe ein Gespräch geführt, das hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht. Ein Unternehmer, der jetzt in Ilmenau 15 Millionen Euro investiert hat, hat mir ganz klar gesagt, hätte er gewusst, was kommt, dann wäre diese Investition nicht in Deutschland, nicht bei uns erfolgt. Damit wären auch Arbeitsplätze bei uns gefährdet worden.

Nun stellt sich die Frage: Gefährdet diese Landesregierung insbesondere die Standortfähigkeit des Freistaats Thüringen? Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann muss man auch feststellen, dass das Wachstum, das wir in Thüringen haben, hinter dem Wachstum liegt, das andere ostdeutsche Länder haben, und dass wir diesen Schwung der letzten Jahre nicht in dem Maße mitnehmen konnten. Das liegt ohne Frage natürlich auch an den Standortbedingungen, die diese Landesregierung gesetzt hat – oder eben auch nicht gesetzt hat. Das hat Kollege Henkel in – so würde ich sagen – emotionalen Worten schon dargestellt, wenn es darum geht, wie die bürokratischen Hürden in diesem Land aufgestellt sind. Das Vergabegesetz ist angesprochen worden, die Anhörung letzte Woche auch, wo der Vorschlag von Rot-Rot-Grün kam, wir machen eine weitere Beratungsstelle, um Bürokratie zu erklären – statt uns damit zu beschäftigen, Bürokratie abzuschaffen.

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Das war doch schon Beschreibung dessen, wie es in diesem Land und auch bei dieser Regierung aussieht.

Hier müssen wir dringend ran. Wir müssen Bürokratie abbauen. Da hilft es auch nichts – und ich meine, das war eine Forderung von uns, die Antibürokratiekommission ist eingesetzt worden, aber man hat den Eindruck, so richtig viel will man aus der Regierung davon auch nicht ernst nehmen. Wir sehen vor allen Dingen auch die Frage des Fachkräftemangels, der in Thüringen ein wesentliches Problem ist und wo wir herangehen müssen, wo die Herausforderungen für diese und auch für die nächsten Landesregierungen die maßgeblichen sein werden. Wenn wir sehen, wie viele Menschen in Thüringen bis 2030 verdient in den Ruhestand gehen und was an Menschen in den Arbeitsmarkt nachkommt, dann sehen wir, dass wir ein riesiges Problem bekommen, sodass wir in Sachen Digitalisierung vorangehen müssen. Auch da muss sich die Regierung der letzten neun Jahre ein schlechtes Urteil gefallen lassen. Wenn man sieht, dass wir in Sachen Digitalisierung auf Platz 16 stehen, dann zeigt sich, dass wir hier massiven Nachholbedarf haben, dass wir das, was wir dringend brauchen, in den letzten Jahren nicht gemacht haben. Wenn man den Breitbandausbau sieht, wo Dinge nicht passiert sind oder zu langsam passiert sind, weil man sich falsche Zielstellungen gesetzt hat. Herr Minister Tiefensee, das müssen Sie sich leider auch gefallen lassen: Wenn man an die 50- oder 30-Mbit-Diskussion zurückdenkt, die wir in der letzten Legislatur hatten – völlig verfehlt. Man zeigt, in welche Richtung es jetzt geht. Das hätte man damals schon wissen können. Das waren auch Fehlentscheidungen dieser Landesregierung.

Wir sehen, dass wir dringenden Handlungsbedarf haben. Ich habe nicht den Eindruck, dass das hier schon ernst genug genommen wird; das hat auch Ihre Rede gezeigt, dass es leider nicht ernst genug genommen wird. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die es der Wirtschaft leichter machen, hier bei uns zu investieren und ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Wenn man im Vergleich zu anderen Bundesländern sieht, wie bürokratisch hier Förderprogramme ausgestaltet werden, und da sind Sie ja, das will ich Ihnen zugutehalten, auch dran, Dringe zu erleichtern – aber das ist in den letzten Jahren eben nicht so passiert. Wenn man es mit den anderen Ländern vergleicht, die dort deutlich schneller und besser vorangehen, dann haben wir dringenden Handlungsbedarf, damit wir Dinge hier nicht bürokratischer angehen, damit wir nicht Dinge immer von dem Blick aus angehen, wie es nicht

geht, sondern wir müssen Dinge von der Seite betrachten, wie man sie umsetzen kann. Das muss ich ehrlich sagen, das fehlt mir in der Landesregierung und auch in der Landesverwaltung massiv; wir betrachten die Dinge immer von der Seite, was nicht geht, statt zum Ermöglicher für unsere Wirtschaft zu werden. Das fordern wir in dieser Aktuellen Stunde dringend ein. Thüringen braucht das, damit wir auch in 10, in 20 Jahren noch erfolgreich sind. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten! Ich glaube, da ist viel zu tun.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Lehmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich will mal das machen, worum Herr Bühl gebeten hat, nämlich die Sache von einer anderen Seite zu betrachten. Ich bin ein positiver Mensch und versuche, auch immer in schwierigen Situationen was Positives zu sehen. Deswegen will ich auch hier mit etwas Positivem anfangen. Die CDU-Fraktion spricht in der Begründung für die Aktuelle Stunde auch von der notwendigen besseren Produktivität und vor allem von der Notwendigkeit höherer Löhne. Ich muss Ihnen sagen, darüber bin ich tatsächlich froh und dankbar, weil die CDU sich in der Vergangenheit nicht immer als Kämpferin für höhere Löhne für die Kolleginnen und Kollegen in Thüringen offenbart hat. Im Gegenteil, die CDU – das wissen Sie selber – hat ganz wesentlich zum Ausbau und Aufbau des Niedriglohnsektors in Thüringen beigetragen und dies ganz lange Zeit als Standortvorteil gegenüber Unternehmen vertreten. Sie haben lange Zeit gegen einen vergabespezifischen Mindestlohn gekämpft, Sie kämpfen immer noch gegen das Vergabegesetz. Ich finde es trotzdem positiv, dass Sie sich an der Stelle tatsächlich öffnen und dass Sie zumindest sagen, Sie bekennen sich dazu, dass es die Kolleginnen und Kollegen im Freistaat verdient haben, dass sie vernünftig verdienen. Ich würde sagen, das ist zumindest ein Fortschritt, den wir vielleicht für heute mitnehmen können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weniger gut finde ich, dass die CDU genauso wie die AfD und die FDP die rot-rot-grüne Landesregierung als Gefährder des Wirtschaftsstandorts Thüringen bezeichnet bzw. machen Sie das in Ihrer Aktuellen Stunde eher mit einer rhetorischen Frage