Der Thüringen-Monitor sagt das im Übrigen auch – ich finde das hochinteressant –, der sagt, es gibt Gebiete in Thüringen, die wollen gar nicht zum ländlichen Raum gezählt werden. Die sagen: Nein,
Das Zweite, was ich hier sagen will: Vielleicht, lieber Herr Voigt, erzählt man ja nicht immer nur, dass der ländliche Raum seit Jahren zu kurz kommt, vielleicht sogar übrigens genau seit 2014, seit Bodo Ramelow Ministerpräsident ist, und es eine andere Farbenlehre auch hier im Plenum gibt.
Vorher ging es dem ländlichen Raum unter sämtlichen CDU-geführten Landesregierungen wahrscheinlich gut und dann auf einmal ging es los mit der Krise. Vielleicht erkennt man ja, dass Thüringen aus Land und Stadt besteht
und beide mit all ihren Unterschieden zusammengehören, auch in der Politik, auch bei der Opposition. Das wäre ja schon mal ein Zugewinn in dieser Debatte.
Ich will Ihnen gern auch noch mal ein Geheimnis verraten, Herr Voigt. Ich habe ja viel Kontakt mit Leuten auch aus Ihrer Partei, unter anderem auch in Erfurt, auch in Gotha, da arbeite ich im Stadtrat mit Leuten aus der Christdemokratischen Union zusammen. Uns trennt da nicht immer unbedingt das Parteibuch, es geht da um kommunalpolitische Themen.
Genau. Wissen Sie, was die manchmal zu mir nach dem zweiten Bier sagen, zum Beispiel in Erfurt? Ich verrate Ihnen das gern mal hier vorn, weil ich heute die Gelegenheit habe. Da sitzen 21 Abgeordnete aus meiner Fraktion, der CDU, sagen die, weil die auch CDU-Mitglieder sind, die sind alle direkt gewählt – das ist ein Wert an sich –, aber nicht ein Einziger kommt aus Erfurt, nicht ein Einziger kommt aus der Landeshauptstadt. Die sind direkt gewählt in Südthüringen, die sind im Eichsfeld, in Ostthüringen direkt gewählt, nicht einer aus der größten Stadt des Landes, und wenn die hier vorn stehen, reden die auch permanent immer nur über den ländlichen Raum. Die in Gotha sind noch deutlicher, die sagen meist schon nach dem ersten Bier zu mir: Ich kann das manchmal nicht mehr ertragen mit der CDU hier vorn mit der Debatte um den ländlichen Raum und die, was weiß ich, wievielte Debatte um den 74. Dorfladen in Wuppdichhausen. Ich kann das nicht mehr ertragen, sagen die CDULeute. Die sagen das zu mir. Die sagen: Vergessen
die generell Leute unserer Partei, die auch in den Städten wohnen? Ich will es ja nur sagen, will das einfach nur mal so hier mit auf den Weg geben.
Wenn wir uns aber einig sind über die Ergebnisse des Thüringen-Monitors, die nicht gut sind, das will ich gleich sagen, wenn wir uns einig darüber sind, dass auch Sorge angebracht ist über das, was wir da zum Teil lesen und dass das hoffentlich nicht noch schlimmer wird und vielleicht auch auf keinen Fall so bleibt, dann steht die Frage im Raum: Und was jetzt? Oder, wie Hans-Jürgen Döring gesagt hätte: Wie gehen wir denn jetzt damit um? Die CDU, habe ich vorhin gehört, hat sich da schon entschieden. Ich übersetze es jetzt mal ganz einfach formuliert: Diese Werte sind alle so ein bisschen auch wegen Rot-Rot-Grün. Da sieht man es wieder, verheerendes Zeugnis, Bildungspolitik, falsche Zielsetzung, Kommunaler Finanzausgleich, das ist alles ganz furchtbar. Das kann man machen, Herr Voigt, klar. Wenn man Opposition ist, gesteht man Ihnen das zu. Rund ein Jahr vor der Landtagswahl ist das vielleicht sogar das Naheliegendste.
Aber ich sage Ihnen dazu mal zwei Dinge. Erstens: Was viele Leute mittlerweile satthaben, ist diese ständige Schuldzuweisung, dieses Zeigen mit dem Finger auf andere, die alles schlechter machen, als man selbst. Was viele Leute satthaben, ist diese besondere Form auch der Vergesslichkeit, dass man selbst mal Verantwortung getragen hat für Dinge, die vielleicht genau deshalb heute noch nicht so gut sind, weil man damals eben auch Fehler gemacht hat. Und, was die Leute mittlerweile auch satthaben, ist dieser Überbietungswettbewerb – ich muss es mal so deutlich formulieren – in politischer Amnesie, der so dreist ist, dass man annehmen muss, da gibt es Politiker, die verkaufen die da draußen alle für ein bisschen blöd. Ich will mal ein Beispiel nennen, das ist dieses Beispiel mit der Debatte um die Atomkraft – bundesweit, aber leider auch allzu oft hier in diesem Plenum. Mal die Fakten: Der Ausstieg aus der Kernkraft ist in Deutschland im Juni 2011 beschlossen worden – ich habe mir den Beschluss mal gezogen – 06.06.2011 – siehst du, der hat bald 12-jährigen Geburtstag. Da steht drüber: Gesetzentwurf der Fraktionen CDU, CSU und FDP. Das war deren Gesetzentwurf. Die waren damals in einer Koalition. Sie können sich das Ding durcharbeiten, Sie können sich das aus dem Netz ziehen, das ist seitenweise, das ist also der Entwurf eines 13. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes mit dem Problem und der Zielstellung, mit den ganzen technischen Fragen mit der Lösung. Und dann steht da – wie bei uns bei Gesetzentwürfen auch: Alternativen. Und da steht – Sie können im Netz nachgucken: Keine. Ich will es noch mal sagen, dass es alle gehört haben.
Alternativen: Keine. Die gleichen Parteien, die das damals also maßgeblich aufs Gleis gesetzt haben und die meinten, es gibt keine Alternative zum Ausstieg aus der Atomkraft, sind heute die größten Kritiker bei der Stilllegung der letzten Schrottmeiler in Deutschland. Das muss man sich auf der Zunge mal zergehen lassen.
Da fragt man sich ernsthaft: Setzen die wirklich und wahrhaftig auf die Vergesslichkeit der Menschen oder haben die bereits selbst – verzeihen Sie es mir bitte – diese besondere Form dieser Oppositionsdemenz? Ich nehme das immer öfter wahr.
Das Zweite ist: Wie gehen wir denn mittlerweile miteinander um? Das ist die entscheidende Frage: Wie gehen wir denn mittlerweile miteinander um? Ich will das gern mal in drei entscheidenden Gruppen klassifizieren. Das ist bei der Politik, also auch bei uns, besonders hier in der Thüringer Politik, auch hier im Plenarsaal, das ist bei der Berichterstattung mittlerweile allgemein so, auch bei den Medien, dazu werde ich auch gleich noch was sagen, aber es ist auch gesellschaftlich generell so in unserer Mitte, also in den Familien, in den Freundeskreisen, bei Bekannten, im Fußballverein, auf der Arbeit.
Bei dem Letzten fange ich gern mal an. Als halbwegs zivilisierter Mensch hat jeder mit einer guten Kinderstube gelernt, dass man mit verschiedenen Meinungen tolerant umgehen und sie respektieren soll. Das ist so das Basic, das Grundlegende, das man mitkriegt. Aber das scheint es nicht mehr zu geben. In diesen Zeiten gibt es – habe ich manchmal den Eindruck – nur noch schwarz oder weiß, nur noch gut oder böse. Und jede Seite versucht da auch die lauteste zu sein. Statt miteinander zu reden, wird scheinbar nur noch gebrüllt und geschrien, auf Demonstrationen und angeblichen Spaziergängen, in den sozialen Medien, Instagram, Facebook überall. Es gibt auch überhaupt kein Thema mehr – habe ich den Eindruck –, über das man sich in Ruhe austauschen kann. Wir sind in einer Dauerschleife von Aufregung und Empörung, die überhaupt kein Ende zu finden scheint. Geht es eigentlich noch, mal eine andere Meinung anzuhören ohne zu hassen? Geht das noch? Wenn man jetzt zum Beispiel sagt, ganz aktuelle Debatte, dass sich ein Land wie die Ukraine ohne Waffenhilfe aus anderen Ländern nicht verteidigen kann, ist man dann gleich ein Kriegstreiber? Und umgekehrt. Wenn man die Frage stellt, ob denn wirklich immer mehr Waffen auch wirklich zu immer mehr Frieden führen, ist man dann gleich ein Freund von Wladimir Putin?
Eine wirklich vernünftige Debatte dazu, das werden Sie vielleicht auch schon bemerkt haben, findet zumindest im öffentlichen Raum seit Jahren eigentlich nicht mehr statt. Es ist auch ganz egal, worum es da geht, ich kann jetzt Corona hernehmen, den Ukrainekrieg, wegen des Klimawandels, wegen der Flüchtlinge, Atomstrom ja oder nein. Das ist mittlerweile immer das Gleiche.
Wissen Sie, es war im Januar 2020 – da war das Coronavirus noch weit weg, mal eine Randnotiz, das war damals irgendwo in Wuhan, was da dieses Land scheinbar aus den Angeln gehoben hat –, als ich den Eindruck hatte, die bundesdeutsche Wirtschaft bricht völlig auseinander. Können Sie sich noch erinnern? Es war die Einführung des allgemeinen Kassenbons. Das ist absurd, was darüber berichtet, geschrieben, geschrien und gestritten wurde. Aber das muss man auch mal sagen dürfen und das ist eher eine nüchterne Bestandsaufnahme.
Mein Kollege Mike Mohring, damals noch Fraktionsvorsitzender, hat mal zu genau diesem Thema hier zum Thüringen-Monitor hier geredet, damals gab es auch schon diese Tendenz der Demokratieunzufriedenheit, und er sagte damals: Zwischen dem Gefühl des Abgehängtseins und der Frage der öffentlichen Daseinsvorsorge direkt vor Ort gibt es einen Zusammenhang. Er hat damals gesagt: Dort, wo sich der Staat mehr und mehr zurückzieht, entsteht der Eindruck, man sei abgehängt in der Region, man sei quasi aufgegeben. Das ist so das Gefühl, das muss nicht so sein. Aber auch im Thüringen-Monitor wird ja viel über diese Gefühle geschrieben. Es ging damals in der Debatte um die Gebietsreform, um die Zusammenlegung von Gemeinden und Kreisen, aber das wischen wir jetzt mal weg. Ich habe damals ziemlich aufgebracht hier vorn am Pult gesagt: Herr Mohring, das kann ich Ihnen so nicht durchgehen lassen, das ist ja eine steile These, nur, weil sich jetzt beispielsweise Bankfilialen und vielleicht auch Ortsbürgermeister zurückziehen usw., wird dann extrem gewählt, das ist vollkommener Irrsinn. Ich muss mich da revidieren. Ich muss mich entschuldigen. Ich bin um viele Bürgergespräche und auch um ein paar Jahre erfahrener geworden: Wenn sich Infrastruktur zurückzieht, ganz gleich welcher Art, dann macht das ein Gefühl des Verlassenwerdens, ganz gleich, worum es sich dreht, auch wenn die Betreffenden es vielleicht gar nicht immer in Anspruch genommen haben, was da gerade geschieht. Es geht um das Gefühl.
Beispiel: Ich nutze immer mein Handy, aber das Telefonhäuschen an der Hauptstraße ist jetzt in Zeiten des Mobilfunks abgerissen worden, das ist aber trotzdem Mist, sagen die Leute. Früher gab es in der Gemeinde zwei Postkästen, jetzt nur noch einen. Gut, ich schreibe nie Briefe und Ansichtskarten, aber wenn ich es machen würde, müsste ich trotzdem einen weiteren Weg zurücklegen, das ist schon mal Mist. Ich fahre zwar konsequent Auto, aber dass der Bus jetzt nicht mehr drei-, sondern nur noch zweimal am Tag in die Stadt fährt, das ist eine Sauerei. Der nächste Kindergarten ist seit Jahren nur noch im Nachbarort, ich bin zwar schon fast 70, meine Enkel machen schon Abi, völlig egal, trotzdem furchtbar. Der Dorfbürgermeister, den wir früher hatten, den gibt es nicht mehr, ist jetzt in der Nachbargemeinde. Diese Liste ist endlos und das ist irgendwie aus der Sicht der Betreffenden zumindest vom Gefühl her ja nachvollziehbar. Und dann gibt es da eine neue politische Kraft hier im Thüringer Landtag und in allen anderen Landesparlamenten auch, die flüstert dann den Leuten auch noch ein „Seht ihr“ und „da seid ihr dann die Abgehängten, das haben die Altparteien gemacht, ihr seid komplett abgeschrieben, ihr seid denen ja egal.“ Ich verstehe heute deswegen viel besser, was Mike Mohring damals gesagt hat. Und liebe Kolleginnen und Kollegen der berichterstattenden Zunft – jetzt sehen Sie mir es nach, das ist keine Medienschelte –, aber was geschieht beispielsweise medial vor ein paar Wochen? Die Debatte darüber ernsthaft in unseren Zeitungen, dass Thüringen ja eigentlich auch viel zu viele Landtagsabgeordnete hat, 90 Stück für 2,1 Millionen Einwohner, Stück á 90. Das wäre im Vergleich zu anderen Bundesländern überbordend und viel zu viel und die ganzen Kosten usw. Das heißt dann aber auch im Umkehrschluss, so deutlich muss ich es sagen: Beim allgemeinen Rückzug von öffentlichen Einrichtungen machen dann in bestimmten Regionen Thüringens auch noch die Wahlkreisbüros dicht, also die direkten Ansprechpartner zur Landespolitik, die Bürgersprechstunden vorhalten, wo man als Verein vorbeigucken kann, wenn man Lottomittel will, nachzufragen bei Fördermöglichkeiten bei Projekten, ja, auch um einfach nur hinzugehen und sich zum Teil zu beschweren, also eine Anlaufstelle zu haben. Diese Büros schließen dann auch noch. Was soll denn da besser werden, meine Damen und Herren? Was sollen denn dann für Werte aus dem Thüringen-Monitor herauskommen?
Nächstes Beispiel: Am Wochenende vor Pfingsten greift die CDU die Idee auf – ähnlich wie in Bayern –, den gemeinnützigen Vereinen die GEMA
bei Veranstaltungen zu erlassen. Der Vorschlag ist in diesem Hause nie vorher diskutiert worden. Dann ruft die Presse verschiedene Leute an, es gibt Reaktionen von Grünen, Linken, auch von meiner Partei, die sagen: kritisch, möglicherweise nicht alles so einfach durchführbar. FUNKE Mediengruppe: Streit um GEMA-Gebühren für Vereine. Es gab noch nicht mal eine Ausschussbefassung damit, keine Debatte im Plenum; zack, schon das Beispiel „Streit“. Muss das sein?! Muss man das so berichten? Ich frage mich: Warum?
Natürlich will ich nicht verhehlen, dass das auch aus unserer Sprache herauskommt, die wir mittlerweile im Plenum haben. Herr Voigt, es tut mir ja leid, aber das gilt schon immer, der Ton macht die Musik. Sie haben vorhin gesagt, die Art unserer Sprache hat sich auch gewandelt. Kennen Sie das? Der „Generalangriff auf den ländlichen Raum“ – haben Sie das schon mal gehört? Kommt ständig: „Generalangriff“. Das klingt schon nach Truppenbewegung, nach Befehlsketten, die Dörfer plattzumachen. Noch besser: Hier wird die „Axt an den ländlichen Raum gelegt“. Oder: „Der ländliche Raum blutet aus.“ Kommt Ihnen das bekannt vor?
Die Sprache ist nicht immer gut in einer Lage, die der Thüringen-Monitor beschreibt momentan. Wir beobachten das auch seit einiger Zeit. Vorhin hat Herr Dittes das schon mal gesagt, es gibt eine Kampagne der CDU: Die Ampel stoppen, „ampelstoppen.de“ hat die Thüringer CDU erfunden, können Sie im Internet sehen. Das ist schon semantisch ein solcher Irrsinn. Nur noch mal, dass man es gesagt hat „eine Ampel“. Da müssen Sie, wenn Sie eine Ampel haben, ausschachten, die müssen Sie einzementieren, da gibt es so eine Zuführung, die ist überhaupt nicht beweglich. Sie können eine Ampel gar nicht stoppen. Sie können sie abschalten. Abschalten können Sie sie.
Aber das klingt nicht so gut, weil viele Autofahrer und Fußgänger eine abgeschaltete Ampel mit „Chaos“ übersetzen. Und im Übrigen, liebe CDU, damit Sie das auch noch mal in Ihr Stammbuch geschrieben bekommen haben: Wenn man Ampeln abschaltet, gilt vor allen Dingen eine Regel: rechts vor links. Ich hoffe, das ist zukünftig nicht der politische Kompass der Thüringer Union, immer rechts vor links. Das hoffe ich nicht!
Wir beobachten bei der Diskussion um den Rechnungshofbericht in Bezug auf die Staatssekretäre – ich habe ja manchmal den Eindruck, wenn ich
Pressemitteilungen lese, das sei die größte Ungeheuerlichkeit seit Durchzug der römischen Truppen hier durch Thüringen und manchmal vergaloppiert sich dann sogar Ihre eigene Pressestelle – ich muss mal einen Sitestepp machen, denn ich fand das so lustig – zu Wochenbeginn, da wird davon gesprochen, Herr Hoff verhöhnt das Parlament, Herr Kowalleck lässt sich dann zitieren: „Wir werden Herrn Hoff seine Ausweichmanöver nicht länger durchgehen lassen“, machte der CDU-Politiker deutlich. Ist das Ihr Ernst, auch semantisch? „Wir werden Herrn Hoff seine Ausweichmanöver nicht länger durchgehen lassen.“ – „Hole mal Mama‘n ihre Mütze.“ – Also, ich meine, Sie machen sich Sorgen um die deutsche Sprache beim Gendern, aber mit dem Genitiv haben Sie es auch nicht so. Das muss ich einfach mal sagen.
Dann haben wir das Zusammenspiel mit dem Bund. Dieses Stückchen muss ich einfach noch mal hier vorn mit bringen. Vor einigen Tagen gab es die Schlagzeile: „Habeck will die Energie-Stasi einsetzen“. Das Prachtstück musste ich mir einfach mal rauskopieren. Im Text sagt Herr Voigt: „Jetzt will er die Energie-Stasi einsetzen, um wie in einem Schnüffel-Staat den Menschen in den Heizungskeller zu gucken“. Wissen Sie, ich will mich jetzt auch nicht künstlich echauffieren und rumlärmen, ob Sie die Opfer der Staatssicherheit überhaupt noch ernst nehmen. Aber ich frage Sie lieber mal: Haben Sie es nicht ein bisschen kleiner?
Ich glaube, in einer ohnehin aufgeheizten Stimmung solche Zitate nach außen zu spielen, ist nicht immer gut. Es geht noch weiter im Text. „BILD“ ganz stolz, „Focus Online“ habe das aufgegriffen. Und „Focus“ schreibt, im politischen Berlin droht die nächste Heizbombe hochzugehen. Merken Sie, was da passiert? Es droht, die nächste Bombe hochzugehen. Etwas, das so aussieht, sich so anhört und so riecht, verdient es auch beim Namen genannt zu werden. Das ist Kriegsrhetorik, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Und ich meine das deswegen sehr ernst: Wer den Thüringen-Monitor richtig liest, muss erkennen, dass diese Sprachbilder quasi wie Brandbeschleuniger wirken. Politische Sprache lebt von Zuspitzung. Das ist doch klar. Aber in diesen Zeiten und bei solchen Umfragewerten, wie wir sie heute hier diskutieren, muss auch klar sein – wie Herr Voigt
gesagt hat –, wir tragen hier in diesem Parlament auch eine große Verantwortung für das, was wir den Leuten draußen präsentieren.
Jetzt mal für all jene, die glauben, sie könnten sich hinsetzen, und sagen, naja, da muss die Politik sich jetzt aber mal auf den Hosenboden setzen und gucken, wie sie den nächsten und übernächsten Thüringen-Monitor in seinen Umfragewerten besser macht. Nochmal, das ist keine Sache allein der Politik. Das ist mittlerweile von uns als Gesellschaft eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, wie wir miteinander diskutieren, wie wir andere Meinungen aushalten, wie auch darüber berichtet wird. Dieses ständige Trommelfeuer, meine sehr geehrten Damen und Herren, macht etwas mit uns, mit dieser Gesellschaft. Das macht auch etwas mit unserer Demokratie, nicht nur hier in Thüringen. Das ist überall so. Ich stelle mal die Frage: Wenn das so weitergeht, wo führt denn das hin und wo hört das auf?
Unser Bundespräsident hat neulich etwas gesagt, was ich wirklich wichtig finde. Unsere Demokratie, sagt er, gehört zur kritischen Infrastruktur, die von außen wie von innen geschützt werden muss. Und wer den Thüringen-Monitor wirklich ernsthaft auswertet, dem klingen diese Worte in den Ohren. Wir sollten alle hier im Parlament, auch in der Politik, vielleicht auch bei der Berichterstattung, im Kollegenkreis, im Sportverein, bei Freunden alle mal einen Gang runterschalten. Alle mal rechts ranfahren,
mal innehalten und bei diesem ganzen Tamtam daran denken, dass es höchste Zeit ist, auch mal abzurüsten bei eben dieser Kriegsrhetorik, die ich als Beispiel schon gebracht habe.
Diese Rhetorik, die gebrauchen ja seit Jahren andere, die jetzt in unseren Parlamenten sitzen, klar demokratisch gewählt, aber die sind eben auch bereit, diese Demokratie genauso zu entsorgen wie ein Bündel Altpapier.
In dieser heutigen Debatte habe ich von dieser Form der Versachlichung und Abrüstung – ehrlich gesagt – noch nicht so viel gemerkt.
Wenn es so weitergeht, das ist meine traurige Prognose, werden die Werte des nächsten ThüringenMonitors wahrscheinlich kein Stück besser sein. Aber damit wir jetzt nicht alle im Trübsal versinken