Protocol of the Session on June 1, 2023

Anders als Sie hat sogar – weil Sie gerade darauf abgestellt haben – die Landesregierung in BadenWürttemberg begriffen, dass die verfasste Studierendenschaft eben kein Teufelszeug ist, und bei der Änderung des Landeshochschulgesetzes den Plan, diese auch wieder einzuführen, sodass nur noch Bayern das letzte Bundesland ohne verfasste Studierendenschaft ist.

Während die AfD demokratische Mitwirkung bei den Studierenden schleifen möchte, haben wir vor einigen Jahren mit der Einführung der paritätischen Gremienbesetzung bei allen Fragen, die nicht unmittelbar Forschung und Lehre betreffen, einen Schritt zu mehr Mitbestimmung auf Augenhöhe an den Hochschulen gemacht, ebenso mit der Einrichtung von Assistentinnenräten an den Hochschulen. Das ist gut so, denn statt Einschränkung von demokratischer Mitwirkung braucht es mehr Demokratie und Mitbestimmungsrechte an den Hochschulen. Ich könnte mir da sogar noch andere Modelle vorstellen. Warum beispielsweise nicht wie an der Uni Rostock auch einen studentischen Prorektor einführen, um die Belange von Studierenden direkt auch in der Hochschulleitung vertreten zu sehen?

Aber Ihr Gesetzentwurf verfolgt ein ganz anderes Ziel, weil Ihnen sicherlich die Aufgaben der Studierendenschaften im Thüringer Hochschulgesetz ein Dorn im Auge sind. Das betrifft zum Beispiel die Förderung der politischen Bildung. Ich denke da an die alternativen Einführungstage, die sich kritisch mit gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen auseinandersetzen, und deren Organisation, die aber aus meiner Sicht eben auch durch die gesetzlichen Aufgaben der Studierendenschaft gedeckt sind. Oder ich denke an die Aufgabe der Integration internationaler Studierender, die sowohl von den Studierendenvertretungen als auch – wie jetzt beispielsweise exemplarisch mit der ISWI kommende Woche in Ilmenau – von studentischen Initiativen auch in Zusammenarbeit mit dem Studierendenwerk an den Standorten gemacht wird. Ich sehe auch da keine Doppelstruktur, sondern es geht hier um die zielgruppenorientierte Arbeit in diesem Bereich.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Solche Aufgaben übernehmen die Studierendenvertretungen im Sinne der Aufgaben des Thüringer Hochschulgesetzes, die auch die Hochschulen haben. Dort steht beispielsweise im Gesetz, sich vom Geist der sozialen Gerechtigkeit leiten zu lassen und dem demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu dienen – alles Prinzipien, die Sie abschaffen wollen. Auf dem Weg hin zum autoritären Staat ist Ihnen jeder ein Dorn im Auge, der sich Ihnen dort in den Weg stellt. Das sind eben aus Ihrer Sicht auch die Studierendenschaften, die sich für eine demokratische Hochschule und eine demokratische Gesellschaft einsetzen.

Wenn Sie in Ihrer Begründung davon schreiben, es würde durch die Studierendenvertretung eine Atmosphäre von Angst und eine Atmosphäre des Meinungsdrucks hergestellt oder es sei auch die Umgestaltung der Hochschule oder der Gesellschaft

(Abg. Aust)

geplant, dann will ich kurz nur ganz deutlich sagen: Eine Atmosphäre der Angst, eine Atmosphäre des Hasses erzeugen Sie. Die Meinungsfreiheit wird bedroht mit dem Klima, das Sie in Ihren Reden hier tagtäglich auch kundtun, wenn Journalistinnen am Rande von Kundgebungen von Ihren Anhängerinnen angegriffen werden. Eine Atmosphäre der Angst erzeugen Sie, wenn aus den Worten, die Sie reden, durch andere Taten werden und Menschen in Thüringen angegriffen werden, die nicht in Ihr Weltbild passen. All das bemänteln Sie dann mit rechtlichen Bedenken der Vereinigungsfreiheit oder auch dem Rechnungshofbericht, weil Ihnen das eben so in den Kram passt.

Da will ich erst mal mit einer juristischen Lesart aufräumen: Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeit bei der Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist eben nicht die Frage der Vereinigungsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 1 Grundgesetz, sondern die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung im Dezember 1979 festgestellt, dass der Gesetzgeber durchaus die verfasste Studierendenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts einrichten darf, wenn er bei der Aufgabenzuweisung den Schutzanspruch der Zwangsmitglieder beachtet. Viel problematischer finde ich an dem Grundsatzurteil, dass gemeint wird, eine verfasste Studierendenschaft dürfe ihre meinungs- und wissenschaftsfreiheitlichen Rechte nur mit Blick auf eben auch die Frage des wissenschaftlichen Betriebs der hochschulpolitischen Aufgaben tun, und das schließt ein allgemeinpolitisches Mandat aus. Aber das ist eine andere Debatte, die jetzt hier nichts zur Sache tut.

Ich will an der Stelle noch darauf verweisen, dass die rechtliche Stellung der Studierenden und der Mitglieder der Studierendenschaft qua Immatrikulation mit dem Recht auf Satzungsautonomie, Finanzautonomie und Unabhängigkeit als rechtsfähige Teilkörperschaften einhergeht. Das sind aus unserer Sicht wichtige Eigenschaften, um als Interessenvertretung tatsächlich auch entsprechend an Hochschulen aktiv sein zu können, die eben durch unterschiedliche Statusgruppen geprägt sind.

Und auch auf den Rechnungshofbericht will ich hier kurz eingehen, weil Sie ihn ja für Ihre Zwecke missbrauchen. Ich gehe mit, wenn der Rechnungshof feststellt, dass Beiträge, die durch die Studierendenschaften erhoben werden, auch ordnungsgemäß, wirtschaftlich und entsprechend der Aufgaben verwendet werden sollen. Bei der Betrachtung der Mängel, insbesondere bei der Haushalts- und Wirtschaftsführung, wird aber aus meiner

Sicht im Rechnungshofbericht nicht dem Rechnung getragen, was die Grundlage der Arbeit der Studierendenvertretung ist. Denn die Studierendenräte leben in der Regel durch ehrenamtliche Arbeit. Sich in die Finanzarbeit einzuarbeiten, diese durchzuführen und auch in gute Hände zu geben, ist eben mit einem erheblichen Aufwand verbunden, der meist eben dann auch nur mit Abstrichen im eigenen Studium bewältigt werden kann.

Deshalb kann es aus meiner Sicht zur Abstellung dieser Mängel eben nicht die Lösung sein, die verfasste Studierendenschaft abzuschaffen, sondern die Schlussfolgerung muss sein, dass wir eine zusätzliche Unterstützung für die Studierendenvertretungen brauchen. Hier haben auch die Hochschulen eine Pflicht, in die sie auch genommen werden müssen, als Rechtsaufsicht. Gemäß § 1 Abs. 3 der Thüringer Verordnung über die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierenden beraten und unterstützen die Hochschulpräsidien die Studierendenschaften bei der Aufstellung und Ausführung von Haushaltsplänen sowie der Verwaltung des Vermögens. Hier sollten wir tatsächlich prüfen, welche Unterstützung derzeit geleistet wird und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Damit die Interessen der Studierenden in Thüringen auch gebündelt gegenüber der Landespolitik vertreten werden können, sind die verfasste Studierendenschaft und auch die Landesstudierendenvertretung unabdingbar. Ich bin mit Blick auf den Rechnungshofbericht auch dankbar, dass auch das Thüringer Wissenschaftsministerium 2021 in dem Bericht diese Position vertreten und auch zugesagt hat, entsprechend der Hinweise des Rechnungshofberichts zu schauen, wo entsprechende Mängel gemeinsam mit den Studierendenvertretern auch abgestimmt oder abgestellt werden können. Das sollte auch gemeinsam mit den Studierendenvertretungen geschehen. Erst vor Kurzem hatte ich ein Gespräch mit Vertreterinnen des Studierendenrats an der TU Ilmenau, wo es noch mal wertvolle Hinweise gab zur Frage, wie in der Buchhaltung Dinge vereinfacht werden können, um dann auch die Arbeit zu vereinfachen.

Sie treiben aber in der Begründung für Ihren Gesetzentwurf das Ganze noch auf die Spitze, wenn Sie meinen, dass die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei der verfassten Studierendenschaft Studierende finanziell entlasten würde. Das ist aber angesichts der tatsächlichen Problemlagen von Studierenden blanker Hohn. Ich nehme mal als Beispiel die Universität Erfurt. Hier zahlen Studierende einen Beitrag an die Studierendenvertretung pro Semester von 8 Euro. Das sind ganze 4 Cent pro Tag. Das abzuschaffen, ist alles andere als ei

ne finanzielle Entlastung; das passt Ihnen gerade nur so als Argument in den Kram. Wenn Sie wirklich zur Kenntnis nehmen würden, dass laut einer Studie der Parität jeder dritte Studierende von Armut betroffen ist, dann zeigt sich, was wir wirklich brauchen, nämlich ein armutsfestes BAföG. Dann brauchen wir bezahlbaren Wohnraum, wie ihn das Thüringer Studierendenwerk auch anbietet und wo das Land Thüringen in den letzten Jahren auch kräftig unterstützt hat, und dann braucht es zielgenaue Unterstützungsangebote, wie wir es auch mit der 500-Euro-Studien-Starthilfe hier in Thüringen haben, und nicht Scheindebatten über 4 Cent pro Tag, die Studierende vermeintlich finanziell entlasten würden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werte Kollegen, statt Mitwirkungsrechte abzuschaffen und die vielen Ehrenamtlichen, die hochschulpolitisch aktiven Studierenden zu diffamieren, wie es die AfD macht, will ich zum Schluss noch einmal Danke sagen, nämlich Danke all denjenigen Studierenden, die sich in den Gremien der Hochschulen, den Studierendenräten, in Fachschaftsräten hochschulpolitisch engagieren, sich für ihre Kommilitoninnen einsetzen, Hochschulen mitgestalten, sich für gute Studienbedingungen einsetzen und damit auch ein Teil unserer demokratischen Gesellschaft sind. Den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion braucht es da auf keinen Fall. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Tischner von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Artikel 28 der Thüringer Verfassung sagt in Absatz 1 Satz 2 über die Hochschulen – ich zitiere –: „Sie haben das Recht auf Selbstverwaltung, an der alle Mitglieder zu beteiligen sind“. Dass alle Statusgruppen der Universitäten, von den Professoren über die Beschäftigten bis hin zu den Studierenden, gemeinsam über die Geschicke der Universitäten beraten, hat also richtigerweise Verfassungsrang.

Es ist festzuhalten, auch die Studierenden haben ein in der Verfassung verbrieftes Recht, an der Selbstverwaltung der Universitäten mitzuwirken. Um das Recht wahrzunehmen, entsenden sie gewählte Mitglieder in die Senate und Fakultäten und

regeln studentische Angelegenheiten in Studierenden- und Fachschaftsräten. Die Basis der Legitimation dieser Gremien ist die verfasste Studierendenschaft im Thüringer Hochschulgesetz. Dies will die AfD nun mit ihrem Gesetzentwurf abschaffen.

In der Beschreibung des Regelungsbedürfnisses werden dabei durchaus nachvollziehbare Argumente vorgebracht. Die Kritik des Rechnungshofs an der Haushaltsführung muss man in der Tat sehr ernst nehmen und auch der Skandal um mögliche Veruntreuungen beim Studierendenrat in Jena hat inner- und außerhalb der Universität zu Recht für Unruhe und ein genaueres Draufschauen gesorgt.

Und ja, man kann Studierende, die sagen, warum soll ich das alles bezahlen, oftmals auch verstehen. Warum soll man eine Gebühr bezahlen, von der Partys finanziert werden, auf die man nicht geht, und Fahrten zu Demonstrationen für Anliegen, die man nicht unterstützt? Die Liste ließe sich fortsetzen und klar ist, das derzeitige Konstrukt ist nicht frei von Fehlern, eine Reform wäre hier durchaus dringend angezeigt. Zustimmen können wir jedoch trotzdem diesem Antrag, diesem Gesetzentwurf nicht, denn mit diesem Gesetzentwurf zeigt die AfD mal wieder, was sie tut, wenn sie einen Konstruktionsfehler richtig erkannt hat. Sie schwingt die große Abrissbirne und will eigentlich nur Trümmer hinterlassen. Was als Reform daherkommt, ist in Wahrheit ein Kahlschlag. Wenn man die verfasste Studierendenschaft abschaffen will, dann muss man gleichzeitig für Ersatz sorgen. Wir müssen uns klarmachen, dass es in Ihrem Entwurf nicht darum geht, ob in einzelnen Vertretungen etwas falsch läuft und wie man das eventuell ändern kann, sondern es geht um die Abschaffung der Institution der verfassten Studierendenschaft. Dies ist aber Basis für den Einfluss der Studierenden und spielt damit eine wichtige Rolle im Gefüge unserer Hochschullandschaft in Thüringen. Würde Ihr Gesetz Realität, es wäre nicht mal mehr sichergestellt, dass die Gruppe der Studierenden überhaupt noch effektiv an der Selbstverwaltung unserer Hochschulen teilnehmen könnte. Aber es braucht eine starke Interessenvertretung der Studierenden, davon sind wir als CDU überzeugt und dafür treten wir auch ein. Dies kann nicht allein über studentische Vertreter in den gemeinsamen Gremien wie Senate und Fakultätsräten geleistet werden. Eine Reform sollte den verantwortungsvollen Umgang mit den Geldern und Aufgaben in diesen Gremien verbessern, statt die Gremien radikal abzuschaffen. Wir sind gespannt, was das Ministerium zu diesem Punkt dann nachher ausführen wird. Das ignoriert Ihr Entwurf, sehr geehrte Kollegen von der AfD, völlig. Er ist damit leider kein konstruktiver Vorschlag und deshalb werden wir ihm auch nicht zustimmen können.

(Abg. Schaft)

(Beifall CDU, Gruppe der FDP)

Vielen Dank. Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Liebscher von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes fordert die AfD-Fraktion nicht weniger als die Abschaffung der sogenannten verfassten Studierendenschaften, und das unter dem Deckmantel der Vereinigungsfreiheit.

Es ist heute an dieser Stelle schon mehrfach erläutert worden: Gemäß Thüringer Hochschulgesetz sind alle Studierenden durch Immatrikulation an einer Hochschule im Freistaat Mitglieder der verfassten Studierendenschaft. Als solche sind sie eine öffentlich-rechtliche Teilkörperschaft der Hochschulen, verfügen über Satzungs- und Finanzhoheit, dürfen Rechtsgeschäfte tätigen und nehmen alle hochschulpolitischen, sozialen und kulturellen Belange der Studierenden wahr. Die verfasste Studierendenschaft ist sowohl der Rahmen als auch die Voraussetzung demokratischer studentischer Mitbestimmung. Aus ihrer Mitte wählen die Studierenden Vertreterinnen, es gilt gleichsam für alle Mitglieder das aktive und passive Wahlrecht. Die Studierendenräte bzw. an der Bauhaus-Uni das StudierendenKonvent sichern als höchstes, ausschließlich von allen Studierenden einer Hochschule gewähltes Organ deren Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht in den Gremien der jeweiligen Hochschule gegenüber der Hochschulleitung, aber auch nach außen gegenüber Dritten. In verschiedenen Referaten und Arbeitsgruppen widmen sich die ehrenamtlich tätigen Mitglieder einer Vielzahl von Themen aus studentischer Perspektive. Die Bandbreite reicht dabei von Mobilität, Sport, Kultur, Umwelt, politischer Bildung, Gleichstellung, Antidiskriminierung, Diversität und internationalem interkulturellen Austausch bis hin zu ganz aktuellen Fragen der Digitalisierung oder der Lehramtsausbildung, also deutlich mehr als die Party-Organisation, wie es gerade vom Kollegen Tischner suggeriert wurde. Eine zentrale Aufgabe ist die Beratung von Studierenden bei verschiedensten Anliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Konferenz Thüringer Studierendenschaften arbeiten alle Studierendenvertretungen der einzelnen Thüringer Hochschulen übergreifend zusammen und machen ihre Interessen vor allem auch gegenüber der Landespolitik deutlich. Während der Coro

napandemie war die KTS eine starke Stimme für die studentischen Belange. Sie hat sich beispielsweise für Schutzmaßnahmen am Campus und eine pandemiebedingte Verlängerung der Regelstudienzeit starkgemacht. Gegenwärtig kämpft die KTS für eine wirksame Unterstützung der Studierenden in der Energiekrise. Das ist unverzichtbare Arbeit und sie ist zu 99 Prozent ehrenamtlich, das sei an dieser Stelle noch einmal betont.

All dies stellt die AfD mit dem vorliegenden Gesetzentwurf infrage und will es verboten sehen. Sie wollen die verfassten Studierendenschaften zerschlagen und sie stattdessen durch privatrechtlich organisierte Zusammenschlüsse ersetzen. Dies würde dann freilich auch privat finanziert sein und mit Sicherheit die Interessen ihrer finanzstarken Mäzene vertreten. Wer da sofort an Burschenschaften und ihre Altherrenvereine denkt, der dürfte nicht völlig falschliegen. Das ist Hochschulpolitik aus der Mottenkiste, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sehe es so: Damit die Studierendenvertretungen eine demokratisch legitimierte starke Stimme haben, ist es wichtig, dass sie von allen Studentinnen und Studenten gewählt werden können. Nur so können sie auch für alle Studierenden sprechen. Finanziert wird die Arbeit der verfassten Studierendenschaften und ihrer gewählten Organe gemäß geltender Rechtslage über einen Anteil des Semesterbeitrags. Dieser variiert zwischen den einzelnen Hochschulen und liegt derzeit pro Person und Semester in Thüringen zwischen 5 Euro in Nordhausen und 11 Euro an der Friedrich-SchillerUniversität in Jena und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Zur Frage der Zwangsmitgliedschaft ist die Rechtslage seitens des Bundesverfassungsgerichts übrigens auch klar und eindeutig: Die verfassten Studierendenschaften übernehmen Aufgaben als öffentlich-rechtliche Körperschaften, die eine Pflichtmitgliedschaft rechtfertigen, weil diese Aufgaben eben nicht ohne Weiteres mit freiwilliger Mitgliedschaft erfüllt werden können. Mehrere Klagen diesbezüglich sind seit den 1990er-Jahren gescheitert. Das Grundrecht auf auch negative Vereinigungsfreiheit findet nur bei privatrechtlichen Zusammenschlüssen Anwendung. Ich vermute, dass Ihnen von der AfD dies auch bekannt ist. Insofern möchte ich das, was Sie hier mit diesem Antrag aufführen, als eine Scheindebatte bezeichnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zuletzt möchte ich noch einen Blick auf die Situation in anderen Bundesländern richten. Zur Begründung Ihres Gesetzentwurfs verweisen Sie ja auf die Lage

(Abg. Tischner)

in Bayern und Baden-Württemberg. So lesen wir, dort gäbe es gar keine verfassten Studierendenschaften. Dass dies für Baden-Württemberg entweder eine gezielte Falschdarstellung oder einfach schlampig recherchiert ist, lässt sich schnell prüfen. Seit 2012 schon gibt es dort nämlich wieder vollumfänglich die verfasste Studierendenschaft, übrigens wieder eingeführt von SPD und Grünen, nachdem sie 1977 dort abgeschafft worden war. Erst 2019 versuchte die AfD in Sachsen-Anhalt, die Pflichtmitgliedschaft in den verfassten Studierendenschaften abzuschaffen und darüber hinaus Studierende, aber beispielsweise auch Gleichstellungsbeauftragte, aus den Fachbereichen und dem Senat auszuschließen. Diesem Versuch, die Hochschulen zu entdemokratisieren, haben unsere Kolleginnen und Kollegen im Magdeburger Landtag zu Recht eine deutliche Abfuhr erteilt. In Bayern wurde die verfasste Studierendenschaft 1973 verboten, aber seit Jahrzehnten gibt es heftige Diskussionen über eine Wiedereinführung, die von einem breiten Bündnis aus Hochschulen und Studierenden gefordert wird. Bislang wird dieses Ansinnen im Bayerischen Landtag nur von der CSU und den Freien Wählern verhindert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Eine Auflösung der verfassten Studierendenschaft ist keine Lösung, im Gegenteil. Die verfasste Studierendenschaft ist eine wertvolle Einrichtung. Ihre gewählten Organe sind unverzichtbare Elemente einer demokratischen Hochschule. Eine demokratische Vertretung aller Studierenden ist richtig und notwendig. Deshalb lehnen meine Fraktion und ich diesen Gesetzesentwurf ab und ich appelliere an alle demokratischen Abgeordneten hier im Landtag, dies ebenfalls zu tun. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als nächster Redner folgt Herr Abgeordneter Aust von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Tischner, es ist ja sehr löblich, dass Sie in Ihren Anträgen neuerdings immer das Gendern ablehnen, wie wir es vorhin gehört haben. Wenn Sie aber weiter von Studierenden statt von Studenten sprechen, wird das nächstes Jahr nichts mit 20 Prozent.

(Beifall AfD)

Kommen wir also zur Sache. Gemäß § 79 Abs. 1 Thüringer Hochschulgesetz bilden alle immatrikulierten Studenten einer Thüringer Hochschule gemeinsam die sogenannte verfasste Studierendenschaft. Es handelt sich um eine Zwangsmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, mit der die Pflicht zur Beitragszahlung einhergeht. Demnach sind aber öffentlich-rechtliche Verbände mit Zwangsmitgliedschaft nur dann zulässig, wenn sie besondere Voraussetzungen erfüllen, nämlich öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen, die nicht ohne Weiteres auch ohne die zwangsweise Vereinigung wahrgenommen werden können.

Meine Damen und Herren, diese Voraussetzungen sind von diesen sogenannten verfassten Studierendenschaften nicht erfüllt. Nun ergibt sich daraus, was Herr Schaft gerade eben gesagt hat, dass man die deshalb nicht abschaffen darf. Das mag so sein, aber sie müssen deshalb eben auch nicht existieren. Es gibt keinen Zwang dazu, dass es diese verfassten Studierendenschaften geben muss, und deswegen können wir es eben auch fordern, sie abzuschaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und dass es kein Muss gibt, zeigt uns eben das Beispiel aus Bayern, wo es eben seit 1973 keine mehr gibt.

Nun erreichte uns in den vergangenen Tagen die Zuschrift der Konferenz der Thüringer Studierendenschaften und in diesem Brief – das ist ganz interessant –, in dieser Stellungnahme sind ein paar Gegenargumente aufgezeichnet, warum es doch wichtig sei, dass diese Organisationen weiterhin aufrecht erhalten bleiben müssen. Ein Beispiel dafür ist: So erwirkten diese Vertragsbeschlüsse im Namen aller Studenten und sorgen damit für günstige Verkehrstickets. – Diese günstigen Verkehrstickets gibt es im Übrigen auch in Bayern, dazu braucht es keine verfassten Studentenschaften. Auch die Forderung danach, dass nur diese Studentenschaften dafür sorgen könnten, dass es Sonderkonditionen gibt, beispielsweise mit Vertragspartnern in Städten für Museen, Theater und weitere: Auch das gibt es beispielsweise nachvollziehbar in München, auch das gibt es überall in Bayern, dafür braucht es diese Studentenschaften nicht.

Nun wurde gesagt, dass es unabdingbar ist, dass die Studenten auch weiterhin die Möglichkeit finden müssen, dass sie in ihrer Hochschule Gehör und auch Vertretung finden. Auch das wäre nach Annahme unseres Gesetzentwurfs weiterhin möglich, nämlich die Studenten haben dann weiterhin die Möglichkeit, sich im Senat und in den Fachbereichsräten Gehör zu verschaffen.

(Abg. Liebscher)

Nichts von den Gegenargumenten ist also wirklich tragreich, meine sehr geehrten Damen und Herren. Darum haben wir eben auch zu unserem Gesetzentwurf einen schönen Flyer entworfen, wie ich persönlich finde, „Befreie deine Hochschule vom StuRa“, sehr gelungen, wo wir noch mal sehr komprimiert auch aufführen, was die eigentlichen Probleme sind. Zunächst einmal führen wir auf, dass diese StuRas eben nicht demokratisch legitimiert sind. Die Wahlbeteiligungen liegen regelmäßig, wenn überhaupt, bei 10 Prozent. Und dann müssen die Studenten eben auch noch mit ihrem Semesterbeitrag – es mag für den einen oder anderen Abgeordneten so sein, dass 8 Euro im Monat nicht viel sind, aber es sind im Jahr eben immerhin auch fast 100 Euro gerechnet.

(Zwischenruf Abg. Schaft, DIE LINKE: Im Se- mester!)