Protocol of the Session on March 17, 2023

(Staatssekretärin Schenk)

den können, weil es an Verwaltungskraft fehlt. Deswegen – auch das wurde in der Großen Anfrage von uns ausführlich dargestellt – kann man nicht oft genug betonen, dass es einen Effizienzgewinn gibt bei neugegliederten Gemeinden. Neugliederungen sind nicht dazu da, irgendetwas zu sparen, sondern – das kann man nicht oft genug wiederholen – das ist wie in einer WG: Wenn sich jeder seine Milchpackung selbst kauft und die Milch in den Kühlschrank stellt, ist das nicht effizient. Keiner von ihnen würde das machen, sondern sie würden sich reinteilen. Und genau dieses Potenzial – und da sind wir eben bei den politischen Schlussfolgerungen, die aus Daten gezogen werden können – kann man doch heben.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Dafür gibt es Zusammenschlüsse!)

Da komme ich jetzt gern mal auf den von Frau Merz gemachten Schlenker zum Thema „Interkommunale Zusammenarbeit“ zu sprechen. Die interkommunale Zusammenarbeit ist ja bereits jetzt möglich. Auch jetzt können Sie über das Finanzausgleichsgesetz, wir haben 5 Millionen Euro im Prinzip zur Verfügung, interkommunale Zusammenarbeit fördern lassen. – Herr Walk, Sie hatten auch danach gefragt. – Es ist auch jetzt möglich. Natürlich können Sie sehr wohl spekulieren, warum – und da würde ich Ihnen recht geben – in der Großen Anfrage zutage tritt, dass das Geld nicht abfließt, und da können Sie natürlich bezweifeln, ob man da genug Werbung und Ähnliches macht. Aber natürlich könnte man auch die Vermutung haben, dass vielleicht an vielen Stellen die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit gehoben wurden und geschöpft wurden. Natürlich gibt es immer noch welche, wo man mit Überzeugungskraft noch ein bisschen mehr rausholen kann. Aber am Ende – und das hat ja auch die Abgeordnete Henfling immer wieder deutlich gemacht und auch der Rechnungshof hat es bestätigt –, wenn Sie sich die Frage stellen, wie man vorhandene Ressourcen am besten einsetzen kann, dann ist es in großen Verwaltungsstrukturen, die es schaffen, mit Mitarbeitern, die nicht durch mehrere Stellvertretungen belastet sind, diese Effizienzen zu heben.

Ich denke nicht, dass es hier nur um Betriebswirtschaft geht, Herr Walk, es geht am Ende darum, dass man sich mal fragen muss, warum wir zu diesen unterschiedlichen Einschätzungen kommen, und das ist auch der Wert dieser Großen Anfrage. Wir haben Ihnen 1.455 Seiten geliefert, in denen wir Ihnen diese viel genannten Fakten dargestellt haben.

Frau Staatssekretärin, erlauben Sie eine Nachfrage des Abgeordneten Henke?

Ja.

Vielen Dank, Frau Schenk. Sie hatten gerade ausgeführt, dass Gebietszusammenschlüsse nicht dazu dienen, zu sparen. Uns wurde jahrelang was anderes erzählt, dass Gebietsreformen dazu führen, Synergien zu erzeugen, Kosten zu sparen, indem Gemeinden, indem Kommunen zusammengehen, indem man Verwaltungen zusammenlegt und vieles andere mehr. Wie sehen Sie Ihre Aussage?

Es ist wie immer. Wir haben jetzt wieder das Scheinbar-, ein Scheinproblem. Sie interpretieren das so, dass Ihnen mal gesagt wurde, dass eine Gebietsreform dazu da ist, Geld zu sparen. Das ist nicht der Fall.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe im Hause)

Weder mein Vorgänger Uwe Höhn noch der vorherige Innenminister hat das gesagt. Das Ziel von Gebietszusammenschlüssen ist eine Steigerung von Verwaltungskraft. Die Abgeordnete Henfling hat vorhin drastische Worte gewählt, indem sie von einer Demografiekatastrophe gesprochen hat.

Meine Herren, im Moment hat überwiegend die Staatssekretärin das Wort und wir reden von hier vorne und nicht durch den Saal und auch nicht von der Regierungsbank.

Zumindest ganz überwiegend habe ich das Wort, Frau Präsidentin. Vielen Dank.

Ich habe teilweise nur bedingt Einfluss. Es tut mir leid.

Herr Henke, das ist genau der Punkt, den ich vorhin schon gemacht habe. Sie können natürlich immer wieder die Geschichte erzählen, dass es darum

(Staatssekretärin Schenk)

geht, wir sparen alle. Aber ich komme zurück auf mein Beispiel der WG. Natürlich wird genauso viel Milch verbraucht wie vorher, es macht nur keinen Sinn, drei verschiedene Milchpackungen in den einen WG-Kühlschrank zu stellen. Es macht Sinn, eine Milch zu kaufen, sich damit abzuwechseln und seine Kaffeetasse sozusagen solidarisch zu befüllen. Und natürlich haben Sie dann nicht mehr Geld, sondern der Punkt ist, dass Sie in einem großen gemeinsamen Haushalt Prioritäten anders setzen können. Sie können rotieren, Sie können regional denken, Sie haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht in drei, vier gefühlten Referaten zuständig sind, Sie haben einen viel größeren Pool, aus dem Sie schöpfen können. Und der von Ihnen doch sonst geschätzte Rechnungshof hat genau das dargestellt in seiner überörtlichen Kommunalprüfung und wir ergänzen mit diesen 1.455 Seiten in diesem Sinne vollkommen.

Ich möchte noch zu einem abschließenden Punkt kommen, der noch gar nicht hier gewürdigt wurde, und zwar das Thema „Erholungsorte und Bürgerhaushalt“. Zuerst zu den Erholungsorten: Wir haben hier einen – Sie haben ja auf den parlamentarischen Abend verwiesen – ziemlich relevanten Punkt, der auch immer wieder für Diskussionen sorgt: Warum gibt es Sonderlastenausgleich und wie effizient sind die? Natürlich kann man sich diese Frage stellen und bei Kurorten ist es nun so, dass sie ja keine Gewerbesteuereinnahmen in dem klassischen Sinne generieren können. Sie können kein Industriegebiet neben einem Spa aufmachen. Das wird jedem einleuchten. Ich finde, man kann an dieser Stelle regelmäßig betonen, dass Kurund Erholungsorte einen besonderen Wert für die touristische Landschaft in Thüringen haben. Deswegen ist es aus meiner Sicht richtig – das wird im Abschnitt IV der Großen Anfrage deutlich –, dort diese Gelder gezielt hinzuleiten. Wir werben dafür, das auch für die Erholungsorte entsprechend zu verstetigen, um sich immer zu fragen – das ist, glaube ich, die Frage, die man am Anfang gestellt hat und die man beantworten muss. Jeder von Ihnen hat ein Stück weit recht mit seinem Einzelbeispiel, Sie mit Ihrem Beispiel aus Gotha, Herr Walk, und ich mit meinem Beispiel aus Weimar. Die Frage ist doch: Wie können die Potenziale am ehesten gehoben werden? Es ist eben nicht richtig, einerseits zu tönen, wir bluten die Kommunen aus, und andererseits zu sagen, alles ist palletti. Keine dieser Argumentationen hilft der kommunalen Familie in ihrer Besonderheit, in ihrer Spezifik weiter. Sondern die Frage ist: Wie kann man dem Einzelfall gerecht werden, wie kann man denjenigen, die immer noch in der Haushaltssicherung sind, die nicht die kommunale Selbstverwaltung so

leben können, wie wir uns das vorstellen, da raushelfen? Da geht es zum Beispiel darum, Besonderheiten, wie die von Kurorten, anzuerkennen und zu schauen, warum sich die Einnahmesituation dort nicht verbessert hat. Auch dazu kann diese Frage dienen. Dazu kann zum Beispiel auch ein Bürgerhaushalt dienen. Denn, Herr Bergner, Sie haben darauf verwiesen. Wir verweisen in unserer Anfrage auch häufig auf den Kommunalmonitor. Wir haben schon öfters einen Dissens dazu gehabt, wenn wir uns fragen, was ist er denn nun, dieser Investitionsstau. Ich glaube, es gibt hier eine große Einigkeit im Haus. Wenn ich durch einen Ort gehe, sehe ich dort an vielen Stellen Investitionsstau. Da sehe ich das Loch in der Straße oder die Schule, die sozusagen nicht richtig fit ist. Ich meine, dass Sie mit den Zahlen, die wir Ihnen vorgelegt haben, und den Zahlen aus dem Monitor der Thüringer Aufbaubank – den ich qualitativ sehr wertschätze – natürlich immer die Diskussion führen können, sagt uns das etwas über die Vergangenheit, gab es da zu wenig Geld. Deswegen habe ich viel Sympathie – das hat der Minister gestern auch deutlich gemacht – für die Frage, wie kann man Investitionsstau bekämpfen, dafür, zu sagen, was muss ich denn priorisieren, was sind die Ausgaben, die wir jetzt abtragen können. Denn natürlich sind alle Ausgaben irgendwie berechtigt und jeder Fachpolitiker von Ihnen wird für seine Ausgaben streiten. Aber Sie werden mir sicherlich alle zustimmen, dass wir 1 Milliarde oder 3 Milliarden nicht innerhalb von ein paar Jahren lösen können. Deswegen mag die Diskussion zwischen Wünschen und Bedarfen nicht weiterführen. Sondern die Frage ist: Was kann von der kommunalen Familie effizient gehoben werden. Auch darauf möchte ich gern verweisen. Die Fakten sprechen dafür, dass nicht nur fehlendes Geld, sondern auch fehlendes Personal, fehlende Firmen, die Schwierigkeiten, das in der Verwaltung abzubilden, die Bauvorhaben ein Hemmnis bei der Investition sind. Auch das zeigt der Monitor.

Ganz zum Schluss möchte ich die Hoffnung äußern, dass die Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – bei denen ich mich an dieser Stelle auch noch mal bedanken möchte – nicht umsonst war, sondern dass wir wirklich zu einer faktenbasierten Diskussion zurückkehren, in der es nicht darum geht, reflexhaft immer „Alles ist gut!“ oder „Alles ist schlecht!“ zu rufen, sondern uns den konkreten Einzelfall anzuschauen und dabei auch eine Diskussion über Strukturen und über das sinnvolle Heben der begrenzten Ressource Geld zu führen. Denn es ist so, dass auch die Landesfinanzen nicht unendlich sind. Das mag für den einen oder anderen Abgeordneten manchmal überraschend sein,

(Staatssekretärin Schenk)

für die Haushälter nicht. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, auch wenn jetzt alle wahrscheinlich über ihre früheren WGErfahrungen nachdenken. Ich frage noch mal in die Runde, ob es noch Redebedarf zu diesem Tagesordnungspunkt gibt. Abgeordneter Bilay, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zu der einen oder anderen Sache noch einmal etwas sagen.

Ich bin relativ enttäuscht darüber, dass wir durch die Landesregierung so einen dicken Stapel von 1.500 Seiten zugearbeitet erhalten haben und offensichtlich weder die AfD noch die CDU auch nur einmal reingeschaut haben. Herrn Bergner nehme ich aus, Herr Bergner hat sich sehr intensiv mit der Materie beschäftigt. Aber, Herr Walk, hier eine Rede zu halten zu dem Thema und einfach nur Stellungnahmen von anderen vorzulesen ohne eigene politische Bewertung, ohne Schlussfolgerungen aus dem Zahlenmaterial zu ziehen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das ist doch schon ein Teil von Arbeitsverweigerung. Da hätte ich mir von Ihnen tatsächlich mehr erwartet.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Haben Sie zugehört?)

Sie wollten ganz einfach, ganz bewusst ausblenden, wie die Entwicklung unter Rot-Rot-Grün im Bereich der Kommunalfinanzen in den letzten Jahren gewesen ist. Und das haben Sie hier auch getan. Ich will noch mal sagen, wir reden über einen Kommunalen Finanzausgleich. Das ist ein Ausgleichsund kein Alimentationssystem. Das Land sorgt dafür, dass das Urteil des Verfassungsgerichts von 2005, das nämlich Ihr damaliges System der Kommunalfinanzierung für verfassungswidrig erklärt hat, von der CDU, umgesetzt wird.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Mein Sys- tem?)

Bis 2005 galt das System „Politische Willkür“. Mit jedem Landeshaushalt wurde neu entschieden,

Daumen hoch oder runter, wie viel Geld die Kommunen kriegen sollen. Dem hat das Verfassungsgericht einen Strich durch gemacht, hat gesagt, das geht nicht mehr, es muss der Bedarf ermittelt werden. Und zu dem ermittelten Bedarf, der rechnerisch erhoben wird, mit wissenschaftlichen Methoden erhoben wird, kommt noch obendrauf eine Angemessenheit, um dann am Ende auch freiwillige Leistungen finanzieren zu können. Das ist der Kommunale Finanzausgleich. Über den reden wir. Und dann reden wir am Ende darüber, dass trotz Bedarfsermittlung jedes Jahr Hunderte von Millionen in den letzten Jahren übrig geblieben sind. Dann von einem Ausbluten der kommunalen Ebene zu reden, das ist schon ein starkes Stück.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will noch mal eines sagen, Herr Sesselmann, wenn Sie schon ins Gesetz schauen, dann versuchen Sie es auch zu lesen und zu verstehen. Der Schullastenausgleich ist ein Sachkostenbeitrag des Landes für die Ausgaben der Schulträger, die im Verwaltungshaushalt entstehen. Davon wird Schulkreide gekauft, davon wird die Stromrechnung bezahlt. Das hat nichts mit dem Investitionsstau in den Kommunen zu tun.

Und noch zu der Frage – differenziertes Bild und Investitionen, wenn ich die Chance dazu habe. Ich habe darauf hingewiesen, dass insbesondere in den kleinen Gemeinden die hohen Jahresüberschüsse entstehen. Das heißt natürlich, dass, je größer die Gemeinde wird, je größer die Stadt wird, tendenziell weniger Jahresüberschüsse erwirtschaftet werden bzw. sogar ins Minus rutschen. Deswegen ist es einfach falsch, mit der Gießkanne durchs Land zu ziehen und jedem gleich viel Geld zu geben.

Auf jeden Fall ist die begrenzte Zeit das Ende der Chance – Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Bilay.

Ihr Kleinst-Kommunales-Programm ist an der Wirklichkeit vorbeigelaufen. Wenn Sie sich die Investitionszahlen anschauen, die aus der Großen Anfrage hervorgehen,

Sie ist zu Ende!

dann werden Sie feststellen, dass nämlich bis 2013 und 2014

(Staatssekretärin Schenk)

Herr Bilay, Ihre Redezeit ist zu Ende. Bitte beenden Sie Ihre Rede!

die kommunalen Strukturen immer weniger investiert haben und seit Rot-Rot-Grün die Investitionsquote auf kommunaler Ebene stark angestiegen ist.

(Beifall DIE LINKE)

Gibt es jetzt weiteren Redebedarf?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ja, bei Herrn Bilay!)

Das kann ich nicht erkennen. Damit schließen wir diesen Tagesordnungspunkt – nein, stopp –, ich frage vorher noch, ob es irgendwie Bedarf gibt, den an einen Ausschuss zu überweisen. Es hat niemand erwähnt, darüber weiter zu reden. Es wäre eine Möglichkeit. Nein? Gut. Dann machen wir das nicht und schließen diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31 in seinen Teilen

a) Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Rettungsdienstgesetzes – Beschleunigte Digitalisierung der Notfallversorgung Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/7394 - ERSTE BERATUNG