Protocol of the Session on March 17, 2023

ben 40 Prozent – nur 40 Prozent – geantwortet, dass das ausgereichte Geld im Vermögenshaushalt veranschlagt werden konnte. 60 Prozent, weit über die Hälfte, mussten das Geld nutzen – wahrscheinlich auch bei Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Bürgermeister und VG-Chefs –, um ihren Verwaltungshaushalt zu bekommen. Das ist die Wahrheit.

Lassen Sie mich jetzt noch mal auf den von der Thüringer Aufbaubank erarbeiteten und – aus meiner Sicht – sehr erhellenden „Thüringer Kommunalmonitor 2022: Kommunale Trends auf den Punkt gebracht“ eingehen, zum einen, weil diese Einschätzungen der kommunalen Familie relativ aktuell sind, und zum anderen, um die positiven Zahlen aus dem Rechnungshofbericht jetzt vielleicht auch noch mal ins Verhältnis zu setzen und zu bewerten.

Zu den Ergebnissen im Einzelnen: Der Kommunalmonitor sagt zum einen, dringenden Personalbedarf in den nächsten Jahren sieht man insbesondere im Bereich der Digitalisierung 83 Prozent, im Klimaschutz 62 Prozent und in der interkommunalen Zusammenarbeit. Weiteren zusätzlichen Personalbedarf im investiven Bereich sehen die Kommunen beim Gebäudemanagement, bei der Projektumsetzung sowie bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Oder anders: ohne qualifiziertes Personal natürlich auch kein erfolgreiches investives Projektmanagement. Aber entscheidend ist die Frage nach dem ermittelten Investitionsbedarf in den kommenden drei Jahren. Jährlich wird attestiert, dass 1,17 Milliarden Euro Investitionsstau prognostiziert werden, vor allem für Verkehrsinfrastruktur, für Verwaltungsdigitalisierung und für Schulen. Allein im Bereich der Schulen klafft ein Loch von mehr als 1,5 Milliarden Euro – ich denke, Sie können das auch bestätigen – und das muss irgendwann auch geschlossen werden.

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Das sind nur 1,2!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch eine weitere Zahl lässt aufhorchen. Die Kommunen teilten mit, dass allein in den letzten drei Jahren 140 Investprojekte auf Eis gelegt wurden und nicht umgesetzt werden konnten und damit auch eine verpasste Chance, einen starken Konjunkturimpuls zu setzen, der eben damit ungenutzt blieb.

(Beifall CDU)

Die Hauptgründe noch mal – Herr Bilay, weil Sie das angesprochen haben –, warum dieser Konjunkturimpuls ausgelassen werden musste: 93 Prozent sagen, wir hatten nicht genügend Fördermittel, 90 Prozent sagen, wir haben nicht genug Eigenmittel. Und auch die Baupreisentwicklung hat direkte,

und zwar negative Auswirkungen auf die örtliche Bautätigkeit: 88 Prozent der Kommunen sagen, die Preise sind uns zu hoch. Das führt immer wieder zu Verschiebungen und Verzögerungen, das Beispiel Eisenach und Hallenbau wurde ja auch schon erwähnt.

Große Sorge bereitete den Kommunen auch die Energiepreisentwicklung. Man kann es nachvollziehen, 87 Prozent stellen sich auf stark ansteigende Energiepreise ein. Ich habe es eben schon gesagt, statistisch ist das inzwischen belegt, knapp 20 Prozent Erhöhung im letzten Jahr.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Fördermittelmanagement. Da sind sich die Kommunen einig, alle Kommunen wünschen sich hier mehr Unterstützung durch das Land. Wenn man genau fragt, was wünscht ihr euch vom Land, dann sagen 80 Prozent, wir wollen eine Bündelung von Förderprogrammen, wir wollen eine vereinfachte Kombinierbarkeit von Bundes- und Landesmitteln und wir wollen vor allen Dingen eine vereinfachte Antragstellung für kleinere Projekte.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Genau das ist richtig!)

Und noch eine Zahl erscheint mir bemerkenswert: Zwei Drittel der Kommunen bezeichnen ein zinsverbilligtes Kreditprogramm zum Beispiel im Rahmen eines Fonds zur Reduzierung der Finanzierungskosten als hilfreich, Stichwort kommunaler Investitionsfonds, das haben wir gestern ausreichend behandelt. Ich habe eben schon gesagt, dass ich mich freue, dass wir da so viel Zustimmung erfahren haben.

Jetzt zur spannenden Frage, was eigentlich die Kommunen sagen. Knut Kreuch, der SPD-Oberbürgermeister von Gotha, hat uns als CDU-Fraktion Ende Januar angeschrieben, Thema „Kommunalfinanzen“. Ich darf zitieren, ich habe ihn gefragt, ob er damit einverstanden ist – ich zitiere –: „In unseren Schulen und Kindergärten, auf den Straßen und Brücken sowie in den Verwaltungsgebäuden haben wir nicht nur einen Sanierungsstau, sondern vor allem einen Unterhaltungsstau. 2021 hat das Bauamt einen kurzfristigen Bedarf für Gehwegunterhaltung von 9,7 Millionen und Straßenunterhaltung von 8,9 Millionen, zusammen 18,6 Millionen, errechnet. Aber“, so Knut Kreuch weiter, „im jährlichen Haushalt sind nicht einmal zehn Prozent dieser Summe für Unterhaltung abbildbar.“

Und weiter wünscht sich der OB: „Erstens, hohe und höhere Fördersätze für die bereits vorhandenen Förderprogramme (Schulbau, Kinderbetreu

ung, Sportstätten, Feuerwehr), zweitens, Förderungen für Sanierung von Verwaltungsgebäuden, drittens, gerechte Ermittlung von Grundlagen für den Mehrbelastungsausgleich. Übertragene Aufgaben müssen bezahlt und nicht mit nicht nachvollziehbaren Pauschalen gedeckelt werden.“ – Ich zitiere immer noch. – „Und letzter Punkt: Jedoch vor allem mehr allgemeine Deckungsmittel, damit wir nicht ständig an Verwaltung, damit wir nicht ständig an Mitarbeitern sparen müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und durchführen zu können.“

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Zu Recht!)

Und abschließend resümiert Kreuch: „Der gemeindliche Schuldenabbau der letzten Jahre darf nicht über das strukturelle Problem im Finanzausgleich hinwegtäuschen.“

(Beifall CDU)

Eine weitere kommunale Stimme, der Kreisverband Greiz, der ja heute auch anwesend ist, erklärt in einem offenen Brief von gestern – ich zitiere –: „Das Haushaltsjahr 2023 wird für die meisten Thüringer Kommunen zum Drahtseilakt, weil die Reserven der letzten Jahre, sofern sie überhaupt vorhanden waren, inzwischen erschöpft sind.“

Und eine weitere Stimme erreichte uns von den Bürgermeistern aus Zeulenroda-Triebes und Greiz. Sie legen plastisch dar, wie sich die erhöhte Kreisumlage im Landkreis Greiz ganz konkret auf die Städte auswirkt. Und in Greiz – ist ja auch keine Riesenmetropole – sind es allein 1,2 Millionen, die mehr anfallen allein durch die erhöhte Kreisumlage, plus 14 Prozent, in Zeulenroda-Triebes 890.000, plus 14 Prozent, in der Gemeinde Langenwolfsdorf 130.000 Euro, plus 37,5 Prozent. Und im Fazit stellen die Amtschefs fest – ich zitiere –: „Finanzielle Spielräume schwinden, Verwaltungshaushalte sind überlastet, Rücklagen müssen aufgelöst werden.“ Und es sei absehbar, so die Bürgermeister, dass die Mehrheit der Kommunen im Landkreis Greiz in nächster Zeit in die Haushaltssicherung geraten werde. Ursächlich sei unter anderem die schwierige Kinderbetreuungsfinanzierung, die Personalkostensteigerung aufgrund der genau zu 7 Millionen Euro reduzierten Landeszuschüsse. Und vielleicht noch ein Punkt zum Personal – ich zitiere wieder –: „Die meisten Kommunen können sich nicht einmal eine Doppelbesetzung für drei Monate leisten. Neues, qualifiziertes Personal kann aber nur durch attraktive Gehälter rekrutiert bzw. gehalten werden. Eine Binsenweisheit, Lohnsteigerungen können kaum gedeckt werden.“ Und das Fazit: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Kommunen gut aus

gestattet sind. Der Großteil der Kommunen muss jeden Cent fünfmal umdrehen.“

Sehr geehrte Damen und Herren, ich will vielleicht noch mal abschließend auf unsere Forderungen kommen, weil wir den Blick nach vorne richten wollen, und auf die Vorschläge, die wir hier im Parlament schon zu Papier gebracht haben, die wir zum Teil auch schon diskutiert haben. Es sind insgesamt fünf ganz konkrete Punkte, was wir aus Sicht der CDU-Fraktion machen können, um den Kommunen auch effektiv zu helfen.

Erstens: Es braucht endlich die Einführung einer echten Konnexität, und zwar verankert in der Thüringer Verfassung. Im Übrigen verweise ich gern auf das sogenannte Kluth-Gutachten der Grünen „Rechtsrahmen der Kommunalfinanzierung in Thüringen“ vom August 2022, welches zum gleichen Ergebnis kommt.

Zweitens: Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns auch gleich noch mal mit dem Mehrbelastungsausgleich beschäftigen. Der Thüringer Rechnungshof bemängelte bekanntlich für das Prüfjahr 2021 die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Mehrbelastungsausgleichs in Thüringen. Und jedenfalls für 2021 hat er festgestellt, dass dieser Ausgleich um 10 Millionen Euro zu gering bemessen war.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Bilay, DIE LINKE: Und deswegen haben wir es 2023 draufgeschla- gen!)

Drittens: Es braucht eine wirkliche Berücksichtigung der Kostendynamik. Die Entwicklung der kommunalen Personal- und Betriebskosten solle deshalb durch eine Berücksichtigung der tatsächlichen Inflationsrate auch im KFA abgefedert sein. Insgesamt sind es knapp 10 Prozent, das wissen wir.

Viertens: Es braucht endlich eine vereinfachte Fördermittellandschaft. Gerade die Förderlandschaft speziell für Kommunen ist geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher, zum Teil sehr spezifischer Förderprogramme von verschiedenen Förderstellen: EU, Bund, Land, dann kommen die Projektträger dazu. Da muss man einen eigenen Lehrgang gemacht haben, um da noch durchzublicken.

Fünftens: Es braucht einen kommunalen Investitionsfonds in Höhe von 100 Millionen Euro. Das war unser Vorschlag, darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen.

Vielleicht der sechste Punkt: Potenzial sehe ich in jedem Fall noch bei der interkommunalen Zusammenarbeit. Das ist sozusagen ein schlafender Rie

se, der zunächst einmal kein Geld kostet, aber der viel bringt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Meiner Fraktion war es wichtig, die vorliegenden Zahlen und Statistiken möglichst differenziert und komplex zu betrachten und zu bewerten. Lassen Sie uns hier im Hohen Haus im Gespräch und im Dialog bleiben, wenn es darum geht, unseren Kommunen wirklich substanziell und auch nachhaltig zu helfen. Letzten Endes gibt uns ja auch die Thüringer Verfassung vor, wie die Richtung sein muss. Thüringer Kommunen müssen finanziell auskömmlich ausgestattet sein. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Walk. Ich rufe jetzt auf für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Henfling.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sehr geehrter Herr Präsident, ich will mich zunächst erst mal bedanken für die Große Anfrage: Wir haben hier 90 Fragen in 5 Komplexen und wir haben 1.455 Seiten Antworten. Das ist, glaube ich, mehr als nur eine Fleißarbeit gewesen, und da bedanke ich mich erst mal bei allen Beteiligten für die Arbeit, die in dieser Großen Anfrage drinsteckt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, es ist auch deswegen wichtig, weil Transparenz in dieser ganzen Diskussion relativ notwendig ist, um Ballast vom Thema „Kommunalfinanzen“ abzuwerfen. Der größte Ballast ist aus meiner Sicht die Legende, dass es den Kommunen ganz schlecht geht, und zwar allen.

Schauen wir uns die vorhandene Datenlage an: Da können wir natürlich neben der Großen Anfrage auch noch mal den Kommunalmonitor der TAB, der gerade für 2022 erschienen ist, nehmen, oder manchen kommunalen Haushalt könnte man sich da auch noch mal sehr genau angucken. Es gab Zeiten, in denen die kommunale Familie in Thüringen schlecht vom Land finanziert wurde. Einige Gerichtsurteile und etliche Reformen später kam dann der Sparkommissar Wolfgang Voß, Finanzminister im Kabinett Lieberknecht, 2010 bis zum Ende der Legislatur 2014, von der CDU. Übrigens ist der Wikipediaeintrag von Herrn Voß sehr interessant:

(Abg. Walk)

Wussten Sie, dass Herr Voß unmittelbar vor seiner Ernennung zum Thüringer Finanzminister für einen einzelnen Tag als Staatssekretär in Thüringen angestellt wurde, um die Versorgungsansprüche als Staatssekretär in Sachsen und Niedersachsen zu behalten?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das fand ich eine interessante Information.

Unter Voß wurde der Kommunale Finanzausgleich in Thüringen einer umfassenden Reform unterzogen und der zugrundeliegende Grundsatz gilt auch heute noch – der Partnerschaftsgrundsatz. Allerdings sehen Sie in den Antworten zur Großen Anfrage, die Finanzierung der Kommunen unter Finanzminister Voß und dem Kabinett von Frau Lieberknecht war dann doch eher bescheiden. Diese für manche sehr unangenehme Wahrheit steckt auch in den Daten der Antwort, das hat Kollege Bilay ja hier auch schon ausgeführt.

Da nützt auch alles Relativieren nichts, die CDUgeführte Landesregierung hat die Kommunen verhungern lassen. Dramatische Folgen waren: Der Bestand an Kommunalkrediten stieg drastisch an, die Kassenkredite breiteten sich aus, manche Kommunen hatten Glück mit ihren …

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Der Kaiser ist auch noch …!)

Ich sage ja immer, getroffene Hunde bellen, Herr Emde. Sie machen das dieses Plenum besonders laut. Was ist da los?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Manche Kommunen hatten Glück mit ihren Tochterfirmen, bei denen sie sich Geld borgen konnten oder Aufgaben und Kosten auslagern konnten, manch andere Kommunen konnten das eben nicht. Es haben sich dadurch einige Schuldenberge aufgetürmt. Besonders dramatisch ist das Beispiel Gera an dieser Stelle. Die Pleite der StadtwerkeHolding im Eigentum der Stadt mit den Anteilen an der Energieversorgung, den Verkehrsbetrieben, der Müllabfuhr und einer Wohnungsgesellschaft mit 7.000 Wohnungen hätte durch die Landesregierung 2014 abgewendet werden können: durch Landesmittel, durch Landesbürgschaften oder auch die Genehmigung von Kommunalkrediten. Nichts davon ist passiert, Gera wurde hängen gelassen, die Stadtwerke in die Pleite getrieben – ein einmaliger Vorgang. Noch heute spürt die Stadt die Folgen, gehören Wohnungsgesellschaft und der Energieversorger nur zu einem Bruchteil der Stadt.

Rot-Rot-Grün übernahm am 05.12.2014 die Landesregierung, und das war auch gut so, denn seitdem ging es für die Kommunen bergauf.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ach ja? Da- von haben wir noch nichts gemerkt!)