Protocol of the Session on August 11, 2016

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Das ist ja das Schlimme!)

Ich sage Ihnen auch, da Sie sich offensichtlich auf die besondere Leistungsfeststellung offensichtlich als elftes Gebot beziehen: Die besondere Leistungsfeststellung ist ein besonderer Thüringer Weg, der entstanden ist, weil Sie eine Schulpolitik der Ausgrenzung betrieben haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Erst als das schiefgegangen ist, erst dann sind Sie darauf gekommen und haben gesagt: Hier brauchen wir eine besondere Leistungsfeststellung. Dann hören Sie sich doch einmal bei den Kolleginnen und Kollegen vor Ort um, wie sie unter dieser Mehrbelastung stehen und sagen: Das bringt uns gar nichts! Und wenn 180 Schülerinnen und Schüler in Thüringen diese besondere Leistungsfeststellung nicht bestehen, sage ich, dann sollten wir mal die besondere Leistungsfeststellung infrage stellen und nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag eine CDU-Schulpolitik weitermachen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, Sie machen es uns auf dem Podium heute aber besonders schwer.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das ist ja auch besonderer Unsinn!)

Herr Kollege, die Freiheit des Wortes gilt auch hier im Plenarsaal des Thüringer Landtags. Herr Abgeordneter Wolf, Sie haben das Wort.

Dieser Meinung können Sie gern sein und Sie können sich gern dazu melden, wenn Sie irgendetwas

dazu beizutragen haben, das mit Bildung zu tun hat. Das würde ich bei Ihnen noch bezweifeln.

(Unruhe CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen ja: Jedem Neuanfang wohnt sprichwörtlich ein Zauber inne. Nun ist eine gute Vorbereitung auf ein Schuljahr im Ministerium, den Schulämtern, den Schulen alles andere als Zauberei. Ich möchte daher allen, die an der Vorbereitung des Schuljahrs 2016/2017 beteiligt waren, seitens meiner Fraktion danken und bin mir sicher, dass diese Vorbereitung dazu führen wird, dass die Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler in Thüringen bestmögliche Bedingungen für das Schuljahr haben, gemessen aber an dem Maß, dass in Zeiten des demografischen Wandels – Frau Ministerin ist darauf schon eingegangen – tagtäglich in den Schulen noch viele Herausforderungen zu lösen sind. Allen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern wünsche ich von hier aus ein erfolgreiches Schuljahr.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als ich Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, gelesen habe, habe ich mir so gedacht: Aha, Mike Mohring, da er auch in einem MDR-Interview eingestanden hat, dass Urlaub dieses Jahr nicht so seine Sache war, hat ein Interview gegeben und dabei ist er auf die Idee gekommen, mir fehlt noch ein Thema für ein Sonderplenum. Da hat er dann wahrscheinlich bei Kollegen Tischner angerufen. Ich vermute einmal eher, da Kollege Tischner in Italien in Urlaub war, bei der Referentin von Kollegen Tischner. Und die armen Menschen mussten

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Falsch, falsch, falsch!)

dann alles das zusammenschustern und zusammenschreiben,

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Nach Italien fährt immer jemand anderes!)

was hier im letzten Jahr im Plenum oder im Bildungsausschuss schon hinlänglich besprochen und geklärt worden ist. Nun ist es aber nicht so wie bei Witwe Bolte, dass es besser schmeckt, nur weil es wieder aufgewärmt ist. Ganz im Gegenteil! In Ihrem Antrag steckt so viel Unsinn drin. Frau Ministerin ist schon darauf eingegangen, ich werde dazu auch noch etwas sagen, dass Ihr aufgewärmter Antrag weder was mit Bildungspolitik zu tun hat und schon gleich gar nicht mit einer zukunftsweisenden Personalpolitik. Also er schmeckt überhaupt nicht und das werden wir jetzt einmal im Einzelnen durchgehen.

Es gibt in China eine Weisheit, die sagt: Man braucht zum Segeln nicht nur den Wind, sondern

(Vizepräsident Höhn)

man braucht auch Segel! Und eigentlich sind das Entscheidende am Segeln, damit man auch ankommt, die Segel und nicht der Wind. Nun kann man sich natürlich fragen, was hat das mit Ihrem Antrag zu tun? Ich will das auch in Fragen fassen: Was hat denn die CDU in ihrer 24-jährigen Regierungsverantwortung in Thüringen und seit zwei Jahren in der Opposition getan und beigetragen, um von dem CDU-initiierten Chaos Abhilfe zu schaffen? Was haben wir als rot-rot-grüne Landesregierung seitdem getan

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Sie haben das Chaos angerichtet!)

und wie müssen wir denn die Segel setzen, um für alle auch sicher durch alle Wetterlagen, Strömungen und eventuellen Havariefälle das schwere Schiff „Bildung“ steuern zu können? Der CDU-Antrag befasst sich schwerpunktmäßig mit den Themen „Schulgesetz“, „Besoldungsgesetz“, „Steuerung von Schule und Bildung“, „Haushalt“ – hier insbesondere Klassenfahrten und Gebühren für Spezialgymnasien für Unterbringung und Verpflegung – und im weitesten Sinne auch „Ganztagsschule“ und „Schulentwicklung“ selbst. Zu all diesen Themen hat die CDU eine tapfer gefasste Meinung der letzten zwei Jahre: Das geht erst einmal alles gar nicht.

Die Landesregierung soll Ihrem Antrag folgend im Schulgesetz Regelungen unterlassen, die eine Steuerung von sinnvollen Schulgrößen beinhalten. Dieses Kirchturmdenken der CDU würde aber vor allem zulasten der Kinder und Pädagoginnen und Pädagogen gehen. Warum? Weil Kleinstgrundschulen und kleine Regelschulen keine guten pädagogischen Angebote mehr sicherstellen können, die zur individuellen Förderung notwendig sind – und, dass Lehrer nicht ständig zu Reisekadern gemacht werden. Was auch wiederum zulasten der Gesundheit geht. Sie müssen hier schon einmal Farbe bekennen. Wie gerecht ist das denn, dass Kinder in kleinen Grund- und Regelschulen in einer Klasse mit 15 oder nur 12 anderen Kindern zusammen lernen können, während Kinder aus Erfurt, aus meiner Heimatstadt Jena oder anderen Städten in Klassen sitzen, wo 27 bis 30 Kinder heutzutage ganz normal sind?

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Also doch Schulen schließen!)

Sie können sicherlich auch Auskunft darüber geben, welche Konsequenzen die CDU-Landesregierungen aus seit Ende der 90er-Jahre bekannten Reformbedarfen im Bereich „Schule“ gezogen haben? Der eigentliche Skandal ist, dass Sie sich hier hinstellen und vom Chaos fabulieren, aber die allermeisten Baustellen, die Schulen wirklich täglich beschäftigen, nämlich das, was zur Unterrichtsabsicherung notwendig ist, das geht auf Ihr Versagen zurück! Aber wir werden diese Herausforderung als rot-rot-grüne Landesregierung lösen und uns vom

CDU-Gezänk nicht von unserem Weg abbringen lassen.

Weiterhin: Hat die CDU in ihrer Verantwortung für den Bereich Bildung und zuletzt Finanzen Vorschläge zur Weiterentwicklung des längst veralteten Sockelfaktoren-Modells nach THVPS vorgelegt, das die eigentliche Problematik der fehlenden Ausstattung mit Lehrkräften an den Schulen beinhaltet? Haben Sie das vorgelegt? Nein, haben Sie nicht. Warum ist das notwendig? Einerseits, da es der Landesrechnungshof schon lange angemahnt hat – wir haben uns das jetzt als Haushalts- und Finanzausschuss dauerhaft auf die Tagesordnung gesetzt –, andererseits, da dieses ein Personalsteuerungsinstrument aus Zeiten des Personalüberhangs ist, welches zwangsläufig in Zeiten des beginnenden Personalmangels völlig ungeeignet ist. Hat die CDU heute Vorschläge, wie die Schulen mit einem Personalabbaupfad der CDU im Bereich Schule umgehen sollen? Gar nichts.

Man kann nur immer wiederholen: Das laute Wehklagen der CDU über zeitweisen schulspezifischen Fachlehrermangel korrespondiert natürlich überhaupt nicht mit dem Beschluss der Regierung Lieberknecht, noch weitere 2.000 Lehrerstellen abzubauen. Hat die CDU in den Haushaltsdebatten hier 2015 und auch für den jetzigen Doppelhaushalt auch nur einen Vorschlag, einen Antrag dazu eingebracht, Kollege Emde? Null. Völliger Ausfall. Sieht so die staatspolitische Verantwortung der CDU für den Zukunftsbereich Bildung oder gar das Land Thüringen aus?

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich kommt die größte Überraschung aber in Punkt 2 Ihrer Forderungen. Sie wollen kein inklusives Schulgesetz. Herr Mohring und Herr Tischner, Sie können vor dem Hintergrund Ihres christlichen Menschenbildes natürlich erklären, warum Sie es für notwendig halten, dass Kinder – um einmal Gerhard Schöne zu zitieren –, „die nicht stark, nicht schnell sind, Kinder, die nicht ganz so hell sind“, warum diese Kinder dauerhaft in Schulen unterrichtet werden sollen, in denen nur 10 bis 30 Prozent der Schulabgänger überhaupt einen regulären Schulabschluss haben und so ein Leben lang stigmatisiert werden. Das können Sie sicherlich mit Ihrem christlichen Menschenbild erklären.

Können Sie erklären, warum Sie den Entwicklungsplan Inklusion als Regierungsfraktion in der letzten Legislatur mitgetragen haben, bei dessen Umsetzung Sie uns heute aber nahezu wortgleich mit den Rechtspopulisten der AfD eine bildungspolitische Kampfansage entgegenschleudern?

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das ist so ein Schwachsinn!)

Wenn das für die CDU eine gute Gesellschaft ist…

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Herr Wolf, es ist schön, dass Sie Schulen abschaffen wol- len!)

Ich versuche einmal, eine Erklärung zu liefern. Es kommt Ihnen gar nicht auf die Unterstützung der Schwachen an, so wie es gute Christenpflicht wäre.

Einen kleinen Augenblick, bitte. Herr Kollege Wolf, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Ich halte es da wie Kollege Mohring. Sie haben heute noch Rederecht.

Herr Tischner, der Wunsch nach einer Frage ist leider abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aber er wollte doch was wissen!)

Die Erklärung, die ich Ihnen dazu liefere, ist: Sie wollen Ihr gegliedertes Schulsystem mit manifester Trennung von vermeintlich Starken, die häufig nur das Glück hatten, in sozial starke Familien hineingeboren worden zu sein, und vermeintlich Schwachen, die dieses Glück eben nicht hatten, unbedingt aufrechterhalten. Bildungspolitik einer Landesregierung unter Linken, Sozialdemokraten, Grünen sieht aber genau das vor: Individuelle Förderung aller, keiner darf ohne Abschluss abgehen, Schulentwicklung unter Einbeziehung des Sozialraums Schule und aufgabengerechte Personalausstattung. Das ist der Anspruch der rot-rot-grünen Landesregierung. Daran lässt sich Frau Bildungsministerin sicherlich gern messen.

Viele der nachfolgenden Punkte beschäftigen sich im Wesentlichen mit der Novellierung des Besoldungsgesetzes. Erinnern wir uns zurück: Im Jahre 2008, das letzte Jahr der CDU-Alleinregierung, wurde das Besoldungsgesetz in der Art geändert, dass wir heute vor schier unlösbaren Aufgaben stehen. Ich sage es hier ganz klar: Die CDU ist dafür verantwortlich, dass in Thüringen die Lehrer im unteren Drittel bezahlt werden, dass uns im Bereich der Absicherung der Lehrerbildung zweite Phase die notwendigen Ämter fehlen und dass wir keine Beförderung oder kaum – zumindest keine ausreichende Beförderung in den letzten acht Jahren zu den Schulleiteraufgaben mehr vorgenommen haben. Denn wer hier bis 2014 die Gesamtverantwortung in der Landesregierung und das federführende Finanzministerium innehatte, ist ja wohl auch klar: Das war die CDU.

Die Gewerkschaften und Verbände und die damals noch in der Opposition und heute in Regierungsverantwortung befindlichen Fraktionen haben dies immer wieder kritisiert, aber gute Bildung stand für die CDU unter Althaus, Lieberknecht, Voss immer unter Finanzierungsvorbehalt. Es wurden Fehler gemacht, die uns heute die größten Probleme bereiten. Um nur einmal den größten CDU-Bock zu benennen: die Teilzeitverbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern. Dies brachte nach dem entsprechenden Urteil einen Personalüberhang, welcher erst heute abgearbeitet werden kann,

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aha, aha – genau!)

wir also heute kaum noch Überhänge an den Schulen haben. Dies hat dazu geführt, dass wir heute bundesweit die ältesten Lehrerinnen und Lehrer haben. Das wiederum führt zu Krankenständen, die deutlich über dem Bundesschnitt sind, zu verhinderten pädagogischen Entwicklungssprüngen in der Schulentwicklung und damit zu dem Bildungschaos á la CDU, wie die drei Affen: nichts hören, nichts sehen, aber am lautesten schreien. Dies alles wurde durch die damals von meiner Fraktion heftig kritisierte Fehlentscheidung der Lehrerverbeamtung erzeugt. So wie heute ist eine Lehrerverbeamtung kein irgendwie geartetes Mittel zur Lösung von bildungs- oder personalpolitischen Problemen, vielleicht von finanzpolitischen Problemen, das wird man sehen. Im Übrigen kann sich heute noch nicht einmal jemand auf die jungen Pädagoginnen und Pädagogen selbst berufen, denn wie eine Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Jahr 2014 unter den Referendaren gezeigt hat, wünscht sich gerade mal knapp die Hälfte der im Vorbereitungsdienst Befindlichen eine Verbeamtung.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Manipu- liert oder was?)

Hören Sie doch einfach mal zu, Herr Tischner, es wird Ihnen nicht schaden!

Auch hier wird die Landesregierung in Abstimmung mit den Fraktionen einen Weg finden, die dringend benötigten Fachlehrer dauerhaft an Thüringen binden zu können, was ohne Zweifel über eine Verbeamtung besser gelingt, der gleichzeitig die notwendigen Änderungen eines aufgabengerechten Besoldungsgesetzes für gute Bildung realisiert.

Wer aber jenseits von Statusfragen wissen will, wie die Zukunft in den Schulen aussehen wird, muss mal in andere Bundesländer sehen. Nehmen wir zum Beispiel Sachsen. Dort haben wir in einzelnen Schularten, wie der dortigen Oberschule, heute schon 60 Prozent Seiteneinsteiger. In anderen Bundesländern werden andere Regelungen zu Vorbereitungsdiensten für Seiteneinsteiger sowie Nachqualifizierungsprogramme angeboten. Wir tun gut

daran, den Koalitionsvertrag umzusetzen und echte Entwicklungschancen für dringend notwendige Seiteneinsteiger anzugehen und die Schulen in ihrer Eigenverantwortung bei der Personalauswahl zu stärken.