Protocol of the Session on October 1, 2019

Es gibt nur noch eine Regierungsoption für die CDU nach dieser Wahl, und die sitzt sehr weit rechts, denn allen anderen haben Sie hier gerade richtig ins Gesicht gespuckt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren …

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Da haben Sie nicht zugehört, Frau Kollegin!)

Ich habe sehr gut zugehört, genau das ist der Punkt. Mit wem wollen Sie denn regieren? Mit wem wollen Sie denn regieren, wenn Sie alle anderen hier so behandeln? Ich lasse es nicht zu, dass Sie hier Rot-Rot-Grün auseinanderdividieren. Ich lasse mich auch nicht von den Kolleginnen und Kollegen der Linken hier auseinanderdividieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben das gemeinsam beschlossen und wir tragen diese Enquetekommission und ihre Handlungsempfehlungen gemeinsam.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nationale Front!)

Und wenn Sie die Kolleginnen und Kollegen der Linken beleidigen, beleidigen Sie die Koalitionspart

ner mit. Das haben Sie anscheinend irgendwie falsch einkalkuliert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur AfD ist eigentlich nur eines zu sagen. Matthias Quent hat ein sehr schlaues Buch geschrieben. In diesem schlauen Buch steht ein Satz und der heißt: Die AfD ist nicht das Opfer, die AfD ist der Aggressor.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sollten wir uns immer, wenn die AfD hier nach vorn geht, auf die Fahnen schreiben, denn Sie sind keine Opfer, Sie verharmlosen sich selbst und Sie wollen sozusagen hier dafür sorgen, dass andere Verhältnisse herrschen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das werden wir zu verhindern wissen.

(Unruhe AfD)

Nun komme ich zum eigentlichen Inhalt. Zunächst möchte ich erst mal meiner Zufriedenheit darüber Ausdruck verleihen, dass es der Enquetekommission trotz des eng gestrickten Zeitplans gelungen ist, einen Abschlussbericht mit Handlungsempfehlungen vorzulegen. Die Empfehlungen bieten aus unserer Sicht eine sehr gute Grundlage, auf der in der kommenden Legislaturperiode wirksame und zielgerichtete Maßnahmenpakete zur Zurückdrängung von Rassismus und Diskriminierung entwickelt und umgesetzt werden können.

Laut § 84 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung soll eine Enquetekommission Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte vorbereiten. Der konkrete Arbeitsauftrag dieser Kommission war es, vor dem Hintergrund der rassistischen Mordserie des NSU Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierung zu untersuchen und auf der Grundlage dieser Analyse Handlungsempfehlungen zur Zurückdrängung rassistischer und diskriminierender Einstellungen in Thüringen zu erarbeiten. Unter dem Gliederungspunkt D des vorliegenden Abschlussberichts finden Sie nun zu den unterschiedlichen Themenfeldern insgesamt 50 Handlungsempfehlungen. In die Zufriedenheit dieser Ergebnisse mischt sich aber natürlich ein Wermutstropfen, den auch die Kolleginnen hier schon angesprochen haben, denn Enquetekommissionen sind üblicherweise darauf angelegt, möglichst viele Empfehlungen mit einem möglichst breiten Konsens zu beschließen. Ich bedauere sehr, dass das in dieser Kommission leider nicht gelungen ist, denn die Handlungsempfehlungen konnten nur mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und

der von ihnen benannten Sachverständigen beschlossen werden, während sich die von der CDU benannten Sachverständigen überwiegend enthielten und die Abgeordneten der CDU und der AfD die Empfehlungen gänzlich ablehnten. Die Erklärung für dieses Abstimmungsverhalten dürfte in der Tatsache begründet liegen, dass sich die Mitglieder der Kommission nicht auf eine gemeinsame Arbeitsgrundlage einigen konnten.

Bereits zu Beginn der Kommissionsarbeit scheiterte die Verständigung zu den Begriffsbestimmungen von Rassismus und Diskriminierung. Der fehlende Konsens in dieser Frage hat die Kommissionsarbeit über die gesamte Dauer belastet und letztendlich auch die Erarbeitung gemeinsamer Handlungsempfehlungen verhindert. Der nicht auflösbare Konflikt zwischen den Kommissionsmehrheiten und der CDU dreht sich darum, inwieweit strukturelle Faktoren bei der Analyse von Ursachen und Erscheinungsformen von Rassismus und Diskriminierung in die Kommissionsarbeit mit einbezogen werden sollten.

Im Gegensatz zur Kommissionsmehrheit lehnte es die CDU ab, strukturelle Bedingungsfaktoren mit in den Blick zu nehmen, und verfolgte stattdessen einen engeren Erklärungsansatz. Nach diesem Ansatz sind die Ursachen von Rassismus und Diskriminierung ausschließlich in den illegitimen Einstellungsmustern einzelner Personen zu suchen.

Rassistische und diskriminierende Verhaltensweisen bleiben damit aber auch immer nur als ein individuelles Fehlverhalten erklärbar. Als Teil der Kommissionsmehrheit wollten und konnten wir eine solche Engführung in der Arbeitsdefinition nicht mittragen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine umfassende Situationsanalyse hielten wir es für unabdingbar, alle diskriminierenden Bedingungsfaktoren einfließen zu lassen, und dazu müssen dann auch die in Institutionen wirksamen strukturellen Mechanismen in den Blick genommen werden. Als Beispiel dafür kann auf den NSU-Komplex verwiesen werden. In diversen NSU-Untersuchungsausschüssen wurde bereits mehrfach thematisiert, dass für das Versagen der Sicherheitsbehörden neben dem individuellen Fehlverhalten einzelner Beamter auch strukturelle Bedingungsfaktoren mit ursächlich waren. Der institutionelle Rassismus in diesem Fall zeigt sich darin, dass die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden durch tief in den Behörden verankerte Vorurteilsstrukturen geprägt war. Diese führten im Ergebnis zu den bekannten fehlerhaften Ermittlungshandlungen, durch

die die rassistische Motivation der Mörder nicht erkannt und die Opferangehörigen zu Unrecht verdächtigt wurden.

An diesem Beispiel kann gezeigt werden, dass es auch dann zu einem institutionellen Fehlverhalten mit rassistischen Auswirkungen kommen kann, ohne dass dazu auf der individuellen Ebene bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

(Beifall DIE LINKE)

rassistische Einstellungen oder bewusste rassistische Handlungsmotivationen vorliegen müssen. Das, was wir da formuliert haben, ist übrigens das ganze Gegenteil von einem Generalverdacht,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

sondern wir sagen ganz konkret: Teilweise hat der Einzelne vielleicht selbst gar keine rassistischen Einstellungen, aber die Art und Weise, wie bestimmte Institutionen funktionieren, führt am Ende zu rassistischer Diskriminierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ich allerdings ausdrücklich zurückweisen muss, ist die Verknüpfung der Ablehnung des Erklärungsansatzes mit Vorwürfen gegen die Kommissionsmehrheit durch die CDU. Wie im Sondervotum erneut nachzulesen ist, wird hier wieder die Behauptung aufgestellt, die Kommissionsmehrheit würde Polizistinnen/Polizisten, Richterinnen/Richter und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes unter den Generalverdacht stellen. Und wie ich am Beispiel des NSU gezeigt habe, schreiben wir das mit dem gewählten Erklärungsansatz einzelnen Behörden und Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern gerade nicht automatisch zu.

Die Engführung in der Arbeitsdefinition der CDU auf das individuelle Fehlverhalten als Ursache von Rassismus und Diskriminierung blendet aber, wie gerade beschrieben, nicht nur bestimmte Bedingungsfaktoren aus, sie führt in der Analyse auch zu einem weiteren gravierenden Nachteil. Staatliche Akteure werden in die Betrachtung überhaupt nicht einbezogen, da laut Definition Behördenmitarbeiterinnen/-mitarbeiter ja nur als Individuum diskriminierend agieren können. Dies führt dann, wie das Sondervotum der CDU zeigt, dazu, dass überhaupt keine Maßnahmen an staatliche Akteure adressiert werden. In den Anhörungen der Enquete wurden nun aber, was wenig überrascht, zahlreiche Darlegungen über Diskriminierungserfahrungen mit staatlichen Behörden vorgelegt.

Mike Mohring, ich finde es eine Unverschämtheit gegenüber Opfern und Betroffenen, die sich auch vor der Enquetekommission zu ihren rassistischen

Erfahrungen geäußert haben, sich hier hinzustellen und zu behaupten, das wäre alles gar nicht so und die würden nur so ein bisschen „Mimimi“ machen und die wären einfach nur nicht gut und nett behandelt worden. Das ist eine absolute Frechheit

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und ich finde, eigentlich sollten wir aus dem NSUKomplex mehr gelernt haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDU klammert also das institutionelle Handeln staatlicher Akteure komplett aus. Deswegen bleibt auch die Perspektive der Betroffenen hier einfach unberücksichtigt. Aus unserer Sicht ist es aber wichtig, bei politischen Entscheidungen immer auch die Betroffenenperspektive mit einzubeziehen und wir haben das in der Kommission auch immer versucht, wo wir konnten. Wir haben deshalb aus den in den Anhörungen dargelegten Problemlagen Betroffener auch Rückschlüsse gezogen und zu allen in der Enquetekommission behandelten Themenfeldern Handlungsempfehlungen formuliert.

Im Interesse der von Rassismus und Diskriminierung betroffenen Menschen in diesem Land konnten wir uns als Bündnisgrüne und als Teil der Kommissionsmehrheit nicht auf die Engführung der CDU einlassen. Damit will ich es mit der Erläuterung, warum es in der Kommission nicht gemeinsam mit der CDU zu Handlungsempfehlungen gekommen ist, auch bewenden lassen.

Die positiven Aspekte der Kommissionsarbeit sind natürlich überdeutlich, denn schließlich ist es uns gelungen, in vielen Themenbereichen Empfehlungen vorzulegen, die dazu geeignet sind, Rassismus und Diskriminierung in Thüringen wirksam zurückzudrängen und die Situation der Betroffenen zu verbessern.

Auf einige Empfehlungen aus dem Katalog möchte ich im Folgenden etwas genauer eingehen. Einmal sind in der Beratung der Kommission unterschiedliche Themenfelder aufgegriffen worden. Was immer ein Thema war, ist, wie wichtig gut ausgestattete Beratungs- und Anlaufstellen für von Rassismus und Diskriminierung betroffene Personen sind. Wir begrüßen es deshalb, dass es hierzu bereits in der Legislatur zu einigen Verbesserungen gekommen ist. Beispielsweise kann durch das kürzlich novellierte Schulgesetz eine zentrale und unabhängige Ombudsstelle eingerichtet werden. 2016 hat eine bei der Thüringer Staatskanzlei angesiedelte Landesantidiskriminierungsstelle ihre Arbeit aufgenom

men. 2017 hat sich mit dem Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk „thadine“ ein zivilgesellschaftlicher Akteur unter anderem mit dem Ziel der Unterstützung von Betroffenen gegründet und im Dezember 2017 wurde im Innenministerium eine Polizeivertrauensstelle eingerichtet.

An dem Beispiel der Polizeivertrauensstelle lässt sich aber auch verdeutlichen, wie notwendig es ist, bestehende Strukturen stetig fortzuentwickeln. Ich habe bereits in meinem Redebeitrag zum Zwischenbericht im März darauf hingewiesen, dass wir als Bündnisgrüne die Vertrauensstelle zu einer echten Polizeibeschwerdestelle weiterentwickeln wollen. Zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit soll die derzeitige Vertrauensstelle aus dem Innenministerium ausgegliedert werden und die Stelle auch für die Beschwerden und Anliegen von Polizistinnen zugänglich gemacht werden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: So ein Quatsch!)

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Der Experte spricht!)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: So viel Ah- nung habe ich!)

Ich bin dankbar dafür, dass diese Empfehlung nun auch in dem Sondervotum einiger Sachverständiger in den Abschlussbericht aufgenommen wurde. Weitere wichtige Handlungsempfehlungen aus dem Bereich der Beratungsstrukturen zielen auf eine Weiterentwicklung der Landesantidiskriminierungsstelle und die Etablierung einer unabhängigen Beratungs- und Beschwerdestruktur, über die dann eine flächendeckende Antidiskriminierungsarbeit entwickelt werden kann.

Weiterhin wurde in den Anhörungen in allen Themenfeldern auf die vielfach schlechte Datenlage von Diskriminierungsrealitäten hingewiesen. Deshalb finden sich auch in allen Themenfeldern Handlungsempfehlungen zur Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten oder zur Erstellung von Studien zu Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen. Nein, es ist keine Ausspähung der Thüringerinnen und Thüringer, sondern es ist ganz normale wissenschaftliche Arbeit. Dazu braucht man nämlich Daten, um tatsächlich hinterher auch die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiterer Bereich zur Verbesserung der Situation der Betroffenen bezieht sich auf die Gesetzgebung. Auch dazu finden sich in vielen Themenfeldern Handlungsempfehlungen. Sehr wichtig ist uns auch eine Überprüfung gesetzlicher Bestimmungen zur Über

prüfung von polizeilichen Personenkontrollen – das ist hier auch schon angesprochen worden – und die Aufnahme eines Verbots von Racial Profiling in das Thüringer Polizeiaufgabengesetz.

Für meine Fraktion möchte ich mich zum Abschluss noch einmal recht herzlich für die engagierte Mitarbeit der Sachverständigen in der Enquetekommission bedanken,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)