Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Vertreter der Landesregierung und unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Zuschauer und Zuhörer am Livestream und die Vertreter der Medien.
Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Mühlbauer neben mir Platz genommen, die Redeliste führt Frau Abgeordnete Herold.
Folgende Hinweise zur Tagesordnung: Wir sind gestern bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, die Regierungserklärung gemeinsam mit den Tagesordnungspunkten 12 a und b aufzurufen. Ich erinnere zudem daran, dass die Tagesordnungspunkte 20 und 21 gemeinsam nach der Fragestunde aufgerufen werden. Diesem Aufruf folgt dann der Tagesordnungspunkt 24. Außerdem möchte ich noch erinnern, dass wir uns im Vorfeld verständigt haben, die Tagung spätestens 17.00 Uhr zu beenden.
Entgegen der bisherigen Ankündigung der Landesregierung hat sie jetzt mitgeteilt, dass sie zu Tagesordnungspunkt 15 keinen Sofortbericht abgeben wird.
Regierungserklärung der Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz zum Thema „Klimaschutz, Klimaanpassung und Energiewende ‚Von Paris nach Thüringen: Klimaschutzpolitik der Thüringer Landesregierung‘“
a) Integriertes Maßnahmenprogramm zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Freistaat Thüringen – IMPAKT II der Landesregierung gemäß § 11 Abs. 2 des Thüringer Klimagesetzes
hier: Stellungnahme durch den Landtag Antrag der Landesregierung - Drucksache 6/7143 - dazu: Beschlussempfehlung des
b) Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung gemäß § 6 Abs. 3 des Thüringer Klimagesetzes hier: Beratung und Stellungnahme durch den Landtag Antrag der Landesregierung - Drucksache 6/7266 - dazu: Beschlussempfehlung des
Als Erste hat Frau Abgeordnete Skibbe für den Bericht aus dem Ausschuss das Wort. Frau Skibbe, ich bitte Sie um Ihre Berichterstattung.
Guten Morgen, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Entwurf des Integrierten Maßnahmenprogramms zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Freistaat Thüringen – kurz IMPAKT II – wurde von der Landesregierung am 30. April 2019 in den Landtag eingebracht. Nach der ersten Befassung in der 147. Plenarsitzung am 10. Mai 2019 wurde er an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz zur weiteren Stellungnahme überwiesen. Der Ausschuss beschloss während seiner 59. Beratung am 5. Juni 2019, eine schriftliche Anhörung durchzuführen. In einer weiteren Sitzung, nämlich der 60. Sitzung am 14. Juni 2019, einigte sich der Ausschuss darauf, den Kreis der Anzuhörenden zu erweitern sowie die Anhörungsfrist auf Antrag mehrerer Anzuhörender von ursprünglich etwa zwei Wochen auf acht Wochen zu verlängern. Als Fristende wurde somit der 15. August 2019 festgelegt.
Die Vorlage 6/5728 der Landtagsverwaltung vom 19. Juni 2019 enthält eine Bewertung zur Finanzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Programms IMPAKT II. Mit Datum vom 2. September 2019 brachten die Mitglieder der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Vorlage 6/5912 einen Vorschlag für eine Stellungnahme des Landtags zu IMPAKT II ein, der mehrheitlich angenommen wurde. Abgelehnt wurde die Vorlage 6/5920, die eine Stellungnahme der Fraktion der CDU enthielt.
Am 11. September 2019 wurde die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Naturschutz in Drucksache 6/7644 in den Landtag eingebracht. Empfohlen wird darin die Unterstützung von IMPAKT II durch den Landtag. Darüber hinaus wird die Bitte ausgedrückt, dass im Zuge der Fortschreibung des Programms in der kommenden Legislaturperiode mehrere Aspekte besondere Berücksichtigung finden mögen. Beispielsweise geht es darum, die vielen Hinweise aus der schriftlichen Anhörung daraufhin zu prüfen, inwieweit sie in die Fortschreibung des IMPAKT II einfließen können. Außerdem empfiehlt der Landtag, den Maßnahmen mit dem größten Anpassungseffekt hinsichtlich der eingesetzten Finanzmittel die höchste Priorität einzuräumen.
Ich fahre fort mit der Berichterstattung zur Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung gemäß § 6 Abs. 3 des Thüringer Klimagesetzes. Die Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung gemäß § 6 Abs. 3 des Thüringer Klimagesetzes brachte die Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz Anja Siegesmund während der 151. Plenarsitzung am 14. Juni 2019 in den Landtag ein. Dieser Antrag wurde an den Ausschuss für Umwelt, Energie und Naturschutz überwiesen. Die entsprechende Beratung fand in der 60. Sitzung des Ausschusses statt, in der eine schriftliche Anhörung beschlossen wurde. Hierzu wurden die vorgeschlagenen Anzuhörenden aller Fraktionen vollständig berücksichtigt. Die Anhörungsfrist wurde auch hier bis zum 15. August 2019 eingeräumt. In der 61. Ausschussberatung am 26. Juni 2019 wurde die Berichterstatterin festgelegt. Im Rahmen des schriftlichen Anhörungsverfahrens seitens der Anzuhörenden wurde eine Vielzahl von Anmerkungen zum Entwurf insgesamt sowie auch zu einzelnen Maßnahmen vorgebracht. Diese enthalten wichtige Hinweise für die Ausgestaltung und Umsetzung von Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgaskonzentration. Deshalb sollten diese Hinweise angemessen gewürdigt werden.
In seiner 63. Sitzung am 4. September 2019 wurde die Beschlussempfehlung der Koalitionsfraktionen in Drucksache 6/7645, die von der Landesregierung erarbeitete Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie zu unterstützen, vom Ausschuss mehrheitlich angenommen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste auf der Tribüne! Was wir heute Morgen beraten, ist ein ganzes Klimapaket – das hat mein vorfristiges Hier-Ankommen auch noch mal gezeigt. Es geht nicht nur um die Regierungserklärung „Klima und Energie“, es geht eben auch um IMPAKT und unser Klimaschutzpaket insgesamt.
Worüber wollen wir heute Morgen reden? Lassen Sie uns eine Woche zurückblicken, da waren 1,4 Millionen Menschen auf der Straße und sind für eine engagierte und mutige Klimapolitik aufgetreten. Auch hier in Thüringen demonstrierten Tausende Menschen und es war ein kraftvolles und deutliches Signal im Rahmen der „Fridays for Future“Demonstrationen, von Australien, über Europa bis in die USA.
Deutlicher kann man nicht machen, dass wir nicht nur mitten in der Klimakrise sind, sondern dass es darum gehen muss, die Ziele von Paris, die vor drei Jahren beschlossen wurden, auch umzusetzen. So wie in der Bundesrepublik, in Europa sind wir natürlich auch in Thüringen verpflichtet, genau das zu tun. Am selben Tag tagte das Klimakabinett des Bundes und das, was da beschlossen wurde, kann sich eben nicht an Paris messen lassen. Deswegen ist wichtig, darüber zu reden, was daraus folgt.
Lassen Sie uns die Ausgangslage kurz beschreiben: Wir leben in einer Zeit, in der ständige Temperaturrekorde zur Normalität geworden sind. Der Juli 2019 war der weltweit heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 140 Jahren. Diese Entwicklungen machen natürlich auch vor Thüringen nicht halt. Wir alle haben noch den Hitze- und
Dürresommer 2018 vor Augen; 2019 begann das Jahr mit unerwartet vielen Waldbränden. Wir haben ausgetrocknete Böden, wir haben sinkende Grundwasserspiegel, sinkende Flusspegel. Das ist der Sommer 2019, meine sehr geehrten Damen und Herren. Teile unserer Wälder sterben, ganze Landstriche in Thüringen sahen schon vor Sommerbeginn aus wie eigentlich im Herbst: verbrannte Wiesen. Wir haben sehr viele Trockenstresssituationen überall draußen in unserer Landschaft, die wir auch optisch wahrnehmen können. Dabei geht es aber eben nicht nur um das landschaftliche Empfinden, sondern auch um die Frage von Produktionsgrundlagen, zum Beispiel für Bäuerinnen und Bauern, für Forstleute und Unternehmer. Es geht natürlich auch um unsere natürlichen Lebensgrundlagen in Thüringen.
Das zeigt, dass die Folgen der Klimakrise eben nicht nur ferne Länder treffen, sondern sie sind bereits hier in Thüringen spürbar. Sie sind spürbar, wenn ich in Ostthüringen unterwegs bin und in sogenannten Brunnendörfern darum gebeten wird, schließt uns an eine mögliche Wasserversorgung an; bislang haben wir das mit unseren Brunnen allein stemmen können, jetzt ist das nicht mehr möglich. Das ist spürbar, wenn man bei großen Obstbauern unterwegs ist und sie sagen, schließt uns an die Fernwasserversorgung an, sonst können wir unsere Produktion nicht aufrechterhalten. Das ist spürbar, wenn Sie sich mit den Förstern unterhalten und sie sagen, wir brauchen nachhaltigen Waldumbau, wir müssen umsteuern, unterstützt uns dabei. Das sind drei Punkte, wo sehr konkret wird, dass wir vor großen Herausforderungen stehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, spürbar sind die Sommer- und Hitzetage auch für Ältere und für Kinder. Es ist deswegen auch kein Wunder, dass sich weltweit immer mehr Menschen für mehr Klimaschutz engagieren. Es ist jetzt an uns und entscheidend, in den nächsten Jahren nicht nur zu reden und die große gesellschaftliche Debatte darum zu führen, dass es auf die nächsten zehn Jahre ankommt, sondern entschieden und entschlossen zu handeln.
Die größte soziale Jugendbewegung, die es derzeit weltweit gibt und die es dafür braucht, wird auch heute wieder demonstrieren und uns zeigen, dass wir, die wir Verantwortung tragen, diese an den Stellen auch ausfüllen sollten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war erst gestern wieder bei einer Veranstaltung, wo wir miteinander darüber geredet haben, gibt es den
menschengemachten Klimawandel, ja oder nein. Das, was eigentlich 99,7 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen, das, was der IPCC
uns ganz deutlich macht, das, was eigentlich jeder, der in diesem Bereich faktenbasiert argumentiert, weiß, ist: Die derzeitige Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist so hoch wie letztmals vor 3 Millionen Jahren und die damit einhergehende Erwärmung – global in diesem Ausmaß –, die wir jetzt schon bei über 1 Grad global in den Ozeanen und an Land haben, hat es so in dieser Form nicht gegeben. Deswegen reden wir auch ganz eindeutig davon, dass es nicht nur einen Klimawandel, sondern eine Klimakrise gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die vielfältigen Auswirkungen werden immer offensichtlicher. Das polare Eis schmilzt, Gletscher verschwinden – Mitte August trauerte man auf Island und weltweit um den ersten isländischen Gletscher, der Opfer der menschengemachten Klimakrise wurde –, der Meeresspiegel steigt, Korallenriffe sterben, Extremwetterereignisse nehmen zu und Klimazonen verschieben sich. Wir laufen Gefahr, bei einem einfachen „Weiter so!“ sogenannte Kipppunkte zu erreichen, was unumkehrbare Prozesse eintreten lassen würde, die die Erwärmung noch weiter verstärken, indem zum Beispiel Permafrostböden auftauen, was gewaltige Mengen an CO2 freisetzen würde.
Alles hängt mit allem zusammen und deswegen ist die Frage: Was heißt das eigentlich für uns hier in Thüringen? Es heißt zunächst einmal, dass die Daten auch in Thüringen eine eindeutige Sprache sprechen. Gegenüber dem Datenzeitraum 1961 bis 1990 hat sich auch die Temperatur in Thüringen erhöht, und zwar um mehr als 1 Grad, seit 1881 im Schnitt um 1,4 Grad. Das heißt, die Klimakrise betrifft uns genauso, wie das in anderen Regionen der Fall ist, nur haben wir hier nicht die Situation, dass es wie in anderen Regionen der Welt tatsächlich schon dazu kommt, dass bestimmte Gebiete unbewohnbar werden. Das Jahr 2018 hat aber auch bei uns absolut neue Maßstäbe gesetzt, mancherorts, so in Jena, gab es über 100 Sommertage, wir hatten sogenannte heiße Tage in einer Anzahl, wie es sie noch nie gegeben hat, damit einhergehend Kreislauferkrankungen von Menschen, gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was heute noch Extremwerte sind, wird, wenn wir keine Lösungen finden, in Zukunft Alltag sein. Das stellt uns
vor viele Fragen: Was können wir tun, um das zu verändern? Wie müssen wir unsere Art zu leben und zu wirtschaften ändern? Was muss die Politik, was kann jeder Einzelne tun? Diese Fragen treiben viele um und auf diese Fragen wollen wir auf vielen Ebenen Antworten geben, als Weltgemeinschaft genauso wie natürlich in Thüringen.
Ich denke ziemlich oft an die Worte der Chefin des Klimasekretariats der Vereinten Nationen Patricia Espinosa, die auf einer Veranstaltung der BauhausUniversität in Weimar im Januar sprach und sagte: „Bedenken Sie, dass es immer [beim Thema Klimakrise] um Menschen geht, die unter den Auswirkungen der Klimaveränderung leiden, seien es Dürren, Brände oder Überschwemmungen.“ Es geht immer um Menschen. Ja, es geht um Menschen, die nach verheerenden Dürren, wie im Jemen, ihre Heimat verlassen und flüchten müssen. Es geht um Menschen, die nach Hurrikanen flüchten müssen, oder solche, die plötzlich aus sozialen Gemeinschaften gerissen werden, weil ihr Ort, ihre Heimat, ihr Zuhause nicht mehr existiert. Schon jetzt ist klar, dass die Klimakrise künftig noch stärker eine Fluchtursache sein wird, und auch deswegen stehen wir in der Verantwortung, die Augen sehr klar zu öffnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht darum, dass die öffentliche Debatte, die oft da beginnt, dass die gemeinsame Erkenntnis, dass wir es in der Hand haben und dass wir in einer Sondersituation sind, noch nicht Konsens ist. Ich finde, dass es Zeit ist, immer mehr ganz klar darüber zu reden, dass es gerade im Sinne der Jugendlichen, im Sinne kommender Generationen einen Generationenvertrag braucht, der ausgehandelt gehört. Wir brauchen eine enkeltaugliche und eine lebenswerte Zukunft. Deswegen sind wir verpflichtet, mehr für Klimaschutz zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Lassen Sie uns zum Rahmen und zur Notwendigkeit für das Thüringer Handeln einfach noch mal den Blick nach Paris werfen und den Blick darauf schärfen, was da 2015 beschlossen wurde. Die Staatengemeinschaft hat sich auf weitreichende Ziele zum Klimaschutz und zur Emissionsminderung verständigt. Das war ein wirklich historisches Ereignis. Die Erderwärmung sollte im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter 2 Grad – möglichst auf 1,5 Grad – begrenzt werden und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Treibhausgasneutralität erreicht werden. Klar ist: Das Übereinkommen von Paris hat der Diskussion auf europäischer und nationaler Ebene viel Schwung gebracht, allerdings ist dieser dann auch relativ
schnell wieder verebbt, wenn man sich das konkrete Handeln ansieht. Die Bundesrepublik wird die Klimaziele bis 2020 krachend verfehlen. 40 Prozent CO2-Einsparung war das Ziel, wir können froh sein, wenn es knapp über 30 Prozent werden. Erst nach wirklich langem und zähem Ringen hat sich Deutschland der Gruppe von EU-Staaten angeschlossen, die für die EU Treibhausgasneutralität bis 2050 fordern. Es braucht also auf Bundesebene wirklich ganz klar Entscheidungen, die über das hinausgehen, was vergangenen Freitag beschlossen wurde, und wir brauchen vor allen Dingen ein Maßnahmenpaket, das ökologisch wirksam, ökonomisch sinnvoll und auch sozial gerecht ist, aber sich eben auch am Paris-Ziel messen lässt. Das ist der entscheidende Maßstab, meine sehr geehrten Damen und Herren.