Protocol of the Session on September 11, 2019

rischen Arbeit auf eine Beseitigung eben dieser hinzuwirken. Glauben Sie mir eines: Wir haben Probleme im Strafvollzug in Thüringen. Das leidliche Thema des Personalnotstands ist hinlänglich bekannt. Einige dieser Probleme wurden Ende der Legislatur angepackt, an anderen Problemen müssen wir in der kommenden Legislatur mit neuem Justizminister intensiv arbeiten.

Ich möchte den Angehörigen des Inhaftierten, der den Suizid begangen hat, mein ausdrückliches Beileid und dem verletzten Justizbediensteten meine Genesungswünsche aussprechen. Und ich möchte allen involvierten Justizvollzugs- und Polizeibeamten für ihren mutigen Einsatz danken. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich zu uns.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist allen bewusst geworden, dass es hier leider nicht um die Sache, sondern um die Skandalisierung geht. Das bedaure ich ausdrücklich, weil es um eine Sache geht, die in der Tat ganz wichtig ist, denn wir brauchen den sicheren Justizvollzug, wir brauchen Beamtinnen und Beamte, die dort tagtäglich diese wichtige Arbeit leisten, und diese brauchen wiederum eine entsprechende Qualifizierung, aber auch Anerkennung. Wir alle wissen, dass diese Menschen tagtäglich gefährliche Situationen erleben.

Was mich aber wirklich ärgert, ist, wenn solch ein Thema missbraucht wird – ich sage es so deutlich –, um Wahlkampf zu machen, und das war heute der Fall.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn hier vorn der Kollege der CDU, der noch nicht ein einziges Mal in den letzten fünf Jahren im Justizausschuss gewesen ist, steht und behauptet, über diese Themen wäre dort nicht berichtet worden, dann ist das schlicht falsch, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Na und?)

Und die Kollegen Scherer und andere wissen wahrscheinlich genau, warum sie heute nicht hier vorn stehen. Denn es wurde zu all diesen Fällen berichtet – sachlich, ruhig, angemessen, genau, im Jus

(Abg. Rudy)

tizausschuss wie auch in der Strafvollzugskommission, und da gehört es hin.

Die justizpolitischen Sprecher aller Fraktionen werden übrigens immer informiert, wenn es zu einem Suizid in einer Justizvollzugsanstalt kommt. Und es ist völlig richtig, damit erst mal nicht an die Öffentlichkeit zu gehen – meine Kollegin Anja Müller hat es gesagt –, sondern zu analysieren und zu schauen, was hinter diesem tragischen Vorfall im Einzelfall steckt. Wir alle wissen, dass dies ein Thema ist, was sich nicht eignet, um Stimmung zu machen, vor allem und schon gar nicht an dieser Stelle und zulasten derer, wie gesagt, die dort beschäftigt sind. Und wenn Sie dann noch hämisch aus der CDU rufen, wir waren damals nicht zuständig in der großen Koalition, sondern es wäre „Poppi“ – gemeint ist Herr Dr. Poppenhäger – gewesen, dann sieht man auch, wie Sie mit Ihren Koalitionspartnern umgehen. Sie haben damals gemeinsam die Regierung getragen, genauso, wie wir gemeinsam diese Regierung jetzt tragen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Empörung!)

Ich will ein paar Zahlen zur Versachlichung in den Raum werfen:

(Unruhe CDU)

2008 war der Thüringer Justizvollzug mit 2.034 Inhaftierten bei einer Belegungskapazität von 2.039 Plätzen zu 99,75 Prozent ausgelastet. 2018 hat sich die Zahl der Inhaftierten auf 1.564 reduziert, bei einer Belegungskapazität von 1.809 Plätzen, was einer Auslastung von 86,4 Prozent entspricht.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist gut!)

Die Straftaten, die in den Thüringer Justizvollzugsanstalten begangen wurden, haben sich seit 2009, da waren es 223 Fälle, bis ins Jahr 2018 im Schnitt um ein Drittel erhöht – wir alle wissen das, wir wissen um die Problematik – und liegen aktuell bei 332 Fällen in allen Thüringer Justizvollzugsanstalten. Und wir wissen, dass die Ursache dafür auch ist, dass die Inhaftierten häufiger und stärker unter Suchterkrankungen, unter Drogenmissbrauch und damit einhergehenden psychischen Erkrankungen leiden. Die Folgen sind unabsehbares eigen- und auch fremdschädigendes Verhalten sowie aufgrund des Suchtdrucks der Wille, diesem nachkommen zu können, sich also in den Besitz berauschender Substanzen zu bringen oder diese selbst herzustellen. Und hier gilt trotz aller Vorkehrungen, um Rauschmittel aus Gefängnissen fernzuhalten, dass

auch Thüringer Gefängnisse nicht zu 100 Prozent rauschmittelfrei sind, das ist schlichtweg eine Tatsache.

Von 2008 bis 2018 waren daher rund 2.800 Drogentests und Drogenschnelltests positiv. Anfang 2018 wurden übrigens die Verträge zwischen den Anstalten und Suchthilfeträgern von Anfang der 90er-Jahre durch Verträge abgelöst, die die Suchthilfe im Justizvollzug quantitativ und inhaltlich gestärkt haben. Die externe Suchthilfe bietet suchtkranken und suchtgefährdeten Gefangenen Beratung, Behandlung, Betreuung und Therapievermittlung, und hier hat – hört, hört! – Rot-Rot-Grün die Mittel seit 2018 im Haushalt von 125.000 auf 264.000 Euro mehr als verdoppelt. Die Substitutionstherapie wurde fortgeschrieben und findet auch ganz zentral für die Thüringer Gefangenen in der JVA Tonna statt. Außerdem hat die Koalition zur Stärkung der Sicherheit im Haushalt 2018/2019 ein umfangreiches Sicherheitspaket für den Justizvollzug auf den Weg gebracht. Dazu gehören unter anderem Sicherheitsbegleitung, zusätzliche Ausrüstung für die Sicherheitsgruppe Strafvollzug, Drogenschnelltests, Fahrzeuge zum Transport der Rauschmittelsuchhunde und auch die Mobilfunkunterdrückung in der JVA Tonna – das war nämlich auch ein Problem, das ist hier angesprochen worden.

Wenn dann hier vorn ausgerechnet diejenigen sprechen, die nie im Justizausschuss waren, wo regelmäßig berichtet wird – übrigens hat der Vorsitzende des Justizausschusses heute, wie wir alle gehört haben, wichtigere Termine als dieses Plenum –, dann muss ich sagen, da läuft in der Opposition aber ganz gehörig was falsch.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Fakt ist, es ist eine schwierige, eine gefährliche Arbeit in den Justizvollzugsanstalten. Dort brauchen wir nur die besten Bediensteten, dafür bilden wir besser aus und dafür brauchen wir die Unterstützung all derer, die da tätig sind, auch übrigens der Polizei, die routinemäßig und völlig zurecht hinzugezogen wird, wenn es zu – nennen wir es –

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

ja – Problemen kommt, wie neulich, als sich sechs Einsitzende offenkundig berauscht haben

und die Polizei dies ganz schnell und unproblematisch beenden konnte. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Lauinger, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte an dieser Stelle zu Beginn wirklich mal deutliche Worte wählen. Wenn ich in der Aktuellen Stunde wortwörtlich lese, dass wir im Ausschuss nicht berichtet hätten, dann fällt mir dafür eigentlich kein anderes Wort ein, man könnte neudeutsch sagen, das sind Fake News. Man könnte aber auch einfach mal glatt und ehrlich und deutsch sagen, das sind Lügen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das sind Dinge, die einfach nicht stimmen. Wenn Sie der Öffentlichkeit vermitteln wollen, dass nicht berichtet wurde, dann ist das schlicht und ergreifend falsch, weil das sowohl in der Strafvollzugskommission als auch im Justizausschuss tatsächlich passiert ist. Und wenn möglicherweise einzelne Abgeordnete von Ihnen nicht mehr im Ausschuss sind, wenn berichtet wird, dann ist das nicht unser Problem, sondern dann sollten sie wirklich bis zum Ende bleiben und an der Stelle auch bis zum Ende zuhören.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben – das ist, glaube ich, an der Stelle auch wieder sehr, sehr wichtig – sehr sachlich informiert. Herr Rudy, keiner hat irgendjemandem etwas ins Gesicht geschüttet – immer bei den Fakten bleiben. Ja, das ist nicht schön, wenn ein Strafgefangener um heißes Wasser bittet, ihm das gebracht wird und er dies anschließend, nachdem ihm diese Tasse überreicht wird, zum Anlass nimmt, es dem Bediensteten vor die Brust zu schütten. Natürlich ist das nicht schön. Aber er wurde weder mit kochendem Wasser übergossen noch wurde ihm irgendwas ins Gesicht geschüttet. Versuchen Sie einfach mal, bei den Fakten zu bleiben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und zu dem zweiten Vorfall: Natürlich ist es gerade unser Prinzip, zu sagen, wenn sich nicht an Regeln gehalten wird und wenn sechs Gefangene, die natürlich alle auch aus einem gewissen Grund im Gefängnis sitzen, sich nicht benehmen können und meinen, ihr Mobiliar beschädigen zu müssen, dann greifen wir wirklich massiv mit Polizei ein und sorgen sehr schnell für Ruhe und Ordnung und verlegen jeden in eine einzelne Haftanstalt und jeder bekommt seine Strafanzeige. Dann ist es bewusst und gewollt so gemacht, dass wir die Beamten nämlich nicht der Gefahr aussetzen, da einzeln reinzugehen, sondern dass die Polizei nach Absprache immer sehr schnell reagiert und kommt – vielen Dank dafür.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann sorgen wir dort sehr schnell für Ruhe und Ordnung. Aber Sie werden es nicht erreichen, dass Sie in einer Haftanstalt, wo wirklich Menschen sitzen, die nicht nur kriminell, sondern zum Großteil auch noch suchtmittelabhängig, drogenabhängig sind, niemals die Situation haben werden, dass es dort zu Auseinandersetzungen kommt. Das wird einfach nicht der Fall sein. An dieser Stelle möchte ich auch mal darauf hinweisen: Es wird in der Überschrift so getan, als sollte irgendwas vertuscht werden. Wenn ich Ihnen jetzt vorlese – das würde allerdings wahrscheinlich zu viel Zeit dauern –, über was wir in dieser Legislatur alles im Justizausschuss berichtet haben und worüber in den vergangenen Legislaturperioden berichtet wurde, da wurde ja nicht mal von Landesregierungsseite über Suizide berichtet, geschweige denn über Randalen oder sonst irgendwas. Nichts wurde berichtet.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das stimmt gar nicht!)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Falsch! Das hat Poppenhäger gemacht!)

Nein, das war nicht nur Poppenhäger. Ich habe hier die Berichte seit 2005. Da habe ich die Situation, dass über einen Suizid in Untermaßfeld nicht berichtet wurde. Es wurde über Ausbruchversuche in den JVAs Gera und Goldlauter 2008 nicht berichtet. Es wurde nicht über die Flucht eines Gefangenen aus Ichtershausen berichtet. Das war alles nicht nur Herr Dr. Poppenhäger, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Das war Ihre Verantwortung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da wurde über ganz gravierende Sachen nicht berichtet, geschweige denn über nicht schöne, sehr schwierige und für die Bediensteten auch nicht zu

(Abg. Rothe-Beinlich)

tolerierende Vorfälle, um das auch mal klarzumachen. Der Versuch, hier darzustellen, wir würden etwas vertuschen wollen, ist geradezu grotesk.

Man muss an dieser Stelle vielleicht auch mal klarmachen, es gab im Justizausschuss auch keine einzige Nachfrage vonseiten der CDU-Abgeordneten dazu,

(Unruhe CDU)

dass man mal hätte wissen wollen, wie es tatsächlich passiert ist. Es gab davor einen längeren Bericht des Kriminologischen Dienstes, der sich damit beschäftigt, wie wir verhindern können, dass Leute wieder rückfällig werden, welche Maßnahmen da greifen, wie das mit PÜMaS ist, wie das funktioniert. Da höre ich von Ihren Abgeordneten nur: Können wir den Bericht nicht zu Protokoll geben? Also das vielleicht mal dazu, welche Wertschätzung für den Justizvollzug da ist.