Protocol of the Session on July 4, 2019

Erstens ist es so, der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur darf eben nicht einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes oder einem entsprechenden Organ der Europäischen Union oder einer kommunalen Vertretungskörperschaft angehören. Das haben wir jetzt geregelt. Er darf neben seinem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und wird weder der Leitung, noch dem Aufsichts- oder dem Verwaltungsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören. Dies soll der gesellschaftlichen Erwartung an eine unabhängige und ausschließliche Beschäftigung des Landesbeauftragten mit der historischen, politischen und juristischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Freistaat Thüringen gerecht werden. Darüber hinaus gruppieren wir ihn zukünftig in eine B3-Besoldung ein. Diese Höhergruppierung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass sich das Aufgabenspektrum des Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur im Rahmen der letzten Gesetzesnovelle von 2013 deutlich erweitert hat und dies sich auch in der Besoldung widerspiegeln muss.

Ich will daran erinnern, es war maßgeblich die CDU, die im Jahr 2013 seine bis dahin B3-Besoldung abgesenkt hatte, wodurch sich aufgrund der Neuregelung auch einige versorgungsrechtliche Ungenauigkeiten und Rechtsunsicherheiten ergaben gerade für Menschen, die als Freie sozusagen in eine solche Position hineinkamen. Auch diese versorgungs- und ruhestandsrechtlichen Problematiken sind wir angegangen und haben sie denen nachgebildet, wie sie sich für den Bürgerbeauftragten bewährt haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere ist jetzt sehr klar geregelt, welche zusätzlichen Versorgungsleistungen über die Amtsbezüge hinaus dem Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur zustehen.

Ich möchte auch gern auf den Vorwurf von Herrn Wirkner eingehen, der hier, finde ich, ein ziemlich mieses Gegeneinanderspielen von einem Beauftragten

(Unruhe CDU)

wieso Vorsicht, ich muss das beim Namen nennen, was Sie gesagt haben –, nämlich dem Beauftragten für Menschen mit Behinderungen, der eine ganz wichtige Arbeit leistet, und dem Beauftragten für die Opfer der SED-Diktatur, hier am Pult vorgetragen hat. Sie haben uns vorgeworfen, wir würden den einen schlechter behandeln. Ich sage Ihnen mal Folgendes: Der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen war bislang bei einem Ministerium angesiedelt, so wie einige andere Beauftragte auch, wie die Gleichstellungsbeauftragte oder wie auch die Integrationsbeauftragte. Mit dem neuen Gesetz, was wir hier eben, gegen Ihre Stimmen übrigens – ja, es ist schon ein bisschen absurd, was Sie gerade machen – beschlossen haben, geben wir dem Beauftragten für Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Stellung, die er sich immer gewünscht hat. Und aus dieser unabhängigen Stellung – diese musste aber erst beschlossen werden – ergibt sich für uns natürlich auch der Auftrag, auch für ihn in der Folge eine entsprechende Regelung analog, wenn er dann beim Landtag ist, zum Bürgerbeauftragten und dem Landesbeauftragten für die SED-Opfer herbeizuführen. Das werden wir auch tun.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie von der CDU haben diesem Gesetz überhaupt nicht zugestimmt. Das will ich nur mal ganz deutlich sagen. Und wenn Ihnen die Aufarbeitung so wichtig ist, dann sollten wir auch unseren Aufarbeitungsbeauftragten so ernst nehmen. Warum Sie Gründe

(Abg. Wirkner)

hatten beim Wechsel von Frau Neubert auf ihren Nachfolger, Herrn Dietrich, eine Änderung auch in der Eingruppierung vorzunehmen, das müssen Sie für sich beantworten. Das ist vielleicht auch eine spannende Frage. Damals übrigens, 2013, wurde dies mit Haushaltskonsolidierung begründet. Dass man mit einer Position ausgerechnet im Bereich Aufarbeitung – wir haben das damals kritisiert – ganz sicher keine Haushaltskonsolidierung betreiben kann, das müssen Sie sich jetzt noch mal vorhalten lassen nach der Rede von Herrn Wirkner und erst recht, nachdem Sie uns vorgehalten haben, wie wichtig die Aufarbeitung ist.

Was ich – ehrlich gesagt – auch nicht redlich fand, war der Vorwurf, dass es immer noch Opfergruppen gibt, die nicht berücksichtigt sind und es daher nicht richtig wäre, den Beauftragten besserzustellen. Dass es diese Gruppen noch immer gibt, ist ein Skandal. Deshalb machen wir uns mit unserer Bundesratsinitiative und mit unseren Anträgen dafür stark, dass genau dies verbessert wird.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gegen die Stimmen der CDU!)

Übrigens auch gegen die Stimmen der CDU an ganz vielen Stellen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das will ich nur ganz deutlich sagen. Dann so zu tun, als ob sich ein Beauftragter, der sich für diese Interessensgruppen stark macht, für die Opfergruppen stark macht, bereichert zulasten derer, die immer noch durchs Raster fallen, ist perfide. Es ist schlimm genug – Sie als Bundesregierung, Sie als diejenigen, die die Bundesregierung tragen, hätten längst die Gesetze für die Entschädigung und Rehabilitierung der Opfergruppen auf den Weg bringen können. Das haben Sie nicht getan.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Bis heute haben Sie das nicht getan. Lassen Sie sich das gesagt sein. Da muss ich sagen, das ist wirklich schäbig und das ärgert mich sehr. Wir bitten um Überweisung unseres Gesetzesvorschlags an den Ausschuss. Dort können wir dann gern in der Sache darüber diskutieren. Aber Sie sollten sehr genau überlegen, wie Sie hier argumentieren und wer hier wem die Mittel wo, warum gekürzt hat und zu welchem Zeitpunkt. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Frau Abgeordnete, noch eine Frage. Sie sagten Ausschuss, welchen Ausschuss? Konkretisieren Sie das noch mal.

Ja, an den zuständigen Ausschuss. Das ist der Ausschuss für Europa, Kultur und Medien.

Danke schön. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Herold von der Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Netz, die Geschichte und das Nachwirken der SED-Diktatur sind noch keineswegs in ausreichendem Umfang erforscht. Ohne Zweifel wurde schon viel erreicht, doch nach wie vor gilt es, so viele Aspekte der SED-Diktatur auszuleuchten. Ich erinnere daran, dass beispielsweise die Themen der Zwangsausbürgerung, Zwangsumsiedlung und das bisher noch viel zu sparsam beleuchtete Feld der zwangsadoptierten Kinder in der DDR der Aufklärung bedürfen. Auch mit Blick auf rechtliche Fragen oder auf die Entschädigungsproblematik gibt es noch offene Fragen zu beantworten. Und schließlich müssen wir immer wieder prüfen, ob das Thema der kommunistischen Diktatur namentlich an unseren Schulen angemessen und in ausreichendem Umfang behandelt wird.

(Beifall AfD)

Vor diesem Hintergrund hat das Amt eines Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur seinen Daseinszweck. Auch wenn man fragen darf, ob gerade in Thüringen dieses Amt vom gegenwärtigen Amtsträger in idealer Weise erfüllt wird. Sieht er doch zum Beispiel einen seiner Arbeitsschwerpunkte eher in der Aufarbeitung des Wirkens der Treuhand. Das gehört meiner Auffassung nach nicht zum Arbeitsbereich eines Beauftragten zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts. Denn das ist etwas, was nach der Wende geschehen ist und sicherlich andernorts angemessen aufgearbeitet und beleuchtet werden muss. Aber eben nicht von diesem Beauftragten. Es gibt Wichtigeres zu tun.

Bedenklich muss uns heute stimmen, wenn die Tendenzen immer stärker werden, die auf eine Verharmlosung des SED-Staats und eine entsprechende Geschichtsklitterung hin abzielen. Es ist ein Skandal, wenn im 30. Jahr der Friedlichen Revoluti

(Abg. Rothe-Beinlich)

on eine Gedenkveranstaltung in Leipzig mit einem Festredner Gregor Gysi aufwartet.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Was hat das hier mit Thüringen zu tun?)

Eine Person, die zur DDR-Nomenklatura gehörte und die als letzter SED-Vorsitzender das SED-Erbe bis in die Gegenwart hinein zu retten versucht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dass es die Veranstaltung gar nicht gibt, ist Ihnen schon bewusst?)

Eine Person,

(Beifall AfD)

die einen Gerichtsbeschluss, ein Urteil braucht, um zu verhindern, dass Betroffene über ihn berichten möchten, dass er möglicherweise eventuell doch für die Staatssicherheit gearbeitet haben könnte. Das Erbe also von Diktatur, Unterdrückung, Unfreiheit, Mauertoten, Diffamierungen, Misswirtschaft, ökonomischem und moralischem Bankrott.

Vor dem Hintergrund solcher Tendenzen, vor dem Hintergrund, dass die Partei der Täter heute wieder Regierungsämter innehat oder staatlich bezahlte Spitzelämter, gibt es zweifellos Bedarf an einem entsprechend ausgestatteten Amt eines Landesbeauftragten.

(Beifall AfD)

Wenn der Gesetzentwurf der Koalition die Besoldung des Landesbeauftragten aufwertet, die Inkompatibilitätsregelung deutlich verbessert und die Versorgungsregelung klarer fasst, so ist das grundsätzlich gerechtfertigt. Wir als AfD-Fraktion können hier grundsätzlich keine Bedenken formulieren. Einer Ausschussberatung stehen wir aufgeschlossen gegenüber und möchten dabei aber sicherlich auch – was hier schon angesprochen worden ist – die finanzielle Seite erörtern, vor allem im Hinblick auf den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen. Wenn gefordert wird, dass wir Beauftragte für Barrierefreiheit brauchen und dass der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen das mit erledigen könnte, wenn man sein Amt auskömmlich finanzieren und ihn nicht abwerten würde, dann wäre das allemal eine Überlegung wert. Wir freuen uns daher auf die Ausschussberatung. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Bitte schön, Herr Dr. Pidde für die SPD-Fraktion.

Keine Wortmeldung, Frau Präsidentin. Wir beantragen auch die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss, federführend natürlich an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien.

Danke schön. Da es ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Hauses ist, müsste er auch an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Könnte!)

Ich werde jetzt über die Ausschussüberweisungen und dann über die Federführung abstimmen lassen.

Zuerst die Abstimmung über die Überweisung an den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien: Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist Zustimmung aus allen Fraktionen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Sehe ich nicht. Damit ist diese Überweisung bestätigt.

Die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss: Wer dafür ist, jetzt das Handzeichen. Auch Zustimmung aus allen Fraktionen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Sehe ich nicht. Damit ist diese Überweisung bestätigt.

Gesetzentwurf in der Regel an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz – wird nicht beantragt? Von keiner Fraktion?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Doch!)

Gut, doch.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Die CDU macht nicht mehr mit!)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Die CDU ist noch empört über Ihre Abstimmung!)

Gut, doch. Dann lasse ich über die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die CDU-Fraktion und die AfD-Fraktion. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? Es enthält sich niemand. Damit ist diese Ausschussüberweisung abgelehnt.