(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Warten Sie doch erst mal ab!)
Beim ermäßigten Steuersatz geht es darum, Menschen in ihren Grundbedürfnissen zu entlasten, und da sollten Familien, Hilfsbedürftige und vor allem Kinder an erster Stelle stehen. Wir als AfD gehen
darüber aber auch noch hinaus: Als einzige Partei in Deutschland wollen wir alle Bürger spürbar entlasten und auch den regulären Mehrwertsteuersatz deutlich senken, und zwar um 7 Prozentpunkte.
Wir sagen: Es ist Zeit für eine grundlegendere Reform. Sollten wir als AfD die Gelegenheit dazu bekommen, werden wir diese grundlegende familienund bürgerfreundliche Mehrwertsteuersenkung umsetzen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Debatte um die Senkung der Mehrwertsteuer für Monatshygieneartikel geht es mehr als um 2,17 Euro, die der Staat jeden Monat von jeder Frau kassiert, die ihre Periode/Menstruation hat und die benötigten Hygieneartikel braucht,
unter anderem Menstruationstassen, Tampons, Binden – da habe ich bestimmt das eine oder andere vergessen.
Sehr geehrte Herren, das wollte ich an der Stelle noch mal sagen: In der Debatte um die Senkung der Mehrwertsteuer für Monatshygieneartikel geht es nämlich um Gleichberechtigung. Da haben wir sogar das Grundgesetz auf unserer Seite, denn darin heißt es in Artikel 3, dass niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt bzw. bevorzugt werden darf. 2018 kam eine Studie der Europäischen Union zur Gleichstellung der Geschlechter und der Steuerpolitik in der EU zu einem eindeutigen Ergebnis, dass die Mehrwertsteuer für Hygieneartikel Frauen unzulässig benachteiligt. Im Januar 2019 stimmte das Europäische Parlament dafür, dass diese Produkte geringer besteuert werden sollen. Und was ist passiert in Deutschland? Nichts. Die GroKo sagt nichts dazu. Das Bundesfinanzministerium beruft sich auf das Prinzip, dass der Steuersatz von 19 Prozent die Regel ist. Das gilt eben auch für die Produkte, die die Frau in der Regel benutzen muss. Ich begegne bislang großem Unverständnis, wenn ich mit Leuten über dieses Thema ins Gespräch komme. Die Argumentationsleiste
reicht von „Gibt es denn keine wichtigeren Themen auf dieser Welt?“ bis zu „Meine Güte, jetzt macht mal endlich halblang mit dieser Gender-Debatte“. Ein besonders auffälliges Exemplar für die Senkung der Mehrwertsteuer war wohl von einem Mann geschrieben. Es begegnete mir als Kommentar im Netz: „Bier fällt ja schließlich auch unter die 7-Prozent-Mehrwertsteuer und der Kauf dieses Produktes ist für Männer unvermeidbar.“ Da hat sich einer Gedanken gemacht. Leider zeigt die Bemerkung aber auch, dass das nicht richtig ernst genommen wird. Ich sehe auch hier im Parlament durchaus Ihr Unverständnis über diese Debatte. Aber es ist eine Debatte, die wir führen müssen und die ich auch führen will.
Deshalb stehe ich auch ganz hinter der Thüringer Bundesratsinitiative zur Senkung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf 7 Prozent auf die Hygieneartikel des täglichen Bedarfs. Wir müssen doch nicht warten, bis in Brüssel eine Richtlinie dafür erarbeitet wird. Das soll übrigens schon 2021 kommen. Es geht hier nicht wirklich um geschlechterspezifisch benötigte Produkte, es geht darum, dass uns allen klar wird, dass es eine geschlechterspezifische Preisgestaltung gibt, und das ist diskriminierend.
Zu Recht wird das auch immer wieder von Verbraucherschutzverbänden angemahnt, denn diese Preisunterschiede fallen nicht immer auf. Sie sind oft fein verpackt. So kostet der baugleiche Rasierer in Pink mehr als der in Blau, die Reinigung einer Business-Bluse mehr als die Reinigung eines Business-Hemdes, der Kurzhaarschnitt für Frauen mehr als ein ähnlicher Schnitt für Männer. Sogar Cremes mit gleichen Inhaltsstoffen und gleicher Rezeptur kosten unterschiedlich viel. Da werden vom Hersteller einfach weniger Milliliter in die Verpackung gefüllt, die im Regal in der Frauenabteilung des Supermarkts stehen. Das ist Gender-Marketing, und zwar überwiegend auf Kosten der Frauen. Warum sollen Frauen, die ohnehin viel schlechter bezahlt werden oder in Teilzeitjob arbeiten, mehr für die gleichen Dinge bezahlen als Männer?
Deshalb finde ich diese Initiative gut, weil sie auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam macht und eben auch darauf, wie Frauen mit niedrigem Einkommen benachteiligt werden,
wie Frau Ministerin ganz richtig in der Begründung zur Bundesratsinitiative ausführt. Es ist eben ungerecht und diese Debatte kann ein Zeichen für mehr Gleichberechtigung setzen.
Da darf gern ein kleiner Vergleich herhalten: Mehr als die Hälfte der EU-Länder erhebt auf Hygieneartikel einen geringeren Steuersatz als Deutschland oder besteuert Monatshygiene gar nicht wie zum Beispiel – Frau Stange hat es gesagt – Irland. Auf der ganzen Welt entwickeln Aktivistinnen nun Kampagnen, um die Steuersätze zu mindern oder abzuschaffen. Deutschland tut sich schwer, deshalb müssen wir mit solchen Initiativen etwas nachhelfen und unterstützen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Damit setzen wir ein Signal und zeigen: Periodenprodukte sind Güter des täglichen Bedarfs. Wir holen das Thema aus der Tabuecke und machen Frauen und ihre Situation sichtbar.
Das ist das richtige Signal. Wenn wir das geschafft haben, bleibt nur zu hoffen, dass es beim Handel auch so ankommt und die niedrigere Umsatzsteuer nicht wieder auf den Preis aufgeschlagen wird. Da werden wir genau hinschauen, denn wir wollen einen günstigeren Preis, keinen gesteigerten Gewinn der Handelskette.
Lange Rede, kurzer Sinn: Periodenprodukte sind keine Luxusprodukte. Steuern runter! Denn es ist ungerecht, wenn Frauen aus biologischen Gründen mehr zahlen und Männer die Freiheit haben, diese zusätzlichen Kosten nicht aufbringen zu müssen. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es wurde schon auf die Petition „Besteuerung von Periodenprodukten mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 %“ eingegangen. Diese Petition wurde von 81.125 Menschen unterzeichnet. Die durch diese Petition hervorgerufene öffentliche Debatte macht nicht zuletzt eins deutlich: Die bestehenden bzw. die nicht bestehenden Ermäßigungstatbestände im Umsatzsteuerrecht sind für die Bürgerinnen und
Bürger oft nicht mehr nachvollziehbar. Vielen Dank deswegen an die Fraktion Die Linke, die das Thema zu Recht für eine Aktuelle Stunde aufgegriffen hat.
Die eingangs benannte Petition thematisiert dieses Thema und zielt auf einen Beschluss des Deutschen Bundestags ab, Periodenprodukte wie Binden, Tampons und Menstruationstassen mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent zu besteuern. Ich unterstütze diese Petition ausdrücklich, den Mehrwertsteuersatz auf 7 Prozent zu senken.
Insofern, Herr Kowalleck, ist das jetzt auch die Antwort auf die Aktualität: Das ist eben jetzt die Petition, die im Bundestag behandelt wird. Und warum kein Antrag dazu notwendig ist: Weil die Landesregierung schon aktiv ist und an dem Antrag entsprechend arbeitet. Ich werde darauf noch eingehen.
Lassen Sie mich aber auch noch mal – Herr Pidde hat schon einige Momente der Historie benannt – auf die Historie eingehen. Einkommensunabhängige Steuern, zu denen die Mehrwertsteuer gehört, sind zunächst erst einmal ungerecht, denn die Steuerbelastung wirkt umso mehr, je niedriger das Einkommen der Betroffenen ist. Das war auch der Grund, warum ursprünglich der ermäßigte Mehrwertsteuersatz eingeführt wurde. Soziale Gründe waren ausschlaggebend. Es ging darum, dass man dafür sorgen wollte, dass für jeden Menschen die Grundversorgung erschwinglich ist, dass auch das Existenzminimum für Geringverdienende gesichert ist. Insofern wurden also Güter des täglichen Bedarfs ermäßigt. Inzwischen hat sich aber eine Produktgruppe von über 50 Produkten herausgebildet. Wenn man sie sich anschaut – es wurden jetzt schon einige Beispiele benannt –, dann sieht man sehr viele Ungereimtheiten. Unverständlich ist eben unter anderem, dass Menstruationsartikel bisher mit dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent besteuert werden.
Wir sollten nicht vergessen – das wurde hier auch schon benannt: Frauen können sich nicht aussuchen, ob sie menstruieren wollen. Das heißt, dass der aktuell gültige Mehrwertsteuersatz auf die genannten Produkte Frauen aller gesellschaftlichen Schichten und finanziellen Hintergründe systematisch diskriminiert, so auch in der Petition nachzulesen.
Für Frauen mit niedrigem Einkommen ergibt sich aber eine zusätzliche Belastung. Sie werden mehrfach benachteiligt. Es wurde schon gesagt: Im Hartz-IV-Regelsatz sind gerade einmal 16 Euro pro Monat für den Bereich Gesundheitspflege vorgesehen. Damit muss der persönliche Bedarf, also Hy
giene, Körperpflege, Kosmetik, realisiert werden. Auch Zahnpasta, Duschgel, Deo usw. müssen dafür gekauft werden und natürlich – auch das wurde schon benannt – auch entsprechende Menstruationsprodukte. Diese klare und systematische Diskriminierung muss künftig ausgeschlossen werden.
In der Begründung der Petition wird auf eine Aussage des Bundesministeriums der Finanzen hingewiesen, nach der eine ermäßigte Besteuerung von Frauenhygieneprodukten nach EU-Vorgaben zulässig, aber nicht zwingend ist. Man habe im Rahmen einer Gesamtabwägung entschieden, von der Möglichkeit zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Hygieneprodukte insoweit keinen Gebrauch zu machen. Ich glaube, das ist nicht akzeptabel.
Thüringen wird nicht nur deshalb eine Entschließung des Bundesrats zur Überprüfung des Katalogs der Ermäßigungstatbestände im Umsatzsteuergesetz beantragen. Im Bundesrat wollen wir anregen, dass dieser sich für eine strukturelle Neuordnung und Überprüfung der Ermäßigungstatbestände im Umsatzsteuerrecht ausspricht und die Bundesregierung auffordert, die dazu notwendigen Schritte einzuleiten. Dabei sollte sowohl eine einheitlich ermäßigte Besteuerung des Grundbedarfs erreicht werden, aber auch überprüft werden, ob alle derzeitigen Ausnahmen vom regulären Umsatzsteuersatz noch zeitgemäß sind. Dabei sieht mein Ministerium insbesondere Handlungsbedarf – unter anderem – bei der Besteuerung von Hygieneprodukten für Frauen sowie von Pflegeprodukten und Dienstleistungen für Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. In anderen EUStaaten, beispielsweise in Frankreich und Spanien, erfolgte bereits eine Absenkung des Steuersatzes auf diese Produkte. Das Europäische Parlament hat die Mitgliedsstaaten sogar aufgefordert, die sogenannte Pflege- und Tamponsteuer abzuschaffen.
Notwendig ist aber auch eine strukturelle Neuordnung und Überprüfung des Anwendungsbereichs des ermäßigten Umsatzsteuersatzes insgesamt. Genau das wird Thüringen anregen, denn die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in der derzeitigen Ausgestaltung ist sehr kompliziert, sie führt vielfach zu Abgrenzungsschwierigkeiten, zu Mitnahmeeffekten und missbräuchlichen Gestaltungen. Zudem hoffen wir zwar, dass eine Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes über einen entsprechend reduzierten Preis auch beim Verbraucher oder bei der Verbraucherin ankommt, aber garantieren können wir das derzeit nicht. Erfahrungen aus der Vergangenheit haben diesbezüglich auch Zweifel aufkommen lassen. Insofern ist der ermä
Auf EU-Ebene – und da ist es auch noch mal wichtig, dass wir als Länder hier auch aktiv werden – gibt es Überlegungen, die Anwendung von ermäßigten Umsatzsteuersätzen zukünftig flexibler zu gestalten. Das wird sowohl vom Bundesrat als auch von der Finanzministerkonferenz sehr kritisch gesehen, weil es eben das System weiter verkomplizieren würde. Soweit ich weiß, diskutieren auch die Finanzministerinnen und -minister der Länder deshalb im Hinblick auf die ermäßigten Steuersätze eine Weiterentwicklung des Umsatzsteuerrechts mit einfacheren Regeln, klaren Abgrenzungskriterien und weniger Betrugsanfälligkeit. Bei einer Prüfung der Ermäßigungstatbestände sollte dann insbesondere eine stärkere Entlastung von Familien erreicht werden, statt sogenannte Luxusgüter wie zum Beispiel Trüffel, Sammelmünzen oder Kaviar unter den ermäßigten Mehrwertsteuersatz fallen zu lassen. Für die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ist natürlich langfristig gesehen ein ausgewogenes und schlüssiges Gesamtkonzept notwendig. Handlungsbedarf besteht nämlich weiterhin auch bei der Besteuerung der Verpflegung in Schulen, Kindertagesstätten und vergleichbaren sozialen Einrichtungen. Diese Speisen werden nur in einem Teil der Einrichtungen ermäßigt besteuert. Die Voraussetzungen, die derzeit dazu führen, sind von den Eltern kaum zu beeinflussen. Das zeigt noch mal den Handlungsbedarf. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Ich schließe den vierten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den fünften Teil
e) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Extreme Rechte an den Wurzeln packen – Rechtsrock in Thüringen konsequent bekämpfen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/7445 -
Ich eröffne die Aussprache und erteile Abgeordneter Henfling von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist zwar aktuell, aber sie ist leider nicht neu. Am Wochenende findet wiederholt eine Rechtsrockveranstaltung, die „Tage der nationalen Bewegung“, in Themar statt und – als würde das nicht ausreichen – findet wahrscheinlich auch noch das „Jugend-im-Sturm“-Festival der rechtsextremen Scheinpartei „Der III. Weg“ in Mitteldeutschland statt, also vermutlich in Kirchheim. Und wieder werden überall Neonazis nach Thüringen strömen und kleine Ortschaften überrollen. Für ein Wochenende wird auch unsere Aufmerksamkeit wieder auf diesen neonazistischen Komfortwelten liegen. Und ja, wir alle haben Glück, dass wir in Themar eine mutige Zivilgesellschaft haben, die sich diesen Nazis entgegenstellt und die auch an diesem Wochenende wieder Proteste gegen dieses Neonazikonzert organisiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist hier heute auch schon in der Aktuellen Stunde zu dem vermutlich rechtsterroristischen Mord an Walter Lübcke gesagt worden. Sie sagen das immer so und das schleift sich so ein, aber ich glaube, es ist noch mal ganz besonders wichtig zu betonen, wie wichtig das ist, die Menschen zu unterstützen, die sich gerade auch in ländlichen Regionen gegen Neonazis stellen, die dort teilweise üblen Bedrohungen ausgesetzt sind, die eben nicht einfach wegziehen und sagen können, ich verlasse jetzt mein Dorf – weil sie dort Verpflichtungen haben, weil sie dort Eigentum haben und sich trotzdem dagegen wehren. Ich glaube, in den nächsten Monaten wird es wichtig sein, dass wir diese Menschen noch viel stärker unterstützen, nicht nur hier im Parlament, sondern auch vor Ort. Ich würde mir wirklich wünschen, dass alle demokratischen Parteien in diesem Hause das ernst nehmen und diesen Menschen zur Seite stehen.