Protocol of the Session on June 13, 2019

Sie haben in Ihrer Berichterstattung schon umfänglich auf einzelne Aspekte hingewiesen, die wir beraten haben. Das alles mündet nun hier in die zweite Beratung zum Haushaltsgesetz 2020.

Die Verfassung des Freistaats Thüringen schreibt uns in Artikel 99 vor, dass ein Haushaltsplan vor Beginn eines Jahres festzustellen ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dieses Vorherigkeitsgebot sehen wir nicht als bloße Sollvorschrift, sondern als eine Verpflichtung, auch wenn ein CDU-Gutachter das persönlich anders sieht. Der Herr Kollege Emde hat umfänglich aufgezeigt, wie zeitlich aufwendig eine Haushaltsaufstellung und -beratung ist, und wir sind gehalten, jetzt diesen Haushalt zu beschließen.

Das Verfassungsgericht von Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 30. Oktober 2012 etwas Interessantes festgestellt. Die dortigen Verfassungsrichter haben damals einem Antrag der Linken im Landtag recht gegeben. Die Landesregierung in NRW hatte das Budgetrecht des Landtags verletzt und gegen die Verfassung verstoßen, weil sie den Entwurf des Landeshaushalts 2012 nicht rechtzeitig eingebracht hat, sodass er noch vor Beginn des Jahres 2012 beschlossen werden konnte. Nun kann man darüber streiten, wie die Thüringer Richterinnen und Richter dies sehen würden. Die jeweiligen Artikel, also unser Artikel 99 in der Verfassung und der Artikel 81 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen, sind jedoch nahezu identisch.

Daher erkenne ich in Verbindung mit dem Beschluss unseres Landeshaushalts 2020 beim besten Willen keinen Verfassungsverstoß.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus diesem Grund, sehr geehrte Damen und Herren, lehnen wir die beantragte erneute Überweisung an die Ausschüsse ab. Im Gegenteil: Die Thüringer Landesregierung ist ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur rechtzeitigen Vorlage des Haushalts 2020 nachgekommen. Jetzt ist es an uns, ebenfalls nach dem Willen der Verfassung zu verfahren und den Haushalt vor Beginn des Jahres 2020 zu verabschieden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die formale Pflichterfüllung ist nur eine Seite. Die andere Seite sind Inhalt und Qualität und da hat die Landesregierung einen sehr guten Entwurf vorgelegt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ja, der Haushaltsentwurf 2020 profitiert natürlich auch von einer nach wie vor guten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Trotz des nach wie vor drohenden Brexits, trotz der Sanktionspolitik gegen Russland und trotz eines US-amerikanischen Präsidenten, der die Welt – sagen wir freundlich – mit Handelskriegen überzieht, entwickelt sich die Wirtschaft in Deutschland weiterhin positiv. Das zeigt sich an einem im neunten Jahr in Folge gestiegenen Bruttoinlandsprodukt oder auch an einer weiter sinkenden Arbeitslosenquote. In Verbindung mit einer positiven Erwartungshaltung für die Zukunft sowie der anhaltenden Null-Zins-Politik sinkt die Sparquote der privaten Haushalte und das erhöht natürlich die Konsumquote. Das wiederum stärkt die Binnennachfrage, die damit weiterhin die Triebkraft der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auch in unserem Bundesland darstellt.

Die vorliegende Mittelfristige Finanzplanung 2019 bis 2023 belegt die aktuelle Entwicklung für Thüringen mit Zahlen. Demnach sind die früheren Prognosen für das laufende Haushaltsjahr mit geringen Abweichungen so eingetroffen. Für die Jahre 2021 und 2022 werden – nicht zuletzt wegen der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 und wegfallender Einnahmen aus EU-Mitteln – die Gesamteinnahmen auf jeweils rund 10,8 Milliarden Euro sinken. Im Jahr 2023 wird dann wieder mit Gesamteinnahmen in Höhe von circa 11,1 Milliarden Euro gerechnet, das Ganze ab 2021 ohne eine geplante Entnahme aus den allgemeinen Rücklagen und auch ohne – wie es Kollege Kowalleck behauptet hat – eine Unterdeckung. Das Haus

(Abg. Kowalleck)

haltsvolumen bleibt also aller Voraussicht nach auf diesem hohen Niveau.

Es soll ja immer der Eindruck erweckt werden, Thüringen wäre das einzige Land, das das Haushaltsvolumen erhöht. Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal erwähnen: Das Haushaltsvolumen wird im Jahr 2020 in Thüringen um etwa 25 Prozent größer sein als noch 2014, also dem letzten Haushalt unter CDU-Verantwortung. Aber auch andere Länder verzeichnen ähnliche Steigerungen wie wir. Bayern hat den Haushalt von 2014 schon bis zum Jahr 2018 um 22 Prozent erhöht. Der Aufwuchs in Baden-Württemberg war noch größer: bis 2019 ein Plus von 26 Prozent. Der Landeshaushalt von Sachsen ist von 2014 bis 2020 um 23 Prozent gestiegen. Schleswig-Holstein: plus 24 Prozent. Sie sehen, die Entwicklung der Landeshaushalte folgt eben bundesweit der oben genannten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der hier vorgelegte Haushaltsentwurf greift diese Entwicklung auf und setzt sie in eine sehr gute Politik um. Sie ist deshalb sehr gut, weil der Haushalt 2020 ganz klar auf die Menschen in unserem Freistaat ausgerichtet ist, denn sie haben die Steuern maßgeblich erarbeitet und die Überschüsse erwirtschaftet. Deshalb ist es nicht nur vernünftig und gerecht, sondern wir sind auch in der Pflicht, den Menschen in unserem Land einen Großteil dessen wieder zukommen zu lassen. Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf setzt die rot-rot-grüne Landesregierung diesen Grundsatz um. Darauf aufbauend haben die Koalitionsfraktionen konkretisierende Änderungsanträge erarbeitet, die alle miteinander in dieselbe Richtung zielen, nämlich Politik für die Menschen in Thüringen zu machen. Das tun wir beispielsweise mit einem zweiten beitragsfreien Kindergartenjahr,

(Beifall DIE LINKE)

mit Investitionen in Schulgebäude und Sportanlagen, Theater und Orchester, Schiene und den ÖPNV in einer Höhe von 1,6 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen. Alle diese Haushaltsansätze und Änderungsanträge der Koalition sind Teil eines wohlgewichteten Dreiklangs aus eben jenen Investitionen sowie Schuldentilgung und Vorsorge – ich werde später darauf noch eingehen. In früheren Zeiten CDU-geführter Landesregierungen wurde das Land kaputtgespart. Nötige Investitionen in Infrastruktur, aber auch in Köpfe wurden zulasten der Menschen in unserem Land unterlassen. Das wurde uns beispielhaft gerade erst gestern bei der Debatte um das neue Schulgesetz vor Augen geführt.

Es wurde jedoch nicht nur der Bildungsbereich über Jahrzehnte geschliffen. Und trotzdem tut die Opposition so, als wäre das alles vom Himmel gefallen. Sie beklagen, dass Rot-Rot-Grün in einer Legislaturperiode nicht all das ausbügeln kann, was Sie in Jahrzehnten zuvor versäumt haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber das war gestern – ich meine nicht gestern, den Tag, sondern allgemein. Wichtig ist nur, dass diese Politik von gestern nicht für die Zukunft geeignet ist. Deshalb investiert Rot-Rot-Grün massiv in die Menschen, eben auch besonders in deren Bildung und Bildungschancen, den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft, in die Kultur, in die Infrastruktur.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haushalt 2020 ist tatsächlich der größte Haushalt, den Thüringen je hatte. Damit meine ich jetzt nicht, dass er der beste Haushalt ist, sondern er ist tatsächlich auch der größte vom Umfang her. Und das liegt nicht nur an den 500 Millionen Euro, die wir mehr investieren als unsere Vorgänger. Das liegt vor allem auch daran, dass wir an wichtigen Stellen tatsächlich mehr Geld ausgeben.

Jetzt werde ich mal ganz konkret mit ein paar Zahlen: Die Ausgaben im Landeshaushalt lassen sich nach sogenannten Funktionen sortieren, und die finden Sie im Gesamtplan aufgeschlüsselt. Ich vergleiche im Folgenden einige verschiedene Funktionsziffern jeweils aus dem Haushalt 2014 – CDUgeführter Haushalt – mit dem Haushalt für 2020.

Die Funktion 04 zum Beispiel umfasst die öffentliche Sicherheit und Ordnung und hatte 2014 einen Ansatz von 443 Millionen Euro. Jetzt im 2020erHaushaltsentwurf stehen hier 602 Millionen Euro, also stolze 159 Millionen mehr. Ja, das ist ein deutlicher Aufwuchs. Die Kollegen von der CDU würden wahrscheinlich sagen, wir haben damit den Haushalt aufgebläht, aber es ist doch nicht schlecht, dass wir in Thüringen 159 Millionen Euro mehr für öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeben wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Oder die Funktion 05 „Rechtsschutz“, hier wollen wir 100 Millionen Euro mehr ausgeben. Soll das falsch sein? Funktion 18 „Kultur“: plus 33 Millionen Euro. Funktion 25 „aktive Arbeitsmarktpolitik“: plus 48 Millionen Euro. Kinder- und Jugendhilfe: gesteigert von 38 Millionen auf 53 Millionen Euro – also um 40 Prozent aufgebläht sozusagen. Soll das falsch sein? Kinderbetreuung: plus 153 Millionen Euro. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsmin

derung: plus 38 Millionen Euro. Ein weiteres Plus gibt es im Gesundheitswesen, hier ein Aufwuchs von 53 Millionen Euro, und auch im Sport ein Plus von 42 Millionen Euro. Umwelt- und Naturschutz, das ist die Funktion Nummer 33, steigt von 50 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 152 Millionen Euro im vorgelegten Haushaltsentwurf. Das ist mehr als eine Verdreifachung bzw. 102 Millionen Euro mehr für Natur und Umwelt. Ist das schlecht?

Weiter geht das so im Städtebau: plus 29 Millionen Euro. Agrarstruktur, ländlicher Raum: ein Plus von 52 Millionen Euro. Wasserwirtschaft, Hochwasserschutz: plus 54 Millionen Euro. Straßenbau: plus 31 Millionen. Auch der ÖPNV: plus 53 Millionen Euro. Und noch ein letztes Beispiel, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Funktionsziffern 11 bis 15 beinhalten alles, was mit Bildung zu tun hat. Hier haben wir so richtig draufgelegt, nämlich 539 Millionen Euro mehr als 2014 unter CDU-geführter Regierung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn jemand all die eben genannten Beträge addiert, wird er auf eine Summe von rund 1,5 Milliarden Euro kommen – 1,5 Milliarden Euro mehr für Investitionen, für politische Gestaltung, für eine gerechtere, humanistische, innovative und moderne Politik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist verantwortungsvolle Haushaltspolitik, das ist vorausschauend und eine richtige rot-rot-grüne Haushaltspolitik.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Weil ich gerade beim richtigen Umgang mit Geld bin – eingangs hatte ich ja von einem Dreiklang aus Investition, Schuldentilgung und Rücklagenbildung gesprochen –, da soll und muss man auch über Schulden und Schuldentilgung reden. In dem Zusammenhang verweise ich gern auf einen zugegebenermaßen einfachen, aber doch sehr anschaulichen Vergleich: In fünf Wahlperioden CDU-geführter Landesregierung wurden 16 Milliarden Euro Schulden angehäuft und dagegen hat Rot-RotGrün in einer Wahlperiode 1 Milliarde Euro Schulden getilgt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Was glauben Sie, wie es 1990 hier aussah?)

Um diese Schuldentilgung nicht nur der konjunkturellen Entwicklung bzw. dem Haushaltsvollzug zu

überlassen, wurde das Thüringer Nachhaltigkeitsmodell installiert. Damit wird die Schuldentilgung festgeschrieben und verstetigt, zu Beginn mit einer Schuldentilgungsleistung in Höhe von 65,1 Millionen Euro im Jahr 2020, aufwachsend dann in den folgenden Jahren. Dies wurde nicht zuletzt auch durch den Thüringer Rechnungshof begrüßt, denn es sorgt mit seiner Dynamik in der Zukunft für steigende Tilgungsleistungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Kollegen werden zu den Einzelplänen sicherlich noch reden und sicher auch die eine oder andere Zahl in der Haushaltsdiskussion genauer beleuchten. Ich denke da zum Beispiel an 280 Millionen Euro, um die die Finanzausgleichsmasse im KFA seit 2014 gestiegen ist, oder an 5 Millionen Euro für Musikschulen, die nun wieder außerhalb des Finanzausgleichs zusätzlich gezahlt werden. Die Verbesserung der Bezahlung von Nachwuchstrainern und auch von Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern ist auch nichts, wofür wir uns schämen müssten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit Blick auf die Kommunen erlauben Sie mir aber noch eine ganz persönliche Bemerkung. In den vergangenen Monaten der Haushaltsberatungen habe ich ganz oft den Satz gehört: „für die Menschen und die Kommunen im Land“ oder „die kommunale Familie“ oder ähnliche Äußerungen. Jetzt als Abgeordneter, aber auch als früherer Bürgermeister sage ich, das kann man nicht parallel bzw. getrennt betrachten. Es geht immer um Menschen, egal auf welcher Ebene, egal auf welcher politischen Gestaltungsebene – und das ist auch gut so, sehr geehrte Damen und Herren. Unsere Aufgabe hier ist nun mal die Landespolitik. Da wissen die Menschen im Land, was sie mit Rot-Rot-Grün erwartet, nämlich eine ehrliche und abrechenbare Politik und keine Widersprüchlichkeiten à la CDU. Diese Widersprüchlichkeiten zeigen sich in den reichlich – Sie hatten es angesprochen – 140 Änderungsanträgen der CDU. Immerhin zeigt sie damit auch mehr Energie als bei der Erstellung der letzten Landeshaushalte, das muss man auch sagen, was allerdings nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit sinnvollem Inhalt. So fordert die CDU mehr Stellenabbau, aber gleichzeitig mehr Polizei und Lehrer. Die CDU fordert mehr Investitionen, will aber weniger Geld ausgeben.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie das funktionieren soll!)

Um die Widersprüchlichkeiten darin zu erkennen, muss man nicht lange überlegen. Vielmehr zeigt

sich damit, dass die Anträge der CDU mit Realität oder gar Seriosität nichts zu tun haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die rund 170 Änderungsanträge, die die AfD eingebracht hat, produzieren keine Widersprüche, sondern einfach nur Kopfschütteln.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da ist zum Beispiel ein Antrag der AfD über 300 Euro mit der Begründung: „Thüringer Imker stärken – ein deutliches Zeichen setzen“ – mit 300 Euro.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Haushalt!)

Doch leider bleibt diese Partei mit ihren Anträgen nicht nur bei solch fragwürdigen Ansätzen. Beim Änderungsantrag zur Gründung eines Instituts zur volkskundlichen Grundlagenforschung kann einem schon anders werden. Es ist ja so, dass ein Haushalt in Zahl gegossene Politik ist. Welch Geistes Kind die AfD ist, zeigen nicht nur solche Anträge.