Vielen Dank, Herr Minister. Da die Landesregierung die Redezeit von 10 Minuten überschritten hat, besteht jetzt die Möglichkeit für die Fraktionen, jeweils noch 2 Minuten Redezeit zu beanspruchen. Bitte, Herr Rudy.
Vor allem gibt es natürlich etwas – Herr Tiefensee hat da einiges erwähnt über diese Bertelsmann Stiftung. Darauf möchte ich auch eingehen. Da gibt es diese vergleichbare Studie der Bertelsmann Stiftung über die Verluste der Deutschen durch die Nullzins- und Enteignungspolitik der Europäischen Zentralbank von Mario Draghi. Da gibt es gar nichts. Aber Sie wollen wissen, welche Verluste die deutschen Bürger da –
Allein im letzten Jahr verloren deutsche Sparer 38,9 Milliarden Euro durch die Nullzinspolitik. Das wären pro Bundesbürger 486 Euro, weit mehr als die angeblichen Brexit-Kosten,
die überhaupt nicht bewiesen sind. Und von wem die Bertelsmann-Studie wohl bezahlt worden ist, das kann man sich ja ausrechnen. Lassen wir uns also nicht beirren, schon gar nicht von grün-fundamentalistischer Seite. Es ist zwar schade um die Briten, da sie innerhalb der Europäischen Union doch immer eine bremsende Stimme der Vernunft waren, wenn Eurokraten wieder mit ihren Allmachtphantasien auffielen und die europäischen Nationalstaaten am liebsten gestern als heute zugunsten des europäischen Superstaats auflösen wollen. Die Wahrheit ist aber, dass die Sonne für die Thüringer Wirtschaft auch bei einem vermeintlich ungeregelten Brexit weiter jeden Tag aufgehen wird. Es greift dann die internationale Handelsordnung der WHO. Von Anarchie kann also beim besten Willen nicht die Rede sein. Beide Seiten – die EU und Großbritannien – haben großes Interesse an einer Weiter
führung der wirtschaftlichen Beziehungen. Der Brexit dürfte sogar eher ein Anlass für den Abbau bestimmter Handelshemmnisse sein und sich langfristig positiv auf unsere Wirtschaftsentwicklung auswirken. Darauf können und sollen wir uns als Gesetzgeber einsetzen und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, hat genau gepasst.
Danke schön. Herr Abgeordneter Kubitzki von der Fraktion Die Linke hat sich zu Wort gemeldet, auch hier 2 Minuten.
Also ich glaube, Herr Rudy, für Sie ist die Erde eine Scheibe, also nach diesen Worten jetzt bleibt mir nichts anderes übrig. Es wird keine Handelseinschränkungen geben – sagen Sie mal, in welcher Welt leben Sie denn? Haben Sie überhaupt was begriffen? Es werden Zölle erhoben werden, es werden Handelsverträge nicht mehr gültig sein, damit werden sich die Preise verteuern. Die deutsche Wirtschaft ist auf Export ausgerichtet, was ein großes Problem ist. Das wird sich aber auswirken, weil nämlich unsere Ausfuhren für die britischen Bürger teurer werden und damit vielleicht auch nicht mehr so viele Produkte aus Deutschland angenommen werden. Die Einfuhr von Arzneimitteln wird mit Zoll belegt sein, das haben wir vorhin alles gesagt. Also für Sie ist die Erde eine Scheibe. Und dann behaupten Sie hier, das hat keine Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen mit Großbritannien. Das ist einfach falsch.
Und Thüringen wird weniger Mittel innerhalb des Kohäsionsfonds bekommen, allein weil 10 Milliarden Euro – mehr sogar noch, ich habe jetzt die Zahlen nicht im Kopf – Mittel im EU-Haushalt fehlen werden. Das wird sich auf die 27 restlichen Staaten auswirken – aber der Brexit hat keine Auswirkungen auf Europa für Sie, weil Sie in Ihrer nationalen Kiste denken und nicht global denken können. Aber das hat auch was mit Bildung zu tun, Herr Rudy. Danke.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Fiedler hat gefragt, wo der Europaminister ist, ich will das gerne erläutern. Der ist bei der Europaministersitzung.
Und wie wir gerade gehört haben, hat der Kollege Tiefensee zu Recht zwei der zentralsten Themen angesprochen, nämlich den Bereich Wirtschaft und den Bereich Hochschule. Deswegen war es selbstverständlich, dass der Europaminister durch den Wirtschaftsminister und Universitäts- und Hochschulminister vertreten wird, weil dort die Auswirkungen am konkretesten sind.
Aber was ich eben gehört habe, dass wir mehr einzahlen als wir bekommen, wir in Thüringen – wir sind hier im Thüringer Landtag, ich will es nur mal erwähnen, weil offenkundig einige hier es gar nicht mehr wissen,
dass wir eines der Bundesländer sind, die darauf angewiesen sind, dass die europäischen Gelder bei uns wirksam angelegt werden, in unseren Gemeinden, in unseren Sozialprojekten. ESF- und EFREMittel sind die Gelder, die wir dringend brauchen und die unsere Wirtschaft braucht und auf die wir angewiesen sind.
Falls es auch die Kollegen noch nicht verstanden haben: Wir erhöhen gerade den Eigenfinanzierungsanteil unseres Landes beim Haushalt von 64 Prozent auf 67 Prozent. Aber offenkundig hört eine Fraktion schlicht und einfach in den Haushaltsberatungen nicht zu. 67 Prozent sind noch nicht 100 Prozent. Also wir scheinen nicht diejenigen zu sein, die einzahlen. Wir sind aber diejenigen, die davon direkt profitieren. Deswegen bin ich auch der CDU-Fraktion sehr dankbar, dass so deutlich wird, dass wir alle zusammenstehen, wenn es um das Europäische Haus geht, weil das Europäische Haus unsere Heimat ist. Und in dieser Heimat haben unser Land und unsere Firmen immerhin in 62 Fällen die Weltmarktführung oder die europäische Marktführung. Das heißt, unsere Firmen sind
darauf angewiesen, dass die Märkte für uns erreichbar sind. Und wenn man versucht, das mit Füßen zu treten, weil man ein politisches Konstrukt in seinem Kopf hat, weil man von einem Superstaat schwafelt und gar nicht zur Kenntnis nimmt, welche wirtschaftliche Potenz für Thüringen daran hängt, dass der europäische Markt für uns erreichbar ist, dann gruselt es mich einfach.
Und meine Damen und Herren, dass wir Panik machen würden, Herr Rudy, das nehme ich Ihnen übel. Ich will Ihnen mal ein ganz einfaches Beispiel nennen: In der Nacht der Abstimmung haben wir in zwei Betrieben in Thüringen eine konkrete Auswirkung gehabt, die Sie nicht mal zur Kenntnis genommen zu haben scheinen. Das zeigt mir, wie viel Sie von unserem Land wissen oder verstehen. Opel in Eisenach hat in dieser Nacht die gesamte VauxhallProduktion verloren, weil der Vauxhall in englischen Pfund abgerechnet wird und in Deutschland produziert worden ist. Ab dieser Stunde, ab dem sich in England die Entscheidung abzeichnete, ist die Währungsparität radikal auseinandergegangen und der Vauxhall war in Eisenach nicht mehr zu produzieren. Die Nachtschicht, die gerade mühselig aufgebaut worden ist, haben wir in der Nacht verloren und es war ein Riesenproblem.
Jetzt kann man sagen: Was schert uns denn Opel? Vielleicht ist das die Sicht der AfD. Mich schert aber, was das mit den Menschen in Eisenach und im Wartburgkreis macht. Und wenn ich dann auf der Gesamtübersicht sehe, dass der Wartburgkreis aufgrund der Handels- und Lieferbeziehungen einer der zehn am stärksten betroffenen Kreise sein wird, wenn es einen kalten Brexit gibt, dann will ich mal sagen: BMW produziert in Eisenach die gesamten Werkzeuge für alle BMW-Werke in Europa. Ein Teil davon geht direkt nach England, der wird nicht mehr veräußerbar sein. Und damit haben wir ein zweites Thema, wo wir direkt spüren werden, dass eine Hochleistung von Thüringerinnen und Thüringern auf einmal nicht mehr abgenommen werden kann.
Ein drittes ist Dr. Schär in Apolda. Es muss Ihnen ja nicht bekannt sein, aber Dr. Schär produziert glutenfreies Brot und Backwaren in Thüringen und beliefert aus Apolda den gesamten englischen Markt. In der Nacht der Entscheidung ist auf einmal die Kalkulation für Dr. Schär fast nicht mehr darstellbar gewesen. Und Dr. Schär berichtete mir, dass sie es nur unter ganz großen Mühen geschafft haben, in der Produktpalette zu bleiben. Also einfach zu sagen, da gäbe es gar keine Auswirkungen!
Und eine letzte Bemerkung: In Nordhausen gab es eine Fabrik, eine Firma, die sich darauf spezialisiert hat, Batterien herzustellen. Diese Batterien sollten genutzt werden, um in England Black Cabs – schwarze Taxis – auf Elektrobasis herzustellen, weil die ohne Maut in die Stadt London einfahren durften oder hätten sollen, und Nordhausen wäre der zentrale Player dabei gewesen. Wir waren froh, als wir die Firma besucht und mit denen über ihre Zukunft geredet haben, dass es einen englischen Investor gab, der gesagt hat: Die Nordhäuser Batteriefirma ist unser Herzstück für das, was wir vorhaben. Kaum war die Brexit-Entscheidung gefallen, haben sich die Investoren zurückgezogen und die Nordhäuser Firma musste Insolvenz anmelden.
Ich finde, das sind alles keine guten Aussichten. Thüringen ist Teil Europas und Thüringen ist ein starker Player in Europa. Um es noch mal anders zu sagen: Nach der Wende – das mag ja auch nicht jedem richtig passen, wenn ich das so sage – waren die westdeutschen Märkte zu. Und auf westdeutschen Märkten hatten wir auf einmal Konzernentscheidungen, wann man den ostdeutschen Mitbewerber vom Markt genommen hat. Insoweit war es gut und richtig, dass sich die Thüringerinnen und Thüringer als Unternehmer aufgemacht, den europäischen Markt durchdrungen und gesagt haben: Das ist unser Zuhause. Deswegen haben wir 62 Europa- und Weltmarktführer. Denen dann zu sagen, ein Teil, nämlich der zweitwichtigste Partner in Europa, sei aus Gründen der Freiheit und aus Gründen eines Signals gegen den Superstaat in Brüssel zu Recht ausgeschieden – wer so eine Weltsicht hat, der will die Grenzen wieder ganz hoch haben, der will hohe Zäune haben.
Meine Damen und Herren, mit unseren Menschen in diesem Land sollten wir gegen solche apokalyptischen Reiter immer ein klares Stoppschild setzen. Vielen Dank.
Ja. Ich sage die Redezeiten für alle Fraktionen an: Die AfD 2 Minuten, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 4 Minuten, SPD 4 Minuten, CDU 5 Minuten und Die Linke 2 Minuten und 30 Sekunden. Zur Erläuterung: Das hängt damit zusammen, dass die Regierung zweimal das Wort hatte.
Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Ich denke, wir sind gut beraten, das Schwarz-weiß-Denken von hier vorn nicht noch zu befördern. Das ist mein Ansatz und das sollte auch Ihr Ansatz sein, sehr geehrter Herr Ramelow.