Protocol of the Session on March 27, 2019

Frau Abgeordnete!

Ich bin sofort fertig, das ist mein letzter Satz.

Ich rufe im Namen auch meiner Fraktion alle Abgeordneten der demokratischen Fraktionen auf, in den nächsten Wochen dafür zu sorgen, dass wir das hohe Gut unserer Demokratie auch hier in Thüringen schützen und uns eben nicht darauf einlassen, was Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten hier versuchen. Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster spricht Abgeordneter Wucherpfennig von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren, heute werden wir uns zweimal mit dem Thema „Brexit und seine Auswirkungen auf Thüringen“ beschäftigen. Diesbezüglich verweise ich auch auf den Tagesordnungspunkt 3, und heute Abend wird es im Europäischen Informationszentrum in der Staatskanzlei das sogenannte Europagespräch geben, auch zum Thema „Brexit“.

Unabhängig davon wird das Thema „Brexit“ auch schon seit zweieinhalb Jahren sinnvollerweise im Europaausschuss behandelt, aber auch ungeachtet dessen vermag kaum jemand in Europa die weitreichenden Folgen des Brexit für das Vereinigte Königreich und die Europäische Union vollumfänglich abschätzen zu können. Auf jeden Fall wird der Brexit und seine Auswirkungen ein höchst interessanter wissenschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsgegenstand verschiedenster Disziplinen sein. So interessant dieses auch sein mag, so höchst bedauerlich ist der Brexit für meine Fraktion und für mich als überzeugter Europäer.

(Beifall CDU)

Und am Ende – das wird die Zukunft zeigen, da bin ich mir ganz sicher – werden sowohl die Briten als auch die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten der EU und ihre dann 320 NUTS-1- und NUTS-2-Regionen nicht gewinnen, sondern verlieren.

(Beifall CDU)

Auch an Thüringen werden diese Entwicklungen nicht spurlos vorübergehen. Die Massivität dieser Auswirkungen werden auch nicht vordergründig die Teilnehmer des Erasmus-plus-Programms spüren. Ich bin mir sicher, für die 50 Beteiligten aus Thüringen und die 37 aus Großbritannien wird eine Lö

sung gefunden werden. In diesem Zusammenhang spreche ich von den sogenannten Notfallregelungen. Dieses wird wohl auch für 80 Thüringerinnen und Thüringer gelten, die 2017 ihren Wohnsitz von Thüringen nach Großbritannien verlegt haben.

Meine Damen, meine Herren, die mit dem Brexit verbundenen Folgen werden uns alle treffen. Dafür sprechen bereits die Zahlen, die Minister Tiefensee kürzlich vorgelegt hat. Danach ist Großbritannien für mehr als 270 Thüringer Betriebe mit einem Gesamthandelsvolumen von fast 2 Milliarden Euro der zweitwichtigste Handelspartner. Was das bedeutet, dürfte uns allen hier bewusst sein. Selbstverständlich muss der Brexit geregelt und fair verlaufen. Gleichwohl sollten wir sehr daran interessiert sein, auch nach einem ungeregelten Brexit intensive wirtschaftliche, soziale, kulturelle und sonstige Verbindungen mit Großbritannien zu erhalten, zu pflegen und weiterzuentwickeln.

Meine Damen, meine Herren, um die nur zum Teil absehbaren wirtschaftlichen Folgen für Thüringen und Deutschland insgesamt zu minimieren, setzen CDU und CSU in ihrem gerade verabschiedeten Europawahlprogramm auch auf die Gestaltung der künftigen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, in deren Rahmen eine möglichst enge Anbindung der beiderseitigen Märkte angestrebt wird, ohne jedoch dabei die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts zu gefährden.

Abschließend, meine Damen, meine Herren, gebe ich zu erkennen: Die Europäische Union steht vor großen Herausforderungen. Es wird Zeit, aus dem Brexit die möglichst richtigen Lehren zu ziehen, dann sollte, dürfte oder müsste die Friedens- und Wertegemeinschaft Europäische Union, der größte Binnenmarkt der Welt, hoffentlich auch eine gute Zukunft haben. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Aus der Fraktion Die Linke spricht jetzt Abgeordneter Kubitzki.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich so beginnen wie Frau Henfling: die unendliche Geschichte des Brexit. Und viele Menschen, mit denen man spricht, können das Wort „Brexit“ wirklich schon nicht mehr hören. Wir müssen aber auch anerkennen, dass der Entscheidung zum Brexit ein Referendum in Großbritannien vorangegangen ist, die Menschen abgestimmt haben und das Ergebnis so ist, wie es ist. Uns bleibt nichts

anderes übrig – und das gehört dazu –, dass wir dieses Referendum erst einmal akzeptieren – mit allen Auswirkungen, die dieses Referendum hat.

Natürlich sollten wir nicht vergessen, warum das Referendum zustande gekommen ist: Weil ein konservativer Ministerpräsident Cameron seine Macht erhalten wollte, dann mit dem Feuer gespielt hat, die Meinung seiner Menschen im eigenen Land nicht kannte und dann dieses Referendum losgestoßen hat – unter dem Motto: „Das wird schon nicht schiefgehen!“ Es ist schiefgegangen, weil die Menschen so abgestimmt haben, wie es ist.

Eine Ursache für mich, dass die Abstimmung so war, wie sie eben stattgefunden hat, ist unter anderem auch die Angst der Briten vor ausländischen Bürgern. Aber nicht, wie vielleicht manche denken, vor denen, die aus Afrika kommen oder sonst woher. Nein: Angst vor EU-Bürgern. Zum Beispiel wissen wir alle, dass viele polnische Bürger in Großbritannien arbeiten und auch die Freizügigkeit wahrnehmen, die das europäische Recht ihnen gewährt, was eine gute Sache ist. Aber viele hatten dann Angst: Die nehmen uns die Arbeit und sonst was weg und dergleichen mehr. Und warum ist das so? Weil in Europa die soziale Frage innerhalb der EU nicht geklärt ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das ist eigentlich die Hauptursache, dass dieses Referendum zustande gekommen ist. Und deshalb müssen wir auch die Ursachen für solche Sachen bekämpfen. Und deshalb fordern wir zum Beispiel: Wir brauchen in Europa soziale Standards, wir brauchen eine Angleichung der sozialen Sicherungssysteme und wir brauchen auch einen europäischen Mindestlohn! Schrittweise müssen wir dort hinkommen, damit die Freizügigkeit im Interesse der Menschen auch wirklich bewahrt werden kann. Wir sollten natürlich auch, wenn wir sagen, dass wir das Referendum akzeptieren – ich will jetzt gar nicht die Politik des Unterhauses beurteilen oder so was, was dort ist, Chaos, das wissen wir alle …

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das steht Ihnen auch gar nicht zu!)

Aber natürlich hat das auch Auswirkungen auf Deutschland und auf uns. So gibt es eine Bertelsmann-Studie, die zum Beispiel errechnet hat, dass die Einkommensverluste nach dem Brexit – also nach einem harten Brexit – in Deutschland pro Jahr 10 Milliarden Euro betragen würden. Das heißt, statistisch berechnet hat jeder 115 Euro im Jahr weniger in der Tasche. In Großbritannien sind das 57 Milliarden Euro, das heißt 850 Euro pro Kopf. Das sind natürlich Zahlenspielereien, aber die drücken unter anderem aus: Jawohl, wir werden Nach

teile haben und wir werden auch Verluste haben. Verlierer wird vor allem die Jugend sein. Die Jugend, die Erasmus-Programme wahrnehmen konnte, Studienaustausche gemacht hat, die wird der Verlierer sein, weil das zukünftig wegfällt. Deshalb gibt es jetzt erst einmal die Notfall-Lösung, dass zumindest die – und das kann man hier sagen –, die im Erasmus-Studium sind und das begonnen haben, das zu Ende führen können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber Verlierer werden auch wir hier in Thüringen sein, die einzelnen Betriebe mit Zollgebühren und dergleichen mehr. Aber es wird auch weniger Mittel im EU-Haushalt geben und damit auch weniger Mittel für Thüringen aus dem Kohäsionsfonds.

Und ein letztes Beispiel nach einem Gespräch gestern mit dem Apothekerverband: Besonders auch auf die Arzneimittelversorgung wird das Auswirkungen haben, weil der freie Arzneimittelhandel zwischen Großbritannien und Deutschland und der EU wegfallen wird. Es ist heutzutage so, dass in Großbritannien auch viele Ausgangsprodukte für Arzneimittel hergestellt werden. Das heißt, auf die muss ein Zoll erhoben werden, bis die hier reinkommen und dergleichen mehr. Damit kann auch die Gefahr bestehen, dass die Arzneimittel teurer werden.

Insgesamt kommt es aber jetzt darauf an, dass wir durch eine soziale und ökologische Politik innerhalb der EU – und die Politik wird durch die Mitgliedstaaten bestimmt – solche Faktoren wie Sozialneid, soziale Ungerechtigkeiten innerhalb der EU schrittweise beseitigen, damit nicht noch andere Länder eventuell auf die Idee kommen: Wir wollen uns mal trennen und machen unseren eigenen Mist. Diese Tendenzen gibt es, denen sollten wir entgegenwirken. Und wir werden spüren, was es bedeutet –

Herr Abgeordneter!

wenn wir dann plötzlich allein sein müssen bzw. ein Land austritt. Ich danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die AfD-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Rudy.

(Abg. Kubitzki)

Sehr geehrte Frau Parlamentspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer am Livestream oder am Fernseher! Die heutige Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Brexit: Eine Europäische Union ohne Großbritannien – mögliche Auswirkungen auf Thüringen“ können wir getrost unter der Aktennotiz „Grüne Weltrettungsfantasien“ der berühmten Rundablage zuführen.

(Beifall AfD)

Vermutlich um von den katastrophalen Zuständen im grün verwalteten Justizressort abzulenken

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

oder als Amtshilfe für die sonstigen überforderten Ressorts der Landesregierung – Stichwort „Bildungsmisere“ oder „Abschaffung der Straßenausbaubeiträge“ fallen mir da auf Anhieb ein – soll sich der Thüringer Landtag nun mit dem sogenannten Brexit befassen und womöglich hier in Erfurt die eierlegende Wollmilchsau finden, die im altehrwürdigen House of Commons immer noch fleißig gesucht wird. Frei nach Claudia Roth, Cem Özdemir oder Anton Hofreiter: „Am grünen Wesen soll die Welt genesen!“

(Beifall AfD)

Lassen Sie uns also die Begründung für diese Aktuelle Stunde näher betrachten. Dort ist von Kritik am demokratischen Zustandekommen der BrexitEntscheidung die Rede. Es wird auch behauptet, sogenannte Fake News hätten erheblich zur Entscheidungsfindung beigetragen. Unsere grünen Freunde von ganz links wissen also nicht nur, was besser für Europa ist, nein, sie wissen auch, dass 17.410.742 britische Wähler sich in erheblichem Maße von sogenannten Fake News in ihrer Ablehnung des „Bürokratiemolochs Europäische Union“ haben beeinflussen lassen. Und nicht nur das!

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Demokratiemoloch! Aber sonst geht‘s noch?)

Auch wenn Sie es in der Begründung für die Einbringung dieser Aktuellen Stunde nur am Rande erwähnen, wissen unsere grünen Freunde auch ganz genau, dass der Brexit, ob er kommt oder nicht,

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich bin übrigens nicht Ihre Freundin!)

ganz fürchterliche Auswirkungen auf Deutschland und auf Thüringen haben wird. Damit ist jedenfalls der Thüringen-Bezug hergestellt, der es uns allen

am heutigen Tag erlaubt, für jeweils 5 Minuten unsere Meinung zum Brexit kundzutun, und der es den Grünen erlaubt, Ängste zu schüren.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ängste schüren ist doch Ihr Job!)

Dabei dachte ich, dies sei unsere Aufgabe als böse, böse rechtspopulistische Fraktion. Bündnis 90/Die Grünen auf Abwegen!

(Beifall AfD)

Was wir in den letzten Tagen und Wochen in London und Brüssel erleben, ist jedenfalls der finale Beweis dafür, dass die Europäische Union mehr und mehr zu einer Sekte mutiert, aus der man zwar herauskommen kann, dafür aber teuer bezahlen und womöglich auch bluten muss. Von Anfang an stellte es die Europäische Schickeria aus seinerzeit noch Martin Schulz, inzwischen Jean-Claude Juncker, Michel Barnier und Guy Verhofstadt klar, man müsse die Wahl der Briten zwar widerwillig akzeptieren, man wolle ihnen das Leben aber nun möglichst schwer machen, um andere Völker und Nationen ja nicht auf die Idee zu bringen, Ähnliches zu wagen und über einen ebensolchen Austritt aus ihrer Sekte abzustimmen.