Protocol of the Session on February 1, 2019

(Beifall CDU)

Sie wollen genau denselben Staatsdirigismus, den die Kollegen von der linken Seite auch wollen. Ich meine, der Kollege Höcke hat uns ja hier ein VWLSeminar gegeben.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das se- he ich anders!)

Nur, mit Verlaub: 45 Beitragsjahre 10 Euro, um damit quasi die Rente zu begründen. Also mit Verlaub, Sie glauben doch nicht ernsthafterweise, dass wir jemals in Deutschland über 45 Jahre den gleichen Lohn gezahlt haben. Wir haben eine Lohnentwicklung, wir haben eine Inflation, all das muss angepasst werden. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Wir brauchen eine flexible Regelung und keine statuarische, die wir jedes Mal wieder anpassen müssen, wenn der Mindestlohn angepasst wird. Deswegen werben wir als CDU-Fraktion: Lasst uns beim bundesweiten Mindestlohn bleiben, keinen vergabespezifischen Mindestlohn, den Thüringen

immer wieder nachjustieren muss. Das ist die richtige Regelung und dafür setzen wir uns ein.

(Beifall CDU)

Dann kommen wir zu dem Thema „vergabefremde Kriterien“. Da sind ja jetzt viele benannt und auch da ist in der Evaluierung sehr klar geworden, dass diese vergabefremden Kriterien letztlich Ballast sind. Das ist auch das, was Ihnen die Kammern, die Unternehmen und alle anderen in das Stammbuch schreiben.

Natürlich ist es wünschenswert, ökologische und soziale Kriterien aufzulisten. Aber ich will noch mal daran erinnern: Vergaberecht, wo es schon schwer genug ist, Unternehmen dafür zu gewinnen, sich an den Ausschreibungen für öffentliche Aufträge zu beteiligen, da macht es doch bitte schön keinen Sinn, in einem Vergaberecht dann auch noch zu versuchen die Welt zu retten.

Wir wollen einfach dafür Sorge tragen, dass wir schlank, unbürokratisch und wirtschaftsfreundlich öffentliche Ausschreibungen machen können. Deswegen sind wir gegen vergabefremde Kriterien. Wie undurchsichtig das Ganze ist, wird auch daran deutlich, welchen Ringelpietz mit Anfassen sich das Ministerium geleistet hat, mal einen Kriterienkatalog aufzustellen, mal einen Kriterienkatalog wieder zurückzuziehen und jetzt den Kriterienkatalog vorzulegen, damit die Leute überhaupt ein Gefühl dafür haben, was Sie eigentlich unter ökologisch-sozialen Kriterien verstehen. Das zeugt doch davon, wenn Sie ein Gesetz vorlegen, was die Leute nicht mal draußen verstehen, und Sie sogar eine extra Handreichung für diese Kriterien machen müssen, wie überflüssig das ist, was Sie da hineinformulieren. Deswegen lehnen wir das Ganze auch ab.

Ich will Ihnen eines sagen: Es scheint ja auch so, dass Ihr Finanzministerium das in einer ähnlichen Art und Weise sieht. Ich habe mir einmal angeguckt, Ende des Jahres gibt es die dritte Änderung der Verwaltungsvorschrift zu § 44 der Thüringer Landeshaushaltsordnung. Was haben Sie da vorgelegt, Herr Schubert? Sie haben quasi vorgelegt, wie man eine Anpassung im vergaberechtlichen Sinne machen kann, damit man bestimmte Kriterien nicht erfüllen muss. Das haben Sie gemacht. Ich halte das für klug von Ihnen. Da haben Sie wirklich Ihren Job sehr gut gemacht,

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Macht er im- mer!)

denn es zeigt eines: Sie glauben ja selber nicht daran, was Ihr Wirtschaftsministerium vorlegt. Das zeigt auch, wie überflüssig dieser Kriterienkatalog

letztlich ist. Ich kann Sie nur beglückwünschen, Herr Schubert, dass Sie das getan haben.

In Ihrem Gesetz ist natürlich auch etwas Positives drin, nämlich die E-Vergabe. Super, finde ich richtig, die elektronische Vergabe. Aber mit Verlaub, da braucht es keine Anpassung in Ihrem Gesetz, denn das ist Bundesrecht. Das ist im Jahr 2017 im Februar beschlossen worden, in § 38 Abs. 3 ist die EVergabe ganz eindeutig geregelt. Deswegen glauben wir, dass diese E-Vergabe ein richtiger und wichtiger Weg ist. Aber bitte rühmen Sie sich doch nicht dafür, dass Sie das jetzt einführen. Es ist eine bundesgesetzliche Regelung, das hat die CDUBundesregierung gemacht und darauf können wir stolz sein. Das muss natürlich hier auch so genannt werden.

(Beifall CDU)

Ich denke, wir werden eine spannende Debatte im Ausschuss haben. Die wird am Ende dazu führen, dass Sie noch ein bisschen beim Mindestlohn nachjustieren, damit Sie die Linken zufriedenstellen. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie die AfDForderung mit 14 Euro Mindestlohn aufnehmen, aber man lässt sich ja überraschen.

(Beifall CDU)

Ich will noch auf einen Punkt hinweisen. Wir haben ganz konkret vorgelegt, was wir inhaltlich anders sehen, aber schon vor zwei Jahren, weil wir als CDU-Fraktion einen Ticken schneller arbeiten als Sie als Rot-Rot-Grün.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Wenn ich mir das anschaue und nur dieses Gesetz vergleiche, dann halte ich fest: Sie haben aus 23 Paragrafen 25 mit noch vielen Zusatzunterartikeln gemacht. Wir haben ein Vergabegesetz vorgelegt ohne vergabefremde Kriterien mit einem verbesserten Präqualifizierungsverfahren, wo wir von 23 Paragrafen auf 15 runter sind. Wir haben ein schlankes Vergabegesetz gemacht, was Sie sofort beschließen könnten.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Sie interessieren sich aber nicht für Löh- ne!)

Wenn wir in diesen Disput einsteigen, nämlich über die Frage, was die eigentlich richtige Lösung für dieses Land ist,

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Die einen sagen so, die anderen sagen so!)

dann kann ich Ihnen nur sagen, wir sind eigentlich froh über diese Debatte, weil sie eins offenlegt, dass offensichtlich die Wirtschaftspolitik von AfD bis

zur Linken eine andere ist als die, die wir als CDU präferieren. Das werden wir den Unternehmern in diesem Freistaat in 2019 sagen. Ich bin mir sicher, mit uns gibt es bessere Vergaberechtsregeln. Dafür setzen wir uns ein und deswegen werden wir auch gegen Ihr Vergabegesetz kämpfen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Danke schön. Als Nächster spricht Abgeordneter Müller von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, erst einmal vielen Dank an Herrn Minister Tiefensee für die Vorlage des Thüringer Vergabegesetzes. Ich weiß, dass Sie, Herr Tiefensee, in einem breiten Beteiligungsverfahren die Interessen – und das möchte ich noch einmal betonen – aller gesellschaftlichen Gruppen in Verbindung mit den Interessen der Wirtschaft diskutiert haben. Das war vorbildlich. Das vorgelegte Vergabegesetz ist deshalb aus unserer Sicht ein Kompromiss, um allen diesen Interessen gerecht zu werden. Unser Ziel muss es bei wirtschaftspolitischen Eingriffen immer sein, das von der CDU aufgebaute Image Thüringens als Billiglohnland loszuwerden, denn dieses hat in den vergangenen 25 Jahren dazu beigetragen, dass wir in vielen Bereichen keine auskömmlichen Löhne zahlen konnten oder gezahlt wurden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusätzlich merkt man daran, dass es insbesondere immer wieder die Fachkräfte sind, die unser Land verlassen und sich nach Arbeit in anderen Bundesländern umgeguckt haben, in denen weitaus höhere Löhne gezahlt worden sind. Um eine Vorbildfunktion zu übernehmen, muss der Freistaat mit einem vergabespezifischen Mindestlohn unserer Meinung nach ein Zeichen für gerechte und lebenswerte Löhne setzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie das gelingen kann, dazu komme ich später noch einmal.

Ein zweiter Schwerpunkt liegt bei der Entbürokratisierung. Im Gegensatz zu den Unkenrufen aus der Oppositionsecke, Herr Voigt, hilft dieses Vergabegesetz durchaus, Bürokratie abzubauen, beispiels

(Abg. Prof. Dr. Voigt)

weise durch das Bestbietersystem. Dort heißt es, dass vorzulegende Erklärungen und Nachweise zur Tariftreue und zur Entgeltgleichheit, zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen, zum Nachunternehmereinsatz, zu Kontrollen und Sanktionen nur von demjenigen Bieter vorzulegen sind, dem nach Durchführung der Angebotswertung der Zuschlag erteilt werden soll.

Wissen Sie, Herr Voigt, in meinem Ingenieurbüro erbringen wir Leistungen aus dem Bereich des Bauhauptgewerbes. Ich möchte Ihnen nur an einem kleinen Beispiel dokumentieren, wie es bisher aussieht. Wir erbringen für eine ganze Reihe von Tiefbauunternehmen Prüfleistungen, beispielsweise Lastplattendruckversuche, um zu bewerten, trägt der Baugrund tatsächlich, wie in dem Gutachten vorgegeben. Die kosten so Pi mal Daumen 100 Euro. Hierfür mussten wir bisher als Nachauftragnehmer in einer ganzen Kette von weiteren Bietern bis zu 12 Seiten Formulare ergänzen und unterschreiben. Da sie für jedes Bauvorhaben separat auszufüllen waren, konnten wir den anfragenden Kunden auch nicht einfach erklären: Komm, nimm das alte Angebot, da steht eh alles drin, das kannst du weiterverwenden. Sondern wir mussten jedes Mal neu ausfüllen und das hat nicht wirklich Spaß gemacht. Aber wir haben uns immer wieder beworben, auch wenn es nur um 250 Euro ging, weil wir eine feste Kundschaft haben, die wir an der Stelle auch nicht verlieren wollten, und zu ihr stehen. Die Neuregelungen, die jetzt eingeführt werden, befreien uns schlicht und ergreifend davon, weil wir nämlich dann tatsächlich nur noch in sechs oder sieben Fällen, in denen dieses Hauptangebot einen Zuschlag bekommen kann, diese Unterlagen nachliefern müssen. Also wir würden das deutlich merken. Das ist doch eine eindeutige Verbesserung und entlastet die Thüringer Unternehmen. Dann brauchen Sie auch nicht mit einem Einzelbeispiel zu kommen, einem GU-Vertrag, der meines Wissens unter einer CDU-geführten Landesregierung ausgehandelt worden ist, denn ein solcher GU-Vertrag richtet sich an die ganz Großen in der Baubranche und eben nicht an den vielfältigen Mittelstand, den wir in Thüringen haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind eben nicht die kleinen Handwerkerbetriebe, die da drinsitzen, sondern es ist ein großer Generalunternehmer, der dann hinter sich bündelt, was er noch dazu braucht, und zusammenführt.

Ein drittes Beispiel ist die Anhebung der Wertgrenzen von 500 auf 1.000 Euro für Direktaufträge ohne Vergabeverfahren. Weitere solche Beispiele könnten wir aufzählen.

Der dritte Schwerpunkt ist die Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Kriterien beim Vergabeverfahren. Herr Voigt, das, was Sie hier gerade präsentieren, ist Klientelpolitik. Sie suchen sich die Klientel – die Thüringer Wirtschaftsunternehmen – heraus und verlieren dabei schlicht und ergreifend die Gesamtheit des Freistaats.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Nein, natürlich, da können Sie protestieren. Das ist auch Ihr gutes Recht. Das, was wir mit ökologischen und sozialen Kriterien bewirken wollen, ist, in einem bestimmten Segment tatsächlich auch eine Nachfrage hervorzurufen. Ich glaube sehr weit auch an die Macht des Marktes, aber ich glaube nicht in jedem Detail daran. Ich denke, dass wir auch als öffentliche Hand die Aufgabe haben, bestimmte Positionen und Nachfragen anzuregen, was wir übrigens auf Europa- und Bundesebene mit diversen Förderprogrammen im Technologiebereich immer wieder machen. Hier haben wir als Freistaat die Möglichkeit, es über dieses Gesetz tatsächlich auch einzufordern.

Neu ist etwas – was wir ausdrücklich begrüßen –, dass durch die Bonusregelung bei gleichwertigen Angeboten bei der Zuschlagserteilung das Angebot stärker Berücksichtigung findet, das eben diese sozialen und ökologischen Kriterien erfüllt. Diese Kriterien umfassen beispielsweise den Anteil sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer – das muss für uns ein Kriterium sein –, die Einbeziehung von Azubis, Langzeitarbeitslosen oder schwerbehinderten Menschen, die ökologische und soziale Verträglichkeit der verwendeten Produkte einschließlich ihrer Herkunft und Produktion, die Energieeffizienz und die Förderung von Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen. Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir Aufträge an Unternehmen vergeben wollen, die sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung auch bewusst sind. Sie sind nicht losgelöst von dem Rest des Handelns hier im Freistaat. Wir senden damit auch ein Signal an die Bevölkerung, dass wir uns zu einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft bekennen.

Der vierte Schwerpunkt ist die stärkere Berücksichtigung des Lebenszyklusprinzips bei der Beschaffung von Investitionsgütern ab einem Stückwert von 1.000 Euro – das ist schon eine relativ hohe Grenze. Dabei spielen zukünftig nicht mehr nur die reinen Anschaffungskosten nach dem Motto „Geiz ist geil“ eine Rolle, denn dann schaffen wir möglicherweise vielfach ein und dasselbe Wirtschaftsgut in sehr kurzen Zyklen an, sondern es sollen auch die

voraussichtlichen Betriebskosten, die Nutzungsdauer und die Entsorgungskosten berücksichtigt werden. Es geht hier um mehr Nachhaltigkeit, und das heißt Langlebigkeit und Umweltverträglichkeit von Gütern. Dass uns die Regelungen für die Umsetzung zur Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Kriterien bei der Auftragsvergabe und die Verbindlichkeit zur Anwendung des Lebenszyklusprinzips nicht weit genug gehen, haben wir bereits im Vorfeld der Einbringung des Gesetzes verlauten lassen. Es ist ein Anfang, wir werden auch weiter bei den Beratungen im Ausschuss und innerhalb der Koalition hierbei konstruktiv mitdiskutieren.

Ich komme noch einmal auf den vergabespezifischen Mindestlohn zu sprechen. Thüringen ist nicht das erste Bundesland, das einen vergabespezifischen Mindestlohn einführt. In keinem der Bundesländer, die zurückliegend einen solchen Mindestlohn eingeführt haben, wurde im Anschluss eine wirtschaftliche Rezession oder gar eine Abwanderung von Unternehmen oder ähnliche Szenarien festgestellt, wie sie hier durch die Opposition aufgezeigt werden. Hingegen ist ein vergabespezifischer Mindestlohn eine reelle Chance, um das Image Thüringens als Billiglohnland loszuwerden und den Menschen einen Lohn zu garantieren, der es eben ermöglicht, jetzt und im Alter davon auskömmlich zu leben. Die CDU wendet sich gegen eine solche Regelung und geißelt sie – wir haben es gehört – als „rot-rot-grüne Sozialismusfantasie“, wohlwissend, dass die CDU-SPD-Regierung in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls einen solchen vergabespezifischen Mindestlohn eingeführt hat. Es gibt also keine sachlichen Gründe, einen vergabespezifischen Mindestlohn abzulehnen, sondern es gibt offensichtlich wahltaktische Gründe und weil sich Teile der CDU-Fraktion ihre Freunde aus den Wirtschaftsverbänden nicht vergraulen wollen. Doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, da machen wir nicht mit.

Jetzt gibt es einen offenen Dissens – das haben wir gemerkt – in der Koalition über die Höhe des Mindestlohns, der zwischen der SPD und den Linken geführt wird. Ganz ehrlich: Ich hätte mir gewünscht, wir hätten das im Vorfeld klären können. Jetzt haben wir die Debatte in der Öffentlichkeit und im Ausschuss. Herr Tiefensee hat als Vorsitzender der SPD einen Mindestlohn von 12 Euro gefordert, die Linke fordert auch einen Mindestlohn von 12 Euro – so weit kein Unterschied. Jetzt empfiehlt das Wirtschaftsministerium einen Mindestlohn von 9,54 Euro, korrigiert diesen allerdings auf 10,04 Euro am Tag der Kabinettsbefassung. Die Begründung, die das Wirtschaftsministerium dafür liefert, ist meines Erachtens der eigentliche Knackpunkt in der Diskussion. Dort wird angeführt, dass

europarechtliche Vorgaben einen höheren vergabespezifischen Mindestlohn verhindern würden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Das glaube ich nicht!)

Wenn das unsere Hürde ist, müssen wir genau dort ansetzen und die Argumente anhand von Gerichtsurteilen und Gutachten überprüfen.