Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste auf der Tribüne, jetzt haben wir schon sehr lange und auch heute nicht zum ersten Mal und sicherlich auch nicht zum letzten Mal über die Thematik Mindestlohn gesprochen. Herr Dr. Voigt, auch vielen Dank für Ihre sehr breit aufgestellte Rede, ich denke, da ist von den Fakten wenig hinzuzufügen. Erlauben Sie mir nur, sehr verehrtes Haus, ein paar Ergänzungen, und zwar von der Seite der Empfänger der sicherlich emotional nicht zu widersprechenden Forderungen aus betrachtet, dass jeder ein einkömmliches Einkommen erzielen soll, betrachtet nämlich von denjenigen, die Lohnempfänger sind, vonseiten der Arbeitnehmer.
Die rot-grüne Regierung unter Führung von Herrn Schröder und Herrn Fischer hat ja vor Jahren beschlossen mit der Hartz-IV-Gesetzgebung, dass wir in Deutschland ein Mindesteinkommensgefüge haben. Das finde ich nicht in allen Formen im Jahr 2012 noch tauglich, um alle Probleme des Alltags zu lösen, aber wir haben uns eben in diesem Jahr oder damals entschieden, ein Mindesteinkommenssystem zu fahren. Insofern haben wir eine Gesetzgebung und eine Konstruktion, die jedem Deutschen, sei er Arbeitnehmer oder sei er kein Arbeitnehmer, ein Einkommen sichert, das diskutabel oder nicht zur Gestaltung seines Lebens genügt. Wenn wir jetzt die Tarifparteien mit Gesetzgebungswünschen aushebeln und Mindestlöhne fordern - heute sind es mal 8,50 €, dann hatten wir in den Debatten der letzten Wochen und Monate verschiedene Ansätze der Lohnfindung und es ging ja auch weiter bis 12,40 €, wenn ich das eben richtig vernommen habe -, dann ist das alles sehr diskutabel von der Seite der Arbeitnehmer betrachtet. Und das wurde auch heute schon einmal gesagt, wir haben ca. 392.000 Aufstocker, die einem Vollzeiterwerb nachgehen. Wenn wir die Studie zu Ende lesen, wissen Sie auch, dass der heute aufgerufene Mindestlohn von 8,50 € von diesen 392.000 Menschen nur 120.000 aus dem Aufstockerbereich entfernen würde, weil Tatsache ist, dass natürlich viele Lebensentwürfe anders aussehen als das, was Sie eben zitiert haben: Pfändungsfreigrenze, Mindesteinkommenstatbestände. Viele haben natürlich einen Lebensentwurf gewählt, wo sie auch verpflichtet sind, anderen Leuten Unterhalt zu gewähren. Wenn man einer Familie mit vier Kindern, wenn man das mal unterstellt, ein Entkommen aus
Jetzt zurück zu den eigentlichen Parametern. Natürlich möchten wir jedem Menschen in Deutschland auch über seine persönliche Arbeit ermöglichen, seinen eigenen Lebensentwurf mit Einkommenstatbeständen zu gestalten. Aber es wird halt schwerfallen an den Grenzen - auch das ist zitiert worden von Herrn Dr. Voigt und auch von anderen -, wo wir natürlich Widerstände haben bei der Produktivität, bei den Kosten des Arbeitgebers. Wenn wir heute darüber diskutieren, dass wir über eine Gesetzgebung jedem Deutschen oder den Deutschen, die betroffen sind, 1 € mehr zahlen wollen - und das gehört auch zur Wahrheit hinzu -, ist in den meisten Bereichen nämlich eines zu verzeichnen: Bei den begünstigten oder von uns zu begünstigten Arbeitnehmern kommen etwas weniger als 50 Cent an. Das ist der Effekt, der sich netto bei den Arbeitnehmern einstellt. Die Arbeitgeber sind belastet mit 1,30 €, 1,35 € und irgendwann sind sie in dem Bereich der Grenzkosten, dass gewisse Menschen dann zu dieser Lohnsteigerung, zu dieser Kostensteigerung nicht mehr beschäftigt würden. Diese Effekte haben wir in Ländern der Europäischen Gemeinschaft und auch außerhalb, Sie haben es zitiert, wo wir sehen, dass Frauen niedrig qualifizierte und auch vor allen Dingen Jugendliche - Frankreich ist zitiert worden mit 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, Spanien haben wir gerade 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit -, dass gerade dann diese Menschen aus dem Arbeitsprozess ausgegrenzt sind. Insofern ist dieser Weg, den Sie hier vorschlagen, eher ein Weg, Leute auszugrenzen aus dem Arbeitsmarkt, aus der Teilhabe am Arbeitsleben, als in dieses Arbeitsleben hineinzubringen.
Gerade deshalb haben wir eben diesen Weg über dieses Mindesteinkommenssystem Hartz IV gewählt. Glauben Sie mir, ich bin da auch Kritiker, denn wenn ich einmal drinstecke in diesem System, das ist die Kritik und der müssen wir uns wirklich offen stellen, wie komme ich da wieder raus. Das ist leistungshemmend, diese Systematik, die wir heute haben, indem man nur ab gewissen Grenzen - ich will es jetzt nicht zu weit austarieren - nur 20 Prozent des Mehrverdienstes, den ich zu meiner Aufstockerleistung, zu meinem Hartz-IV-Bezug bekomme, behalten kann. Insofern gibt es das liberale Bürgergeld, Bürgergeldmodell, negative Einkommensteuer, die sagen, okay, wir müssen zu einem Systemwechsel kommen, der da vorsieht, es muss sich die Arbeitsaufnahme in jedem Falle lohnen, denn jeder in Deutschland hat ein Talent, was er im Arbeitsmarkt einbringen kann. Jeder kann mit seinem Talent teilhaben an der volkswirtschaftlichen Leistung und es muss sich auch für ihn lohnen. Da ist das System zurzeit etwas leistungshemmend
und sicher verbesserungswürdig. Aber was Sie vorschlagen, nützt den eigentlich Betroffenen sehr wenig. Wie gesagt, es kommen nur ganz wenige aus dem tatsächlichen Aufstockerbereich heraus, die Zahl 1,2 Mio. ist ja auch genannt, wie auch immer sie nun tatsächlich heute ist, aber die meisten haben die Zahl der Vollzeitbeschäftigten, das sind 400.000, der große andere Rest sind Teilzeitbeschäftigte, die aus ihrem Lebensentwurf heraus gesagt haben, ich habe Kinder, ich habe welche Aufgabe auch immer, ich kann nicht mehr arbeiten. Wenn wir die alle aus dem Leistungsbezug heraushaben wollen, sind wir bei Mindestlöhnen von 14,00/15,00 €. Meine Damen und Herren, die Produktivität wird nicht Schritt halten. Keiner leugnet, dass es in der Bundesrepublik gelungen ist, in den letzten Jahren trotz der Krise von 2008 - Herr Lemb, da verkennen Sie die Zahlen - die Produktivität, die gesamtvolkswirtschaftliche Leistung zu steigern verglichen mit 2005, wo die Hartz-IV-Gesetzgebung zum ersten Mal gewirkt hat, auch wenn man die Delle über 2008 und 2009 betrachtet, die wir durch die Finanzkreislaufkrise damals hatten. Es nehmen mehr Leute am Erwerbsleben teil, deutlich mehr, und erwirtschaften auch deutlich mehr. Der Rest, da können wir lange diskutieren, ist Statistik - Winston Churchill hat es gesagt, glaube nur der, die du selber beeinflusst hast -, mehr will ich gar nicht sagen. Aber es ist ein mehr als lohnenswertes Ziel, alle Leute in Beschäftigung zu bekommen und auch darin zu halten und nicht durch irgendwelche Konstruktionen wieder auszugrenzen.
Zu unserer Haltung zur Entlohnungsstrategie in der Republik: Wir werden uns keinem Weg verweigern, der den Tarifparteien - und das müsste Ihnen gerade als Gewerkschafter - mehr Möglichkeiten gibt auf tariflicher Basis - und das ist auch Grundgesetz - zur Lohnfindung der Tarifparteien beizutragen.
Wenn wir da Schwächen, weiße Flecken oder Ähnliches in der Republik haben, dann müssen wir daran arbeiten. Da gibt es ja auch Tendenzen, auch durch die Regierung in Berlin, zu sagen, okay, wir sind auf dem Weg, das Tarifrecht und die Möglichkeit, die Tariffreiheit, die Vertragsfreiheit in Deutschland wieder zu gestalten oder gestaltungsfähig zu machen aufgrund von niedrigen Organisationsraten oder Ähnlichem, diesen Weg wieder zu beschreiten. Ob das die Kommissionen sind, die Sie hier vorschlagen - ich halte es für sehr problematisch, das regional und branchenspezifisch für ganz Deutschland in Berlin mit einer Kommission zu regeln. Genauso problematisch wird es sein, Ihrem Vorschlag folgend in diesem Gesetzentwurf für Thüringen, das mit einer Kommission zu regeln. Sie haben in Thüringen regionale Unterschiede, Sie haben Branchenunterschiede. Das mit einer Kommis
sion, angereichert mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern oder nur mit politisch orientierten Menschen zu lösen, wird an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigehen. Das Bedürfnis der Menschen, mehr Lohn zu verdienen - dem will ich gar nicht entgegentreten -, wird eine Kommission nicht lösen, beziehungsweise wir haben ja Kommissionen, denn wir haben von Arbeitgeber- und von Arbeitnehmerseite in vielen Bereichen Tarifparteien, die handeln, aber zugegebenermaßen heute nicht mehr allgemeinverbindlich handeln können, weil wir weiße Flecken in den Organisationsgraden haben. Bei deren Stärkung haben Sie unsere Stützung. Aber wir haben diese Kommissionen, die sollten wir stark machen, die sind branchenversiert, brancheninteressiert und kennen die Zahlen vor Ort, regional, branchenspezifisch. Wir müssen sicherlich daran arbeiten, dass die für die Beschäftigten im guten Ausgleich mit den Unternehmern - das ist bewährte Praxis seit über 60 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, auch mit Erfolgsmodell für den Aufschwung in diesem Land, dass die arbeiten können, ihre Festlegungen treffen können. Da haben Sie unsere Unterstützung, damit jeder in der Branche transparent und abhängig davon, was möglich und machbar ist, auch handeln kann, das werden wir auf jeden Fall unterstützen. Insofern sind wir sehr gespannt auf die Diskussion im Haushaltsausschuss und werden diese Überweisung auch unterstützen. Vielen Dank.
Herr Kollege Kemmerich, ich habe gerade in den Pressemeldungen gelesen, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines branchenspezifischen Mindestlohns für den Einzelhandel gescheitert ist. Das wird gerade vermeldet. Dieses ist daran gescheitert, weil die entsprechende Quote im Rahmen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht hergestellt werden konnte. Das haben Sie auch gerade angesprochen. Würden Sie und Ihre Fraktion sich auch gemeinsam mit der Fraktion im Bundestag für eine Reformierung dieser gesetzlichen Regelung in der Bundesrepublik in der Bundesregierung - das heißt, für eine Senkung der Hürde oder der Quote einsetzen, damit eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung leichter möglich ist?
Herr Lemb, das ist genau das, was ich angesprochen habe, vielen Dank noch mal für das Stichwort. Genau darum geht es, diese starre Quote von 50 Prozent, die ja zu erreichen ist, den Organisationsgrad - sei es arbeitgeberseitig, Beschäftigungsquote, Berufsgenossenschaft, was alles herangezogen wird, oder auf der Seite der Arbeitnehmerorganisationen, die entsprechend nachzuweisen ist halte ich nicht mehr für zeitgemäß. Insofern sind wir bereit - und das hat die Bundesregierung ja auch auf den Weg gebracht -, Mindestarbeitsbedingungsgesetz und andere Tatbestände zu erleichtern, allgemeinverbindliche Regeln, die dann Gesetzescharakter haben, herzustellen, diesen Weg zu erleichtern. Die Grenze ist - das haben wir bei dem Postzustellungstarif damals gesehen - da zu ziehen, wo dann Minderheiten zulasten von Mehrheiten Tarifabschlüsse machen und damit wettbewerbsverzerrend eingreifen. Aber da kann man Kommissionen bilden, die darüber wachen, dass kein Missbrauch getrieben wird und dass Tarifverträge, die den ehrlichen Interessen von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite entsprechen, auch wenn die Quote von 50 Prozent unterschritten ist, Mindestlohncharakter erhalten, sprich allgemeinverbindliche Erklärung bekommen und damit für alle Beschäftigten in den jeweiligen Branchen wirken. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder dritte Thüringer, jede dritte Thüringerin arbeitet unter 8,50 €. Das ist nicht hinnehmbar. Mein Eindruck nach der Debatte ist, dass das fast allen Fraktionen in diesem Haus so geht, dass sie das als nicht hinnehmbar einschätzen. Ich will mich deswegen ausdrücklich bedanken für die größtenteils sachliche Debatte. Ich will mich auch bedanken insbesondere beim DGB und bei ver.di, die unseren Gesetzentwurf in der Erarbeitung mit begleitet haben. Wir reden über drei entscheidende Fragen in der Mindestlohndebatte.
Die erste Frage ist die der Würde. Das Berliner Institut für christliche Ethik und Politik publizierte kürzlich einen Artikel zum Mindestlohn. Da hieß es, ich will das gern zitieren: „Ein Mindestlohn ist dann gerecht, wenn er ermöglicht, dass die Menschen in einem Arbeitnehmerhaushalt bei einer Erwerbsbeteiligung von 100 Prozent menschenwürdig leben können.“
Genau darum geht es, um eine Frage der Würde. Mit dieser Einschätzung der Menschenwürde sind wir nicht allein. Der SPD-Fraktionschef in Bremen, Björn Tschöpe, hat sich letztens genau zur Frage des Mindestlohns geäußert. Übrigens ist das Mindestlohngesetz dort ein Entwurf der rot-grünen Koalition. Herr Tschöpe sagte Folgendes: „Dass es Arbeitsverhältnisse gibt, wo Menschen einen ganzen Tag arbeiten und dann auf Sozialhilfe angewiesen sind, halten wir nicht für eine Zierde dieses Landes, sondern eher für eine Schande.“ Ja, dem ist nichts hinzuzufügen.
Herr Tschöpe, Sie haben recht. Deswegen ist Bremen auch diesen Weg gegangen mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsam. Deswegen unterstützen wir das auch, weil der Mindestlohn eine Frage der Würde und der Gerechtigkeit ist, insbesondere für jene, die es betrifft in Thüringen, die immer noch unter 8,50 € arbeiten. Das sind zuvorderst Frauen. Es sind sehr junge Menschen, eher sehr ältere Menschen und alleinerziehende Familien mit Kindern, die betrifft es insbesondere. Diejenigen sind immer noch arm trotz Arbeit. Das ist ein Punkt, der uns nicht egal sein kann.
Es geht zum Zweiten auch bei der Debatte um eine Frage der Ehrlichkeit. Da schaue ich mal in die Reihen der CDU. Sie haben jahrelang in diesem Land das Niedriglohnimage gepflegt, gehegt und gepampert, wo es nur ging.
Thüringen ist das Land, wo man so billig produzieren kann, wie nirgendwo sonst. Das haben Sie jahrelang gepflegt. Das haftet uns nach wie vor an. Diese Scheinbewegung, die Herr Dr. Voigt hier heute produziert hat, die erinnert mich sehr an das Gebaren der CDU auf Bundesebene, wo man nichts anderes macht, als einen windelweichen Kompromiss beim Mindestlohn zu erzielen und dann so zu tun, als hätte man sonst was geboren. Das ist nichts anderes als ein Mindestlohn light, der nicht wirksam ist, weil Sie genau wissen, dass all jene Branchen ausgenommen sind, wo es einen Tarifvertrag gibt. Die Frisörin, die für 3,82 € arbeitet, trotzdem für 3,82 € weiterarbeitet.
Dann tun Sie so, als sei das irgendein Wurf und als hätte die CDU den Mindestlohn erfunden. Das finde ich scheinheilig.
Der dritte Punkt nach der Frage der Würde, der Gerechtigkeit, nach der Frage der Ehrlichkeit ist für mich die Frage der Wirtschaftlichkeit. Ja, aufstocken kostet den Staat Geld und nicht wenig. Die Prognos-Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung geht davon aus, dass 7 Mrd. € der Steuerzahler sparen könnte, 7 Mrd. € dem Staat zusätzlich in die Kassen fließen würden, wenn vernünftig gezahlt werden würde in diesem Land. Mindestlohn ist also ein Punkt, der auch volkswirtschaftlich überaus vernünftig ist. Wer, meine sehr geehrten Damen und Herren, ernsthaft die soziale Marktwirtschaft pflegen will, der sollte sich einem Ordnungsrahmen für faire Arbeitsbedingungen in diesem Land auch nicht verschließen
und sollte auch mit diesem Gesetz dazu stehen. Ich will diesen Punkt, weil er mir sehr wichtig ist, auch noch mal vertiefen. Die Wirtschaft selbst, die Unternehmer selber sagen, hier kämpfen wir gegen unlautere Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt, weil Dumpinglöhne gezahlt werden. Darauf kann man doch nicht nur mit einem Schulterzucken reagieren, da kann man doch nicht so tun, als regelt sich alles von allein. Deswegen noch mal: Wer es ernst meint damit, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gut verdienen sollen für gute Arbeit und wer ernsthaft auch möchte, dass es um gute Arbeitsplätze geht, und wer ernsthaft möchte, dass die Menschen bei uns vernünftig entlohnt werden, der tritt nicht auf die Gerechtigkeitsbremse, sondern der löst den Hebel und fährt endlich richtig los, weil dann kommen wir auch dazu, dass wir einen flächendeckenden Mindestlohn haben, den brauchen wir auch, anders funktioniert das nicht. Jetzt komme ich noch mal zu Herrn Voigt. Opposition muss Spaß machen, was spricht denn dagegen, Koalieren kann doch von mir aus auch Spaß machen.
Was ist denn Ihr Problem? Mir war nicht klar, dass Sie so eine Spaßbremse sind, das ist mir neu. Also wenn Sie damit ein Problem haben, bitte sehr. Zum Thema, wie sieht es denn aus mit Branchenmindestlohn in der Bundesrepublik? Nicht nur die zitieren, die zufällig über 8,50 € liegen, schauen wir uns doch mal an, wen es denn im Land betrifft. Ich erwähnte vorhin, dass wir vor allen Dingen bei der Frage Gebäudereinigung in der öffentlichen Vergabe durch das Land nicht 8,50 € zahlen - ich sage Ihnen warum -, weil in diesem Bereich der Mindestlohn im Osten bei 7,00 € liegt. Wie sieht es aus im Sicherheitsgewerbe? Sie sind heute alle hier durch die Tür gekommen und an den Sicherheitsleuten vorbei. Der Mindestlohn im Osten im Sicherheitsgewerbe liegt bei 6,53 €. In der Abfallwirtschaft, die Herr Dr. Voigt erwähnte, im Osten liegt der Mindestlohn bei 8,33 € und beim Wäschereigewerbe,
was auch die eine oder andere öffentliche Einrichtung betreffen dürfte, liegt er bei 6,75 €. Haben Sie einmal die Zahl gehört, die über 8,50 € ist? Nein, weil es sie nicht gibt.
Das ist der Punkt, wir brauchen den Mindestlohn, wir brauchen das Bekenntnis der öffentlichen Hand, wir vergeben Aufträge nur dann, wenn vernünftig gezahlt wird.
Das Bekenntnis sind Sie uns heute, bei allem Geschwurbel was ich hier gehört habe, leider schuldig geblieben. Vielleicht kommt das ja dann noch im Haushaltsausschuss. Übrigens, an dieser Stelle möchte ich auch gern die Überweisung an den Wirtschaftsausschuss beantragen und hätte mich auch gefreut, wenn der Wirtschaftsminister der Debatte beiwohnt, aber vielleicht kann man das an der Stelle dann einfach auch noch mit ihm vertiefen, wenn es soweit ist.
Zwei Punkte noch: Zum einen sagt hier Herr Lemb, wir wollen keinen Flickenteppich. Das stimmt, wir wollen keinen Flickenteppich, aber uns fällt als GRÜNE nichts anderes ein, als in Thüringen voranzugehen, bis es auf Bundesebene endlich eine Regierung gibt, die sich dazu bekennt, dass wir gute Löhne in dieser Republik haben wollen. Und da wir nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten wollen und auch nicht wissen, wie die Bundestagswahl nächstes Jahr ausgeht, ist das hier unser Angebot, dass im Übrigen in Bremen Rot-Grün auch selbst unterstützt beziehungsweise initiiert hat, um hier voranzukommen. Der Flickenteppich erzeugt in seiner Gesamtheit am Ende vielleicht auch den Druck, so dass die nächste Bundesregierung, wie immer sie aussieht, sich dem auch nicht entziehen kann. Und noch ein Punkt: Herr Lemb, Sie sagten, Sie haben mit § 5 - da geht es nämlich darum, dass öffentliche Aufträge nur an solche Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsvergabe auch verpflichten, entsprechend zu zahlen - ein Problem. Das ist aber der Kern unseres Gesetzes. Der Kern des Gesetzes ist, dass öffentliche Vergabe sich an Mindestlohn orientiert, darüber werden wir noch zu diskutieren haben.
Jetzt will ich noch zu Herrn Kemmerich kommen: Danke für die ausgewogene und sachliche Rede. Sie fragen berechtigt, kann die Kommission das? Wir wissen es nicht. Wir haben gesehen, dass in Großbritannien die Low Pay Commission genau das tut, was wir auch für Thüringen wollen. Da setzt sich eine Kommission aus neun Leuten zusammen - Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Wissenschaftler und prüft, was richtig ist und was nicht. Dort funktioniert es. Es kann sein, dass es vielleicht hier nach einem Jahr, wenn es denn eingeführt werden sollte, andere Erfahrungen gibt. Das muss man sehen,
das ist richtig, dann kann ich Ihnen nur folgen. An der Stelle ist es unser Vorschlag, um die Lohnuntergrenze nach unten nicht zu deckeln, sondern um ein Angebot zu bieten. Man kann diese Kommission auch anders besetzen, es ist alles offen, aber das ist unser Angebot, unser Diskussionsangebot, um die Grenze nach unten zu deckeln einerseits und auf der anderen Seite nach oben nicht zu sagen, wir legen das willkürlich politisch fest. Das ist nämlich der Punkt, Mindestlohn soll kein Polit-Pingpong sein, sondern soll auch Stabilität bieten und deswegen die Idee einer unabhängigen Kommission. Ich möchte mich noch mal bedanken für die vielen sachlichen Argumente und freue mich auf die Debatte im Ausschuss vielleicht.