Sie haben doch selbst, aus meiner Sicht, Herr Finanzminister, eine überzeugende Argumentation hier geliefert. Sie haben gesagt, es geht um eine Schutzfunktion für den Steuerpflichtigen. Nein, sie ist eben nicht da mit der Beschlussfassung, weil die Öffentlichkeit erst mit der öffentlichen Bekanntmachung davon ausgehen kann, dass diese Hebesätze dann auch wirklich in Kraft treten. Bis dahin ist es eine deklaratorische Entscheidung, also eine Willensbekundung, aber sie schafft kein Ortsrecht, keine Verbindlichkeit für den Steuerpflichtigen. Ich darf Sie daran erinnern, dass die Finanzbehörden inzwischen unterscheiden zwischen einer verbindlichen Auskunft im Steuerrecht, die ist gebührenpflichtig inzwischen, und einer allgemeinen Auskunft. Wenn ich zum Finanzamt gehe und dort eine Frage stelle, dann fragen die mich: Wollen Sie eine Antwort haben, die verbindlich ist, oder wollen Sie mal meine Meinung hören. Wenn ich sage, ich will eine verbindliche Auskunft, dann rechnen die erst
mal und dann wird eine Gebühr fällig; so weit ist es in diesem Land gekommen. Genauso muss der Bürger gegenüber der Gemeinde zunächst davon ausgehen, der Gemeinderat kann erst mal alles beschließen, inwieweit das tatsächlich Ortsrecht wird, entscheidet eben auch der Staat mit über die Rechtsaufsichtsbehörde. Insofern ist hier eine Regelungslücke. Wir haben eine Kompetenz. Ich werbe noch einmal dafür, diese Diskussion vertiefend mit Experten im Rahmen einer Anhörung im Ausschuss zu debattieren. Da kann dann auch Frau Lehmann mit Praxisbeispielen konfrontiert werden. Ich bin überzeugt, am Ende werden Sie unserem Vorschlag folgen, weil er im Interesse der Gemeinden ist, er ist im Interesse der Rechtsaufsichtbehörden und vor allen Dingen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Ich höre am Tag mehrfach, dass alle hier im Haus immer die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Blick haben.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuschel. Gibt es weiteren Redebedarf? Herr Finanzminister Dr. Voß, bitte.
Ich würde gern noch einmal feststellen, dass es kein Regelungsbedürfnis gibt, allein daran fehlt es schon, Herr Kuschel, weil diese beiden Gesetze, Grundsteuergesetz und Gewerbesteuergesetz, die Schutzfunktion gegenüber dem Bürger, soweit es sich um Erhöhungsbeschlüsse handelt, voll wahrnimmt. Wenn im weiteren Verfahren diese Beschlüsse nicht genehmigt werden, erlebt der Bürger eine positive Überraschung und davor braucht er nicht geschützt zu werden.
Also es gibt kein Regelungsbedürfnis und, Herr Kuschel, es gibt auch keine Regelungskompetenz. Wenn Sie in andere Gefilde des Kommunalrechts abschweifen, dann können Sie alles nehmen, aber bestimmt nicht das Bundesgesetz für Grundsteuer und für Gewerbesteuer. Das können Sie nicht dafür nehmen.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe jetzt keinen Redebedarf mehr. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es wurde beantragt, diesen Gesetzentwurf zu überweisen an drei verschiedene Ausschüsse.
Wir beginnen mit der Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? Die kommen aus den Fraktionen FDP, CDU und SPD. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisung abgelehnt.
Die zweite Überweisung betrifft den Antrag auf Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss. Wer sich dem anschließt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Danke schön. Gegenstimmen? Die kommen aus den Fraktionen SPD, CDU und FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisung abgelehnt.
Die dritte Überweisung ist der Antrag auf Überweisung an den Innenausschuss. Wer sich dem anschließen kann, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? Die kommen aus den Fraktionen CDU, FDP und teilweise SPD. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es jetzt auch nicht?
Gut. Also mehrheitlich ist auch diese Überweisung abgelehnt. Damit ist die Überweisung komplett abgelehnt.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung. Entschuldigung, es war die erste Lesung. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt.
Thüringer Seniorenmitwirkungsgesetz (ThürSenMitwG) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/3900 ERSTE BERATUNG
Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich sofort die Aussprache. Das Wort hat Abgeordnete Jung für die Fraktion DIE LINKE.
Sprichwort. Das kann man aber leider bei diesem Gesetzentwurf mit dieser Vorgeschichte nun wirklich nicht sagen. Bereits im Jahr 2008 haben wir LINKE einen Gesetzentwurf zur Seniorenmitbestimmung hier in den Landtag eingebracht, 2009 erneut, und wir haben damit eine Forderung aufgegriffen, die seit 20 Jahren inzwischen Seniorenverbände in Thüringen aufmachen und seit 2007 auf den Sozialgipfeln in diesem Haus jährlich wiederholt werden.
Wir haben bis heute darauf gewartet, dass die Landesregierung ihren Entwurf vorlegt, der die Seniorenmitbestimmung ernst nimmt. Leider haben wir umsonst gewartet. Sicher diskutieren wir heute über ein Gesetz, das ältere Menschen in Thüringen betrifft, aber wir diskutieren nicht darüber, wie sie in ihren eigenen Angelegenheiten tatsächlich mitbestimmen können. Stattdessen werden wir mit diesem Gesetz abgespeist, das von Möglichkeiten und Konjunktiven nur so strotzt, aber eben keinerlei Rechte beinhaltet. Wir dürfen darin lesen, die Kommunen sollen auf freiwilliger Basis zur Bildung von Seniorenbeiräten veranlasst werden oder Landkreise, kreisfreie Städte sowie kreisangehörige Gemeinden können nach eigener Einschätzung ihrer Leistungskraft Seniorenbeiräte bilden. Wenn es dann also solche Seniorenbeiräte gibt, haben sie ein Anhörungsrecht und sie dürfen Stellungnahmen abgeben. Dort, wo es Beiräte gibt, dürfen sie sich äußern, und wo es keine gibt, weil sie ja nicht verbindlich sind, muss es auch keine Anhörung geben. Was ist denn das für eine demokratische Teilhabe und worin liegt eigentlich die Verbesserung zu dem Status, den wir jetzt in Thüringen haben?
Viel wichtiger für die Landesregierung scheint doch zu sein, dass die Kommunen in diesen Fragen zu nichts gezwungen werden und dass alles nur auf freiwilliger Basis geschieht. In der Pressekonferenz am 17. Januar hat Frau Ministerin Taubert ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Seniorinnen und Senioren keine Mitbestimmungsrechte erhalten. Das Einzige, was verbindlich in dem Gesetz geregelt ist, ist der Landesseniorenrat. Aber was steckt wirklich dahinter? Die Zusammensetzung der stimmberechtigten Mitglieder erfolgt mit den ehrenamtlichen Seniorenbeauftragten. Aber auch die können wieder freiwillig gewählt werden. Stellen Sie sich vor, das Gesetz erreicht wirklich in diesem Jahr noch seine Wirksamkeit - ich zweifle ja inzwischen langsam daran -, dann können in diesem Jahr, im nächsten Jahr Seniorenbeauftragte gewählt werden und dann bildet sich irgendwann, wenn sie denn gewählt sind, ein Landesseniorenrat, der im Hauptbestandteil aus diesen Seniorenbeauftragten besteht. Die vorhandenen Seniorenbeiräte, die Seniorenvertretungen vor Ort, wie werden die eingebunden? Denn der ehrenamtlich gewählte Seniorenbeauftragte soll ja deren Erfahrungen bündeln. Was wird aus dem Landessenioren
rat, wenn diese ehrenamtliche Wahl - es müssen sich ja auch erst einmal Menschen finden, die das dann machen, das stelle ich mir in Landkreisen sehr schwierig vor - nicht erfolgt? Dann gibt es den Landesseniorenrat nicht, er ist ja auch das Ersatzgremium des jetzt vorhandenen Landesseniorenbeirats.
Es ist doch, meine Damen und Herren, längst schon eine Binsenweisheit, dass ehrenamtliche Arbeit und Seniorenbeiräte - die Arbeit mit Senioren in unserem Land ist im Wesentlichen ehrenamtlich nur dort nachhaltig wirklich wirken kann, wo sie durch hauptamtliche Strukturen unterstützt wird. Im Bereich der Seniorinnen und Senioren ist dies besonders wichtig, da es die Natur des Alterns mit sich bringt, dass immer wieder langjährig aktive Mitglieder in Vereinen und Verbänden und politischen Strukturen ausfallen. Wenn aber wie in diesem Gesetz keinerlei hauptamtliche Unterstützung für die Arbeit vor Ort vorgesehen ist, wenn es keine hauptamtlichen Seniorenbüros, keine hauptamtlichen Seniorenbeauftragten oder auch die Aufgabenübertragung an die Mehrgenerationenhäuser geben soll, die durch den Landeshaushalt zumindest in Teilen gestützt werden, ist das Gesetz kaum das Papier wert, auf dem es gedruckt ist. Hier hat die Regierung wirklich eine Chance verpasst, mehr Demokratie in Thüringen lebendig werden zu lassen. Besonders bedauerlich ist dies im Europäischen Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen. Gerade jetzt müssten sich die politisch Verantwortlichen Gedanken darüber machen, wie eine Aktivierung älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger realisiert werden kann.
Meine Damen und Herren, meine Kritik am Gesetz und die meiner Fraktion ist sicherlich nicht gering. Aber was die Jungen Liberalen in einer Pressemitteilung zum Gesetz von sich gegeben haben, ist aus meiner Sicht unsäglich.
Meine Damen und Herren, wer gesellschaftliche Teilhabe nur in Konkurrenz und im Gegeneinander verstehen kann, hat Demokratie nicht wirklich verstanden.
Es ist nämlich keineswegs nur so, dass das Recht der einen das Recht der anderen behindert. Nur weil Seniorinnen und Senioren mehr Rechte bekommen sollen, schließt dies mehr Rechte für Kinder und Jugendliche doch nicht aus, denn nur andersherum wird ein Schuh daraus.
Überall dort, wo wir demokratische Mitbestimmungsrechte einfordern, heißt dies auch, dass sie für alle gelten sollen. Wenn die ältere Generation bei mehr Entscheidungen zu ihren eigenen Belan
gen eingebunden werden soll, gilt das selbstverständlich auch für die jüngeren Menschen in dieser Gesellschaft.
Das Europäische Jahr nimmt in diesem Sinne nicht nur das aktive Altern in den Blick, sondern auch die Solidarität zwischen den Generationen. Es geht nicht darum, das Ruhebedürfnis Älterer gegen die Kindertagesstätte in Stellung zu bringen, sondern darum, dass jede gesellschaftliche Gruppe die Möglichkeit erhält, ihre eigenen Interessen aktiv zu vertreten. Es geht auch nicht darum, eine Minderheit zu schützen, wie in der Pressemitteilung unsinnigerweise unterstellt wird, auch Kinder und Jugendliche sind zum Glück noch keine verschwindende Minderheit, die besonders geschützt werden muss. Nein, es geht um demokratische Teilhabe und darum, dass Alte wie Junge im gesellschaftlichen Entscheidungsprozess eingebunden werden.
Aber zurück zum Gesetz: Im Gesetz sind Anhörungsrechte verankert, die Möglichkeit, Beiräte einzurichten, Seniorenbeauftragte zu wählen und die Bildung eines Landesseniorenrates. Lassen Sie uns das erneut im Sozialausschuss auch im Vergleich zu unserem Gesetz verbunden mit einer mündlichen Anhörung diskutieren. Vielleicht ergibt sich aus einer solchen Diskussion doch noch der eine oder andere Ansatzpunkt, die demokratische Mitbestimmung und Teilhabe von Seniorinnen und Senioren gerade angesichts des Europäischen Jahres substanziell zu verbessern. Wenn dieses Gesetz so verabschiedet wird, haben Sie vielleicht einen Haken an dem Punkt im Koalitionsvertrag gesetzt, aber Sie bleiben weit hinter Ihren eigenen Ansprüchen im seniorenpolitischen Konzept zurück. Danke schön.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Jung. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Koppe für die FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. 23 Prozent der Bürger in Deutschland sind heute 60 Jahre und älter. Im Jahr 2050, so die Prognosen, wird mehr als ein Drittel unserer Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. In Thüringen dürfte sich diese Folge des demographischen Wandels sogar noch beschleunigt darstellen. So weit zu den Fakten.
Noch nie gab es also so viele ältere Menschen, die ihre Lebensphase so aktiv, engagiert und gesund erleben können und dieses Leben auch eigenverantwortlich gestalten wollen. Gesellschaft und Politik werden diesen grundlegenden Veränderungen leider nicht immer gerecht. Die Sichtweise der Ge
sellschaft auf die Älteren entspricht trotz positiver Veränderungsansätze noch nicht immer der Realität. Die Politik thematisiert manchmal die wachsende Anzahl Älterer in den meisten Fällen sogar als Problem für das weitere Funktionieren der sozialen Sicherungssysteme, der Pflegeproblematik oder Ähnlichem. Das ist rein fachlich und sachlich betrachtet sogar richtig, sind doch die Strukturen der heutigen Sozialsysteme in anderen Zeiten entstanden. Dennoch wird bisher wenig von den Chancen gesprochen, die für die Gesellschaft aus jenem Wandel entstehen. Seniorenpolitik ist nach meiner Einschätzung in Deutschland nach wie vor zumeist mit dem Betreuungsgedanken behaftet. Insofern ist uns der heute vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung zur stärkeren Mitwirkung von Senioren grundsätzlich sympathisch. Wir begrüßen die Intention des Gesetzentwurfs, die Mitwirkungsrechte der Seniorinnen und Senioren zu stärken, da wir sicherlich von den Erfahrungen der Älteren vor allem auch im politischen Prozess profitieren können.
Allerdings muss ich mich über den konkreten Entwurf schon sehr wundern. Selbst wenn wir heute ohne Diskussion in die zweite Lesung zum Gesetzentwurf eintreten würden, diesen Gesetzentwurf also heute beschließen würden und er morgen in Kraft träte, wäre die Situation in Thüringen keine andere als sie jetzt schon vorherrscht.
Denn alle relevanten Neuerungen sind als Kannbestimmungen ausgelegt. Das heißt, die Landkreise und kreisfreien Städte können einen Seniorenbeirat bzw. einen Seniorenbeauftragten schaffen. Ich und das sage ich auch ganz deutlich - kann dies allerdings auch sehr gut verstehen, denn Sie können auf der einen Seite nicht den KFA permanent kürzen und auf der anderen Seite immer weitere Aufgaben an ihn übertragen und höhere Anforderungen an die kommunale Ebene stellen.
Insofern stünden wir also nach einem Beschluss des Gesetzentwurfs dort, wo wir in Thüringen heute bereits stehen. Ich würde so etwas inkonsequent nennen. Denn wenn die Landesregierung der Überzeugung ist, dass Seniorinnen und Senioren nur über einen Seniorenbeirat bzw. über einen Seniorenbeauftragten adäquat an der politischen Willensbildung und Gestaltung des Landes mitwirken können, dann allerdings würden die Kannbestimmungen nicht ausreichen. Wenn man sich die Realität im Freistaat ansieht, muss man jedoch die grundsätzliche Frage stellen, ob der gewählte Ansatz hier der richtige ist. Ich will hier nur ein Beispiel nennen. Im Stadtrat der Stadt Schleiz waren im Jahr 2009 14 Prozent der Mandatsträger über 70 Jahre, 24 Prozent über 60 Jahre, 38 Prozent über 50 Jah
re und nur 24 Prozent des gesamten Stadtrats von Schleiz unter 50 Jahre. Diese Zahlen sind laut Gemeinde- und Städtebund durchaus auf den gesamten Freistaat zu übertragen. Das zeigt also, dass Seniorinnen und Senioren sehr wohl an der Willensbildung und Gestaltung des Landes aktiv teilhaben