Protocol of the Session on June 17, 2011

Weil wir als Sozialdemokratie und als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten von Ihnen in der Vergangenheit schon öfter für alles mögliche Leid in der Welt verantwortlich gemacht wurden, vom Tod von Rosa Luxemburg bis hin zu weiteren historischen Momenten, will ich noch einmal auf ein paar Sachen eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Politik tut manchmal weh. Dass ich noch einmal nach vorne gegangen bin, hat mehrere Gründe. Normalerweise sollte man das Geschwätz, das aus bestimmten Fraktionsbänken kommt, nicht ernst nehmen. Aber als ich das Geschwätz von einigen Kollegen gehört habe, als es darum ging, dass die Beschränkung auf eine bestimmte Residenz schwierig ist für Menschen, dass die Leute ja nicht hierher gekommen sind, um Urlaub zu machen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, christliche Ideale und christliche Werte zu haben, hängt auch stark mit der Frage zusammen, wie gehe ich mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft um. Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind Teil der Menschen, denen es am schlechtesten in unserem Land geht, am allerschlechtesten in unserem Land und denen es auch in ihren Herkunftsländern mit am schlechtesten ging. Deshalb sind sie nach Deutschland gekommen.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Die Schwächsten kommen erst gar nicht.)

Ja, klar. Und wenn ich mit Vertreterinnen und Vertretern von Kirchen rede, da will ich Ihnen ein Gespräch mit einer Kirchenvertreterin - einer sehr prominenten - noch einmal sehr ans Herz legen, die mir gesagt hat: Immer wenn schwache Menschen und hilfebedürftige Menschen zu mir kommen und ich die abweise, dann habe ich ein schlechtes Gewissen, und zwar nicht, weil es irgendein Moralgewissen in irgendeiner Form gibt, sondern weil diejenige gesagt hat, ich sehe, wenn schwache Menschen auf mich zukommen, zu mir kommen und Hilfe benötigen, darin eine Prüfung, dann sehe ich in demjenigen, der zu mir kommt, auch Gott. Genau das ist das Unverständnis, was ich - und das will ich ganz, ganz klar sagen - gegenüber der Christlich Demokratischen Union an der Stelle auch habe. Ich kann es nicht verstehen, dass sich die Spitze der Kirche für die Ausweitung der Residenzpflicht auf den gesamten Freistaat ausspricht, viele Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter vor Ort, und Sie dann christliches Fundament und christliche Ideale gegen Law and Order abwägen. Das das will ich Ihnen sagen - kann ich an der Stelle überhaupt nicht verstehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu der Frage „Feigheit“ und zu der Frage, wie gehen eigentlich Politikerinnen und Politiker mit ihrer Glaubwürdigkeit um: Es ist viel mutiger, es ist manchmal tatsächlich viel mutiger, abzustimmen, obwohl es gegen das Herz geht, gegen den Bauch und auch gegen die eigene Partei, weil es nämlich in der Politik leider Gottes auch noch ein sehr, sehr hohes Gut gibt, wenn es um Koalitionen geht. Ich bin mir sicher, wir werden das auch irgendwann mal gemeinsam zu ertragen haben. Es ist nämlich die Frage von Verlässlichkeit, von Verlässlichkeit von zwei Partnern, die sich geeinigt haben, eine Koalition einzugehen. Die SPD hat eben auch auf dem Parteitag entschieden mit dem Wissen, dass wir mit einem Koalitionspartner eine Koalition eingehen, der die Ausweitung der Residenzpflicht gar nicht will. Mit dem Wissen sind wir mit großer Mehrheit eine Koalition eingegangen und haben genau deshalb auch den Beschluss unserer Partei, diese Koalition gut und bis zum Schluss auch durch die Zeit zu führen. Genau deshalb - damit will ich abschließen kann ich nur sagen, einige Kolleginnen und Kollegen sowie die meisten Kolleginnen und Kollegen aus meiner Partei, aus meiner Fraktion sind viel mutiger, Uwe Höhn, Birgit Pelke, Heiko Gentzel, die in den Verhandlungen hart geblieben sind an vielen Punkten - es gibt ja auch Gründe, warum sich das so lange zieht -, immer wieder alles versucht haben, um eine größere Lösung herbeizuführen. Es ist mutiger, dann zu einem Ergebnis zu kommen und zu diesem Ergebnis zu stehen, als entgegen dem Ergebnis, das man zwischen zwei Koalitionspartnern vereinbart hat, abzustimmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Genau deswegen sind auch die Kolleginnen und Kollegen aus meiner

(Abg. Bergner)

Fraktion - und das sage ich aus vollster Überzeugung - mutiger als ich und als ein paar andere, die in der Vergangenheit auch solchen Anträgen zugestimmt haben oder sich da enthalten haben. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Metz. Jetzt hat das Wort die Abgeordnete König für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Zuhörer oder Zuschauer im Livestream des Thüringer Landtags, Mut ist für mich etwas anderes. Mir tut es gerade weh, wie hier versucht wird seitens eines SPD-Abgeordneten, eine meiner Meinung nach schändliche Ablehnung heute zu tun

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wir sind im Parlament und nicht im Zirkus.)

von der SPD, und das insbesondere vor dem Hintergrund des Beschlusses auf dem Landesparteitag der SPD.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde das nicht mutig. Ich finde auch, dass Verlässlichkeit etwas anderes ist. Es geht vielleicht nicht nur um Verlässlichkeit gegenüber dem eigenen Koalitionspartner, sondern es geht auch um Verlässlichkeit gegenüber den Wählern, denen man ja in einem Regierungsprogramm erklärt hat, dass man die Residenzpflicht abschaffen wird.

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Eben nicht!)

Ich rede nicht vom Koalitionsvertrag,

(Beifall DIE LINKE)

sondern ich rede von Ihrem Programm. Was mich stört: Diese Koalition haben Sie gewählt und den Koalitionsvertrag haben Sie ausgehandelt gemeinsam mit der CDU. Was Sie nicht ausgehandelt haben, ist, die Residenzpflicht abzuschaffen. Das spricht meiner Meinung nach dafür, wie wichtig es Ihnen in Wirklichkeit ist, das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit für diejenigen hier in Thüringen auch umzusetzen. Höchstwahrscheinlich zählt es eher zu Ihren niederen Ansprüchen in Ihrer Politik.

Frau Holbe, die Rasseliste mit dem Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit zu vergleichen und das sozusagen gleichzusetzen, finde ich, ehrlich gesagt, nicht annehmbar, insbesondere deswegen nicht, weil der Erhalt der Residenzpflicht weiterhin auch die rassistische Kontrollpraxis, die von Polizeibe

amten in Thüringen und auch in anderen Bundesländern durchgeführt wird, weiterhin genehmigt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was für ein Zeug - rassistische Kontrollpraxis. Das ist einen Ordnungsruf wert.)

(Unruhe CDU)

Rassistische Kontrollpraxis. Sie haben mich verstanden, Herr Fiedler. Ich würde Herrn Fiedler bitten, dass er a) eine Frage stellt, die ich dann ja nicht beantworten muss, oder b) hier vorne ans Mikrofon kommt, um seine Meinung kundzutun.

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das geht nicht.)

Zuletzt, Peter Metz:

Frau Abgeordnete König, einen Moment bitte. Es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage und das ist dann vielleicht auch die Möglichkeit, dass sich die Gemüter wieder etwas abkühlen. Lassen Sie diese Zwischenfrage zu?

Ja, ich lasse sie zu.

Bitte, Herr Abgeordneter Metz.

Frau Abgeordnete König, könnten Sie vielleicht noch einmal präzisieren, was Sie mit rassistischer Kontrollpraxis meinen? Meinen Sie, dass die Polizistinnen und Polizisten rassistisch sind oder ob die Tatsache, dass kontrolliert werden muss, wer einen Migrationshintergrund hat, auf Verdachtsmoment rassistisch ist?

Ich meine damit, dass aufgrund des vermeintlich äußeren Erscheinungsbildes,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Äußeres Erscheinungsbild.)

beispielsweise einer anderen Hautfarbe, insbesondere Menschen, die als Flüchtlinge hierher kommen, verstärkt kontrolliert werden. Ich glaube, dass auch Sie, Herr Metz, mir da zustimmen können und dass Sie Ähnliches sowohl beobachtet als auch selber erklärt haben. Das meine ich mit rassistischer Kontrollpraxis.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Metz)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das kann doch nicht so stehen bleiben.)

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist doch unerhört. Das kann doch so in diesem Hause nicht stehen bleiben.)

Herr Fiedler, ich hoffe, Sie haben sich jetzt genügend geäußert und lassen mich weitersprechen. Meine Kollegin Berninger hat vorhin ein Zitat von Herrn Metz aus der letzten Landtagssitzung wiedergegeben. Herr Fiedler, ganz ehrlich, mich ehrt das ja, wenn Sie sich so empören, scheine ich recht zu haben.

Moment, Frau Abgeordnete König. Die Damen und Herren auf der Besuchertribüne dürfen nicht klatschen, Sie müssen sich zurückhalten.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Und Herr Fiedler muss sich zurückhalten.)

Frau Abgeordnete König, Sie haben jetzt das Wort.

Danke schön. Meine Kollegin Berninger hat vorhin Herrn Metz zitiert mit einem Satz aus der letzten Landtagssitzung zum Thema Überzeugung und dass die SPD das nicht an der Garderobe abgibt. Unabhängig davon plädiere ich an die SPD-Fraktion, Sie sind per Verfassung nur verpflichtet, nach Ihrem Gewissen abzustimmen und nicht nach einem Koalitionsvertrag, den Sie selber, das weiß ich, in Teilen und insbesondere in Bezug auf den Erhalt der Residenzpflicht weiterhin bemängeln. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete. Es hat sich jetzt zu Wort gemeldet der Abgeordnete Bergner.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Es gibt einen Antrag zur Geschäftsordnung.)

Es gibt einen Antrag zur Geschäftsordnung. Bitte, Herr Abgeordneter Mohring.

Frau Präsidentin, ich würde um Unterbrechung der Sitzung und Einberufung des Ältestenrates bitten.

(Beifall CDU, SPD)

Auf Antrag der Fraktion der CDU unterbreche ich an dieser Stelle die Sitzung, das ist mit Antrag einer Fraktion möglich, und berufe den Ältestenrat ein.

Wir fahren in der Sitzung fort, nachdem wir die Sitzung unterbrochen haben auf Geschäftsordnungsantrag der Fraktion der CDU. Ich möchte Ihnen dazu Folgendes erklären: Die Fraktion der CDU hat den Antrag auf Unterbrechung der Sitzung und Einberufung des Ältestenrats aus folgendem Grund gestellt. In der Rede der Frau Abgeordneten König der Fraktion DIE LINKE ist der Begriff „rassistischer Kontrolldruck“ zweimal erwähnt worden, und das in Bezug auf die Thüringer Polizei. Aus diesem Grunde gab es eine Vereinbarung und eine Diskussion im Ältestenrat dazu, wie zu diesem Sachverhalt weiter verfahren wird. Der Ältestenrat ist zu der Übereinkunft gekommen, dass ich Ihnen jetzt folgenden Weitergang des Tages vorschlage: Die Fraktion der CDU erwartet von der Frau Abgeordneten König eine Entschuldigung gegenüber der Thüringer Polizei. An dieser Stelle frage ich die Frau Abgeordnete König, ob sie sich zu dem Sachverhalt äußern möchte. Das ist augenscheinlich der Fall.