Protocol of the Session on November 20, 2009

Vielen herzlichen Dank. Es sind jetzt noch wie viele Minuten Redezeit übrig? 6 Minuten Redezeit. Ich frage, gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Dann hat sich zu Wort gemeldet der Kultusminister Christoph Matschie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch werte Studierende, ich verstehe das als ein wichtiges Signal, das, was jetzt organisiert worden ist an den Hochschulen, die Debatte, die da in Gang gekommen ist in den letzten Tagen, und es ist keine neue Debatte. Wir haben schon im Sommer Protestaktionen erlebt an Schulen, an Hochschulen, und ich sage ganz ausdrücklich auch an dieser Stelle, ich habe volles Verständnis für diese Aktionen.

(Beifall SPD)

Mir ist es wichtig, auch noch einmal deutlich zu machen, das habe ich gemerkt in den Gesprächen, ich bin am Mittwoch in Erfurt in der Uni gewesen und habe mich dort der Diskussion gestellt, ich war vorhin draußen bei der Demonstration. Denen, die da unterwegs sind, geht es nicht nur um sich selbst, nicht nur um die Hochschulen, es geht um unser Bildungssystem hier in Deutschland insgesamt.

(Beifall SPD)

Ich finde, das ist ein richtiger Ansatz. Ich will einige wenige Sätze sagen, was wir uns vorgenommen haben in diesem Bereich. Chancengleichheit beginnt dort, wo die Kinder noch klein sind. Das, was wir am Anfang versäumen, kann man nicht mehr später wiedergutmachen.

(Beifall SPD)

Deshalb hat sich diese Koalition entschieden, wir wollen mehr in die frühkindliche Bildung investieren. Im Dezember kommt ein Gesetzentwurf auf den Weg. Wir wollen 2000 zusätzliche Erzieherinnen in den

Thüringer Kindergärten und damit bessere frühkindliche Bildung.

(Beifall SPD)

Wir wissen, dass Bildung und soziale Situation sehr eng zusammenhängen. Unser Schulsystem hat noch zu viele Hürden auf dem Bildungsweg und das hat auch etwas mit der frühen Trennung der Kinder zu tun. Deshalb sagen wir, wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass Kinder länger gemeinsam lernen können, dass sie besser noch als bisher individuell gefördert werden, und schlagen deshalb die Einführung der Thüringer Gemeinschaftsschule vor mit gemeinsamem Lernen bis Klasse 8.

(Beifall SPD)

Bildung, und das ist auch ein Kern der Debatte, die ich auch in den letzten Tagen erlebt habe, darf nicht an finanziellen Hürden scheitern. Bildung muss dem offenstehen, der nach Bildung sucht. Die Hochschule muss für die offen sein ohne Hürden, die die Fähigkeit dazu haben und die sich für diesen Weg entscheiden. Deshalb gibt es eine klare Vereinbarung der Koalition: Studiengebühren wird es auch in Zukunft in Thüringen nicht geben. Dafür stehen wir.

(Beifall SPD)

Wir haben die Debatte der letzten Jahre um den Verwaltungskostenbeitrag aufgenommen. Das war ein großes Ärgernis für die Studierenden, hat zu Protestaktionen geführt. Wir haben gesagt, wir wollen hier ein Signal setzen, auch wenn es nur um 50 € im Semester geht. Es soll ein klares Signal sein: keine finanziellen Hürden. Deshalb kommt jetzt ein Gesetzentwurf auf den Weg. Nächste Woche wird er im Kabinett sein, im Dezember in den Landtag eingebracht werden und im Januar hier beschlossen werden. Ab nächstem Semester gibt es keinen Verwaltungskostenbeitrag mehr.

(Beifall SPD, FDP)

Noch wichtiger ist aber die Veränderung der inneren Struktur des Studiums. Ich habe viele Gespräche geführt dazu und weiß um die Bedingungen in vielen Bachelor-Studiengängen und weiß um die Probleme auch, die wir auf dem Weg zwischen Bachelor und Master haben. Deshalb haben wir schon im Koalitionsvertrag festgehalten, wir wollen dieses System noch einmal evaluieren, wir wollen uns anschauen, wo es klemmt, wo es nicht gut funktioniert, und wollen gemeinsam mit den Hochschulen - und das heißt sowohl mit den Hochschulleitungen als auch mit den Studierenden - darüber ins Gespräch kommen, was wir anders, was wir besser machen können. Das ist keine Sache, die wir hier

in Erfurt im Ministerium entscheiden können. Die Studiengänge werden in den Hochschulen konzipiert und entschieden, aber wir wollen den Dialog dazu. Es ist klar, man kann nicht das, was früher in fünf Jahren studiert worden ist, in drei Jahre pressen und dann sagen, seht mal zu, wie ihr klarkommt, sondern hier muss es veränderte Studiengänge geben, hier muss die Möglichkeit da sein, mit dem notwendigen Freiraum ein Studium durchzuführen. Ich sage das auch ganz bewusst, auch aus meiner eigenen Studienerfahrung: Wenn Studium nur Schule ist, wenn man eingepresst ist in ein enges Korsett, wenn man nicht mehr die Möglichkeit hat, über den Tellerrand hinauszuschauen, sich auch in anderen Bereichen umzutun, wenn man nicht mehr die Möglichkeit hat, sich auch gesellschaftlich zu engagieren, dann fehlt diesem Studium ein entscheidendes Element. Deshalb ganz klar, wir werden uns dafür einsetzen, dass es mehr Freiraum im Studium gibt.

(Beifall SPD)

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Finanzen: Natürlich gibt es in vielen Bereichen die Änderungen struktureller Art, die notwendig sind. Das ist nicht alles mit Geld verbunden, aber bessere Bedingungen in Kindergärten, in Schulen, in Hochschulen und auch in Berufsschulen, die werden wir am Ende nur bekommen, wenn wir auch die nötigen finanziellen Mittel einsetzen. Diese Koalition hat klargemacht auch gestern in der Regierungserklärung, für uns hat Bildung absolute Priorität. Aber ich sage auch ganz klar: Ich sehe mit Sorge, was im Moment in Berlin diskutiert wird. Die Steuersenkungen, die dort angedacht sind, das sind Steuersenkungen auf Pump und das sind Steuersenkungen auf Kosten der Bildung und deshalb gibt es auch hier eine klare Vereinbarung in der Koalition. Steuersenkungen, die zulasten des Landeshaushalts gehen, werden wir nicht zustimmen. Wir wollen in Bildung investieren, das ist uns wichtiger als Steuersenkungen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Matschie. Es gibt jetzt noch sieben Minuten Redezeit und ich frage: Gibt es weitere Wortmeldungen? Herr Barth.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir privatisieren jetzt alles?)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister, ich möchte nur auf den letzten Punkt, den Sie hier polemisch richtig - es ist eine politische Auseinandersetzung - aufgerufen haben, deswegen möchte ich da

nur einen Punkt dagegensetzen. Wenn es um Geldausgeben geht, sind Sie immer sofort dabei, der Koalition in Berlin vorzuwerfen, dass dort die geplanten Steuersenkungen zulasten des jeweiligen Themas gehen, über was wir hier gerade reden. Geht es um Kultur, gehen die Steuersenkungen zulasten der Kultur, geht es um Soziales, gehen die Steuersenkungen zulasten des Sozialen, geht es um Straßenbau, gehen die Steuersenkungen zulasten des Straßenbaus, und geht es um die Bildung, dann gehen die Steuersenkungen zulasten der Bildung.

Der Landeshaushalt - im Zweifelsfall ist das natürlich immer

(Zwischenruf Abg. Renner, DIE LINKE: Im Zweifelsfall alles.)

richtig, weil wir dann einfach mehr Geld drucken. Aber wir haben schon einmal erlebt, dass das nicht funktioniert.

(Beifall FDP)

Der Punkt ist, dass Sie sich irgendwann entscheiden müssen. Die Ministerpräsidentin hat gestern hier gesagt, wir können nicht alles haben, weil wir uns nicht alles leisten können. Was sie nicht gesagt hat, ist eben genau der Punkt, was wir uns nicht leisten können.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Steuer- senkungen.)

Steuersenkungen können wir uns nicht leisten - ganz genau. Aber das Geld, was die Menschen da draußen verdienen, ist irgendwann alle. Spätestens wenn Sie bei 100 Prozent Steuern angekommen sind, dann können Sie die Steuern nicht weiter erhöhen, deswegen müssen Sie sich irgendwann mit der Frage beschäftigen.

(Beifall FDP)

Sie haben Geld, der Staat hat Geld. Der Bundeshaushalt hat einen Umfang von ungefähr 300 Mrd., der des Landes etwa 10 Mrd. €. Jetzt kann mir niemand erzählen, dass das wenig Geld ist. Das wird alles für unterschiedliche Zwecke ausgegeben. Sie müssen irgendwann einmal davon wegkommen, dass Sie immer alles über Steuererhöhungen finanzieren wollen, weil irgendwann die Leute da draußen, die die Steuern bezahlen, sagen, es geht nicht mehr. Irgendwann haben die das Geld nicht mehr,

(Beifall FDP)

sondern Sie müssen sich irgendwann einmal entscheiden und sagen, wenn wir für Bildung mehr Geld

ausgeben wollen, was richtig ist, was notwendig ist, was im Sinne nicht nur der Studierenden, die aktiv sind da oben, sondern was auch im Sinne der Kinder in den Kindertagesstätten, in den Schulen usw. richtig und notwendig ist, wenn Sie dort mehr Geld ausgeben wollen, müssen Sie irgendwann einmal den Mut haben zu sagen, an welcher Stelle wollen wir denn sparen, und sich nicht nur immer Gedanken machen, ob wir über Steuern oder Schulden reden, um das Mehr an Geld einzunehmen, was wir dann auch mehr ausgeben. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank. Es hat sich jetzt Abgeordneter Matthias Bärwolff zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Studentinnen und Studenten! Lieber Herr Barth, wo wir die Kohle hernehmen, das kann ich Ihnen sagen: Deutschland raus aus Afghanistan! Allein der Einsatz, was unsere Jungs in Afghanistan jeden Tag verschießen, kostet Milliarden Euro. Dafür können wir auf jeden Fall jede Menge mehr für Bildung tun.

(Unruhe CDU)

(Beifall DIE LINKE)

Ein Zweites will ich Ihnen sagen: Das, was Sie hier in Ihrer

(Unruhe FDP)

- lassen Sie mich bitte mal ausreden - Koalitionsvereinbarung im Bund festgelegt haben, beispielsweise die Erhöhung des Kindergelds, ist eine Bombensache. Auch die Erhöhung zum Beispiel des Kinderfreibetrags bei der Steuererklärung ist auch eine Bombensache.

(Beifall DIE LINKE)

Das Problem ist aber, dass Sie Familienförderung, dass Sie die Förderung von Kindern über das Finanzamt abwickeln. Das heißt nämlich, dass die Kinder von Hartz-IV-Empfängern das Kindergeld hintenrum wieder abgezogen bekommen, weil es ein Mehrbedarf ist. Die haben von dem Kindergeld nämlich gar nichts.

(Beifall DIE LINKE)

Genau diese Kinder sind es aber, die durch unser Kita-System permanent benachteiligt sind, genau diese Kinder sind es, die im Bildungssystem benachteiligt sind, und genau diese Kinder sind es, die eben nicht an die Universität kommen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist doch Quatsch.)

Ich glaube, das muss der Anspruch sein, wenn wir hier über Bildungsstreik reden. Wie können wir garantieren, dass alle Kinder ein Recht auf Bildung bekommen und dass alle Kinder unabhängig vom sozialen Hintergrund die Möglichkeit haben, Hochschulen zu besuchen und die bestmögliche Ausbildung zu bekommen?