Protocol of the Session on December 9, 2010

(Beifall SPD)

Ziel ist nicht allein eine gerechte Lastenverteilung in der Gesellschaft, sondern sie ist ökonomische Notwendigkeit, denn Zinsgewinne der Reichen werden heute leider dort eingesetzt, wo höchste Rendite wartet - also an den Finanzmärkten. Diese Logik führt zur Wirtschafts- und Finanzkrise, wie wir sie in den letzten Jahren erleben mussten. Wer in Zukunft rationales Wirtschaften ermöglichen und die Realwirtschaft stärken will, wer Menschen Stabilität und Sicherheit geben will, wer Spekulationen zulasten auch der Thüringer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eindämmen will, der muss zwingend - und ich betone zwingend - eine Vermögensbesteuerung einführen.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: So ein Quatsch!)

DIE LINKE hat auf Bundesebene ein umfassendes Steuerkonzept für solide Staatsfinanzen vorgelegt.

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Andere zahlen!)

Mit unserem Konzept wäre es möglich, die notwendigen gesellschaftlichen Aufgaben zu erfüllen vom Bund bis hinunter in die Kommunen. Durch eine Reform von Lohn-, Einkommens-, Umsatz- und Unternehmensbesteuerung, den Erhalt einer wirtschaftsbezogenen Kommunalsteuer, die Einführung einer Vermögens- und Finanztransaktionssteuer, die Reform der Erbschaftssteuer und eine Verbesserung des Steuervollzugs könnte der Staat sozial gerecht rund 137 Mrd. € mehr für die Erfüllung seiner Aufgaben haben. Allein dadurch, dass der Steuervollzug bundesweit nicht ordentlich kontrolliert wird, entgehen dem Staat jährlich bis zu 30 Mrd. €. Hier muss nachgebessert werden. Auch hier in Thüringen haben wir Ihnen einen entsprechenden Entschließungsantrag am heutigen Tage vorgelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mal ganz realistisch betrachtet, erwarten wir von der Landesregierung nun wahrlich keine Wunder mehr,

(Beifall DIE LINKE)

deswegen wollen wir sie spätestens 2014 ablösen. Aber dass sie diesen ökonomischen Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben erkennt, dass sie den finanzmarktgetriebenen Kapitalismus wenigstens zügelt und dementsprechend im Bun

desrat handelt, das erwarten wir auch von der Thüringer Landesregierung.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das haben Sie ja 40 Jahre lang erfolglos versucht.)

(Beifall DIE LINKE)

Daher fordern wir auch die SPD auf, ihre Stimmen im Bundesrat für eine Börsenumsatzsteuer zu nutzen und auch die in mehreren Ländern möglichen Mehrheiten zu nutzen, um eine sozialökologische Reformperspektive zu eröffnen und sie nicht länger zu blockieren. Wer heute Europa ansieht, wer heute auf die Banken in Irland schaut, der weiß, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise noch nicht überwunden ist und sich jederzeit weiter verschärfen kann. Im Casino des heutigen Kapitalismus wird weiter gespielt; das muss gestoppt werden. Wir erwarten endlich ein tragfähiges Steuerkonzept auf Bundesebene. Erst dann werden auch wir hier im Thüringer Landtag und in den Kommunen wieder vernünftige Politik für die Menschen machen können.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Doch der Wille ist aus unserer Sicht nicht da. Stattdessen bestand und besteht der Wille für die Verursacher der Krise, in aller Schnelle einen Bankenrettungsschirm aufzuspannen - 480 Mrd. € schwer. Wir würden uns wünschen, dass Ihre Abgeordneten im Bundestag von CDU und SPD auch einmal bereit wären, für Kitas, Schulen, Hochschulen und Kommunen innerhalb einer Woche die notwendigen Beträge zur Verfügung zu stellen und nicht nur für das Casino.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie die sozial gerechte und ökonomisch richtige Verbesserung der Einnahmenseite nicht angehen, dann wird Thüringen in zehn Jahren nur noch ca. 7 Mrd. € statt heute noch 9 Mrd. € zur Verfügung haben. Dann wäre Thüringen irgendwann gar nicht mehr handlungsfähig.

(Beifall DIE LINKE)

Eine nachhaltige Haushaltspolitik besteht aus unserer Sicht aus zwei Elementen. Neben der Verbesserung der Einnahmen müssen wir auch über die Ausgabenseite reden. Aber das geht nicht auf dem Weg, den Sie einschlagen, den die Landesregierung einschlägt und offenbar in Zukunft mit ihrem eisernen Sparfuchs noch stärker einschlagen will. Gestern haben hier vor dem Landtag die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der GEW gestanden, denen Sie an das Geld wollen. Letzte Woche haben hier Studierende und Mitarbeiter der Hochschulen gestanden, denen Sie die Gelder streichen. Heute werden vor dem Landtag die Vertreter der freien Schulen gegen Ihre Kürzungspläne demonstrieren. Und vorgestern waren 100 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hier vor und

im Parlament, denen das Wasser bis zum Hals steht und deren Finanznot zumeist nicht selbst verschuldet ist, sondern durch die Politik von Bund und Land verursacht wurde. Das trifft im Übrigen auch Ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, meine Damen und Herren von der CDU. Für die Bürgermeister wird es auch weiter immer enger, weil die Kita-Finanzierung nicht geklärt ist. Schon wird auch wieder über die Theater gesprochen, und es wird im Sozialen gestrichen was das Zeug hält. Höhere Kita-Gebühren, höhere Elternbeiträge in den Schulen, das ist alles andere als sozial. Das, was Sie hier machen, das ist Politik gegen die Menschen und nicht für die Menschen. Dafür wurden Sie nicht gewählt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie haben sich entschieden, Sie wollen kürzen bei den Zukunftsfeldern Bildung, Kultur, Soziales. Wir sagen, wir müssen bei den Strukturen der Verwaltung und bei deren Aufgaben ansetzen. Wer die Menschen hier in Thüringen für eine tragfähige Politik gewinnen will, muss diese Strukturen auf den Prüfstand stellen und dieser Handlungsbedarf ist riesengroß hier in Thüringen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Eine kurze Bestandsaufnahme dahin gehend: Sachsen hat 450 Gemeinden, Sachsen-Anhalt 350 und Thüringen leistet sich immer noch 950. Als zukunfts- und leistungsfähig gelten Landkreise mit 200.000 Einwohnern und mehr. Thüringen leistet sich Kreise mit weniger als 100.000 Einwohnern.

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: Aber 5 Prozent Arbeitslosigkeit!)

Drei von sechs kreisfreien Städten in Thüringen haben 2010 keinen Haushalt, sie sind chronisch unterfinanziert. Es gibt 180 Wasserverbände und unnötige Verwaltungsstrukturen. Statt dieser Struktur haben wir ein Konzept für eine moderne Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform vorgelegt, das die demographische Entwicklung Thüringens besser abbildet. 8 - 2 - 1, das sind die Eckdaten unseres Konzepts: acht Regionalkreise, die Zweistufigkeit der Verwaltung und einräumiges Verwaltungshandeln - so wird Thüringen langfristig zum Land mit der modernsten und effizientesten Verwaltung.

Einen entsprechenden Entschließungsantrag haben wir Ihnen vorgelegt für die heutige Beratung. Aber was macht nun die CDU? Sie ist in beiden ich betone in beiden - Fragen, die für Thüringens Zukunft so wichtig sind, nicht willens oder fähig, Änderungen herbeizuführen. Reformen bei Einnahmen und Ausgaben, das ist nötig. Doch das Problem ist nicht allein das Problem der CDU, es ist vor allem auch ein Problem der Menschen und

auch das muss man sagen - ein Kardinalproblem für die SPD in ihrer Zange, in der sie sich befinden.

Darüber hinaus mangelt es nicht an Versuchen der CDU - frei nach dem Motto „Zuerst die Partei, dann das Land“ -, allen möglichen anderen die Schuld für Kürzungen oder Gebührenerhöhungen in die Schuhe zu schieben.

(Beifall DIE LINKE)

Die Bürgermeister sollen den Ärger der Bürgerinnen und Bürger vor Ort ausbaden, die SPD im Landtag, sei es Kita, sei es Vergabegesetz, Gesamtschule oder Oberschule. Aus dieser strategischen Misslage, aus dieser unerfreulichen, aber selbst gewählten Umarmung kann sich die SPD befreien. Sie muss es oder sie wird scheitern.

(Beifall DIE LINKE)

An jeder möglichen oder unmöglichen Stelle wird die SPD von Vertretern der CDU immer wieder in Haftung genommen, wie die Veranstaltung zum 20. Jahrestag des Thüringischen Landkreistags am vergangenen Freitag in der Rede seines Vorsitzenden des Landrats Dohndorf wieder einmal deutlich gezeigt hat. Da die Regierung, wie dargestellt, in ihren Kernaufgaben versagt, passiert nun das, was die SPD doch nach eigenem Bekunden eigentlich gar nicht will. Es wird bei Bildung, Kultur, Sozialem, Kommunen und Hochschulen gekürzt. Und dann kommt solch ein Haushalt für das Jahr 2011 raus. Keine Strukturreform, stattdessen Kündigung des Hochschulpaktes und Kürzung um Millionen. Kürzungen bei freien Schulen, in der Erwachsenenbildung, bei den Kommunen. Globale Minderausgaben in Höhe von 60 Mio. €, die das Unvermögen der bisherigen Finanzministerin offenbart und eine Nettoneuverschuldung auf den Cent an der Grenze der Verfassungswidrigkeit. Das ist kein Zustand, das muss geändert werden, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Vor diesem Hintergrund und beim Zusehen, wie sich CDU und SPD gegenseitig die Schuld für dieses Nichts an Zukunftsvisionen geben, kann DIE LINKE eigentlich nur ihr ernstes Bedauern ausdrücken für das, was da in den nächsten Monaten zu erwarten ist. Wir werden das nicht hinnehmen. Wir werden uns auch weiterhin dieser Politik widersetzen und eigene Vorschläge unterbreiten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dass CDU und SPD wenig mehr einfällt, als vor diesem Hintergrund die zu erwartenden Steuermehreinnahmen von 147 Mio. € zur Senkung der Nettoneuverschuldung einzusetzen, heißt ja nichts anderes, als dass der Haushalt und die Verschuldung wenigstens besser aussehen sollen, obwohl sie natürlich noch § 3 Haushaltsgesetz haben, der

ohnehin vorsieht, Mehreinnahmen zur Senkung der Nettoneuverschuldung einzusetzen. Da ist auch diese Verkündung eigentlich nur eine Kosmetik. Dass dann noch der Flughafen Erfurt künftig mit 6 Mio. € pro Jahr subventioniert werden soll, während sich die Landesregierung beim Flughafen Altenburg immer mehr in Widersprüche verstrickt, aber kein Geld da ist für Schulsozialarbeiter, die Jugendpauschale, auch wenn sie wie im Koalitionsvertrag versprochen, aufgefüllt werden soll, spricht Bände über den Zustand der Koalition. Das ist eben kein guter Zustand für dieses Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Es fehlt ein Personalentwicklungskonzept, ein Sportstätteninvestitionskonzept, eine Überprüfung der unter Vogel und Althaus vollzogenen Privatisierungen TSI, der Kostenanstieg beim Maßregelvollzug, die höchste Privatisierungsquote bei Krankenhäusern in Deutschland, die teure Reform des Katasterwesens. Konzepte - Fehlanzeige, Ideen Fehlanzeige, alles Fehlanzeige. Dieses konzeptionslose Regieren macht den Zustand der bestehenden Koalition deutlich.

(Beifall DIE LINKE)

Und wem das alles noch nicht hilft, dem möchte ich noch ein bisschen mehr auf die Sprünge helfen. Der Thüringer Rechnungshof muss, da offenbar auch aus Sicht des Thüringer Rechnungshofes die Landesregierung an den Zukunftserfordernissen vorbei arbeitet, der Regierung in einem Sondergutachten nicht nur die Dramatik der Haushaltslage vor Augen führen,

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Ach, das soll helfen?)

sondern auch noch methodische Hinweise geben, wie Blockaden innerhalb der Landesregierung aufgelöst werden können. An Ihrer Stelle, Frau Ministerpräsidentin, Herr Matschie und auch ehemals Frau Walsmann, würde ich sehr nachdenklich sein sehr, sehr nachdenklich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, DIE LINKE stellt sich der Verantwortung für das Land und seine Menschen. Wir legen auch für den Thüringer Haushalt 2011 ein Konzept vor, das fundiert und diskussionswürdig ist. Ebenso wie auf der Bundesebene mit unserem Steuerkonzept machen wir Vorschläge, wie die Gesellschaft gemeinsam mit den Menschen anders, gerechter und sozialer gestaltet werden kann.

(Beifall DIE LINKE)

Unser zentraler Gedanke dafür ist die Gestaltungsfähigkeit von Politik, auch vor dem Hintergrund der Konsolidierungsaufgaben. Unser Konzept beruht auf vier Säulen:

1. Die Haushaltslage darf nicht zum Aufgeben jedes politischen Gestaltungsanspruchs führen. Das macht die FDP so und versucht das dann noch als Politik zu verkaufen. Im Gegenteil, eventuelle Kürzungen sind danach zu prüfen, wen sie wie stark treffen und ob es dabei trotzdem gerecht zugeht. Die Maßnahmen sind auf ihre Auswirkungen auf Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie auf Steuereinnahmen zu prüfen. Dabei müssen zukunftsfähige Strukturen Priorität haben. Wir glauben, dass mögliche Kürzungen an der einen Stelle nur dann eine Chance auf gesellschaftliche Akzeptanz haben, wenn an anderer Stelle entsprechend gestaltet wird. Mit anderen Worten: Für die Einsparungen müssen die Menschen als Gegenleistung ein Mehr an Wohlstand erfahren. Zu diesem Mehr gehören nicht nur fiskalische Leistungen, sondern auch Teilhabe, Partizipation und direkte Demokratie dazu,

(Beifall DIE LINKE )

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Märchen!)

aber freilich auch direkte Wohlfahrtsgewinne, deshalb unsere Anträge für Schulpsychologen, Schulessen, Schulsozialarbeit, die Erhöhung der Jugendpauschale - wie im Koalitionsvertrag vereinbart -, Museen und Zukunftssicherung der Theater und verbesserte Kommunalfinanzierung bis zum Zeitpunkt des Beginns einer Funktional-, Gebietsund Verwaltungsreform.