Protocol of the Session on November 11, 2010

Mit dem vorliegenden Entwurf werden die erforderlichen Änderungen für das Jahr 2011 vorgenommen. Dies betrifft sowohl die Regelungen über die Höhe der Finanzausgleichsmasse als auch die Höhe der Schlüsselmasse. Für das Ausgleichsjahr 2011 bedarf es hierfür zwingend entsprechender Folgeregelungen: Nach Artikel 93 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen ist das Land verpflichtet, den Kommunen eine insgesamt angemessene Finanzausstattung zu gewährleisten. Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben und den konkreten Anforderungen, die der Thüringer Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil vom 21. Juni 2005 an die Ausgestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs gestellt hat, orientiert sich die Bemessung der vom Land an die Kommunen auszureichenden Ausgleichsleistungen im Wesentlichen am kommunalen Finanzbedarf. Allerdings sind - anders als in den Vorjahren - deutlich strengere Maßstäbe, insbesondere an die Ausnutzung der Einnahmemöglichkeiten der Kommunen, gestellt worden. Darüber haben wir gestern schon ansatzweise diskutiert. Soweit Leistungen betroffen sind, die über die finanzielle Mindestausstattung

hinausgehen, wird auch die Leistungskraft des Landes 2011 berücksichtigt werden.

Erstens: Um die angemessene Finanzausstattung des Jahres 2011 zu ermitteln, wurden entsprechend dem Revisionsverfahren die einzelnen, von der Finanzausstattung beeinflussten Parameter wie Steuereinnahmen der Kommunen, Verbraucherpreisanstieg und Aufgabenumfang einer Prüfung unterzogen, Veränderungen festgestellt und mit der Prognose für das Jahr 2010 verglichen. Die Einzelheiten der Herleitung der angemessenen Finanzausstattung für 2011 sind - wie in den Vorjahren auch - ausführlich, transparent und damit nachvollziehbar in der Gesetzesbegründung zu § 3 des FAG dargestellt.

Ungeachtet dessen möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen einzelne Schritte näher zu erläutern. Im Rahmen der Revision konnten unter anderem folgende Mehrbedarfe im Vergleich zur Prognose für 2010 festgestellt werden: Ein Mehrbedarf wird für die Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB XII prognostiziert. Danach werden für das Jahr 2011 Nettosozialhilfeaufwendungen der örtlichen Träger der Sozialhilfe in Höhe von 424,6 Mio. € angenommen. Im Vergleich zum Ansatz für das Jahr 2010 ergibt sich insofern ein Mehrbedarf von 4,8 Mio. €. Ein erheblicher Mehrbedarf im Vergleich zum Vorjahr ergibt sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Thüringer Kindertagesstätteneinrichtungsgesetz. Die Landesregierung prognostiziert Gesamtkosten der Kommunen im Jahr 2011 in Höhe von 529,73 Mio. €. Diese Gesamtkosten berücksichtigen die Betriebskosten in Kindertageseinrichtungen und für Kindertagespflege sowie die Aufgaben nach § 19 Abs. 4 und 7 des Kita-Gesetzes, also für die Unterstützung der Einrichtungen bei der Förderung von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf sowie die sogenannte Fachberatung. Die Prognose erfolgt auf der Grundlage der amtlichen Daten des Landesamts für Statistik zu den Kinderzahlen mit Stichtag vom 31. Dezember 2008 und zu den Betreuungsquoten vom 1. März 2009. Hinsichtlich der durch die Novellierung des Kita-Gesetzes erforderlichen Vollbeschäftigteneinheiten zur Gewährleistung der neuen Personalschlüssel wurde eine sukzessive Einstellung der Betreuungskräfte in Höhe von durchschnittlich 80 Prozent für das Jahr 2011 zugrunde gelegt. Den ermittelten Gesamtkosten stehen im Jahr 2011 geschätzte Mittel Dritter in Höhe von 8,7 Mio. € sowie geschätzte Einnahmen aus Elternbeiträgen in Höhe von 78,8 Mio. € gegenüber. Anders als im Jahr 2010 fließen den Kommunen aufgrund der Änderungen beim Landeserziehungsgeld jedoch keine Einnahmen aus abgetretenem Erziehungsgeld mehr zu. Der vom Land im Rahmen der angemessenen Finanzausstattung zu berücksichtigende ungedeckte Finanzbedarf für das Jahr 2011 beläuft sich demnach auf 442,23 Mio. €. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Mehrbedarf

(Vizepräsidentin Rothe-Beinlich)

von 90,43 Mio. €. Der Gemeinde- und Städtebund hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich die Vertretbarkeit und Plausibilität dieser Kostenprognose begrüßt bzw. bestätigt. Ein weiterer Mehrbedarf der Kommunen im Jahr 2011 entsteht aufgrund der Verpflichtung nach dem Zensusgesetz. Prognostiziert wird ein zusätzlicher Mehrbedarf der Kommunen für 2011 in Höhe von 4,5 Mio. €; das war gestern Gegenstand der Mündlichen Anfrage von Frau Renner.

Die Revision der angemessenen Finanzausstattung der Kommunen beschränkt sich jedoch nicht auf die Feststellung von einzelnen Mehrbedarfen. Vielmehr gilt es auch zu ermitteln, welche Minderbedarfe bzw. Abzugsposten diesen Mehrbedarfen gegenüberstehen. Dies möchte ich beispielhaft darstellen. Angesichts des deutlichen Rückgangs der Leistungskraft des Freistaats wird die sogenannte kleine Verbundquote, die den von der Leistungskraft des Landes abhängigen Anteil für freiwillige Leistungen darstellt, von 2,25 auf 1 Prozent reduziert.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich habe minus 1 raus.)

Dann wäre es ja keine Beteiligung mehr. Dieser Schritt ist erforderlich, da das Land finanziell nicht länger in der Lage ist, den von der Leistungskraft abhängigen Anteil auf dem bisherigen Niveau fortzuschreiben. Der drastische Einnahmerückgang des Landes sowie die Beschränkungen der Nettokreditaufnahmemöglichkeiten im Landeshaushalt erfordern eine Reduzierung der bisherigen Landesausgaben. Um dies zu erreichen, ist auch die Reduzierung der kleinen Verbundquote erforderlich. Bei dieser Reduzierung wird dem Grundsatz der Verteilungssymmetrie zwischen Land und Kommunen Rechnung getragen. So werden gleichzeitig zur Reduzierung der kleinen Verbundquote auch erhebliche Kürzungen im Gesamthaushalt des Landes vorgenommen; ich darf insoweit an die Einbringungsrede der Finanzministerin erinnern, die für den Landeshaushalt ein bezifferbares Einsparvolumen von 333 Mio. € ausgewiesen hat. Faktisch liegen die Einsparanstrengungen des Landes eher bei 400 als bei 333 Mio. €, weil Mehrbedarfe dort nicht berücksichtigt sind.

Mit der Absenkung der Verbundquote beträgt der von der Leistungskraft des Landes abhängige Anteil auf der Basis der Mai-Steuerschätzung rund 54 Mio. €. Das ist eine Reduzierung von 67,9 Mio. €. Im Rahmen der Revision erfolgt, wie in den Vorjahren auch, die Berücksichtigung der für das Jahr 2011 prognostizierten Steuereinnahmen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir haben gestritten.)

Unter Hinzuziehung der fiktiven Steuereinnahmen, über die wir gestern geredet haben, in Höhe von 92 Mio. € ergibt sich mit der Saldierung der tatsäch

lichen Steuermindereinnahmen ein Plus von insgesamt 62 Mio. €, das insoweit in Abzug gebracht werden kann. Natürlich stößt die Zuschreibung fiktiver Mehreinnahmen nicht auf Gegenliebe. Auch darüber haben wir in diesem Haus schon zweimal gesprochen. Der Verfahrensschritt wird auch von den kommunalen Spitzenverbänden heftig kritisiert. Das ändert jedoch nichts.

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Das ist Fakt.)

Auch wenn Sie klopfen, Herr Kuschel, ändert das nichts an der Notwendigkeit eines solchen Schritts, der mit den Regelungen unserer Verfassung im Einklang steht.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Aber nicht so, wie Sie es machen.)

Insbesondere dürfte unstreitig sein, dass die Kommunen den bei der Verwirklichung ihres Selbstverwaltungsrechts entstehenden Finanzbedarf zunächst aus eigener Kraft zu decken haben und die Gewährträgerschaft des Landes nur dann und insoweit in Anspruch genommen werden kann, wie sie nach Erschöpfung der gesetzlichen und organisatorischen Möglichkeiten ihre Aufgaben mit eigenen Mitteln nicht bestreiten können. Vor diesem Hintergrund kann und muss von den Kommunen verlangt werden, dass sie ihren satzungsgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Realsteuersätze weiter als bisher ausschöpfen. Der Vergleich der durchschnittlichen Realsteuerhebesätze der Thüringer Kommunen unter anderem mit den durchschnittlichen Realsteuerhebesätzen in Deutschland bzw. Sachsen zeigt, dass das Thüringer Hebesatzniveau deutlich niedriger ist. Das gilt für alle drei Realsteuern. Diesen Luxus leisten sich die Kommunen bisher auf Kosten des Landes. Mit der Anrechnung fiktiver Realsteuereinnahmen wird auch dem Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung Rechnung getragen. Neben der Grundsteuer B werden die Grundsteuer A sowie die Gewerbesteuer in die wertende Betrachtung einbezogen, ob und wieweit die Kommunen ihre Anstrengungen zur Erzielung eigener Realsteuereinnahmen tatsächlich ausschöpfen. Die Tatsache, dass in den vorhergegangenen Ausgleichsjahren die Einnahmemöglichkeiten bei der Grundsteuer A sowie bei der Gewerbesteuer keiner besonderen Betrachtung unterzogen worden sind, stellt kein Präjudiz dar.

Angesichts der finanziellen Lage des Landes besteht das Erfordernis, alle Einnahmemöglichkeiten der Kommunen mit einzubeziehen. Die Höhe der im FAG-Entwurf unterstellten Hebesätze kann den Thüringer Kommunen nach Auffassung der Landesregierung auch zugemutet werden. Insbesondere am Beispiel unseres Nachbarfreistaats

(Minister Prof. Dr. Huber)

wird deutlich, dass entsprechende Hebesätze möglich und angemessen sind. Die Forderung nach mehr Geld vom Land anstelle der Berücksichtigung der fiktiven Einnahmen, also der Einnahmemöglichkeiten der Kommunen, ist nichts anderes als die Forderung nach einer höheren Neuverschuldung des Landes. Die können wir uns nicht leisten.

Ein weiterer Parameter, der erstmals bei der Bemessung des angemessenen Finanzbedarfs berücksichtigt wird, ist die demographische Entwicklung. Bereits seit zehn Jahren ist ein relativ konstanter Rückgang der Einwohnerzahlen im Freistaat zu beobachten. Dieser beträgt im Durchschnitt der letzten Jahre rund 20.000 Einwohner pro Jahr, das heißt, rund 0,9 Prozent. Im Rahmen der Ermittlung der angemessenen Finanzausstattung wird angenommen, dass ein Rückgang der Einwohnerzahlen dann zu einem Rückgang des Finanzbedarfs führt, wenn die Kommunen die mit einem Bevölkerungsrückgang verbundenen organisatorischen Anpassungen, insbesondere in der allgemeinen Verwaltung, vornehmen. Infolge des deutlichen Rückgangs der Schülerzahlen bei den allgemeinbildenden Schulen sowie insbesondere den Berufsschulen sind bei einer vernünftigen Schulnetzplanung ebenfalls erhebliche Einsparungen möglich und nötig. Es wird deshalb erwartet und unterstellt, dass die Kommunen im Sinne einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung alle möglichen Anpassungen für eine effektive und wirtschaftliche Erfüllung ihrer Aufgaben vornehmen. Instrumente sind in diesem Zusammenhang freiwillige Gemeindezusammenschlüsse, der Ausbau kommunaler Gemeinschaftsarbeit, aber auch die Zusammenlegung von Schulstandorten.

Zweitens: Der vorliegende Gesetzentwurf zum Kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2011 geht in Anwendung der skizzierten Rahmenbedingungen von folgenden Eckdaten aus: Die angemessene Finanzausstattung der Kommunen im Jahr 2011 beträgt rund 2,6347 Mrd. € nach rund 2,6234 Mrd. € im Jahr 2010. Dies entspricht einem Aufwuchs von knapp 11 Mio. €. Davon entfallen auf das Finanzausgleichsgesetz, das heißt, auf die sogenannte Finanzausgleichsmasse, die im Kapitel 17 20 abgebildet wird, rund 2,24 Mrd. € nach rund 2,221 Mrd. € im Jahr 2010. Der übrige Teil der angemessenen Finanzausstattung in Höhe von rund 393 Mio. €, der im Übrigen auch Teil des Kommunalen Finanzausgleichs ist, wird aus den Einzelplänen der Fachressorts und damit außerhalb des FAG gewährt. Dargestellt sind diese Zuweisungen in der Anlage 3 der Gesetzesbegründung zu § 3 FAG. Im Jahr 2010 betrugen diese Leistungen 402 Mio. €, 2011 haben wir insoweit einen Rückgang um 9 Mio. € zu verzeichnen. Auch im Jahr 2011 sind Leistungen des Landes für die kommunale Aufgabenerfüllung vorgesehen, die über die angemessene Finanzausstattung hinaus an die Kommu

nen ausgereicht werden. Diese zusätzlichen Leistungen sollen rund 200 Mio. € nach 224 Mio. € im Vorjahr betragen. Insgesamt betragen nach dem Vorschlag der Landesregierung die Leistungen des Landes an die Kommunen im Jahr 2011 rund 2,833 Mrd. €. Das ist ein leichter Rückgang von 14 Mio. €. Hinzu kommen Leistungen aus dem Konjunkturprogramm II.

Drittens: Nach der Vorstellung der Eckdaten des Finanzausgleichs 2011 möchte ich auf einige wichtige Änderungen im Gesetzentwurf eingehen. So wird in § 3 Abs. 1 Satz 1 der Betrag der Finanzausgleichsmasse angepasst. In Satz 2 wird der Ansatz der Auftragskostenpauschale von 199 Mio. € auf 181 Mio. € reduziert. Diese Reduzierung geschieht vor dem Hintergrund der beabsichtigten Umstellung der Methode zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten von der Korridorbildung zu den drei am wirtschaftlichsten arbeitenden Kommunen in der jeweiligen Vergleichsgruppe - neudeutsch das sogenannte Benchmarking. Einzelheiten werden in der noch zu erlassenden Rechtsverordnung über die Auftragskostenpauschale des Jahres 2011 geregelt. In einer Änderung erfolgt in § 3 Abs. 1 Satz 2 infolge der Absenkung der Verbundquote eine Anpassung.

Darüber hinaus sind die in § 7 ausgewiesenen Teilschlüsselmassen an Gemeinden und Städte sowie an die Landkreise anzupassen. Die Grundlage der jeweiligen Teilbeträge bildet die Schlüsselmasse des Jahres 2011 in Höhe von rund 1,055 Mrd. €.

Um auch den kleinen kreisfreien Städten im Verhältnis zur Finanzausstattung der übrigen Kommunen eine aufgabenadäquate Finanzausstattung zukommen zu lassen, erfolgt durch eine Änderung des § 10 eine geringfügige Verschiebung der bisherigen Binnenverteilung zwischen Städten und Gemeinden. Hierzu wird von der Gesamtschlüsselmasse ein Betrag von 10 Mio. € abgezogen. Die Schlüsselmasse wird im Übrigen wie bisher auf die Gemeinden und die kreisfreien Städte sowie die Landkreise verteilt. Der zuvor abgezogene Betrag kommt über Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden und kreisfreien Städte ergänzend den kleineren kreisfreien Städten zugute. Dazu wird die Hauptansatzstaffel geringfügig zugunsten dieser Städte geändert. Das heißt, der Mindestansatz von ihnen wird auf 140 Prozent angehoben. Diese Korrektur ist notwendig, da die aktuelle Staffelung der Hauptansatzstaffel dem bisherigen und sich in Zukunft fortsetzenden Rückgang der Einwohnerzahlen bzw. der Leistungskraft in den kleinen kreisfreien Städten Suhl, Eisenach und Weimar nicht mehr gerecht wird. Die Haushalte der kreisfreien Städte Eisenach und Suhl weisen bei den aktuellen Finanzierungsbedingungen ein strukturelles Defizit aus, das ohne Veränderung in der Gebietsstruktur selbst bei Ausnutzung aller Sparpotenziale auch in Zukunft nicht überwunden werden kann. Um diesem Trend ent

(Minister Prof. Dr. Huber)

gegenzuwirken, ohne natürlich damit alle Probleme zu lösen, aber spürbar zu vermindern, wird der Hauptansatz für kreisfreie Städte auf 140 vom Hundert angehoben.

Einer Änderung des im Übrigen unverändert gelassenen Verteilungsverhältnisses der Schlüsselmasse zugunsten der Städte und Gemeinden bedarf es trotz der Kita-Novelle nach Auffassung der Landesregierung nicht. Im Gegenteil, eine weitere Reduzierung der Schlüsselmasse würde dem Gebot des Verfassungsgerichtshofs, das die Hälfte der Aufgaben ungebunden den Kommunen zugewiesen werden muss, zuwider laufen. Insofern ist eine Umschichtung zu besonderen Ergänzungszuweisungen für Kita-Kosten über die vorgesehenen Ansätze hinaus verfassungsrechtlich mit höchsten Zweifeln behaftet und aus meiner Sicht unzulässig.

Eine weitere Änderung ist in § 11 Abs. 2 vorgesehen. Danach sollen die in § 11 Abs. 2 festgesetzten fiktiven Hebesätze zur Berechnung der Steuerkraftzahlen auf das Durchschnittsniveau der Flächenländer Ost 2008 angehoben werden. Das betrifft jetzt nicht die Zuweisung, sondern die Binnenverteilung. Diese tritt aber erst, wie wir gestern schon besprochen haben, zum 1. Januar 2015 in Kraft, um dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung zu tragen und den betroffenen Kommunen Anpassungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Schließlich möchte ich die Änderung von § 28 Abs. 3 erwähnen. In die bisherige Regelung sollen die Worte „im Durchschnitt“ eingefügt werden. Mit der Änderung wird die bestehende Regelung korrigiert und klargestellt, dass Umlagegrundlage der Landkreise zur Berechnung der Kreisumlage nicht die Summe, sondern der Durchschnitt der Schlüsselzuweisungen der sonstigen, für den laufenden Bedarf als allgemeine Zuweisungen geflossenen Einnahmen sind.

Viertens: Den kommunalen Spitzenverbänden wurde der Referentenentwurf des Finanzausgleichsgesetzes zur Anhörung übermittelt. Diese haben umfassend Stellung genommen. Die vorgetragene Kritik richtet sich im Wesentlichen gegen einzelne Schritte der Ermittlung der angemessenen Finanzausstattung. Dabei werden insbesondere die fiktiven Realsteueransätze kritisiert und kritisiert, dass trotz der Mehrbelastung im Kita-Bereich keine entsprechende Anhebung der angemessenen Finanzausstattung erfolgt. Eine kritische Prüfung führt im Ergebnis jedoch dazu, dass dem Mehrbedarf auf der einen Seite zum Beispiel auch solche Einnahmen gegenübergestellt werden, die die Kommunen erzielen könnten, wenn sie ihre Steuersätze entsprechend anheben würden. Die angemessene Finanzausstattung kann, weil wir das bisher nicht gemacht haben und wir insofern zu großzügig waren, insoweit annähernd konstant gehalten werden.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kommunen wie auch in der Vergangenheit nicht mit jedem Detail des Kommunalen Finanzausgleichs einverstanden sind, eine andere Auffassung vertreten und in der Sache mehr Geld wollen. Die Landesregierung hat sich intensiv mit den vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt, sie letztlich jedoch nicht für durchgreifend gehalten. Insgesamt haben wir damit einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sichergestellt wird, dass die Kommunen auch im Jahr 2011 eine im Sinne des Artikels 93 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Verfassung angemessene Finanzausstattung erhalten. Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Kein Beifall leider, bei der CDU mäßig.)

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister. Wir eröffnen jetzt die Aussprache und es liegen Wortmeldungen aus allen Fraktionen vor. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Kuschel für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Huber, ich hatte heute ja schon meine Hochachtung vor Ihnen geäußert und Ihnen auch viel Glück gewünscht bei Ihrer neuen Tätigkeit. Doch dieser hier jetzt vorgelegte Gesetzentwurf ist andererseits ein Beleg für das Umdeutungspotenzial verfassungsrechtlicher Vorgaben und damit würden Sie natürlich in Ihrer neuen Funktion manchmal Probleme bekommen, denn da müssen Sie als Unabhängiger zu den unterschiedlichen Positionen in der Umdeutung von verfassungsrechtlichen Vorgaben dann Entscheidungen treffen. Sie haben unbestritten in Thüringen trotz Ihrer kurzen Tätigkeit als Innenminister eine Spur hinterlassen; in dieser Frage wird sie aber nicht mit positiven Erinnerungen verbunden sein. Das ist aber Ihr Problem.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben hier als Innenminister, Herr Prof. Huber, sehr ausführlich die neuen Eckdaten des Finanzausgleichsgesetzes dargelegt, aber es bleibt trotz dieser Ausführlichkeit - und Sie haben auch gesagt, es ist Transparenz gegeben - bei unserer Einschätzung und auch bei meiner Einschätzung: Vieles im neuen Finanzausgleich geht einseitig zulasten der Kommunen. Es ist ein einmaliger Vorgang hier im Thüringer Landtag, dass zunächst der Entwurf eines Landeshaushalts eingebracht wird und jetzt erst mit einer zeitlichen Verzögerung das dazugehörige Finanzausgleichsgesetz. Sie hatten schon, weil Sie wissen, was Sie jetzt erwartet in der Debat

(Minister Prof. Dr. Huber)

te, auf die Anhörung und die Ergebnisse verwiesen. Auch das ist ein einmaliger Vorgang, dass es aus der Anhörung heraus nicht eine einzige Veränderung am Referentenentwurf gab. Insofern müssen Sie sich noch einmal mit der Frage beschäftigen, auch mit dem Vorwurf: Wie ernsthaft haben Sie tatsächlich diese Anhörung betrieben, wenn sich nicht eine einzige Anregung der kommunalen Spitzenverbände dann im Gesetzentwurf widergespiegelt hat? Jetzt kommen Sie ja nicht mit dem Argument, das liegt an der Qualität des Referentenentwurfs.

(Zwischenruf Prof. Dr. Huber, Innenminister: Doch, das tue ich.)

Sie haben zu Recht darauf verwiesen, hier geht es um einen Interessenausgleich, immer. Da haben Sie mich immer an Ihrer Seite, dass natürlich die Kommunen bestimmte Dinge anders bewerten als das Land. Aber wenn es einen solchen Interessenausgleich gibt, dann ist es selbstverständlich, dass sich der Gesetzentwurf im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens entwickeln muss. Aber bei Ihnen stagniert er. Ich habe heute schon einmal den Vorwurf formuliert, das klingt sehr nach Dogmatik. Ich habe Sie bisher anders kennengelernt, Herr Prof. Huber, als jemanden, dem diese Eigenschaft nicht zuzurechnen ist. Nun weiß ich, Sie sind Bestandteil eines Kollektivorgans, genannt Landesregierung. Vielleicht hat Ihnen auch die eigene Motivation gefehlt, sich da noch mit Ihrer Person in diesem Prozess durchzusetzen, weil Sie sich gesagt haben, nach der ersten Lesung bin ich weg. Die Ministerpräsidentin hat es bisher versäumt, einen Nachfolger zu benennen. Insofern wissen wir auch nicht, wer dann Ihr Werk fortsetzt.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Hat das einer erwartet?)

Andererseits werden Sie weiter im öffentlichen Fokus stehen. Da brauche ich Ihnen gar kein Versprechen abzugeben, dass ich Sie natürlich mit Ihren Ergebnissen konfrontieren werde, selbst wenn Sie in Karlsruhe sind.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Ruhe vor Kuschel.)

Ich versuche jetzt, mich mal systematisch mit den Dingen auseinanderzusetzen, die Sie hier zur Diskussion gestellt haben, und wir kommen einmal zur Bedarfsermittlung. Herr Prof. Huber, da sind Sie Erbe eines Verfahrens, das Ihre Vorgänger zu vertreten haben, nämlich der Bedarfsermittlung nach der Korridormethode. Wir haben eines der modernsten Finanzausgleichssysteme in der Bundesrepublik. Darauf bin ich auch stolz. Wenn ich durch die Bundesrepublik reise, sage ich das auch immer. Wir haben lange darum gekämpft - auch als PDS, als Linkspartei.PDS und als LINKE -, dass wir gesagt haben, wir wollen einen Finanzausgleich, der bedarfsorientiert ist, weil die Kommunen verfassungs

rechtlich zu den Ländern gehören usw. Wir konnten uns politisch nicht durchsetzen, aber die SPD hat geklagt und die Verfassungsrichter haben ein Urteil gesprochen, das unseren Vorstellungen sehr nahe kommt.

Jetzt ist aber die Frage: Wie geht man mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben um, insbesondere, was die Bedarfsermittlung betrifft? Wir als LINKE sind davon überzeugt, dass bereits die Bedarfsermittlung beim Finanzausgleich - 2009 erstmalig zur Anwendung gebracht - fehlerhaft war, insbesondere die Korridorbildung, und zwar insbesondere im übertragenen Wirkungskreis. Weshalb sage ich das? Da greifen Sie jetzt wieder ein, indem Sie die Korridorbildung sogar noch verschärfen, indem Sie jetzt nicht mehr einen Korridor bilden, sondern sagen, die drei Kostengünstigsten sind jetzt die Orientierung. Aber im übertragenen Wirkungskreis ist das Land nicht nur Rechtsaufsichtsbehörde, sondern auch Fachaufsichtsbehörde und gibt deshalb die Standards vor. Jetzt müssen Sie mir mal erklären, wie es geschehen kann, wenn das Land auch Fachaufsichtsbehörde ist, dass Sie den Vorwurf erheben - unausgesprochen, aber er resultiert aus dem Verfahren -, dass eine Vielzahl der Kommunen nicht kostenoptimiert arbeitet. Ansonsten würde es keinen Sinn machen, dass Sie sagen, die drei Kostengünstigsten sind der Maßstab. Da gibt es Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, darin sind wir uns einig, kann man nicht viel diskutieren. Meine lieblingsübertragene Aufgabe im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises - also Auftragskostenpauschale - ist die Beflaggung von Dienstgebäuden zu staatlichen Feiertagen, da kann man nun wenig diskutieren. Da gibt es 2 Cent pro Einwohner und Jahr. Da werden auch die Kommunen nicht ewig diskutieren. Wir haben ganz andere Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis, ob das die Bauverwaltung ist, also die Bauordnungsbehörde, oder das Kfz-Wesen, wo man sagt, wenn unterschiedliche Kosten entstehen pro Einwohner, hat das Ursachen. Zum Beispiel komme ich aus Arnstadt; unbestritten durch das Industriegebiet Erfurter Kreuz haben wir andere Anforderungen und Ausgaben an die Bauordnungsbehörde als beispielsweise ein Landkreis, der kein Industriegebiet von 400 ha vorzuhalten hat. Da die Bauordnungsbehörden aber nicht mehr kostendeckend arbeiten, erhalten sie einen Ausgleich über die Auftragskostenpauschale. Wenn Sie aber jetzt sagen, wir nehmen nur die drei Kostenoptimierten, dann wären solche Besonderheiten aus meiner Sicht in unzulässiger Art und Weise ausgeblendet. Die Korridorbildung war schon fehlerhaft, aber Sie schlagen jetzt ein Verfahren vor, das tatsächlich sachlich nicht zu begründen ist. Sie werfen nicht nur den Kommunen vor, dass sie nicht optimiert arbeiten, sondern - ich will es mal vorsichtig formulieren - auch den Fachaufsichten schreiben Sie nicht das beste Zeugnis aus. Anders ist es nicht zu bewerten. Ich gehe davon aus, die

Fachaufsicht achtet natürlich auch darauf, dass die Kommunen nicht so viel Personal vorhalten, nicht so viele Sachkosten und dergleichen haben. Die Umstellung des Verfahrens macht 92 Mio. € aus, 92 Mio. € gehen den Kommunen verloren.

(Zwischenruf Prof. Dr. Huber, Innenminister: Nein, fiktive Einnahmen.)