Protocol of the Session on July 17, 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Gäste auf der Zuschauertribüne, liebe Vertreter der Medien, ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zur heutigen Plenarsitzung und bitte um Verständnis dafür, dass wir diese Veranstaltung mit einer leichten Verzögerung beginnen.

Wie die meisten von Ihnen wissen, haben Mitglieder der NPD für heute eine Demonstration und ihr Erscheinen auf der Besuchertribüne angekündigt. Dieser Auftritt vor und im Parlament ist ein unwürdiges Schauspiel, das hoffentlich auch ein Gastspiel bleiben wird, welches sich nicht wiederholt.

(Beifall im Hause)

Gleichwohl wollen wir nicht auf unseren deutlichen Protest gegen die NPD und deren Ideologie verzichten. Aus diesem Grund haben wir gerade Mülltonnen in der Jürgen-Fuchs-Straße aufgestellt und ein deutliches, unmissverständliches Zeichen gesetzt, dass Nazis in diesem Haus keinen Platz haben.

(Beifall im Hause)

Dieser Landtag hat von Anfang an deutlich gemacht, dass wir uns gegen rechtsextremistische, fremdenfeindliche Ideologie zur Wehr zu setzen wissen und eben hat draußen eine Journalistin gesagt, das zeichnet diesen Landtag aus, dass er in dieser Frage immer ein deutliches und auch sehr buntes Zeichen setzt. Ganz herzlichen Dank an alle Fraktionen, die sich an dieser Aktion beteiligt haben.

(Beifall im Hause)

Die autoritären Ideen der NPD, ihre Unwahrheiten, Verzerrungen und populistischen Forderungen sind unvereinbar mit den freiheitlichen und demokratischen Grundprinzipien unseres Parlaments. Deshalb darf die NPD nicht in diesen Landtag einziehen. Dafür treten wir als demokratische Parteien unseres Landes gemeinsam ein. Thüringen ist ein weltoffenes und ein tolerantes Land. Das lassen wir uns nicht von der NPD oder anderen Rechtsradikalen zerstören und zerreden.

(Beifall im Hause)

Die NPD wird uns auch nicht davon abhalten, vernünftige Politik für unser Land zu machen, im Wettstreit um die besten Ideen, aber immer in der Wahrung vor der Würde des Menschen und in der Wahrung der Akzeptanz voreinander. Weder heute noch in Zukunft wird es der NPD gelingen, uns dabei zu stören, auf dem Weg der Konsensfindung politische Probleme zu lösen. Deshalb setzen wir nun unsere reguläre Beratung fort, denn wir wollen auch nicht, dass durch übermäßige Aufmerksamkeit der NPD

ein Blickfeld geboten wird, welches nicht in unserem Interesse ist.

(Beifall im Hause)

Wir werden uns morgen bei der Beratung des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses 5/2 wieder intensiv mit den Fragen rechtsradikaler Strukturen in unserem Land befassen, aber heute kommen wir, wie vereinbart, zunächst zum Aufruf des Tagesordnungspunktes 1, der Regierungserklärung.

Ich gebe vor Eintritt in diese Tagesordnung noch bekannt, dass als Schriftführerin Frau Abgeordnete Berninger neben mir Platz genommen hat und die Rednerliste Frau Abgeordnete Holzapfel führt.

Für die heutige Sitzung haben sich Herr Abgeordneter Koppe, Herr Abgeordneter Günther, Herr Abgeordneter Metz, Herr Minister Geibert - zeitweise steht hier auf meiner Liste, er ist aber da, und Herr Minister Dr. Voß - zeitweise -, er ist auch da, steht auf meiner Rednerliste.

(Heiterkeit im Hause)

Frau Abgeordnete Diezel - das musste ich jetzt extra noch einmal fragen - ist immer noch erkrankt und kann an dieser Sitzung nicht teilnehmen.

Die Landespressekonferenz hat für heute zu einem parlamentarischen Abend eingeladen. Sie haben alle höchstpersönlich eine Einladung dazu bekommen. Dieser wird gegen 19.00 Uhr beginnen.

Ich weise auch darauf hin, dass zum Tagesordnungspunkt 6 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drucksache 5/8040 verteilt wurde.

Ich frage nun, fast der Form halber: Wird der nun vorliegenden Tagesordnung widersprochen? Das ist nicht der Fall.

Demzufolge komme ich zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 1

Regierungserklärung der Ministerpräsidentin „Bilanz 2009 bis 2014 - gemeinsam erfolgreich für Thüringen“

Ich bitte Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht um die Regierungserklärung.

Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, gestatten Sie auch mir am Beginn ein persönliches Wort zu den Ereignissen gerade eben. Ich erinnere, am Beginn der Legislaturperiode stand fraktionsübergreifend der Beschluss für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in unserem Land. Er ist kon

stitutiv geworden für unsere gemeinsame Arbeit in diesem Hohen Haus über fünf Jahre. Wir leben Demokratie, wir streiten für die Demokratie. Mit braunem Ungeist wollen wir nichts zu tun haben. Auch ich danke allen, die heute die Stirn geboten haben.

(Beifall im Hause)

Lassen Sie uns auch heute eine Debatte führen, die die Vorzüge der Demokratie erlebbar macht, nämlich das offene Wort in Rede und Gegenrede. Darum geht es. Es geht um das beste Argument. Darum wollen wir streiten hier im Hohen Haus. In diesem Geist möchte ich auch meine Regierungserklärung Ihnen, den Damen und Herren Abgeordneten dieses Hohen Hauses, abgeben.

Ich gebe diese Regierungserklärung im Namen der Landesregierung ab, um dem Parlament Rechenschaft abzulegen über diese Legislaturperiode. Es ist eine Frage der politischen Kultur, dass wir die Diskussion über Bilanz der Regierungsarbeit auch im Thüringer Landtag führen. Wir stellen uns dieser Diskussion selbstbewusst, denn es waren fünf gute Jahre für Thüringen.

(Beifall CDU, SPD)

„Starkes Thüringen - innovativ, nachhaltig, sozial und weltoffen“, so lautet der Titel des Koalitionsvertrages, den CDU und SPD zu Beginn der Legislaturperiode vereinbart haben. Fast 400 Ziele und Initiativen hatten die Koalitionspartner formuliert. Davon sind fast 90 Prozent abgearbeitet. In diesen Tagen gehen die letzten Gesetzgebungsinitiativen durch das Parlament, wie gestern die Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes oder die Dienstrechtsreform - grundlegende Gesetzeswerke für die Arbeit in den kommenden Jahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir hatten uns viel vorgenommen und wir haben gemeinsam für Thüringen viel erreicht. Die Koalition hat in den vergangenen fünf Jahren gut und erfolgreich zusammengearbeitet.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Der eine sagt es so, der andere so.)

Ich verhehle nicht: Diese Koalition war keine Liebesheirat. Darum geht es auch gar nicht. Die politischen Positionen lagen 2009 längst nicht in allen Punkten beieinander. Wir mussten uns auf beiden Seiten bewegen, um uns anzunähern. Aber auch das macht eine Demokratie aus: Es gibt eine gemeinsame Basis, die wir schließlich gefunden haben zum Wohle des Landes. Das ist Verantwortung, die Politik wahrnehmen muss, und diese Verantwortung haben wir wahrgenommen.

(Beifall CDU, SPD)

In diesen fünf Jahren haben wir bisweilen hart um die Sache gerungen. Aber es geht ja auch um viel: um die verantwortungsvolle Gestaltung des Lan

des. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen und erhalten, damit die Thüringerinnen und Thüringer ihre Talente entfalten können, dass sie in unserem Land eine Perspektive für sich und ihre Familien sehen, dass sie auch von dem, was sie erarbeitet haben, von ihrem Einkommen, leben können. Auch das muss in Thüringen möglich sein und auch darum haben wir uns bemüht.

Wir wollten Thüringen auf die Zukunft vorbereiten. Das ist uns gelungen. Das Land steht besser da als je zuvor. Heute können wir sagen: Thüringen ist innovativer, nachhaltiger, sozialer und weltoffener geworden. Das ist die Leistung der Thüringerinnen und Thüringer zunächst selbst, die alle die Ärmel hochgekrempelt haben, die Hand angelegt haben, die jeden Tag ihre Leistung erbracht haben. Aber es ist auch Leistung der gemeinsamen Arbeit in der Koalition, in der wir dafür Rahmen setzend für das Land tätig gewesen sind.

(Beifall CDU, SPD)

Die letzten fünf Jahre gehören zu den erfolgreichsten Jahren seit der Wiederbegründung des Freistaats. Sie waren trotz aller Beschwernisse, die es bei Regierungsantritt noch gab, eine Zeitenwende und ein guter Start in das nächste Thüringer Jahrzehnt. In den zentralen Debattenfeldern der Gegenwart - Beschäftigung bei fairen Löhnen, Schuldenfreiheit, Antworten auf die demografische Entwicklung, Infrastruktur, Bildung, Forschung - sind wir erheblich vorangekommen. An diesem Erfolg haben auch die Fraktionen der Koalitionspartner hier im Landtag großen Anteil. Sie haben unsere Regierungsarbeit getragen und auch dafür bedanke ich mich bei den Koalitionsfraktionen ausdrücklich.

(Beifall CDU, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Meilensteine, die wir erreicht haben, sind keine Selbstverständlichkeit. Erinnern wir uns: Als die Koalition im Jahr 2009 die Verantwortung für das Land übernommen hat, steckte die Welt in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise. Auch die Thüringer Wirtschaft wurde in diesen Abwärtssog hineingezogen. Binnen Monaten waren vier Jahre Wirtschaftswachstum dahin. Viele Thüringer Unternehmen mussten ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken. Erstmals seit vier Jahren stieg 2009 die Arbeitslosigkeit wieder an. Ich erinnere nur an das Stichwort Opel. Die erste Landtagssitzung hier gemeinsam nach der Regierungsbildung war unter anderem der Situation bei Opel gewidmet. Der ganze Konzern General Motors und mit ihm das Werk in Eisenach standen auf der Kippe. Die Thüringer Landesregierung hat hier gemeinsam mit den Landesregierungen der anderen Opel-Standorte in RheinlandPfalz, in Hessen und Nordrhein-Westfalen an einem Strang gezogen. Die guten Erfolge, die bereits von der Vorgängerregierung erzielt worden waren ausgeglichene Haushalte, stabiles Wirtschafts

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

wachstum -, wurden durch die schwere globale Wirtschafts- und Finanzkrise, die ich eben exemplarisch für Opel genannt hatte, wieder zunichtegemacht. Der Aufbruch ins nächste Jahrzehnt fand unter schwierigen Bedingungen statt. Dennoch ist Thüringen gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen. Als sich mit dem Jahr 2010 die wirtschaftlichen Rahmendaten wieder zu bessern begannen, war der richtige Zeitpunkt für den Kurswechsel gekommen, den ich mit dem Leitbild „Thüringen 2020“ eingeleitet habe. Es war der richtige Zeitpunkt, den neuen Herausforderungen, vor denen unser Land stand, konkret zu begegnen: Dem demografischen Wandel, zurückgehenden Finanzmitteln vom Bund und aus Europa, der Globalisierung und später nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 - galt es auch, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die eingeleitete Energiewende mit aller Kraft zu stemmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Maßstab für unser Handeln war klar: Wer sich unter diesen Bedingungen Handlungsspielräume erhalten will, wer die Zukunft gestalten will, wer auch in Zukunft eigenständig sein will, der braucht zuallererst eine solide finanzielle Grundlage. Das war der erste Schritt nach der Wirtschaftskrise, den Landeshaushalt nachhaltig zu konsolidieren. Das haben wir getan, und zwar mit großem Erfolg.

(Beifall CDU, SPD)

Wir haben den Rückenwind der anziehenden Konjunktur nicht für zusätzliche Ausgaben genutzt. Nein, wir haben unsere Ausgaben in dieser Legislaturperiode sogar deutlich zurückgefahren. Das ist bundesweit in dieser Dimension einmalig. Wir gehören finanzpolitisch mittlerweile zur Spitzengruppe aller Länder. Das ist ein klarer Erfolg der Koalition. Auch hier danke ich den Fraktionen ausdrücklich, denn es war ein Gemeinschaftswerk von uns allen, die wir hier Verantwortung wahrgenommen haben.

(Beifall CDU, SPD)

Die Ausgaben folgen den Einnahmen - das haben wir erreicht - und nicht umgekehrt. Das ist unsere Leitlinie für eine nachhaltige Finanzpolitik. Seit dem Jahr 2012 haben wir keine neuen Schulden mehr aufgenommen. Wir haben begonnen, Verbindlichkeiten abzubauen. Bleiben die Rahmenbedingungen so günstig wie im vergangenen Jahr, könnten wir erstmals in der Geschichte dieses Landes eine ganze Legislaturperiode in Summe ohne neue Schulden abschließen. Das wäre eine historische Leistung, ein Gemeinschaftswerk, dieses Land fünf Jahre gestaltet zu haben, und zwar ohne die nachkommende Generation zu belasten, nein, unsere Mittel zugunsten der nachfolgenden Generation eingesetzt zu haben. Das ist Politik, das ist Verantwortung und dafür stehen wir.

(Beifall CDU, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir sparen allerdings nicht um des Sparens willen. Sparen ist kein Selbstzweck. Bildung und Forschung genießen hohe Priorität. Verantwortliche Ausgaben in diesem Bereich kommen auch künftigen Generationen zugute. Auch Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft stiften nachhaltigen Nutzen. Sie schaffen die Basis für dauerhaftes Wirtschaftswachstum, für eine hohe Beschäftigung und gesellschaftlichen Wohlstand.

Obwohl die Gelder aus dem Aufbau Ost in den letzten fünf Jahren um über 500 Mio. € zurückgegangen sind, investiert Thüringen weiterhin fast 50 Prozent mehr als vergleichbare westdeutsche Länder. Mit einer Investitionsquote von 13 Prozent schaffen wir gute Perspektiven für unser Land.