Das zweite Ereignis fand bereits im November 2012 in Gotha statt. Vor dem Haus des Vereins JU.W.E.L. E.V., dessen Vorstandsmitglieder bereits in linksextremistischen Zusammenhängen in Erscheinung getreten sind, kam es zu einer Explosion von Pyrotechnik. Videoeinstellungen im Internet ergaben Hinweise auf ein von Rechtsextremisten betriebenes Wohnprojekt in Crawinkel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Längerem werden auch Themen wie die Finanzkrise oder Kinderschänder von Rechtsextremisten instrumentalisiert und zum Gegenstand eigener Propaganda gemacht. So fanden Versammlungen unter freiem Himmel in Blankenhain zum Thema „Kein Rückzugsort für Kinderschänder und Sexualstraftäter“ oder auch in Erfurt zum Thema „Wir wollen leben - Zukunft statt EU-Wahn“ statt.
Von besonderer Bedeutung für die NPD waren vor dem Hintergrund des neuen Verbotsverfahrens die Wahlen zum Deutschen Bundestag im Herbst letzten Jahres. Die NPD erhielt bundesweit 1,3 Prozent der Zweitstimmen und verlor gegenüber der Bundestagswahl 2009 insgesamt 74.865 Stimmen. In Thüringen erreichte sie 3,2 Prozent der Zweitstimmen. Die Direktkandidaten der NPD verzeichneten im Bundesdurchschnitt einen Stimmenanteil von 1,5 Prozent. Lediglich sechs Kandidaten erhielten einen Stimmenanteil von über 5 Prozent, darunter der Direktkandidat im Thüringer Wahlkreis 196 Sonneberg/Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Orla-Kreis mit 5,2 Prozent. Bei der Mehrzahl der hiesigen Landkreise bewegte sich der Zweitstimmenanteil unter 4 Prozent. Im Landkreis Eichsfeld und in den kreisfreien Städten Suhl, Erfurt, Weimar und Jena erhielt die NPD weniger als 2 bzw. 3 Prozent der Zweitstimmen. Lediglich in Eisenach entfielen 4,8 Prozent der Zweitstimmen auf die NPD. Die Ergebnisse zeigen, dass die NPD ihre Stimmenanteile in Thüringen halten und bei den Erststimmen sogar etwas ausbauen konnte. Mit dem erreichten Anteil von 3,2 Prozent liegt die NPD auch in Thüringen weiterhin unter der 5-Prozent-Marke. Dieses Ergebnis darf uns allerdings in keiner Weise beruhigen.
Bei den anstehenden Kommunalwahlen am 25. Mai dieses Jahres gibt es, und ich sage es bewusst, wie bereits im Jahr 2009 keine 5-Prozent-Hürde mehr, so dass die NPD es erneut schaffen wird, in zahlreiche Kommunalvertretungen einzuziehen. Auch bei der Europawahl am gleichen Tag ist der Einzug in das Straßburger Parlament nicht ausgeschlossen, hat das Bundesverfassungsgericht doch in seiner Entscheidung vom 26. Februar dieses Jahres die bislang in Deutschland geltende 3-Prozent-Hürde
für die Europawahl für verfassungswidrig erklärt. Hierdurch sind alle Demokraten aufgefordert, aktiv den Einzug der NPD in Gemeindevertretungen und Europaparlament zu verhindern.
Der Bundestagswahlkampf der NPD in Thüringen verlief relativ schleppend. Anlässlich des bundesweiten Wahlkampfauftaktes am 11. Mai 2013 in Bad Salzungen fand eine Kundgebung statt. Erst am 17. August 2013 eröffnete der hiesige NPDLandesverband den Wahlkampf. Ihre bundesweite Anti-Islamkampagne unter den Schlagworten wie „Maria statt Scharia“, „Gegen die Islamisierung Deutschlands“ fanden die Kundgebungen unter dem Motto „Aus Liebe zum Tier keine Islamisierung“ unweit einer muslimischen Metzgerei in Erfurt mit ca. 30 Personen statt. In der Folge führte die Partei auch sogenannte Aktionstage durch. Neben umfangreichen Plakatierungsaktionen - Sie alle erinnern sich sicherlich noch an die mehr als scheußlichen Plakate - wurden Flugblätter verteilt und es fanden Kundgebungen unter anderem in der Nähe von Gemeinschaftsunterkünften von Asylbewerbern und Informationsstände mit geringer Resonanz statt.
Im Rahmen der Deutschlandfahrt des NPD-Bundesverbandes kam es in Eisenach, Erfurt und Jena zu Kundgebungen unter dem Motto „Asylflut und Europawahn stoppen - NPD in den Bundestag“.
Umso erfreulicher ist es, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits am 12. Dezember 2012 die durch die Bundestagsverwaltung ausgesprochene Strafzahlung der NPD in Höhe von 2,5 Mio. € bestätigt hat. Dies könnte zu einer Schwächung der NPD führen, wissen wir doch alle, dass Wahlkämpfe auch immer ein gewisses finanzielles Budget benötigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht zuletzt auch wir Abgeordnete sind dazu aufgerufen, uns mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mitteln gegen rechtsextremistisches Gedankengut, gegen extremistisches Gedankengut, komme es von rechts oder links, zur Wehr zu setzen.
Wenngleich Thüringen das einzige ostdeutsche Bundesland ist, in dem noch nie seit 1990 eine rechtsextreme Partei in den Landtag einziehen konnte, so müssen wir uns stets der Gefahr bewusst sein. Gerade im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl am 14. September gilt es, wachsam zu sein und die Bürgerinnen und Bürger vor den Gefahren und Konsequenzen eines Einzugs rechtsextremer Parteien in dieses Haus zu warnen. Es gilt umso mehr, als die NPD auch unter Berücksichti
gung ihres Zusammenwirkens mit anderen rechtsextremistischen Strukturen hier weiterhin die größte Gefahr für unser freiheitliches demokratisches Gemeinwesen darstellt. Auch sprechen die beschriebenen umfangreichen Aktionen der sogenannten Freien Kräfte mit ihrem wenn auch mäßigen, aber doch stetigen Mobilisierungspotenzial ihre Sprache und müssen uns wachsam machen.
Ich bin mir sicher, dass jeder von Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen, in irgendeiner Weise in seinem Wahlkreis schon mit Aktionen der beschriebenen Art befasst war. Als ein Beispiel für das Zusammenwirken von NPD und Freien Kräften kann die Kameradschaft Eichsfeld um Thorsten Heise benannt werden. Besagter Heise sitzt seit 2009 für die NPD im Eichsfelder Kreistag und veranstaltet auf seinem Anwesen in Fretterode regelmäßig Kameradschaftsabende, an denen in der Regel ca. 15 Personen aus Thüringen und den angrenzenden Bundesländern teilnehmen. Über Herrn Heise unterhält die Kameradschaft Kontakte zu Rechtsextremisten in anderen Bundesländern und im Ausland. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere noch die zahlreichen Angriffe und Beschädigungen von Wahlkreisbüros zu benennen, bei denen ein politisch rechtsmotiviertes Tatmotiv offenkundig ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was das Thema Immobilien angeht, ich hatte unter anderem das Objekt in Crawinkel mehrfach erwähnt, wurde über den aktuellen Sachstand zu den von Rechtsextremisten benutzten Objekten bzw. Grundstücken im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung unterrichtet. Während das „Braune Haus“ in Jena und die „Erlebnisscheune“ in Kirchheim im Ilm-Kreis, die nun als Veranstaltungsort eines NPD-Bundesparteitags zu trauriger Bedeutung gelangt ist, schon einige Jahre als Veranstaltungsorte bekannt sind, befinden sich andere Objekte erst seit wenigen Jahren im Besitz rechtsextremistischer Kreise. Wie Sie wissen, wird das ehemalige Rittergut in Guthmannshausen im Landkreis Sömmerda, welches im Mai des Jahres 2011 durch das Thüringer Liegenschaftsmanagement veräußert wurde, durch den rechtsextremistischen Verein Gedächtnisstätte e.V. betrieben. Die Veräußerung wurde seinerzeit durch den Freistaat Thüringen wegen arglistiger Täuschung angefochten. Diese Anfechtung wurde durch das Landgericht Erfurt abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung im Januar dieses Jahres zurückgewiesen. Das Berufungsgericht folgte in allen Punkten der Begründung des Landgerichts Erfurt im erstinstanzlichen Urteil für die Abweisung der Anfechtungsklage. Kürzlich hat die Landesregierung mitgeteilt, dass wegen der geringen Erfolgsaussichten von der Einlegung einer Nicht-Zulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil abgesehen worden ist und somit das Berufungsurteil rechtskräftig ist. Ein weiteres Objekt, die ehemalige Bahnhofsgaststätte in Marlis
hausen im Ilm-Kreis, wird seit 2012 als Sitz des Vereins „Schlesische Jugend - Landesgruppe Thüringen“ genutzt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die im Nachgang zur Gründungsveranstaltung im Juni 2012 beantragte Eintragung des Vereins in das Vereinsregister abgelehnt wurde. Der Verein besitzt somit weiterhin keine Rechtsfähigkeit. Schließlich - das möchte ich an dieser Stelle der Vollständigkeit halber noch einmal erwähnen - haben rechtsextremistische Kreise auch in Ballstädt eine weitere Immobilie erworben, das sogenannte Gelbe Haus. Ein Bewohner, Frontmann der Band „Sonderkommando Dirlewanger“, wurde wegen des Überfalls auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt kürzlich in Haft genommen. In diesem Zusammenhang geht der eindringliche Appell an die Landesregierung, alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um Immobilienveräußerungen seitens des Landes an Rechtsextremisten zu verhindern und Kommunen und Privatpersonen jede erdenkliche Hilfe anzubieten und zu sensibilisieren, um Immobilienveräußerungen an Rechtsextremisten zukünftig zu verhindern.
Dies hat in einigen Fällen gut funktioniert. Hierfür möchten wir allen Beteiligten, vor allem aber auch Privaten, die von einer Veräußerung an rechtsextreme Erwerber Abstand genommen haben, unseren Dank aussprechen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nochmals auf die NPD zurückkommen. Wie Sie wissen, hat der Präsident des Bundesrates am 3. Dezember letzten Jahres beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD eingereicht. Leider beteiligte sich der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung nicht, wie 2001 noch, mit eigenen Anträgen am Verbotsverfahren. Der niedersächsische Ministerpräsident und derzeitige Bundesratspräsident Stephan Weil äußerte sich zu dem neuen Verbotsantrag wie folgt, ich zitiere: „Der Antrag basiert auf intensiven und überzeugenden Vorarbeiten der Innenminister der Länder. Wir sind davon überzeugt, dass die verfassungsfeindlichen Aktivitäten von der NPD nicht weiter hingenommen werden dürfen.“ Mit der Abgabe der Klageschrift und dem Vorliegen der Antragserwiderungsschrift kann nun die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage der Verfassungswidrigkeit und des Verbots der NPD beginnen. In der rund 250 Seiten umfassenden Anklageschrift betonen die Prozessbevollmächtigten des Bundesrates, dass die NPD eine außerordentliche Nähe zum Nationalsozialismus hat und sich selbst in der Tradition der NSDAP sieht. Zudem zielt sie darauf ab, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Ganzen zu beseitigen. Ihre Ideolo
gie sei mit den zentralen Elementen der Verfassung daher unvereinbar. Sie verfolgt das Ziel der Abschaffung der Ordnung im ganzen Bundesgebiet und habe mithilfe der Gesamtorganisation auf lokaler Ebene bereits Beeinträchtigungen dieser Ordnung erreicht. Die Klageschrift stützt sich maßgeblich auf allgemein zugängliche Materialien. Zudem sind Erkenntnisse über Aktivitäten der Partei durch offene Ermittlung gewonnen worden. Zur Vertiefung der Tatsachenbasis wurden auch Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung einbezogen. Damit gibt es, anders als im ersten Verfahren zum Verbot der NPD, kein Problem mit der Einbeziehung sogenannter V-Leute. Die Quellenfreiheit wird von allen Innenministern bestätigt.
Die PKK wurde im Vorfeld der Antragseinreichung durch die Landesregierung unterrichtet und wird über den Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden gehalten. Ihr wurde sowohl die Antragsschrift als auch eine Zusammenstellung der sogenannten Beweisbelege zur Verfügung gestellt. Die PKK unterstützt das Parteienverbotsverfahren, hat jedoch auch gewisse Bedenken, die sie bereits im Rahmen des Tätigkeitsberichts im Jahre 2012 äußerte.
Es wäre von vornherein falsch, die Bekämpfung des Rechtsextremismus allein auf ein NPD-Verbot zu konzentrieren. Entscheidend ist vielmehr, dass wir und insbesondere auch wir Abgeordnete des Thüringer Landtags die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten und ihren menschenverachtenden Ansichten in aller Deutlichkeit und auf allen Ebenen führen.
Insbesondere junge Menschen müssen wir gerade gegenüber dem braunen Gedankengut immunisieren. Wir brauchen hier eine wirksame Prävention.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nun zu einem weiteren Schwerpunkt der Arbeit der PKK kommen, dem Linksextremismus. Im linksextremistischen Bereich lagen die Unterrichtungsschwerpunkte im Berichtszeitraum wiederum bei den Aktivitäten der autonomen Szene und hier insbesondere in das Aktionsfeld Antifaschismus hinein. Dabei war festzustellen, dass es zu einem Rückgang der Aktivitäten der hiesigen linksextremistischen Szene im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Veranstaltungen gekommen ist, was auf die personelle und strukturelle Schwächung zurückgeführt werden kann. Linksextremistische Gruppierungen beteiligten sich an Protestveranstaltungen des bürgerlichen Lagers gegen Versammlungen des rechtsextremistischen Spektrums, so beispielsweise im Rahmen des Nationalen Kundgebungstages der NPD am 4. Mai 2013 in Leinefelde im Landkreis Eichsfeld, oder gegen den sogenannten Bürgerprotest gegen das Asylbewerberheim in Greiz. Auch war die linksextremistische autonome Szene an Protesten gegen Veranstaltun
gen der Deutschen Burschenschaft vom 24. bis 26. Mai 2013 in Eisenach beteiligt. Es fiel auch auf, dass lokale Aktivitäten, Mobilisierungen und Proteste gegen Veranstaltungen von Rechtsextremisten oftmals nicht zustande kamen bzw. nicht öffentlichkeitswirksam wurden. Zudem kam es im Rahmen solcher Veranstaltungen immer wieder zu Straftaten. So besetzten Angehörige der „Antifa Erfurt“ am Rande einer Demonstration gegen einen rechtsextremistischen Aufmarsch am 1. Mai 2013 in Erfurt das leerstehende alte Schauspielhaus. An einer weiteren Hausbesetzung am 19. Oktober 2013 in Ilmenau beteiligten sich 25 Personen.
Neben solchen Aktionen kam es durch Angehörige der Szene auch wieder zu Sachbeschädigungen. Am 4. November 2013 wurden in den Heizungskeller der „Landsmannschaft Rhenania zu Jena und Marburg“ in Jena Molotowcocktails geworfen, die sich glücklicherweise nicht entzündeten. Auch bekannten sich Angehörige der Szene im Internet selbst der Sachbeschädigung an Kraftfahrzeugen vermeintlicher Angehöriger der rechtsextremistischen Szene. Dabei wurden im Jahr 2012 zahlreiche Scheiben eingeschlagen, Lackierungen beschädigt und Außenspiegel abgerissen. Den Höhepunkt erreichte diese Aktion am 6. November 2012, als ein Pkw in Flammen aufging. Die Fahrzeuge wurden dabei anscheinend anhand darauf befindlicher Aufkleber ausgesucht, die auf der rechtsextremistischen Szene zuzurechnende Halter schließen ließen. Hierin reiht sich auch ein Übergriff auf einen NPD-Infostand am 25. September 2012 in Rudolstadt ein, bei dem es zu Beschädigungen des Werbeaufstellers und dem Entwenden von Werbematerial gekommen ist.
Die beschriebenen Straftaten stellen keinen legitimen Protest gegen die NPD bzw. die sonstige rechtsextremistische Szene dar
Linksextremisten verunglimpften zudem auch den Protest bürgerlicher Bündnisse gegen rechtsextremistische Aufmärsche im Internet und distanzierten sich vom breiten bürgerlichen Protest, wie beispielsweise vom demokratischen Protest gegen den Thüringentag der Nationalen Jugend in Kahla 2013. Auch diese Art der politischen Auseinandersetzungen stößt auf die entschiedene Ablehnung der PKK.
Im bürgerlichen Protest aus der Mitte der Gesellschaft wird vielmehr ein sehr wirksames Mittel gegen den braunen Ungeist gesehen, der jede Unterstützung braucht. Dass es des breiten Protestes aus der Mitte der Gesellschaft gegen diese braunen Umtriebe bedarf, zeigt auch, dass Linksextremisten
weder im Rahmen der bürgerlichen Gegenveranstaltung noch durch eigene Aktionen vor Ort im Rahmen der Veranstaltung „Rock für Deutschland“ im Jahr 2013 wahrnehmbar waren.
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Vorkommnisse kommt die PKK zu dem Schluss, dass auch von linksextremistischen Organisationen und Strukturen weiterhin Gefahren für unser freiheitliches Gemeinwesen ausgehen und daher eine Beobachtung auch weiterhin geboten ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, regelmäßig unterrichtete die Landesregierung im Weiteren über das Beobachtungsfeld des Ausländerextremismus. Die Schwerpunkte dieser Unterrichtungstätigkeit lagen einmal mehr im Bereich des islamistischen Terrorismus und der salafistischen Bestrebungen. Von besonderer Relevanz waren nach wie vor insbesondere radikalisierte Einzelpersonen, anscheinend ohne festen Organisations- und Gruppenbezug. Dabei gewann das Internet weiter an Bedeutung. Gleichgesinnte finden sich über soziale Netzwerke und Internetforen und kolportieren dabei dschihadistisches Gedankengut. Gleichzeitig wird das Internet auch zum individuellen Dschihad genutzt. Fest gefügte islamistische Organisationsstrukturen sind in Thüringen allerdings nach wie vor nicht bekannt. Etwa 100 Personen bilden eine lose Anhängerschaft von Organisationen, die islamistische Grundsätze vertreten. Dabei gewinnen salafistische Bestrebungen auch in Thüringen jedoch zunehmend an Bedeutung. So wurden auch im Berichtszeitraum anhaltende Aktivitäten salafistischer Akteure festgestellt, wobei das „Internationale Islamische Kulturzentrum - Erfurter Moschee e.V.“ und das „Internationale Islamische Kulturzentrum Nordhausen e.V.“ eine wesentliche Rolle spielen. Dort fanden eine Reihe von Islamseminaren und ähnlichen Vortragsveranstaltungen statt. Als einschlägige islamistische Gruppierungen, die versuchen, ihre Position auch unter den Muslimen in Thüringen zu stärken und Anhänger zu gewinnen, sind die Muslimbrüderschaft - Ihnen sicher auch im Zusammenhang mit der ägyptischen Revolution bekannt -, die Gemeinschaft für Verkündung und Mission sowie die Nordkaukasische Separatistenbewegung, der etwa 25 Personen zugerechnet werden, genannt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt den Salafismus im Verfassungsschutzbericht 2012 wie folgt, ich zitiere in Auszügen: „Der Salafismus [gilt] sowohl in Deutschland als auch auf der internationalen Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. [...] Unter dem Oberbegriff Salafismus wird eine besonders radikale Strömung innerhalb des Islamismus verstanden, die sich an den vermeintlichen Ideen und der Lebensweise der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit orientiert. So geben Salafisten vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Korans und dem Vorbild des
Propheten Mohammed und den anderen Muslimen - der sogenannten rechtschaffenen Altvorderen [...] - auszurichten. Die Scharia, die von Gott in seiner Offenbarung gesetzte Ordnung, ist nach salafistischer Ideologie jeder weltlichen Gesetzgebung übergeordnet. Dies hat zur Folge, dass Salafisten die Geltung staatlicher Gesetze ablehnen. [...] Zentrales Anliegen der salafistischen Bewegung ist die vollständige Umgestaltung von Staat, Gesellschaft und individuellem Lebensvollzug nach diesen - als ‚gottgewollt‘ postulierten - Normen. [...] Salafisten versuchen, ihre Ideologie durch intensive Propagandatätigkeiten zu verbreiten. Sie selbst bezeichnen diese Aktivitäten als ‚Missionarisierung‘. [...] Salafistische Ideologie wird zunehmend professionell und adressenorientiert verbreitet. Ihre Vertreter wissen sich öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen und üben eine beträchtliche Anziehungskraft vorwiegend auf junge Menschen aus, darunter auch Konvertiten. Breitenwirkung wird vor allem durch das Internet erzielt, durch eine Vielzahl deutschsprachiger Webseiten sowie durch zahlreiche Videos, zum Beispiel im Internetportal YouTube. Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung salafistischer Ideologien nehmen sogenannte Islamseminare und Vorträge von salafistischen Predigern ein. [...] Salafistische Propaganda verbreitet sich auch über deutschlandweit organisierte ‚Islam-Infostände‘, die Verteilung von Broschüren und Flugblättern sowie Publikationen und Übersetzungen salafistischer Grundlagenwerke. Der Salafismus unterteilt sich in eine politische und in eine ‚jihadistische‘ (ter- roristische) Ausprägung. [...] Sie unterscheiden sich vor [allen Dingen] in der Wahl der Mittel. Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit[en], um gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Anhänger des ‚jihadistischen‘ Salafismus hingegen glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können. Die Übergänge zwischen politischem und ‚jihadistischem‘ Salafismus sind - wie Auswertungen von Radikalisierungsverläufen gezeigt haben - fließend.
Im Mai 2012 trat zum ersten Mal eine neue Aktionsform auf: die salafistische Straßengewalt. Als im Rahmen des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes Mitglieder der Bürgerbewegung ‚Pro NRW‘ am 1. Mai 2012 vor der ‚Millatu-Ibrahim-Moschee‘ in Solingen [in NRW] und am 5. Mai vor der ‚König-Fahd-Akademie‘ in Bonn [ebenfalls in NRW], Muhammad-Karikaturen des Dänen Kurt Westergaard zeigten, eskalierte die Situation. Salafistische Gegendemonstranten griffen die Mitglieder von ‚Pro NRW‘ und Polizisten an. Insgesamt wurden bei den Ausschreitungen 31 Polizisten verletzt. Ein türkischer Staatsangehöriger stach bei den Ausschreitungen am 5. Mai 2012 mit einem Messer auf zwei Polizeibeamte ein und verletzte sie schwer. Er wurde wegen dieser Handlung angeklagt, zeigte während der Verhandlung aber keine Einsicht. Er rechtfertigte seine Taten mit den Wor
ten: ‚Gelehrte sagen, wer den Propheten beleidigt, verdiene den Tod.‘ und kündigte an, auch künftig so handeln zu wollen. Am 19. Oktober 2012 befand das Landgericht Bonn [...] den Angeklagten des Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung sowie des Widerstands gegen Vollzugsbeamte für schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld.
Diese gewalttätigen Proteste stellen in Deutschland eine im Bereich des Salafismus neue Aktionsform dar. Sie weist Merkmale einer Straßenmilitanz und Parallelen zu linksextremistischen Ausschreitungen auf, so z.B. durch das Mitführen von Fahnen, Steinen, Messern, teilweise Vermummung und das Tragen von martialisch anmutender Kleidung. [...] Zwar vermeiden Akteure in Teilbereichen des politischen Salafismus nach wie vor offene Aufrufe zur Gewalt und geben vor, ihre Ziele mit politischen Mitteln erreichen zu wollen. Die gewalttätigen Ausschreitungen Anfang Mai 2012 [in NRW] haben allerdings gezeigt, wie schnell Salafisten ihr Verhältnis zur Gewalt revidieren können. Diese neue Aktionsform verdeutlicht das auf salafistischer Seite vorhandene Gewaltpotenzial. In erheblichen Teilen der salafistischen Szene in Deutschland hat zudem eine Solidarisierung mit den Gewalttätern stattgefunden. Mit erneuten gewalttätigen Aktionen salafistischer Akteure muss immer dann gerechnet werden, wenn islamkritische bzw. islamfeindliche Positionen öffentlichkeitswirksam in Deutschland vertreten werden. Des Weiteren bildet das von Salafisten verbreitete Gedankengut den Nährboden für eine islamistische Radikalisierung, die zuweilen zur Gewaltbereitschaft und schließlich auch zu einer anschließenden Rekrutierung für den islamistischen Terrorismus führen kann. Es liegen bislang keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Dynamik salafistischer Bestrebungen in Deutschland abschwächt.“ So weit das Zitat.
Von gewalttätigen Ausschreitungen ist Thüringen sicherlich noch weit entfernt. Gleichwohl darf uns dies nicht in einer trügerischen Ruhe wiegen. Vielmehr verdient dieser Bereich verfassungsfeindlicher Bestrebungen in der Zukunft unsere verstärkte Aufmerksamkeit.
Interessant ist sicher, dass die auch bei Infoständen des IIKz Erfurt auf dem Erfurter Anger unter anderem zur Verbreitung gekommene Broschüre „Missverständnisse über Menschenrechte im Islam“ durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bereits im Jahr 2012 indiziert wurde. Die Broschüre enthält unter anderem Passagen, in de
nen die Notwendigkeit des Tötens von sogenannten Abtrünnigen dargelegt sowie die uneingeschränkte Anwendung des traditionellen islamistischen Strafrechts, der Scharia, befürwortet wird.
Im Juni 2013 kam es durch die Bundesprüfstelle zu einer weiteren Indizierung. Dabei wurde die Broschüre „Botschaft des Islams“ als jugendgefährdend eingestuft. Die Indizierung erfolgte wegen der nicht im Ansatz akzeptablen sozial-ethischen desorientierenden Auslegung und der Aussagen im Hinblick auf die Propagierung eines Strafsystems, das in eklatanter Weise die Menschenwürde der Täter negiert, und wegen eines diskriminierenden Frauenbildes.
Diese Beispiele zeigen, dass von islamistischen Strukturen auch weiterhin nicht zu unterschätzende Gefahren ausgehen. Deutschland ist aufgrund seiner zentralen Lage, seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung und seines Engagements in Afghanistan nach wie vor einer besonderen Gefährdung ausgesetzt, was auch regelmäßige Warnhinweise deutscher Sicherheitsbehörden verdeutlichen.
Es ist durchaus richtig, dass Thüringen nicht über große Ballungsräume wie beispielsweise NRW mit dem Ruhrgebiet oder Hessen mit dem Rhein-MainGroßraum verfügt. Gleichwohl gibt es auch bei uns im Umfeld islamischer Einrichtungen - wie beschrieben - Entwicklungstendenzen, die einer verstärkten Beobachtung bedürfen. Zudem verfügt die in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans kurz PKK - mit dem Teilgebiet Erfurt über gefestigte organisatorische Strukturen und zählt etwa 90 Anhänger. In diesem Zusammenhang sei auch der im September 2012 in Erfurt gegründete Verein Mesopotamien e.V. genannt, dessen Anliegen es ist, das kulturelle Leben hier ansässiger Kurden zu bereichern. Redner traten dabei im Namen der YEKKOM auf, die der Arbeiterpartei Kurdistans nahesteht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits in den letzten Berichten haben wir auf die Gefahren hingewiesen, die von der „Rocker-Kriminalität“ ausgehen, welche unzweifelhaft der Organisierten Kriminalität zuzurechnen ist. Unsere damalige Feststellung, dass diese Kriminalitätsform auch bei uns in Thüringen angekommen ist, hat leider weiterhin ihre Berechtigung. Wenngleich Thüringen von weiteren großen Rocker-Prozessen bislang verschont geblieben ist und es keine gravierende Lageveränderung gegeben hat, die Auswirkungen auf das regionale Machtgefüge entfalten würde, darf uns dies nicht über die Gefährlichkeit dieser Gruppierung hinwegtäuschen. Alle vier großen Outlaw Motorcycle Gangs - der Bandidos MC, der Gremium MC, der Hells Angels MC und der Outlaw MC - blieben im Berichtszeitraum in Thüringen vertreten. So verfügt beispielsweise der Hells Angels MC in der Lan
deshauptstadt Erfurt in der Magdeburger Allee über ein Clubhaus. Neben diesen vier großen RockerClubs sind auch der Stahlpakt MC und der Underdogs MC in Weimar weitere feste Größen des Thüringer Rocker-Milieus. Zunehmend wird eine Aufweichung der traditionell unpolitischen Linie der Rocker-Clubs durch den allgemeinen Expansionstrend festgestellt, so dass die Abgrenzung zum Rechtsextremismus nicht länger konsequent vollzogen wird, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. Werte wie unverbrüchliche Bruderschaft, Disziplin, der Gebrauch bestimmter Codes und das hierarchische System der kriminellen Gruppierungen üben auf Rechtsextremisten offensichtlich eine besondere Faszination aus. So konnte festgestellt werden, dass zu Veranstaltungen von RockerClubs auch Rechtsextremisten eingeladen wurden.