Protocol of the Session on April 11, 2014

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das ist doch die Höhe.)

Auf drei Vorfälle möchte ich in diesem Zusammenhang hinweisen. Mitte Dezember letzten Jahres kam es bei den Hells Angels in Erfurt zu einer Razzia. Neben der Gaststätte in der Magdeburger Allee wurden sieben weitere Objekte, darunter auch Wohnungen, Clubräume und ein Bordell, durchsucht. Bei den Durchsuchungen wurde u.a. auch eine Waffe sichergestellt. Die Polizei nahm in diesem Zusammenhang drei Männer fest, darunter auch zwei hochrangige Mitglieder des Thüringer Charters der Hells Angels. Den drei Männern im Alter von 35, 37 und 45 Jahren wird gemeinschaftlicher Einbruchdiebstahl im besonders schweren Fall in einem Erfurter Bordell im Januar 2012 vorgeworfen. Dabei wurde ein Geldautomat aufgebrochen, 28.000 € verschwanden. Mitte Februar dieses Jahres kam es erneut zur Durchsuchung der Gaststätte und einer Wohnung der Hells Angels in der Magdeburger Allee in Erfurt. Die Aktion fand im Rahmen von Razzien in drei Bundesländern statt. Gegenstand der Durchsuchung waren Ermittlungen wegen Drogenhandels. Nicht zuletzt kam es ebenfalls im Dezember 2013 zu einem Brand in einem von dem Rocker-Club Underdogs MC angemieteten Nebengebäude in Nohra bei Weimar, welches an einen Fanclub des Fußball-Drittligisten FC RotWeiß Erfurt untervermietet war. Laut einer Polizeisprecherin sei es möglich, dass das Feuer gelegt wurde. Die PKK hat vor diesem speziellen Hintergrund die auch im Schäfer-Bericht empfohlene Neuerung diskutiert, zukünftig die Organisierte Kriminalität nicht mehr als Beobachtungsobjekt zu führen. Aspekte der Kontrolltätigkeit bildeten im Berichtszeitraum wiederum auch frühere fortwirkende und unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen DDR in Thüringen. Die PKK legt im Weiteren besonderen Wert darauf, über mögliche Aktivitäten genannter Art informiert zu werden, weshalb sie vonseiten der Landesregierung auch zukünftig re

gelmäßig hierzu unterrichtet wurde. Diese Unterrichtung erfolgte im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung durch die Landesregierung gemäß des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes. Bedeutsame Vorgänge sind für den Berichtszeitraum erneut nicht wiederzugeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ende dieses Berichtsteils noch auf einen Aspekt kommen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ma- chen wir Pause?)

der in der Vergangenheit weniger Beachtung gefunden hat. Im März letzten Jahres haben Sie alle Post von der Scientology-Organisation, kurz SO, mit einem Gesprächsangebot bekommen. Dem Brief war eine DVD von der 2004 ausgerichteten 35-Jahr-Feier des „Celebrity Centers International“ aus Los Angeles beigefügt. Ebenso trat die SO auch an das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz heran. Bereits im Jahre 2012 wandte sich Scientology im Rahmen einer deutschlandweiten Kampagne mit mehreren Schreiben auch an die Thüringer Ministerpräsidentin mit der Aufforderung, die Beobachtung der SO durch den Verfassungsschutz zu beenden. Zudem stellte die Scientology Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz an das Thüringer Justizministerium.

Sicher haben auch Sie sich die Frage gestellt, wer oder was ist eigentlich „Scientology“. Seit dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder vom 5. und 6. Juni 1997 wird die SO durch die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Mehrheit der Länder beobachtet. Bei der SO, die sich als Kirche bezeichnet und präsentiert, in Deutschland allerdings nicht als solche anerkannt ist, bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. So besitzen in einer scientologisch geprägten Gesellschaft die durch das Grundgesetz garantierten Rechte keineswegs einen für die Allgemeinheit verbindlichen Charakter. Die Ideologie der SO entwickelt sich nicht aus der permanenten rationalen Diskussion und lernbereiten Auseinandersetzung mit der Geistes- und Ideengeschichte, sondern beruft sich auf die angeblich ewige Wahrheit ihrer Lehrsätze. Selbst konstruktive Kritik an diesen Lehrsätzen gilt bereits als abweichlerisches und sanktionswürdiges Verhalten. Wesentliche Grund- und Menschenrechte, wie jene freie Entfaltung der Persönlichkeit oder Gleichbehandlung, werden durch eine scientologische Gesellschaft eingeschränkt bzw. außer Kraft gesetzt. Allgemeine und gleiche Wahlen lehnt Scientology ab.

In Thüringen existiert keine Niederlassung der SO. Aktivitäten der SO beschränken sich hier auf das Versenden von Broschüren und Informationsmaterial an öffentliche Einrichtungen und Privatpersonen.

Derartige Maßnahmen gehen jeweils von SO-Niederlassungen außerhalb Thüringens aus. Hinter den Kontaktversuchen zu Multiplikatoren in der Politik verbirgt sich, wie bereits benannt, vor allem das Anliegen, auf die Beendigung der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden hinzuwirken. Hier gilt es, wachsam zu bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nach dem Bericht über die allgemeine Unterrichtungstätigkeit der Landesregierung nunmehr einige Vorgänge, wie es das Verfassungsschutzgesetz nennt, „von besonderer Bedeutung“ herausgreifen, die in den letzten Monaten ebenfalls auf unserer Agenda gestanden haben. Unter der Überschrift „Geheimoperation in Thüringen“ berichteten die Berliner Zeitung am 16. Juni 2012 und am 18. Juni 2012 die Thüringische Landeszeitung unter der Überschrift „Ein Tummelplatz für Geheimdienste“ über eine der PKK und Ihnen sicherlich auch bis zum damaligen Zeitpunkt unbekannte „Operation Rennsteig“. Am gleichen Tag äußerte sich das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz in einer Pressemitteilung dergestalt, dass unter anderem auch der PKK in den - ich zitiere „zurückliegenden Monaten Unterlagen übersandt worden seien, aus denen sich Einzelheiten der ‚Operation Rennsteig’ ergeben“. Die Presseverlautbarungen und insbesondere der Inhalt der Pressemitteilung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz waren für die PKK-Kommission Anlass, bereits am 20. Juni 2012 zu einer Sitzung zusammenzutreten, um sich über die näheren Umstände dieser Operation unterrichten zu lassen. Nach den Ausführungen der Landesregierung habe es sich bei der als „Operation Rennsteig“ bezeichneten Maßnahme, welche von 1997 bis 2003 durchgeführt worden sei, um eine Operation des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Zwecke der Verbesserung der Zugangslagen im Rechtsextremismus gehandelt. Keinesfalls habe die Operation zur Ergreifung der damals Flüchtigen Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos gedient. Dies zeige bereits der frühe Beginn der Maßnahme im Jahr 1996, somit vor den Ereignissen und dem Komplex NSU. Involviert gewesen seien neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz der MAD, das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und auch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz existierte zur „Operation Rennsteig“ jedoch kein geschlossener Vorgang, vielmehr gebe es nur einzelne Aktenstücke. Wie bereits benannt, hätten die Maßnahmen der Verbesserung des nachrichtendienstlichen Zugangs des Bundesamtes für Verfassungsschutz gedient. Zielobjekte sei daher nicht allein der Thüringer Heimatschutz gewesen, sondern vielmehr auch die NPD und ihre Nachwuchsorganisation JN. Wie in der Presse zutreffend ausgeführt, war die „Operation Rennsteig“ in einer ersten chronologischen Darstellung der Geschehnisse um den

NSU des Bundesamtes für Verfassungsschutz, und zwar mit dem Stand vom 1. Dezember 2011, aufgeführt, welche sowohl der hiesigen Schäfer-Kommission vorgelegen hat als auch der PKK vorliegt. Als problematisch stellte sich im weiteren Fortgang der Beratungen heraus, dass nicht mehr feststellbar war, ob und gegebenenfalls inwieweit die PKK seinerzeit über den Zusammenhang mit der „Operation Rennsteig“ unterrichtet wurde. Dies ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass bis Ende des Jahres 2011 über die Sitzungen der PKK lediglich Beschlussprotokolle erstellt wurden, aus denen der Beratungsverlauf heute nur noch in Ansätzen rekapituliert werden kann. Seit geraumer Zeit werden die Beratungen der PKK in Ergebnisprotokollen festgehalten, die neben den Beschlüssen nunmehr auch die wesentlichen Beratungsinhalte zum Inhalt haben. Nichtsdestotrotz war für die PKK nicht nachvollziehbar, weshalb die Landesregierung über einen Maßnahmekomplex, der sich über einen sechsjährigen Zeitraum erstreckte und in den das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz involviert war, offensichtlich bislang nicht unterrichtet hatte.

Auf Kritik stieß zudem, dass vonseiten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz im Rahmen der Berichterstattung zum sogenannten Trio offensichtlich zunächst kein Zusammenhang zwischen dem Thüringer Heimatschutz, dem Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe angehörten, und dem NSU hergestellt wurde, weshalb eine frühzeitige Berichterstattung zur „Operation Rennsteig“ ausblieb und entsprechende Unterlagen der PKK nicht übergeben wurden. In diesem Zusammenhang von der PKK befragte ehemalige Mitglieder des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz konnten sich zum Großteil nicht an eine solche Operation erinnern bzw. ihnen war nicht einmal die Begrifflichkeit bekannt. Lediglich ein ehemaliger Mitarbeiter informierte darüber, dass es in diesem Zusammenhang mehrere Arbeitsbesprechungen vom Bundesamt für Verfassungsschutz, MAD, Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz und Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gegeben habe. Ziel sei es dabei gewesen, Angehörige der Bundeswehr bzw. solche Personen, die der Wehrüberwachung unterlagen, zu überprüfen, inwieweit sie als mögliche Quellen eingesetzt werden können.

Im Rahmen der „Operation Rennsteig“ habe es eine Reihe von Werbungsmaßnahmen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz durchführte, gegeben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass drei der geworbenen VMs später an das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz übergeben wurden und erst kürzlich vor dem Hintergrund von Waffenfunden im Jahre 2005 in Sonneberg einer von ihnen wieder in Erscheinung trat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesen Zeitraum fiel auch - Sie werden sich erinnern - die

Versetzung des langjährigen Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Sippel, in den einstweiligen Ruhestand. Auch wir Kommissionsmitglieder stellten leider zunehmend fest, dass die Vertrauensbasis zur Hausleitung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz immer brüchiger wurde und zum Schluss als zerrüttet angesehen werden musste. Dies hat sicherlich maßgeblich mit der unzureichenden Informations- und Auskunftsbereitschaft der Landesregierung zu tun und gipfelte schließlich in der zu Beginn meiner Ausführungen zur „Operation Rennsteig“ angeführten Pressemitteilung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen weiteren Aspekt ansprechen, mit dem sich die PKK im Berichtszeitraum auseinandergesetzt hat. Im Oktober des Jahres 2012 berichteten verschiedene Medien, unter anderem auch der MDR, über einen Anwerbungsversuch des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz in der linken Szene. Bei der betroffenen Person handelt es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter unserer Kollegin, der Abgeordneten König. Die mediale Berichterstattung nahm die PKK zum Anlass, sich über die näheren Umstände des Werbungsfalls durch die Landesregierung folgendermaßen unterrichten zu lassen: Im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bestand die Notwendigkeit, die Zugangslage zur militanten gewaltbereiten linksextremistischen Szene zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wurden die dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung stehenden Informationsquellen, insbesondere polizeiliche Dateien und auch das zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister, im Rahmen des rechtlich Möglichen geprüft und auch entsprechende Internetrecherchen durchgeführt. Die in Rede stehende Person fiel dabei auf, da sie im Rahmen von Demonstrationen gegen rechtsextremistische Versammlungen sowohl in Warschau als auch in Berlin polizeilich erfasst, gleichwohl aber bislang nicht vorbestraft gewesen war.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Wer auf Demos geht, hat Zugang zur linksextre- men Szene.)

Sie hatte somit Zugang in die Szene, was sie für eine Zusammenarbeit interessant gemacht hätte. Nach den weiteren Aussagen der Landesregierung war hingegen nicht feststellbar, dass ein Zusammenhang dieser Person mit der Tätigkeit für eine Abgeordnete bestanden hat. Von einer durchaus rechtlich möglichen Abfrage nach dem SGB bei den Sozialversicherungsträgern zu ehemaligen Arbeitgebern wurde fälschlicherweise Abstand genommen, da es infolge des jungen Alters von 21 und der bisherigen Vita unwahrscheinlich erschien, dass der Betroffene bereits in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden hat.

Zudem dauern solche Anfragen in der Regel bis zu einem halben Jahr, so dass die Informationen danach nur noch einen bedingten Wert haben. Eine Abfrage bei den Finanzbehörden war wegen des Steuergeheimnisses nicht möglich, wobei auch unwahrscheinlich war, dass Studenten beziehungsweise junge Menschen generell überhaupt schon über ein steuerpflichtiges Einkommen verfügen. Wie Sie wissen, hat die Zielperson bereits während des Anspracheversuchs telefonischen Kontakt zu einer weiteren Person aufgenommen und mitgeteilt, dass sie gerade vom Verfassungsschutz angesprochen wird. Damit war die Werbungsmaßnahme für das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz beendet. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz versicherte, wäre die Ansprache erfolgreich gewesen und hätte man bei der Aufnahme des persönlichen und beruflichen Lebens mitbekommen, dass ein Mitarbeiterverhältnis zu einer Abgeordneten bestanden hätte, so wäre die Zusammenarbeit im Übrigen sofort beendet worden. Frau Abgeordnete König erklärte sich dankenswerterweise bereit, der PKK für Fragen zur Verfügung zu stehen. Sie informierte über die verschiedenen Praktika und Anstellungsverhältnisse ihres ehemaligen Mitarbeiters und wies darauf hin, dass es im Rahmen einer Internetrecherche durchaus möglich gewesen wäre, ein Näheverhältnis zu ihr festzustellen. Im Weiteren wurde der damals für die werbungsvorbereitende Maßnahme und die Ansprache zuständige Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz befragt. Es wurde dabei sehr deutlich, wie aufwendig entsprechende Forschungsmaßnahmen sind und welche Daten in diesem Zusammenhang erhoben und geprüft werden. Ein wie auch immer geartetes, oftmals unterstelltes aktionistisches Handeln war der in Rede stehenden Forschungsmaßnahme hingegen fremd. Wir, die Kommissionsmitglieder, gewannen hingegen einen vertieften Einblick in den Ablauf einer sogenannten Erstansprache. Dennoch besteht die Pflicht des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, auch bei der Anwerbung rechtsstaatliche Normen zu wahren und jegliche Beeinträchtigung der Legislative zu vermeiden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade aber, weil auch bei aller Sorgfalt unbeabsichtigte Übergriffe des Verfassungsschutzes in den Bereich der Legislative nicht ausgeschlossen werden können, bedarf es zukünftig einer strikten Pflicht zur zeitnahen Unterrichtung der PKK, wenn derartige Fälle auftreten. Dieser Aspekt sollte auch bei der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, neben den soeben benannten Aspekten spielte natürlich auch der Komplex NSU weiter eine wichtige Rolle. Wie Sie wissen, beschäftigt uns, beschäftigt die ganze Republik dieses Thema bereits seit November 2011.

Verschiedene Gremien, sowohl auf Bundesebene als auch in anderen Bundesländern, haben sich intensiv mit den Verbrechen und den näheren Umständen auseinandergesetzt. Immer wieder stellt sich auch uns die Frage: Wie konnte es dazu und so weit kommen? Hätten die Verbrechen verhindert werden können? Wer hat Fehler gemacht und wer trägt letztendlich die Verantwortung dafür, dass das Mord-Trio und deren Helfer so lange unerkannt wüten konnten? Im Tätigkeitsbericht aus dem Juni 2012 hat die PKK ausführlich hierzu Stellung genommen. Bereits seit Januar 2012 untersucht auch der Untersuchungsausschuss 5/1 des Thüringer Landtags ein mögliches Fehlverhalten der Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden, einschließlich der zuständigen Ministerien unter Einschluss der politischen Leitungen, sowie der mit den Sicherheitsbehörden zusammenarbeitenden Personen im Zusammenhang mit Aktivitäten rechtsextremer Strukturen, insbesondere des NSU und des Thüringer Heimatschutzes und seiner Mitglieder, sowie möglicher Fehler der Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden bei der Aufklärung und Verfolgung der dem NSU und ihm verbundener Netzwerke zugerechneten Straftaten. So heißt es im Einsetzungsbeschluss.

Am 6. Mai 2013 begann zudem vor dem Oberlandesgericht München das Gerichtsverfahren gegen fünf Angeklagte, darunter Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben. Beate Zschäpe muss sich dabei u.a. wegen Mittäterschaft in zehn Mordfällen, schwerer Brandstiftung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten, Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord an neun Menschen. Die PKK wurde von der Landesregierung regelmäßig über weitere bzw. über neue Erkenntnisse unterrichtet. In diesem Zusammenhang wurde der Kommission eine ganze Reihe weiterer Unterlagen zur Verfügung gestellt, die auch dem Untersuchungsausschuss 5/1 zugeleitet wurden. Lassen Sie mich einige dieser Unterlagen beispielhaft herausgreifen. Sie erinnern sich sicherlich an die seinerzeitige Medienberichterstattung, u.a. im Magazin „Der Spiegel“, zu einem V-Mann des Berliner LKA, der gewisse Bezüge nach Thüringen haben soll. Es wurde auch spekuliert, ob Thüringer Sicherheitsbehörden über die V-Mann-Eigenschaften in irgendeiner Weise Kenntnisse und Informationen vom LKA Berlin gehabt haben. Die V-Mann-Eigenschaft ist nach derzeitiger Aktenlage unbekannt. Im Weiteren wurde im Rahmen der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zu der sogenannten 13er-Liste über die möglichen Hintergründe einer Medienberichterstattung informiert, in der spekuliert wurde, dass insbesondere Herr Wohlleben in irgendeiner Weise einmal als V-Mann aktiv gewesen sein soll. Die Recherchen haben ergeben, dass durchaus durchgeführte Ansprachen sowohl des LKA Thüringen als auch des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz negativ waren. In diesem Zusammenhang stand

auch ein weiteres Schreiben, in dem über einen Vermerk bzw. über eine dienstliche Erklärung des Herrn Dr. F. berichtet wurde, der den Namen Wohlleben aus seiner alten Tätigkeit im Bundesministerium des Innern im Zusammenhang mit einer VMann-Tätigkeit oder einem Anwerbeversuch in Erinnerung gehabt haben soll. Schließlich berichtete die Landesregierung auch über weitere im Bundesamt für Verfassungsschutz gefundene Aktenstücke mit Bezügen nach Thüringen, u.a. auch zu Personen, die zum Terror-Trio zu rechnen seien. Neu waren insoweit die Erkenntnisse, dass es auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine Personenakte zu Mundlos gegeben habe. In einem weiteren Schreiben im Zusammenhang mit der angeblichen möglichen V-Mann-Eigenschaft des Herrn Wohlleben wurde ein provokativ formuliertes und gewiss nicht ernst gemeintes Bewerbungsschreiben des Herrn Wohlleben als V-Mann übersandt. Auch ließ sich die PKK zu den gegen den ehemaligen Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Roewer, laufenden bzw. abgeschlossenen Gerichtsverfahren unterrichten. Bereits im Rahmen des letzten Tätigkeitsberichtes brachte die PKK ihr Unverständnis hinsichtlich der Einstellung des Strafverfahrens im Jahr 2010 zum Ausdruck. Diese Kritik hält die PKK unverändert aufrecht,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass bereits weitere Verfahren eingestellt wurden. Derzeit sind noch beamtenrechtliche Schadenersatzanspruchsverfahren und zivilrechtliche Anspruchsverfahren anhängig. Es bleibt zu hoffen, dass Herr Dr. Roewer zumindest monetär zur Verantwortung gezogen wird und somit, wenn auch nur in einem kleinen Rahmen, zur Wiedergutmachung des massiven politischen und Vertrauensschadens beiträgt, den er dem Freistaat Thüringen aufgebürdet hat. Für die PKK ist es schwer nachvollziehbar, weshalb es den zuständigen Behörden und Gerichten bislang nicht gelungen ist, Herrn Roewer für seine offensichtlichen Verfehlungen während seiner Zeit als Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz rechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Ich darf in diesem Zusammenhang erneut an die Bedeutung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz für die Wehrhaftigkeit und Demokratie gegenüber den Feinden der Verfassung einschließlich eines effektiven Schutzes der in der Verfassung verankerten Menschenrechte erinnern. Für einen wirksamen Beitrag des Landesamtes für Verfassungsschutz als Teil der Sicherheitsarchitektur trägt auch jeder qua Gesetz politische Beamter und der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz eine große persönliche Verantwortung. Die PKK unterstützt alle Anstrengungen, diese auch mit den Mitteln des Rechts einzufordern. Der Ruf des Freistaats Thüringen hat in den letzten Jahren in Bezug

auf die Sicherheitsbehörden gelitten. Dazu hat Herr Dr. Roewer nicht unwesentlich beigetragen.

Meine Damen und Herren, der PKK ist es in diesem Zusammenhang bisher leider auch nicht gelungen, Näheres über die ominöse Person „Günther“ herauszubekommen, zu der es in den Handkassenunterlagen des ehemaligen Präsidenten Dr. Roewer Hinweise gibt. Hier stieß sie bei einer Befragung an die gleichen Grenzen wie auch der Untersuchungsausschuss 5/1, der im Rahmen der Zeugenbefragung des Dr. Roewer ebenfalls keine Antwort erhielt. Gibt es diese Person wirklich oder ist sie bloß ein Phantom? Wir wissen es leider nicht. In diesem Zusammenhang informierte die Landesregierung darüber, dass als Konsequenz aus dem damaligen Umgang mit Operativgeldern durch Herrn Dr. Roewer bereits im Jahre 2000 in Abstimmung mit dem Thüringer Rechnungshof ein Regelwerk erstellt wurde, mit dem die interne Vorschriftenlage verändert und damit ein Kontrollnetz mit einer stärkeren Dokumentationspflicht eingeführt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass sich dadurch solche Vorgänge auch zukünftig verhindern lassen.

Meine Damen und Herren, am 25. Juli 2012 titelte die Thüringische Landeszeitung: „Möglicherweise Rechtsextremist bei Wachdienst im Ministerium tätig“. Bekannt geworden war dies durch einen Hinweis der Mobilen Beratung Thüringen, kurz MOBIT. Eingesetzt war der Betroffene als Wachschützer im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung fand die Polizei bei dem Mann, der auch im Umfeld der sogenannten „Reichsbürger“ bzw. der sogenannten „Kommissarischen Reichsregierung“ agierte, zahlreiche Kisten mit Propagandamaterial, wie CDs und DVDs, Literatur und sonstiges Schriftgut, welches neben mehreren Computern beschlagnahmt wurde. Zudem wurden auf dem Grundstück größere Mengen an Brennstoff gefunden und ebenfalls sichergestellt. Gegen den ehemaligen Wachmann lief zum damaligen Zeitpunkt auch ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung. Die Landesregierung teilte mit, dass im Bereich des Wirtschaftsministeriums offenbar seit mehreren Jahren keine regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen mehr durchgeführt worden sind. Dies war umso erstaunlicher, als die den Umgang mit Verschlusssachen regelnde Vorschrift, die Verschlusssachenanweisung, für alle Behörden des Landes Geltung entfaltet. Es ist unwahrscheinlich, dass im Wirtschaftsministerium solche Unterlagen nicht anfallen, zumal das Ministerium nach dem Thüringer Sicherheitsüberprüfungsgesetz auch zuständige Stelle für Sicherheitsüberprüfungen bzw. nicht öffentliche Stellen, also den privaten Bereich, ist.

Im Rahmen der weiteren Beratung wurde deutlich, dass es vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage kein Regelungsproblem, gleichwohl aber ein Anwendungsproblem gegeben hat und die einzel

nen Ressorts durchaus verschiedene Herangehensweisen entwickelt haben. Es erging daher der eindringliche Appell, umgehend eine einheitliche Verfahrensweise aller Ressorts herzustellen und Sicherheitsüberprüfungen für diejenigen Personen durchzuführen, die mit Verschlusssachen umgehen bzw. sich hierzu Zugang verschaffen können.

Zum Schluss des ersten Berichtsteils möchte ich Sie noch über zwei andere Aspekte informieren, die einen unmittelbaren Bezug zur Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission haben. Zum einen verabschiedete die PKK im Februar letzten Jahres eine neue Geschäftsordnung, die die Vorgängerversion ablöst, weil sie - noch aus der 4. Wahlperiode stammend - zunächst vorläufig galt. Die Novellierung war insbesondere auch vor dem Hintergrund gesetzlicher Änderungen und der gemachten Erfahrungen im Zusammenhang mit den Beratungen zum Komplex NSU erforderlich. Die gesetzliche Mindestvorgabe ausschöpfend tritt die Parlamentarische Kontrollkommission nunmehr gemäß geschäftsordnungsmäßiger Festlegung zur effektiven Kontrolle der Landesregierung in der Regel monatlich zur Sitzung und nicht mehr vierteljährlich zusammen. Im Nachgang zu den Sitzungen wurden der Kommission zahlreiche Unterlagen übergeben, die für die Mitglieder der Kommission von der Geschäftsstelle aufbereitet werden. Es werden neue technische Voraussetzungen für die effektive Auswertung der Unterlagen und zur Information der Mitglieder der PKK geschaffen. Für die Unterstützung hierbei möchte ich namens der Mitglieder der Kommission insbesondere der Landtagspräsidentin, Frau Kollegin Diezel, herzlich danken. Zum Zweiten hat Kollege Hausold gemäß § 23 Abs. 2 a des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes von der seit Juli 2012 bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Mitarbeiter seiner Fraktion zur Unterstützung seiner Arbeit zu benennen. Dieser Mitarbeiter der Fraktion DIE LINKE nimmt seit Januar dieses Jahres diese Aufgabe wahr.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal wiederholen: Nur durch die effektive Kontrolle durch die PKK kann zukünftig ein Verfassungsschutz als Teil einer wehrhaften Demokratie Legitimation und Vertrauen gewinnen. Wegen der gestiegenen Arbeitsanforderungen der Kommission in qualitativer und quantitativer Hinsicht bedarf es auch einer Verstärkung der Geschäftsstelle der PKK, möglicherweise zusammen mit der Geschäftsstelle der G10-Kommission des Landtags. Dabei muss unbeschadet der Zuständigkeit der Präsidentin für die Angelegenheiten der Landtagsverwaltung der Kommission stets eine ihr fachlich verantwortliche und dem jeweiligen Aufgabenfeld entsprechende Geschäftsstelle zur Verfügung stehen. Hinsichtlich des erforderlichen Umfangs muss die Stimme der PKK wirksames Gehör finden. Die parlamentarische Beratung der aktuell vorliegenden

Entwürfe zu einer Novellierung des Thüringer Verfassungsschutzes bietet uns den Rahmen, die notwendigen Schritte in dieser Richtung anzustoßen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hatten zu Beginn der heutigen Sitzung mit allen Fraktionen vereinbart, dass wir am Ende des ersten Teils des Berichts eine 15-minütige Pause einfügen, damit der Redner sich erholen kann,

(Beifall im Hause)

und setzen um 10.50 Uhr die Plenarsitzung fort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist 10.50 Uhr und wir setzen die Sitzung fort mit dem Bericht aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. Herr Gentzel, Sie haben das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich im zweiten Teil meines Berichts nunmehr wie bereits angekündigt zu dem Komplex Kai-Uwe Trinkaus berichten, der seit Dezember 2012 die Beratungen der PKK maßgeblich bestimmt.

Zu Beginn meiner Ausführungen darf ich Ihnen zunächst den Ausgangspunkt in Erinnerung rufen. Am 5. Dezember 2012 berichtete der MDR darüber, dass sich Herr Trinkaus ihm gegenüber als früherer Vertrauensmann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz enttarnt habe. In diesem Zusammenhang berichten die beiden Redakteure, Herr Trinkaus habe in den Gesprächen mit ihnen erklärt, dass er seine Aktivitäten wie die Unterwanderung des Bundes der Vertriebenen jeweils frühzeitig dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt habe. Aktionen wie die Einschleusung eines Praktikanten bei einem Abgeordneten des Thüringer Landtags und Ähnliches seien sogar mit dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz abgesprochen worden. Darüber hinaus habe er die Behauptung aufgestellt, dass er von seinem V-Mann-Führer die Anschrift der Beschuldigten im Zusammenhang mit der Sachbeschädigung an dem Lokal „Alter Fritz“ erhalten habe, die er später auf seiner Homepage veröffentlicht habe. Auch habe er vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz den Auftrag bekommen, bei der 1.-Mai-Demonstration des Jahres 2007 eine Foto-CD, die einem Journalisten entwendet worden sei, zu besorgen. In der Presseinformation waren auch die an Herrn Trinkaus gezahlten Mittel genannt. Von den geleisteten Informationen war keine Rede. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bestätigte im Grundsatz die Tätigkeit des Herrn Trinkaus als Vertrauensmann, widersprach aber im Übrigen weitgehend

seinen Behauptungen, insbesondere der Behauptung über den Zeitraum, in dem er für das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz tätig gewesen sei.

Die Enttarnung des Herrn Trinkaus hatte ein breites Presseecho. In der Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 12. Dezember 2012 wurde in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE der Sachverhalt diskutiert. In der Plenarsitzung am 14. Dezember 2012 wurde zudem der Untersuchungsausschuss 5/2 mit der Kurzbezeichnung „VLeute gegen Abgeordnete“ eingesetzt. Die PKK forderte bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe vom Thüringer Innenministerium eine Unterrichtung. So wurde die PKK am 6. Dezember 2012 zu einer Sitzung für den 12. Dezember 2012 einberufen. In Vorbereitung auf die Kommissionssitzung leitete das Thüringer Innenministerium der PKK einen vorläufigen Sachverhaltsbericht sowie drei den Sachverhalt betreffende sogenannte Kernakten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz zu. In einer mehrstündigen Abendsitzung der PKK am 12. Dezember 2012, die sich an die Plenarsitzung des Tages anschloss, erfolgte auf der Grundlage des benannten übersandten vorläufigen Sachverhaltsberichts eine ausführliche mündliche Unterrichtung durch die Landesregierung. Die Unterrichtung erstreckte sich auf die Phase nach der Selbstanbietung, die Phase der Führung des Herrn Trinkaus als Vertrauensmann und die Phase der Abschaltung sowie die Zeit nach der Abschaltung. Daraus ergab sich für die PKK folgendes erstes Bild: Ausgehend von einem telefonischen Erstkontakt des Herrn Trinkaus am 31. Mai 2006 beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz und der Andeutung, über Zugang zu rechtsextremistischen Kreisen zu verfügen, sowie der Bereitschaft, darüber Informationen zu liefern, sei mit Herrn Trinkaus am 6. Juni 2006 ein erstes Treffen durch zwei Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, also ein persönlicher Kontakt, aufgenommen worden. Daran habe sich eine mehrmonatige Forschungs- und Werbungsphase angeschlossen, in denen bereits Treffen stattfanden, Informationen weitergegeben und auch Zahlungen erfolgt seien. Herr Trinkaus sei dann im Januar 2007 an seinen V-Mann-Führer übergeben worden. Im März 2007 sei ihm nach der Erfüllung von erteilten Auflagen der Status eines VM verliehen worden. Bereits während der Werbungsphase habe sich herauskristallisiert, dass Herr Trinkaus nicht ganz unproblematisch sei. So sei er im Landesverband Thüringen des Bundes der Vertriebenen tätig gewesen und auch in weiteren Vereinen in Erfurt. Zudem habe Herr Trinkaus im NPD-Kreisverband Erfurt/Sömmerda zunächst die Funktion eines Beisitzers und des stellvertretenden Kreisvorsitzenden innegehabt und es habe sich bereits abgezeichnet, dass er die Funktion des Kreisvorsitzenden übernehmen könnte. Aufgrund dieser besonderen Um

stände habe es sowohl mit dem aufsichtsführenden Thüringer Innenministerium als auch innerhalb des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz mehrere Gespräche gegeben. Dabei habe insbesondere vor dem Hintergrund einer internen Weisung auch die Frage im Raum gestanden, auf welcher parteilichen Gliederungsebene man Quellen führen dürfe. Aufgrund der Umtriebigkeit des Herrn Trinkaus sowohl innerhalb der NPD bei diversen öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie beispielsweise im Rahmen des Tages der offenen Tür im Thüringer Landtag im Jahr 2007 sowie das Anbringen eines Plakates am Gebäude des Thüringer Landtags im Nachgang zur Landtagswahl in MecklenburgVorpommern, bei der die NPD erstmals in das dortige Parlament einzog, als auch in verschiedenen Vereinen sowie der bekanntgewordenen nachrichtendienstlichen Unzuverlässigkeit habe man sich im Juli 2007 entschieden, Herrn Trinkaus spätestens im September 2007 abzuschalten.

Nach der Abschaltung im September 2007 habe es zwei Nachsorgetreffen gegeben, eines noch im Jahr 2007, das zweite zu Beginn des Jahres 2008. Danach habe es bis zum Jahre 2012 noch sieben telefonische Kontakte bzw. Versuche des Herrn Trinkaus gegeben, sich ins Gespräch zu bringen bzw. sich interessant zu machen. Weitere Treffen wie behauptet - und eine erneute Tätigkeit als Vertrauensmann habe es hingegen nicht gegeben.

In dem Zeitraum der Führung des Herrn Trinkaus fiel unter anderem auch die sogenannte Praktikantenaffäre. Seinerzeit wurde versucht, einen Angehörigen der rechten Szene in die Landtagsfraktion der ehemaligen Linkspartei.PDS einzuschleusen. Hinweise darauf, dass diese Aktion dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bekannt gewesen oder gar von ihm initiiert worden sei, haben sich nicht ergeben. Die Landesregierung gab ergänzend nähere Informationen zu den oben bereits genannten Tätigkeiten des Herrn Trinkaus in verschiedenen Vereinen und im Bund der Vertriebenen, zu dem ständigen Versuch, auf Herrn Trinkaus dahin gehend Einfluss zu nehmen, diese Aktivitäten einzustellen bzw. zurückzufahren, zu Unterwanderungsbestrebungen des Herrn Trinkaus, zur Finanzierung der sogenannten Bürgerstimme, einer NPD-Publikation für den Bereich Erfurt/Sömmerda und den Ilm-Kreis sowie zu den Umständen der sogenannten Schwarzen Liste. Im Weiteren erläuterte die Landesregierung die Verwendung der von Herrn Trinkaus erhaltenen Informationen. Zudem berichtete die Landesregierung über die Informationen verschiedener Gremien, öffentlicher Stellen bzw. Vereine über Unterwanderungstendenzen.

Der Unterrichtung durch die Landesregierung schloss sich eine erste ausführliche Aussprache und Diskussion an. Als Schwerpunkte wurden dabei die Motivation des Herrn Trinkaus und die mögliche Verwendung der erhaltenen Gelder erörtert.

Zudem wurde der Umstand thematisiert, dass bestimmte Vereine bzw. Parteien über Unterwanderungsbestrebungen informiert, andere nicht informiert wurden, und ob die Werbung und Führung von Quellen, die politische Führungsämter auf Kreisverbandsebene einer Partei innehaben, vor dem Hintergrund einer internen Weisung zulässig seien.

Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage der Einbindung und Unterrichtung des Thüringer Innenministeriums im Rahmen seiner Fach- und Dienstaufsicht. Schließlich ging es vor dem Hintergrund der Umtriebigkeit des Herrn Trinkaus auch um den Wahrheitsgehalt seiner gelieferten Informationen, um die Höhe der Entlohnung und um die damalige Quellensituation im Phänomenbereich Rechtsextremismus. Die Befragung des mit der Forschung und Werbung betrauten Mitarbeiters des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz gemäß des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes in der gleichen Sitzung hatte umfangreiche, ergänzende, den Sachverhalt weiter erhellende Informationen zur Kontaktaufnahme im Sommer des Jahres 2006, zur Motivlage des Herrn Trinkaus, zur Vorgeschichte sowie zu den Beweggründen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, ihn erst nach einer längeren Werbungsphase als Quelle zu führen, aus der Sicht der Sachbearbeitung zum Inhalt.