Protocol of the Session on April 11, 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, liebe Vertreter der Medien und alle, die an dieser Plenarsitzung in irgendeiner Form Anteil nehmen. Ich eröffne die heutige Sitzung des Thüringer Landtags.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Holzapfel neben mir Platz genommen. Die Rednerliste führt Herr Abgeordneter Weber.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Diezel, Herr Abgeordneter Fiedler, Herr Abgeordneter Günther, Frau Abgeordnete Hitzing, Herr Abgeordneter von der Krone, Frau Abgeordnete Lukasch, Frau Abgeordnete Marx, Herr Abgeordneter Metz, Herr Abgeordneter Primas, Herr Minister Gnauck, Herr Minister Dr. Poppenhäger und Herr Minister Reinholz - teilweise.

Ich verweise darauf, dass wir eine Tagesordnung für die drei Plenarsitzungstage beschlossen haben und wir heute am dritten Plenarsitzungstag sind. Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung widersprochen? Das sehe ich nicht. Demzufolge verfahren wir nach der vereinbarten Tagesordnung und nach der Platzierung des Tagesordnungspunkts 22.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22

Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission gemäß § 27 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes

Ich bitte den stellvertretenden Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission, Herrn Abgeordneten Gentzel, nach vorn, um den Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzutragen. Bitte, Herr Gentzel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach § 27 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes unterrichtet die PKK unter Beachtung der Geheimhaltungspflichten des Landtags mindestens alle zwei Jahre über ihre Tätigkeit. Dabei macht sie von der Möglichkeit des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes Gebrauch, wonach die Geheimhaltung nicht für die Bewertung bestimmter Vorgänge gilt, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der PKK ihre vorherige Zustimmung erteilt hat. Soweit dabei für die Bewertung der PKK eine Sachverhaltsdarstellung erforderlich ist, sind die Belange des Geheimschutzes zu beachten. Den letzten Tätigkeitsbericht hat die Parlamentarische Kontrollkommission in der 91. Plenarsitzung am 22. Juni 2012 erstattet.

Wenngleich seit diesem Tag zwei Jahre noch nicht ganz verstrichen sind, hat sich die PKK dazu entschlossen, bereits im April-Plenum ihren Tätigkeitsbericht für die vergangenen beiden Jahre zu geben, da sie kürzlich ihre Beratung zum Themenkomplex „Umstände der Anwerbung und Führung des Herrn Kai-Uwe Trinkaus sowie Nichteinbindung Dritter“ abgeschlossen hat und Ihnen zeitnah über die wesentlichen Ergebnisse ihrer Untersuchung berichten möchte. Ich bitte um Verständnis, dass der Bericht der PKK daher umfassender und länger ausfallen wird.

Bereits an dieser Stelle möchte ich Ihnen die Grüße unseres langjährigen Kollegen und Vorsitzenden, Wolfgang Fiedler, ausrichten.

(Beifall im Hause)

Der Abgeordnete Fiedler war in die Erstellung des Berichts einbezogen. Ich denke, im Namen aller Anwesenden zu sprechen, wenn ich ihm von hier aus herzliche Grüße und Genesungswünsche übersende.

(Beifall im Hause)

Die PKK hat den Tätigkeitsbericht, den ich Ihnen heute geben werde, in ihrer 45. Sitzung am 8. April 2014 beraten und beschlossen. Wie bereits der Tätigkeitsbericht des Jahres 2012 so ist auch dieser ein außergewöhnlicher Bericht. Nachdem die Verbrechen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes, kurz NSU, die Verantwortung auch unseres Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz beim gescheiterten Versuch, das Trio aufzuspüren, sowie die Bemühungen der Parlamentarischen Kontrollkommission, Licht in das Dunkel um die verbrecherischen Machenschaften des Trios zu bringen, wesentliche Bestandteile der letzten Berichterstattung waren, so werden die Umstände der Anwerbung und Führung des Herrn Kai-Uwe Trinkaus sowie die Nichteinbindung Dritter diesen Bericht wesentlich mitbestimmen. Hierauf werde ich im zweiten Berichtsteil näher eingehen. Die Fragen zur Führung und Werbung von Kai-Uwe Trinkaus durch den Thüringer Verfassungsschutz sind mittlerweile auch Gegenstand des Untersuchungsausschusses „V-Leute gegen Abgeordnete“. Auf die gegenseitige Unterstützung der Tätigkeit beider Ausschüsse bzw. Kommissionen werde ich ebenfalls im Verlauf des Berichts eingehen.

Ich darf zunächst feststellen, dass die PKK im Berichtszeitraum ihrem gesetzlichen Auftrag, der Kontrolle der Landesregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, gemäß § 18 Abs. 1 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes unter Nutzung der ihr zur Verfügung stehenden Befugnisse nach dem Thüringer Verfassungsschutzgesetz - soweit möglich - nachgekommen ist. Wie Sie wissen, hat der Thüringer Landtag im Juli 2012 auf Initiative der Fraktionen

von CDU und SPD ein neues Verfassungsschutzgesetz verabschiedet, welches die Befugnisse der PKK erweitert und konkretisiert hat. Beispielhaft seien hier die Befragungsmöglichkeiten von Mitarbeitern und ehemaligen Mitarbeitern des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, aber auch anderer Landesbehörden und auch die Beauftragung eines Sachverständigen genannt.

Die neuen Befugnisse waren Ausfluss der im Rahmen der Untersuchung zur Terrorgruppe mit der Bezeichnung „NSU“ gemachten Erfahrung. Die Berichterstattung werde ich um Anmerkungen zur zukünftigen Ausgestaltung der Rechte des Verfassungsschutzes in Thüringen, die sich für die PKK auf der Grundlage der spezifisch von ihr gemachten Erfahrungen in den letzten Jahren ergeben, ergänzen.

Leider war festzustellen, dass die Berichterstattung und die Informationspolitik der Landesregierung sprich des Thüringer Innenministeriums und des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz gegenüber der PKK nach wie vor nicht allen gesetzlichen Vorgaben im Sinne der Erfordernis einer voll umfänglichen Auskunft entsprochen haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle ergeht erneut der eindringliche Appell an die regierungsseitige Verantwortung der PKK, alle zur wirksamen parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes erforderlichen Informationen unaufgefordert und unverzüglich zur Verfügung zu stellen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es kann nicht sein, dass Informationen erst auf Nachfrage geliefert werden. An dieser Stelle bitte ich immer zu bedenken, dass die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland eine wesentliche Säule ihrer Legitimation ist. Ohne parlamentarische Kontrolle gibt es keinen Verfassungsschutz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einem ersten Berichtsteil werde ich nun zunächst auf die allgemeine Kontrolltätigkeit eingehen. Seit der letzten Berichterstattung im Juni 2012 trat die PKK zu insgesamt 23 Sitzungen zusammen. Die Landesregierung unterrichtete die PKK gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes regelmäßig über die allgemeine Tätigkeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung sowie nach § 21 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes zudem zu sonstigen Vorgängen aus dem Aufgabenbereich des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, wozu die Kommissionsmitglieder sie um Beratung gebeten haben. Auf diesen Punkt komme ich noch zu sprechen.

Gerade die Berichterstattung zu den sogenannten Vorgängen von besonderer Bedeutung und zu sonstigen Vorgängen nach besonderer Aufforderung der PKK haben einen zunehmend breiten Rahmen eingenommen. So hat beispielsweise der Komplex Kai-Uwe Trinkaus einen umfangreichen Beratungsbedarf zur Folge, worauf ich im zweiten Teil, wie bereits gesagt, noch näher eingehen werde. Doch lassen Sie mich noch einmal den gesetzlichen Auftrag des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz in Erinnerung rufen. Nach § 2 Abs. 1 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes ist es dessen Aufgabe, den zuständigen Stellen zu ermöglichen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die freiheitlichdemokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie gegen Bestrebungen und Tätigkeiten der organisierten Kriminalität zu treffen.

Um diesen gesetzlichen Auftrag erfüllen zu können, beobachtete das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz rechts-, links- und ausländerextremistische Bestrebungen, hier insbesondere islamische Bestrebungen, und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität sowie frühere, fortwirkende unbekannte Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärung und Abwehrdienste der ehemaligen DDR und Spionageversuche.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch im aktuellen Berichtszeitraum stellten die Entwicklung und die Aktivitäten im rechtsextremistischen Spektrum den wesentlichen Schwerpunkt der genannten regelmäßigen Unterrichtungstätigkeit dar. Lassen Sie mich im Folgenden nunmehr besondere Schwerpunkte herausgreifen, wobei jeder für sich betrachtet bereits die Gefährlichkeit der Entwicklung und Aktivitäten in diesem Phänomenbereich belegt. Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich nicht auf alle der PKK mitgeteilten Sachverhalte eingehen kann, da eine Reihe von Informationen einem besonderen Schutz unterliegen.

Im besonderen Fokus der Unterrichtung standen erneut die Aktivitäten des NPD-Landesverbandes Thüringen und der NPD-Kreisverbände. Erfreulich ist zunächst festzustellen, dass die NPD weit davon entfernt war und ist, ihre strukturellen und personellen Defizite zu überwinden. Gleichwohl besitzt sie innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums in Thüringen weiterhin die mit Abstand größte Bedeutung. Neben der parteilichen Organisation entfaltet die rechtsextreme Szene aber insbesondere auch in sogenannten Freien Kräften und Kameradschaften ihre Tätigkeit. Dies ist sicherlich auch das Ergebnis der schon seit längerer Zeit im neonazistischen Spektrum zu beobachtenden Suche nach rechtlich möglichen unangreifbaren Organisationsformen. Ein Teil der Szene, der sich als „Freie Nationalisten“ bezeichnet, schließt sich, wie gesagt, in unabhängigen Kameradschaften zusammen, wäh

rend andere Neonazis wiederum das „legale Dach“ der NPD für ihre Interessen nutzt. Dabei stellt innerhalb der Bestrebungen nach überregionaler Vernetzung das sogenannte Freie Netz ein besonderes Phänomen dar. Musikveranstaltungen dienten dabei nach wie vor als wirksames Instrument, junge Menschen an die braune Ideologie heranzuführen, Netzwerke aufzubauen und bestehende zu festigen. So fanden im Berichtszeitraum wieder eine Vielzahl dieser Veranstaltungen in den einschlägig bekannten Objekten, beispielsweise in Kirchheim und in Crawinkel, statt. Danach gab es solche Veranstaltungen aber auch in Gera und Tannroda. Leider gelingt es behördlicherseits nicht in allen Fällen, Veranstaltungen dieser Art im Vorfeld zu unterbinden oder aufzulösen, da sie zumeist als private Feierlichkeiten deklariert sind. Im Juli 2012 konnte eine in Gera geplante Veranstaltung untersagt werden, da entgegen der angegebenen privaten Grillfeier Hinweise für die Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung vorlagen. Ebenso wurde eine im November 2012 in Tannroda im Landkreis Weimar geplante Musikveranstaltung untersagt, da auch hier nicht von einer angezeigten nicht öffentlichen Veranstaltung auszugehen war. Regelmäßig treten bei diesen Musikveranstaltungen einschlägige Bands aus dem rechtsextremen Spektrum auf. Wenngleich zumeist entsprechende Polizeikräfte vor Ort sind, ist ein behördliches Einschreiten erst möglich, wenn von den Veranstaltungen beispielsweise Lärmbelästigung auf die Umgebung ausgeht. Ein möglicher Ansatzpunkt, Veranstaltungen dieser Art zukünftig zu verhindern bzw. zu unterbinden, könnte in der konsequenten Anwendung des bestehenden besonderen Ordnungsrechts liegen, namentlich des Bauordnungsrechts. Es ergeht der eindringliche Appell an die Landesregierung, unseren Kommunen eine noch intensivere rechtliche und tatsächliche Unterstützung anzubieten.

Leider mussten wir auch zur Kenntnis nehmen, dass sich seit November des Jahres 2012 in Erfurt ein weiteres Lokal als regelmäßiger Veranstaltungsort für sogenannte Liederabende etabliert hat, an denen regelmäßig ca. 50 Personen teilnehmen. Die Landesregierung informierte über die Lokalität mit dem zunächst unverdächtig anmutenden Namen „Kammwegklause“ auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage 3325 unserer ehemaligen Kollegin Renner in der Drucksache 5/6784. Das bereits bekannte Objekt in Kirchheim im Ilm-Kreis dient zudem auch für weitere Veranstaltungen der NPD. So fanden hier beispielsweise der Neujahrsempfang und der Landesparteitag im Februar 2013 statt, bei dem unter dem Motto „Wir verändern Thüringen“ die NPD-Landesliste für die Bundestagswahl 2013 aufgestellt wurde. Kürzlich hielt die NPD zudem hier ihren Bundesparteitag ab, bei dem unter anderem die Liste für die Europawahl beschlossen wurde. Der ehemalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt meldete sich dort mit einer Kampfkandidatur gegen

Uwe Pastörs als Spitzenkandidat für die Europawahl zurück auf der politischen Bühne, nachdem er im Jahre 2011 von der Parteispitze gestürzt worden war. Auch nutzte der Jugendverband der NPD, die sogenannten Jungen Nationaldemokraten, kurz JN, das Objekt im Oktober 2012 für seinen Bundeskongress. Diese Beispiele zeigen einmal mehr, dass Thüringen schon aufgrund seiner zentralen Lage für rechtsextreme Kreise häufig als Versammlungsörtlichkeit genutzt wird und wie schwierig es ist, Veranstaltungen dieser Art zu verhindern, wenn sie in der privaten Öffentlichkeit stattfinden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter dem Begriff „friedlicher Bürgerprotest“ getarnt, kam es in der zweiten Hälfte des letzten Jahres auch zu mehreren Versammlungen der extremen Rechten gegen das Asylbewerberheim am Zaschenberg in Greiz. Auslöser hierfür waren die Planungen, in dem ehemaligen, in einem Wohngebiet befindlichen Berufsschulinternat eine vorübergehende Unterbringungsmöglichkeit für überwiegend syrische Kontingentflüchtlinge zu schaffen. Wenngleich die Eigendarstellung eine politische Ausrichtung des Protestes verneint, weisen zum Initiatorenkreis gehörende Personen durchaus einen rechtsextremen Vorlauf auf. Nicht zuletzt dem Aufzug vom 23. November 2013 schlossen sich 185 Personen, mehrheitlich Rechtsextremisten, sowohl aus Thüringen als auch aus Sachsen und Bayern an. Als Redner trat unter anderem der Vorsitzende der NPD in Thüringen auf. Zudem mobilisierte der NPD-Landesverband Thüringen für die Veranstaltung. Ebenso griff die NPD Thüringer Medienberichte über eine gegebenenfalls in Beichlingen einzurichtende Außenstelle der Erstaufnahmestelle für Asylbewerber und Flüchtlinge in Eisenberg auf und kündigte an, die Proteste der Anwohner unterstützen zu wollen. Auch kam es beispielsweise durch das rechtsextreme Spektrum zu einer Beteiligung an bürgerlichen Protesten gegen die Schließung der Regelschule in Veilsdorf im Landkreis Hildburghausen. Diese Beispiele verdeutlichen einmal mehr, wie die NPD und weitere rechtsextremistische Kreise immer wieder versuchen, die unterschiedlich motivierten und zum Teil von Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit geprägten Sorgen und Proteste von Anwohnern zu instrumentalisieren und bürgerliche Veranstaltungen und Proteste für ihre eigene Propaganda zu nutzen. Darüber hinaus kam es im Berichtszeitraum auch zu einer Reihe weiterer öffentlichkeitswirksamer Aktionen sogenannter freier Kräfte. Erinnern möchte ich an zwei Kundgebungen vor dem Thüringer Landtag. Im Rahmen des Flüchtlingsmarschs von Würzburg nach Berlin fanden am 18. September 2012 vor dem Landtagsgebäude eine Kundgebung unter dem Motto, „Break the Residenzpflicht Obligation! Die Isolation durchbrechen: Bewegungsfreiheit für Alle“ statt. Neun Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum versammelten sich, ausgestattet mit Plakaten, zu

einer nicht angemeldeten Gegenkundgebung vor Ort. Zwei Tage später, am 20. September 2012, fand vor dem Landtagsgebäude im Rahmen der sogenannten Aktionswoche eine Kundgebung unter dem Motto „Deutsche Kinder braucht das Land“ statt, an dem ca. 45 Personen teilnahmen. Hiergegen wandte sich der Thüringer Landtag mit einer gemeinsamen Aktion. Unter dem Motto „Bunt statt Braun“ haben sich die Abgeordneten vor dem Landtagsgebäude symbolisch gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit abgeschirmt.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie in den Vorjahren so fand auch im letzten Jahr in Gera wieder die NPD-Großveranstaltung „Rock für Deutschland“ statt. Das ursprüngliche Motto „Deutschland - Zukunft - Souveränität“ der am 6. Juli 2013 durchgeführten Veranstaltung wurde aufgrund der seinerzeit akuten Hochwassersituation kurzfristig in „Solidarität mit Flutopfern“ geändert. Worin sich diese Solidarität tatsächlich ausdrückte, bleibt allerdings fraglich, das dahinterstehende Kalkül für die Umbenennung jedoch nicht. Es sollte offensichtlich besondere Volksverbundenheit in Notsituationen vorgegeben und Anerkennung dafür erhascht werden. Die Teilnehmerzahl lag bei ca. 710 Besuchern und bewegte sich wie in den Vorjahren - 2011 waren es 670 Besucher und 2012 990 Besucher - im oberen dreistelligen Bereich.

Am 15. Juni 2013 fand zudem in Kahla der sogenannte 12. Thüringentag der nationalen Jugend statt. Trotz intensiver Mobilisierung beteiligten sich an der Veranstaltung lediglich 183 Personen, im Jahr zuvor waren es noch 280. Die Teilnehmerzahl blieb somit hinter den Erwartungen der Veranstalter, die von etwa 300 Personen ausgingen, zurück. Im Anschluss kam es in Crawinkel zu einer Anschlussveranstaltung. Die Darbietung von Livemusik war bei dieser Veranstaltung untersagt.

Besagte Veranstaltungen weisen in der Regel neben Wortbeiträgen Auftritte einschlägiger rechtsextremistischer Bands auf, weshalb sich die betroffenen Kommunen meist bemühen, die Veranstaltungen zu verhindern. Untersagungsverfügungen bzw. Versammlungsverbote scheitern allerdings in den allermeisten Fällen vor den Verwaltungsgerichten. Ich verweise hier auf frühere Berichte der PKK. Das angeführte Argument, man sei polizeilicherseits nicht imstande, die Lage zu beherrschen, ist aus der Erfahrung heraus nicht länger haltbar.

An dieser Stelle möchte ich auch einmal einen ausdrücklichen Dank an unsere Polizistinnen und Polizisten aussprechen, die an vielen Wochenenden nicht nur hier in Thüringen, sondern auch in anderen Bundesländern im Einsatz waren und sein werden, um solche Veranstaltungen abzusichern und

das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu gewähren.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den vom NPD-Landesverband ebenfalls durchgeführten Regionalkonferenzen sollen die Binnenkommunikation im Landesverband verbessert und neue Bündnisse geschlossen werden. Ziel ist zudem die Mitgliedergewinnung, weshalb auch Interessenten und freie Aktivisten eingeladen werden. Offenbar soll dem schleichenden Einflussverlust auf diesem Spektrum begegnet werden, um es wieder enger an die NPD zu binden und sein Aktionspotenzial für die Partei zu nutzen. Als weitere Kommunikationsmittel dienten im Berichtszeitraum auch wieder die Regionalzeitungen, die in weiteren Ausgaben herausgegeben wurden.

Im Jahr 2013 setzte der NPD-Kreisverband Wartburgkreis seine im Jahr 2012 begonnene Anti-Islam-Kampagne fort. Sowohl mit Kundgebungen als auch mit Informationsständen und Verteilaktionen wandte sich die NPD unter dem Motto „Keine Moschee in Eisenach - Wehret den Anfängen“ gegen die Vermietung mehrerer Räume in Eisenach als muslimische Gebetsstätte.

Auch wurde der Volkstrauertag im November der letzten beiden Jahre von rechtsextremistischen Kreisen erneut missbraucht und in sogenannte Heldengedenktage umgedeutet. So fanden wieder eine Reihe solcher fragwürdigen Gedenkveranstaltungen statt. Zudem nahmen Rechtsextremisten auch an offiziellen Veranstaltungen zum Volkstrauertag wie 2012 in Bad Salzungen und 2013 in Mühlhausen teil.

Auch Jahrestage von Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg, wie beispielsweise der 9. Februar 2013 kürzlich in Weimar sowie der 3. April 2013 in Nordhausen, wurden genutzt, um diese geschichtsträchtigen Tage und die Erinnerung an die Opfer umzudeuten. Mit Erschrecken mussten wir Anfang Februar auch zur Kenntnis nehmen, dass es offensichtlich nach der genannten Veranstaltung in Weimar zu einem Überfall von Rechtsextremisten auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt im Landkreis Gotha gekommen ist, bei der zehn Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Auch dieser Vorfall zeigt einmal mehr die Gefahren rechtsextremistischer Verblendeter. Zwischenzeitlich fanden in dem von Rechtsextremisten in Ballstädt bewohnten sogenannten Gelben Haus und zehn weiteren Wohnungen in Thüringen Durchsuchungen statt. Dabei wurden fünf Personen vorläufig festgenommen, gegen eine wurde Haftbefehl erlassen. Bei dieser Person handelt sich um den 38-jährigen Bandleader der Rechtsrockband „Sonderkommando Dirlewanger“, der einer der drei Bewohner des „Gelben Hauses“ ist. Bei den Durchsuchungen wurde um

fangreiches Beweismaterial sichergestellt, wobei auch solches sichergestellt wurde, das unmittelbar auf die Tatbeteiligung des Beschuldigten hindeutet. Die schnelle Aufklärung zeigt, wenn sie auch von glücklichen Umständen begleitet war, die Wirksamkeit des Verfassungsschutzes und auch der Instrumente der Telefonüberwachung im Kampf gegen die Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Auf Kritik der PKK stieß, dass die Abhörmaßnahmen des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit dem Überfall in Ballstädt öffentlich wurden. Der MDR berichtete am 26. Februar 2014 hierüber. Es stellt sich die Frage: Wer gibt solche sensiblen Informationen warum an die Presse weiter? Es muss dabei aber auch immer bedacht werden, dass durch solches Handeln entsprechende Maßnahmen im Ganzen gefährdet bzw. unmöglich gemacht werden.

Die besondere Gefährlichkeit zeigen auch zwei weitere Vorfälle. Am 29. August des letzten Jahres führte das LKA Thüringen Exekutivmaßnahmen gegen vier Angehörige der rechtsextremistischen Szene Thüringens durch. In diesem Zusammenhang wurde der von einer österreichischen Strafverfolgungsbehörde erlassene EU-Haftbefehl gegen einen in Crawinkel wohnhaften Rechtsextremisten vollstreckt. Ich sage Crawinkel und Sie wissen sicherlich, was ich damit meine.

Zudem fanden Wohnungsdurchsuchungen dort in Ballstädt und in Erfurt-Bischleben statt. Die Durchsuchungen führten unter anderem zum Auffinden von zwei augenscheinlichen Sturmgewehren russischer Bauart mit patronengefüllten zugehörigen Magazinen, zwei Maschinenpistolen, einem Revolver, einem Springmesser, einem selbstgebauten Totschläger, einem Schlagring, zwei Schlagstöcken und Pyrotechnik, und zwar auch solcher, die in Deutschland nicht zugelassen ist. Bei den Schusswaffen liegen Anhaltspunkte vor, dass es sich auch um Dekowaffen handeln könnte. Die Durchsuchung war Teil einer größeren Fahndungsmaßnahme. Es ging um ein rechtsextremes Netzwerk, das in Österreich mit Anschlägen, Überfällen und Drogenhandel Schlagzeilen gemacht hat.

Thüringer Rechtsextremisten waren seit der Zerschlagung der Vereinigung „Objekt 21“ im Visier österreichischer Behörden. Das „Objekt 21“ gilt als die größte und gefährlichste Naziorganisation seit Kriegsende in Österreich. In ihrem Domizil in Windern, einem Ort zwischen Linz und Braunau, fanden regelmäßig Treffen deutscher und österreichischer Neonazis statt. Ende Januar 2004 war die Gruppe zerschlagen worden.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Das stimmt doch nicht.)

Kürzlich wurde in einer Prozessserie gegen Mitglieder und Unterstützer dieser Neonaziorganisation erstmals ein deutscher Rechtsextremist verurteilt. Dieser einschlägig vorbestrafte Neonazi kommt aus dem Raum Gotha.

Das zweite Ereignis fand bereits im November 2012 in Gotha statt. Vor dem Haus des Vereins JU.W.E.L. E.V., dessen Vorstandsmitglieder bereits in linksextremistischen Zusammenhängen in Erscheinung getreten sind, kam es zu einer Explosion von Pyrotechnik. Videoeinstellungen im Internet ergaben Hinweise auf ein von Rechtsextremisten betriebenes Wohnprojekt in Crawinkel.