Protocol of the Session on March 21, 2014

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach so, ja.)

Wir haben in den letzten Jahren im Untersuchungsausschuss viele Defizite festgestellt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Das ist doch kein Defizit.)

Die haben wir festgestellt, jetzt muss man aber auch dazu sagen, das waren die 90er-Jahre, Anfang 2000, wo wir uns jetzt bewegen. Es gab Defizite und die haben wir herausgearbeitet. Der größte Teil ist in dieses Gesetz eingeflossen und berücksichtigt worden. Das muss man akzeptieren. Diese Schwarzmalerei hilft uns an der Stelle nicht. Wir wollen den Verfassungsschutz, Sie wollen ihn auch, die Fraktion DIE LINKE etwas anders.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Das stimmt!)

Entschuldigung, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das ist, weil Sie so dicht zusammen sitzen. Die Fraktion DIE LINKE lehnt es grundsätzlich ab, egal, was wir machen. Aber Sie haben ja auch einen Entwurf eingebracht, darüber werden wir uns dann im Ausschuss unterhalten und vielleicht finden wir Ansätze, die man übernehmen kann. Aber Sie können nicht abstreiten, dass der Gesetzentwurf, der heute vorgelegt wird, weitestgehend auch den Erkenntnissen aus dem Untersuchungsausschuss Rechnung trägt. Das ist so und wer das abstreitet, der war nicht dabei oder weiß nicht, was er sagt.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Ich streite es ab, Herr Kellner, und ich war immer dabei.)

Frau König, von Ihnen hätte ich nichts anderes erwartet.

Der Verfassungsschutz soll als selbstständige Organisationseinheit und als eigene Abteilung im Innenministerium gestaltet werden. Auch das war ein Thema, was im Vorfeld diskutiert wurde, warum das

so gemacht werden soll. Wir gehen davon aus, dass sich damit die Kontrolle wesentlich verbessert, die Wege sich verkürzen. Das war auch ein wesentlicher Kritikpunkt von den einzelnen Zeugen im Untersuchungsausschuss, die wir gehört haben, oder die Feststellung, dass gerade diese Kontrolle des Verfassungsschutzes Ende der 90er-Jahre, Anfang 2000er-Jahre doch die Defizite aufgezeigt hat. Hier wurde das aufgegriffen, ich will auch an den Schäferbericht erinnern, der daraufhin erstellt wurde und der auch Hinweise gegeben hat, was zukünftig in die Verfassungsschutzorganisation mit einfließen sollte. Auch das ist aus unserer Sicht berücksichtigt worden. Der Minister hat es schon angeführt - stärkere Kontrolle des Amtes durch ein unabhängiges Controlling. Auch das ist meiner Ansicht nach ein wesentlicher Punkt, der neu ist und der uns an der Stelle erhebliche Sicherheiten bringt, dass umfangreich kontrolliert wird, aber auch rechtzeitig eingeschritten wird, wenn sich eventuelle Missstände darstellen.

Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle durch neue Kontrollbefugnisse der PKK: Auch das ist für uns ein wichtiger und wesentlicher Punkt gewesen, der immer eine Rolle gespielt hat, dass die Parlamentarische Kontrollkommission mehr Einfluss und mehr Möglichkeiten hat, sich mit dieser Materie zu beschäftigen. Dem, dass das die Abgeordneten nicht vollumfänglich leisten können, weil sie noch viele andere Aufgaben haben, hat man jetzt auch Rechnung getragen, indem man einen Geschäftsführer hier einsetzen kann, den die Mitglieder der PKK selbst bestimmen. Ich denke, das ist auch ein wesentlicher Gesichtspunkt, die Arbeit effektiver zu gestalten und den Mitgliedern der PKK die Möglichkeit zu geben, konkreter nachzufragen, da der Geschäftsführer mit entsprechenden Ermächtigungen bzw. Möglichkeiten ausgestattet wird, eine Art Sonderermittlung für die PKK zu machen, indem er in die Akten einsteigen und konkret ermitteln kann, um den Mitgliedern der PKK dann entsprechende Informationen zu geben. Ich denke, das ist ein wesentlicher Punkt, der den Verfassungsschutz an der Stelle öffentlicher macht, ohne öffentlich zu sein.

Eine Verbesserung erfährt auch der Informationsaustausch zwischen Polizei und den Sicherheitsbehörden des Landes. Auch das war und ist immer noch Thema im Untersuchungsausschuss, die Zusammenarbeit der einzelnen Dienste, ohne das Trennungsgebot auszuhebeln. Die Zusammenarbeit ist unerlässlich und aus unserer Sicht wichtig, das sollte auf jeden Fall weiter ausgebaut werden. Wir haben gezeigt, dass da die größten Defizite waren, dass Informationsverluste stattgefunden haben, wo sie hätten nicht stattfinden dürfen, und damit natürlich die Ermittlungen für die Polizei nicht unbedingt erleichtert wurden. Auch diesem Gesichtspunkt hat das Gesetz Rechnung getragen.

Des Weiteren soll die Arbeit des Verfassungsschutzes künftig ihren Schwerpunkt in der Beobachtung der gewaltorientierten Bestrebungen haben. Damit wird dem folgenden Beispiel anderer Bundesländer gefolgt, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen. Auch hierzu hat der Minister schon Ausführungen gemacht, dass an der Stelle - es wird ein Stück weit anders berichtet - der Verfassungsschutz sehr wohl in allen Bereichen noch weiterermitteln muss und auch ermitteln kann.

Weiterhin sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Kontrolle der V-Leute, der Vertrauenspersonen, erheblich verschärft wird. Auch das war aus dem Untersuchungsausschuss klar herauszuhören, dass es jahrelang keine Kontrolle gegeben hat, was die V-Leute anbelangt, also keine Dienstanweisungen und keine Dienstvorschriften gegeben hat, was die Führung anbelangt. Das wurde in der Zeit - Ende der 90er-Jahre - noch einmal offensichtlich. Auch diesen konkreten Punkt hat man noch einmal aufgegriffen. Der Minister hat Ausführungen gemacht, unter welchen Bedingungen zukünftig V-Leute geführt werden. Das darf natürlich nicht dazu führen, dass V-Leute zum Schluss davon leben können. Das Beispiel Tino Brandt war sicherlich ein Extrembeispiel, aber es hat gezeigt, dass so etwas möglich ist. Auch dem wird Rechnung getragen, dass dies nicht mehr vorkommen kann und vorkommen wird.

Zur Präventionsarbeit: Auch hier hat der Minister ausgeführt, dass das sehr wohl noch im Verfassungsschutz ist. Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist richtig so, dass die Präventionsarbeit auch weiter beim Verfassungsschutz angesiedelt ist, wenn man sich vielleicht reinteilt, ich will das gar nicht sagen, aber weitestgehend trotzdem der Verfassungsschutz noch zuständig bleibt. Das ist auch gut so, weil nämlich der Verfassungsschutz als Erstes die Erkenntnisse hat, wo sich Kräfte bündeln, wo sich Kräfte sammeln, um im Prinzip die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gefährden. Das sind die Ersten, die es wissen müssen. Dafür sind sie ja auch da. Deswegen ist es nur selbstverständlich, dass die natürlich rechtzeitig in die Prävention gehen und entsprechende Informationen geben, bevor der Schaden eingetreten ist, im Vorfeld. Darunter verstehen wir Prävention. Wenn hinterher der Schaden entstanden ist, dann ist es meistens zu spät. So ist das, wenn es die Kollegen der SPD vielleicht auch anders sehen. Aber wir sehen das so. Deswegen ist es auch gut, dass das im Gesetz festgehalten wurde. Der Minister hat die entsprechende Passage zitiert.

Im Großen und Ganzen bin ich erst einmal froh, dass dieses Gesetz in dieser Form so vorliegt. Wir werden die Möglichkeit haben, im Innenausschuss ausgiebig darüber zu diskutieren. Es gibt da noch den Gesetzentwurf von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der auch den Verfassungsschutz

betrachtet. Ich freue mich auf die spannende Diskussion im Innenausschuss. Wir beantragen für die Fraktion der CDU die Überweisung an den Innenausschuss.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Koppe das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Zuschauertribüne, wir haben es jetzt schon zweimal gehört, es liegt uns also jetzt der Gesetzentwurf der Landesregierung vor. Das ist erst einmal ein Fakt, den man zur Kenntnis nehmen muss. Das sagt über Inhalt und Qualität noch nichts aus. Aber er liegt schon einmal vor.

Ich glaube - und damit komme ich jetzt zum Inhalt -, wir sind auch gut beraten, Herr Innenminister, dass wir das Thema Verfassungsschutz angehen, um die Kontrollmechanismen zu schärfen und auch auszubauen. Letzten Endes können immer dort Fehler passieren, wo Menschen arbeiten. Aber ich sage es auch ganz deutlich, diese Fehler gilt es so weit wie möglich auszuschließen. Eine Abschaffung des Verfassungsschutzes jedoch, wie es die Linken wollen, kommt für uns nicht infrage.

(Beifall FDP)

Wir können ja auch nicht einfach so tun, als würden alle extremistischen Bestrebungen, liebe Kollegen aus der Linksfraktion, in der Öffentlichkeit, also für alle sichtbar passieren. Solche Bestrebungen erfolgen nämlich - auch das haben die Untersuchungsausschüsse gezeigt - oft verdeckt und manchmal sogar unter dem Deckmantel einer legalen Organisation. Genau hierfür ist der Verfassungsschutz da, solche verdeckten Bestrebungen frühzeitig aufzudecken. Die Polizei soll und darf in diesem Vorfeldbereich nämlich nicht agieren.

(Beifall Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deshalb ist es auch umso wichtiger - vielen Dank, Herr Adams -, dass die Maßnahmen und das Handeln des Verfassungsschutzes einer intensiven Kontrolle unterliegen.

(Beifall FDP)

Nun haben wir alle am 14.03.2014 eine Pressemitteilung der Deutschen Polizeigewerkschaft erhalten. Deren Chef Wendt erklärt darin, der Gesetzentwurf sei ein Angriff auf unsere Sicherheitsarchitektur. Weiterhin erklärt er, dass der Innenminister endlich ein Machtwort sprechen müsste. Die erste Aussage muss man ja nicht teilen, aber grundsätz

(Abg. Kellner)

lich hat Herr Wendt aus meiner Sicht recht, wenn er das formal zuständige Innenministerium, also den Innenminister anspricht. Dass der Thüringer Innenminister aber selbst nur per SMS die Einigung zum Verfassungsschutzgesetz erfahren hat, zeigt aus meiner Sicht aber, welchen Stellenwert das Machtwort eines Innenministers in der Thüringer Landesregierung hat.

(Beifall FDP)

Scheinbar leider keins. Es ist zwar traurig, aber es wurde auch schon deutlich, erinnern wir uns alle zusammen, als der Innenminister zu den Beratungen der regierungseigenen Expertenkommission zur Gebiets- und Verwaltungsreform nicht eingeladen wurde.

(Beifall FDP)

Nichtsdestotrotz sollten wir die Hinweise von Herrn Wendt aber ernst nehmen und gerade in der Problematik, was den Bereich Präventionsarbeit angeht, müssen wir genau schauen, was wir durch die Änderungen im Gesetzentwurf bewirken. Für uns stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich ausreichend sind, um die in der Vergangenheit gemachten Fehler abzustellen.

(Beifall FDP)

Teilweise - da bin ich am Anfang der inhaltlichen Ausführungen - werden alte Instrumente einfach gesetzlich normiert und man hofft, dass sie damit mehr Wirkung entfalten, weil sie jetzt im Gesetz stehen. Diese Hoffnung habe ich nicht. Ich will ein Beispiel nennen. Der Innenminister hat es am Anfang selbst angesprochen, das habe ich gar nicht erwartet, dass Sie das tun, aber umso besser - die Verankerung eines unabhängigen Controllings, ich wiederhole es noch einmal, unabhängiges Controlling, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, ist meines Erachtens nichts wirklich Neues. Alle Mitglieder der Untersuchungsausschüsse wissen mit Sicherheit auch, worüber ich rede. Denn bisher hat es formal eine Controllingstelle beim Verfassungsschutz gegeben, die eine Kontrolle der Führung von V-Leuten gewährleisten sollte. Trotzdem wurde in den Untersuchungsausschüssen deutlich, dass die Kontrolle nicht funktioniert hat.

(Beifall FDP)

Es hatte damals, und das zeigen auch die Erfahrungen in Untersuchungsausschüssen, viel mit Schlamperei zu tun, dass solche Posten nicht besetzt wurden oder wenn jemand länger krank war, einfach ignoriert wurde, dass es diese Stabsstelle des Controllings gab. Es wurde noch besser: Es gab nämlich eine Zeit lang den Fakt, dass eine Person auch die Ausübung des Controllings, nämlich der Präsident des Landesverfassungsamtes, innehatte und es gab eine Person, die hatte gleich

drei Posten, die war Abteilungsleiter Auswertung, die war Abteilungsleiter Beschaffung und weil sie damit wahrscheinlich noch nicht ausgelastet war, war sie auch noch Vizepräsent des Landesamts für Verfassungsschutz. Also ich muss schon sagen, das muss eine Person mit sehr viel Potenzial gewesen sein.

(Beifall FDP)

Leider konnte sie das in den Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss aus meiner Sicht zumindest nicht nachweisen.

(Beifall FDP)

Da steht natürlich für mich die Frage, wer denn dort wen kontrolliert hatte und wie es sein konnte, dass sich Dienstposten selbst kontrolliert haben. Ich sage hier noch einmal ganz deutlich: So etwas darf nicht passieren.

(Beifall FDP)

Weder hätte es in der alten Struktur passieren dürfen noch kann es aus meiner Sicht in der neuen Struktur, wie in den Änderungen im Gesetzentwurf, ausgeschlossen werden. Ich sage es an der Stelle noch einmal ganz deutlich: Hier hat die Aufsicht versagt.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Gründen sind wir dann natürlich skeptisch, ob es wirklich ausreicht, was dieser uns hier vorgelegte Gesetzentwurf vorsieht. Die Einrichtung und die gesetzliche Normierung einer Stabsstelle Controlling kann aber nur ein Puzzleteilchen im gesamten Scherbenhaufen Verfassungsschutz sein, den wir hier neu zusammenfügen müssen.

Aber es gibt auch noch weitere Punkte, die wir hier diskutieren sollten.

Herr Minister, Sie streichen im Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes die organisierte Kriminalität heraus und begründen dies damit, dass die Polizei so weit im Vorfeld einer aktuellen Gefahr handeln könne. Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, das ist mir, das ist uns deutlich zu wenig. Gerade der Bereich Rockerkriminalität nimmt immer weiter zu und es bilden sich, und das wissen wir alle, neue Klubs, neue Chapters und wer weiß sonst noch was heraus. Die Polizei soll nach Ihrer Argumentation jetzt erst mal jeden Klub belauschen, ohne zu wissen, ob das vielleicht wirklich nur ein paar Biker sind, die sich treffen wollen, um vielleicht Rockmusik zu hören oder ob sie in ihrem Klubhaus Drogengeschäfte, Prostitution oder andere Verbrechen verabreden. Wenn Sie meinen, dass wir dazu den Verfassungsschutz nicht mehr brauchen, bin ich der Letzte, den Sie davon nicht überzeugen können, aber dann braucht es mehr als eine kurze Passage in der Begründung im Gesetzestext.

(Unruhe CDU)

Aber nicht verstanden, Kollege Emde, wahrscheinlich.

(Beifall FDP)