Protocol of the Session on December 19, 2013

(Beifall FDP)

Aber nicht nur ihre aktuelle Situation schätzen die Thüringer mehrheitlich positiv ein. Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen, dann sagen immerhin drei Viertel: Dieser Blick stimmt mich positiv. Besonders positiv übrigens blicken gut ausgebildete Absolventen in die Zukunft, was den Wert von Bildung, von leistungsorientierter Bildung, will ich hinzufügen, ganz besonders deutlich macht.

(Beifall FDP)

Aber leider hat dieser positive Ausblick auch eine Schattenseite, einen faden Beigeschmack. Fast 40 Prozent der 18- bis 24-Jährigen und knapp die Hälfte der bis 34-Jährigen schätzen ihre beruflichen Aussichten in Thüringen als eher dürftig ein. Sie sehen ihr persönliches Glück nicht hier, sondern außerhalb unseres Landes. Dieses Ziel, Frau Ministerpräsidentin, muss Sie bei dem Ziel, was Sie heute Morgen formuliert haben, nämlich bis 2020 Vollbeschäftigung zu erreichen, durchaus beunruhigen. Vollbeschäftigung zu erreichen durch einen massiv erhöhten Anteil an Rentnern und Erwerbsunfähigen, der dann durch Abwanderung von jungen Leuten entstehen würde, ist in der Tat kein politischer Erfolg.

(Beifall FDP)

Da sind wir uns, glaube ich, einig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, die guten Ergebnisse, die Thüringen vor einigen Wochen beim Schulleistungsvergleich erreicht hat, sind mit Blick auf die gut ausgebildeten Absolventen und ihre Zukunftsaussichten mit Sicherheit ein Erfolg - für die Schüler, die teilgenommen haben, für ihre Lehrer und auch für das Schulsystem, nicht aber, meine Damen und Herren, für das Schulsystem von Herrn Matschie, nicht für die Wahnsinnsideen Sitzenbleiben und Noten abzuschaffen, lesen zu lernen, wie man will, schreiben zu lernen, wie man will, die Schreibschrift auch noch abzuschaffen.

(Beifall FDP)

Das alles ist den Schülern, die da teilgenommen haben, meine Damen und Herren, weitestgehend erspart geblieben. Wenn sich dieser Unsinn durchsetzt, dann werden sich unsere Schüler in zehn Jahren mit Nordrhein-Westfalen, mit den Schülern, die Ihre Kollegin Hannelore Kraft ausbilden lässt,

(Zwischenruf Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Null Ahnung!)

um den letzten und vorletzten Platz streiten. Das ist das, wohin wir auf dem Weg sind.

(Beifall FDP)

Deshalb, Frau Ministerpräsidentin, und nicht nur, weil ich Physiker bin, halte ich gerade die naturwis

senschaftlichen Fächer für so wichtig. Denn was dort richtig und falsch ist, das unterliegt nicht den Phantasien Ihres Bildungs- oder Unbildungsministers, das ist dem weitgehend entzogen.

(Beifall FDP)

TMBWK, der Spruch ist nicht von mir - bin ich eigentlich ein bisschen traurig: „Trotz Matschie bilden wir Kinder“. Den Spruch sollten Sie sich mal durch den Kopf gehen lassen, wenn es um die Frage geht,

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Herr Barth, Sie sind unsäglich!)

wie Ihre Bildungspolitik im Land ankommt.

Meine Damen und Herren, ein wichtiger Faktor, für den sich die junge Generation selbst eine Verbesserung wünscht, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jungen Familien und Menschen, die eine Familie gründen wollen, fällt es in Thüringen offenbar schwer, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Hier sind wir, die politisch Verantwortlichen, aber natürlich auch die Thüringer Unternehmen, gemeinsam in der Pflicht.

Wenn wir unseren gut ausgebildeten Nachwuchs nicht an Hessen oder Bayern verlieren wollen, dann müssen wir ihnen hier Perspektiven bieten. Das schaffen wir nicht, wenn wir die Arbeitszeiten von Betreuern einschränken und damit auch zwangsläufig die Öffnungszeiten von Kindertagesstätten. Das schaffen wir übrigens auch nicht mit einer Gebührenpolitik, wie sie in der SPD-geführten Landeshauptstadt gerade gemacht wird. Auch das neue Kindertagesstättengesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat offenbar relativ wenig daran geändert, dass viele gut ausgebildete Menschen aus diesem Grund, weil sie Familie und Beruf nicht gut vereinbaren können, Thüringen den Rücken kehren. Das Spannende daran ist, die gehen in Länder, in denen die Kindertagesbetreuung noch viel weniger ausgebaut ist als bei uns. Die Frage lautet: Warum tun sie das? Nahe liegend wäre das Lohnniveau. Schließlich sind, so hat der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium schon mal gesagt, die Thüringer Unternehmer alles Ausbeuter. Der Befund des Thüringen-Monitors zeigt aber, dass nur für 11 Prozent der Arbeitnehmer in Thüringen ein hohes persönliches Einkommen besonders wichtig ist. Spannend finde ich, dass 90 Prozent der bis zu 24-Jährigen mit ihrem Einkommen zufrieden sind. Trotzdem müssen sich die Thüringer Unternehmen dem Wettbewerb stellen, Kollege Mohring hat das eben auch angesprochen. Natürlich müssen Unternehmen Löhne bezahlen, die wettbewerbsfähig sind, um ihre gut ausgebildeten Mitarbeiter hier zu halten. Das ist keine Aufgabe des Staates. Die Strafe für ein Unternehmen, das das nicht macht, lautet schlicht und ergreifend Untergang und daran hat kein Unternehmer ein Interesse. Eine interessante Arbeit

und flexible Arbeitszeiten, das sind Dinge, die für viele Menschen viel wichtiger sind, als ein hoher Lohn. Hier hat Thüringen Nachholbedarf. Da hilft uns Zalando nicht. Was wir dazu brauchen, sind kleine, mittlere, stabile Unternehmen. Die Förderpolitik, die diese Landesregierung in den letzten Jahren gemacht hat, war dramatisch falsch. 15 Mio. € …

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, Sie denken, Sie kön- nen es besser.)

(Beifall FDP)

Ja, das könnte ich besser. Sie nicht, Frau Siegesmund. Das könnte ich besser.

(Beifall FDP)

15 Mio. € an Opel geben, ohne eine einzige Bedingung dran zu binden, aber von kleinen Unternehmern für 100.000 € Fördermittel verlangen, dass sie Arbeitsplätze für zehn Jahre garantieren, die können ihre eigene Existenz nicht mal zwei Jahre sicher vorhersagen und sollen für zehn Jahre Arbeitsplätze garantieren, weil sie mal 100.000 € Fördermittel bekommen. Dagegen 15 Mio. € an Opel zu geben, ohne irgendwelche Bedingungen, das halte ich für grundverkehrt und

(Beifall FDP)

das würde ich besser machen, Frau Siegesmund. Das können Sie mir glauben. Förderrichtlinien zulasten kleiner Unternehmen mitten im Jahr zu ändern, ein Vergabegesetz zu beschließen, welches gerade ortsansässige Unternehmen massiv benachteiligt, damit schafft man keine sicheren und zukunftsfähigen Arbeitsplätze in Thüringen.

(Beifall FDP)

Genau das ist es, was fehlt und was wichtig ist bei einer Unternehmensstruktur, in der 90 Prozent aller Unternehmen weniger als 10 Mitarbeiter haben. Da muss man sich um die kümmern und nicht nur um die großen.

(Beifall FDP)

Es ist in der Tat beileibe nicht alles schön. Es gibt vieles, was uns zu denken geben muss und da sind wir bei dem Punkt, der bei den Vorrednern auch schon eine Rolle gespielt hat. Vier von fünf Thüringern unterstützen konstant das demokratische System, aber - so sagt die Studie - es gibt eine stabile Minderheit in der Thüringer Bevölkerung, die zumindest Vorbehalte gegenüber der Demokratie als Staatsidee hat oder sogar ausdrücklich eine Diktatur befürwortet. Jeder vierte Thüringer zweifelt an der Demokratie und zeigt sich offen für ein autoritäres oder ein diktatorisches System. Ich mache mir Sorgen, wenn ich solche Sätze lese, dass jeder zweite Thüringer sagt, die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten, wenn jeder fünfte Thüringer zur

sozialistischen Ordnung zurückkehren will, wenn jeder Fünfte auch sagt, ja, der Nationalsozialismus hatte auch gute Seiten und jeder zehnte Thüringer die Diktatur unter Umständen als die bessere Staatsform einschätzt. Aber bei allem, was hier gesagt worden ist, von dem ich mit Ausnahme dessen, was Kollegin Hennig vorgetragen hat, vieles unterstreichen und unterschreiben kann, ich glaube, dass die allermeisten der Menschen, die solche Antworten geben, weder die Mauer, noch den Schießbefehl, noch die Stasi oder die Gestapo wiederhaben wollen. Diese Menschen wissen die Vorzüge der Demokratie schon zu schätzen und wollen sie auch behalten: eine freie Meinungsäußerung, eine starke und auch über nationale Grenzen hinweg gültige Währung, ihr schönes Auto und auch die Reisefreiheit. Das möchten sie schon haben, aber sie wollen - und das ist die Erinnerung an die DDR, das ist die Nostalgie - einen Staat, der sich ansonsten um alles kümmert. Und Sie hier, die Große Koalition und auch die linke Opposition im Land und im Bund

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir sind nicht links.)

- doch, Sie gaukeln den Menschen

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Uwe, ver- sau es nicht!)

genau diesen Staat vor, Kollege Mohring, auch Sie hier tun das.

(Beifall FDP)

Sie tun so, als ob Sie das Leben jedes einzelnen Menschen besser gestalten könnten, als er das selbst kann.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Besser kann es nicht mehr werden jetzt.)

Von Transphobie bis Zeitpolitik haben Dinge in den Koalitionsvertrag auf Bundesebene Eingang gefunden, von denen ich erst einmal gar nicht wusste, was damit eigentlich gemeint ist und es offen gestanden bei manchen Dingen immer noch nicht so ganz genau weiß. Zeitpolitik. Viele Menschen finden die Idee sicher schön. Es gibt ein Problem und der Staat muss sich um die Lösung kümmern. Das geschieht dann vorzugsweise mit Geld, natürlich mit Steuergeld, und wenn es zu teuer wird, dann kümmert sich der Staat wieder darum, dass es bezahlbar bleibt. Das macht der dann wieder mit Steuergeld. Wie das in der Realität aussieht, das können wir bei der Energiepolitik oder auch beim Wohnungsbau ganz aktuell beobachten.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind keine Hoteliers, Herr Barth.)

Wir beschließen eine Mietpreisbremse - das wird auch nicht besser, Frau Siegesmund -, die bremst

zunächst den Mietpreis auf dem freien Markt. Als Nächstes bremst sie das Angebot von Wohnungen auf dem freien Markt, was staatlichen Wohnungsbau nötig macht, der dann wiederum aus Steuergeld bezahlt wird.

(Beifall FDP)

Das ist teuer. Deshalb bezahlen die Mieter das, was sie bei der Miete sparen, am Ende an der Tankstellen- oder Supermarktkasse als Steuererhöhung oben drauf.

Was ich damit sagen will, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ist, dass auch 23 Jahre nach der friedlichen Revolution eine Politik gemacht wird von Großen Koalitionen, von Linken sowieso, die unsere Bürger dauerhaft zu Abhängigen und zu bedingungslos Staatsgläubigen erzieht. „Kümmern.de“ - das steht genau für diese Politik.

(Beifall FDP)

Das ist so. Da fragt niemand mehr, wo die Grenze der Aufsicht und der Fürsorge des Staates wirklich liegt.

(Zwischenruf Ramelow, DIE LINKE: Küm- mern.de war CDU.)

Das war CDU, richtig. Sehr gut aufgepasst, Kollege. Der Gedanke, dass die Privatsphäre des Bürgers ein Bereich ist, in dem nicht einmal die beste aller Regierungen etwas zu suchen hat, der Gedanke taucht in dieser Politik nicht mehr auf. Das, meine Damen und Herren, muss ich sagen, das, Herr Kollege Mohring, ist von all denen, die links von Ihnen sitzen, im Kern auch gar nicht anders zu erwarten. Das ist denen ihr Gesellschaftsbild. Die glauben wirklich, dass es die Aufgabe des Staates und damit Ihre Aufgabe ist, Vätern zu sagen, wie viel Zeit sie mit ihren Kindern verbringen sollen