(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben auch Sie dazu eingeladen, sich an dem Antrag zu beteili- gen.)
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie verweigern sich doch einer konstruktiven Debatte.)
Meine Damen und Herren, wir werden dem Alternativantrag, hier gestellt von CDU und SPD, zustimmen. Wir begrüßen alle Initiativen, die die historische Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Menschen und des späteren Umgangs mit den Opfern zum Gegenstand haben. Wir unterstützen zudem den Beschluss des Bundesrates zur Entschließung des Bundesrates für Maßnahmen zur Rehabilitierung und zur Unterstützung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilter. Den Alternativantrag werden wir ablehnen, das habe ich erläutert. Und auch die E-Mail, die eben noch vom Lesben- und Schwulenverband verschickt worden ist, die in Abrede stellt, dass hier ein Schadenersatz zu leisten ist, auch das gehört zur Aufarbeitung im juristischen Sinne. Insofern, denke ich, ist die Republik da auf einem guten Weg. Wir unterstützen das mit unserer Zustimmung zum Alternativantrag. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin jetzt doch einigermaßen fassungslos: In einer solchen Debatte zu hören, dass alle Abgeordneten dieses Hauses an der Diskriminierung nicht beteiligt waren und deshalb eine Entschuldigung nicht nötig ist, ist wirklich ein Tiefpunkt an demokratischer Kultur,
weil ich meine, dass wir selbstverständlich Verantwortung übernehmen müssen für das, was geschehen ist. In anderen Situationen weisen Sie aus der FDP ja gern die eine oder andere Partei auf ihre Vergangenheit und ihre Verantwortung für die Vergangenheit hin.
Auch wenn ich selbst nie beteiligt war, muss natürlich auch ich mich entschuldigen, will auch ich mich entschuldigen und als verantwortungsbewusste Politikerin Verantwortung übernehmen.
Ein Zweites vorweg, um hier Mythenbildung auch vorzubeugen: Am 12. Februar habe ich alle Fraktionen mit dem Ziel eines gemeinsamen Antrags angeschrieben, auch die FDP-Fraktion. Daraufhin hat sich die Fraktion DIE LINKE gemeldet. Wir wollten uns am Rande des März-Plenums mit allen Fraktionen zusammensetzen, um über einen gemeinsamen Antrag zu beraten. Im März-Plenum hat mir der Parlamentarische Geschäftsführer der SPDFraktion mitgeteilt, dass dies nicht möglich oder notwendig sein wird, weil sich der Koalitionspartner dem so nicht anschließen kann und sie den Punkt I des Antrags nicht mittragen werden und wir deswegen nicht zueinander finden werden. Ich habe daraufhin in der nächsten Ältestenratssitzung noch einmal angesprochen, dass es unser Ziel ist, einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen. Im April hat mich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU angesprochen und gesagt, das wäre gar nicht so, wie mir das von der SPD vermittelt wurde, sie wären bereit zu gemeinsamen Gesprächen. Daraufhin haben wir Ihnen unseren Antrag noch einmal zukommen lassen im April, haben Ihnen angeboten, dass wir eine gemeinsame Antragsgrundlage erarbeiten und Sie haben sich nie wieder gemeldet.
Am 10. Mai haben wir Ihnen von CDU und SPD dann mitgeteilt, dass wir für das Mai-Plenum nunmehr den Antrag einreichen werden. Auch darauf haben Sie nicht reagiert. Es folgte Ihr Alternativantrag. So viel dazu, wer alles bedauert, dass es keinen gemeinsamen Antrag gibt.
Nun noch einmal zum Inhalt auch von mir ein paar Ausführungen. In der Bundesrepublik galt die von den Nationalsozialisten 1935 verschärfte Gesetzgebung zur strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Handlungen, nämlich § 175 und § 175 a bis zur Strafrechtsreform von 1969 fort. Demnach waren sämtliche sexuelle Handlungen einschließlich erotisch interpretierbarer Annäherungen unter Männern strafbar. Darüber hinaus bestanden bis zur endgültigen Abschaffung des § 175 Strafgesetzbuch am 31. Mai 1994 unterschiedliche strafrechtliche Schutzaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen fort. In der DDR, darauf ist ja Frau Pelke mit ihren juristischen Ausführungen sehr genau schon eingegangen, kehrte man nach einem Urteil des Obersten Gerichts 1950 zu der vornationalsozialistischen Fassung, muss man sagen, des § 175 zurück. Dies bedeutete, dass beischlafähnliche homosexuelle Handlungen bestraft wurden. Mit dem Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches der DDR 1968 waren einvernehmliche sexuelle Hand
lungen zwischen erwachsenen Männern zwar nicht mehr strafbar, aber es bestanden auch in der DDR - und darauf haben Sie richtigerweise verwiesen nach § 151 Strafgesetzbuch weiterhin unterschiedliche Schutzaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen fort. Die von CDU und SPD damit angeblich weitergehende Formulierung im Alternativantrag trifft so also nicht zu, da wir die Problematik im Antrag allumfassend betrachten. Ich glaube, dass dies 24 Jahre nach der friedlichen Revolution auch richtig so ist. Ich will allerdings auch darauf verweisen, dass in der DDR beispielsweise durch die Staatssicherheit Homosexuelle bis 1989 auch noch auf gesonderten Listen geführt wurden, drangsaliert wurden, diskriminiert wurden und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig geschädigt wurden. Auch das gilt es selbstverständlich aufzuarbeiten,
Tausende Menschen sind Opfer der geltenden Rechtslage geworden, und zwar in beiden deutschen Staaten. In der Bundesrepublik wurden rund 100.000 Ermittlungsverfahren gegen Homosexuelle eingeleitet und 50.000 Verurteilungen vorgenommen. Für das Gebiet der DDR ist es sehr schwer, Fallzahlen zu finden. Eine Studie wurde hier schon genannt. Nachgewiesen können rund 1.300 Verurteilungen allein aus den Jahren 1959 bis 1964 werden. Neben der strafrechtlichen Verfolgung gab es aber - und das ist aus unserer Sicht genauso zu betrachten - die gesellschaftliche Ausgrenzung der Betroffenen.
Betroffene mussten oftmals ihren Beruf aufgeben und wurden ins soziale Abseits gedrängt. Bereits die reine Strafandrohung beeinträchtigte alle homosexuellen Männer in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Durch die Kriminalisierung von Homosexualität herrschte zumindest bis 1968/69 auch ein sozialpolitisches und gesellschaftliches Klima, welches homosexuelle Menschen diskriminiert und an den Rand der Gesellschaft drängte. Bereits die reine Strafandrohung - Frau Stange hatte es angesprochen - behinderte nahezu alle Betroffenen in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit, und sieht man von der Unterstrafstellung ab, waren von dieser Ausgrenzung schwule Männer genauso wie lesbische Frauen gleichermaßen betroffen.
Als besondere Härte muss den Betroffenen erschienen sein, dass in der Bundesrepublik die unter der nationalsozialistischen Herrschaft verschärfte Fassung des § 175 aufrechterhalten wurde. Die Verschärfung von 1935 hatte zu einer immensen Ausweitung der Verfolgung geführt, die auch in der Bundesrepublik mit großer Heftigkeit fortgesetzt wurde. Am 7. Dezember im Jahr 2000 brachte der Deutsche Bundestag im Zusammenhang mit der
Debatte um die Ergänzung zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege in einer einstimmig mit den Stimmen aller Fraktionen verabschiedeten Resolution sein Bedauern über das durch die Homosexuellenverfolgung in beiden Teilen Deutschlands erfolgte Unrecht zum Ausdruck. Zurzeit besteht nun der Widerspruch, dass, wer im Nationalsozialismus nach den §§ 175 bzw. 175 a verurteilt wurde, rehabilitiert wurde. Wer aber später wegen der gleichen Strafrechtsparagrafen verurteilt wurde, der ist nicht rehabilitiert und kann auch keine Haftentschädigung geltend machen und genau das wollen wir mit unserem Antrag. Wir sagen deshalb, der Beschluss des Bundestages von 2000, also immerhin von vor 13 Jahren, darf keine bloße Deklaration ohne Konsequenzen bleiben. Diese Konsequenzen blenden Sie übrigens aus in Ihrem Alternativantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der CDU.
Sowohl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch DIE LINKE haben in den Jahren 2008 und 2009 Anträge zur Aufhebung der einschlägigen Strafurteile in den Bundestag eingebracht. Diese Initiativen wurden von den damaligen Regierungsfraktionen und der FDP abgelehnt. Gegen eine Aufhebung der nach 1945 ergangenen Urteile wurden von den damaligen Regierungsfraktionen insbesondere Bedenken hinsichtlich der befürchteten Verletzung des Gewaltenteilungsprinzip und der Rechtsstaatlichkeit vorgetragen. Eine im Auftrag des Senats von Berlin erstellte Expertise kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl aus verfassungsrechtlichen, verfassungspolitischen als auch völkerrechtlichen Erwägungen eine Rehabilitierung aufgrund strafrechtlicher Verfolgung auf der Grundlage der §§ 175 und 175 a längst geboten ist. Zudem stehe der § 31 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz einer Aufhebung der Urteile und einer Rehabilitierung der Betroffenen nicht entgegen. Es werden dadurch keine Rechte Dritter und keine grundlegenden Prinzipien der rechtlichen und politischen Ordnung, wie das Prinzip der Gewaltenteilung, verletzt. Im Gegenteil, das Vertrauen in die Selbstschutzprinzipien des Rechtsstaats würde erhöht. Die Aufhebung soll auch für Urteile gelten, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Homosexuelle wegen einvernehmlichen Handlungen bestraften. Unterstützt wird das Anliegen der Rehabilitierung auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In zahlreichen Urteilen macht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deutlich, dass eine Gesetzgebung, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellt, menschenverachtend ist. Es wird den Betroffenen ein entscheidender Teil der Persönlichkeit abgesprochen. Gleiches gilt für Gesetze, die unterschiedliche Schutzaltersgrenzen für sexuelle Handlungen zwischen Men
Nun noch einmal ein paar Gedanken zum Antrag der Fraktionen von CDU und SPD. In Absatz 1 ist davon die Rede, „die Ehre der homosexuellen Opfer wiederherzustellen.“ Wir als Bündnisgrüne meinen, es müsste vielmehr heißen „die Würde“. Wir sagen im ersten Absatz ganz klar, dass die Verurteilungen ein fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte und somit gegen die Würde der Menschen waren.
Unser Antrag entschuldigt sich für die Menschenrechtsverstöße bei den Betroffenen. Ich weiß wirklich nicht, was Sie davon abhält, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD und FDP, sich ebenfalls bei den Betroffenen zu entschuldigen. Das wäre eine große Geste hier aus dem Thüringer Landtag.
Der Antrag von CDU und SPD spricht ganz allgemein von Aufarbeitung. Wir sprechen von Rehabilitierung und fordern eine Aufhebung der Urteile und Entschädigungen. Hier kann ich nur sagen, auch bei uns ist - das ist keine E-Mail, sondern eine Pressemitteilung vom Lesben- und Schwulenverband in Thüringen angekommen und wir teilen deren Position voll und ganz. Wir sagen ihnen, sie werden uns auch weiterhin an ihrer Seite haben, wenn es darum geht, für Gerechtigkeit, für Aufarbeitung, aber auch für Entschädigungen zu streiten und natürlich die überfällige Entschuldigung zu leisten.
Wenn Sie von SPD und CDU jetzt behaupten, Ihr Antrag wäre weitergehend, dann muss ich Ihnen sagen, das stimmt schlichtweg nicht und es entspricht nicht dem, was uns hier vorliegt, wenn wir über diese Frage diskutieren.
Weil wir aber hoffen, dass wir noch zueinanderfinden, beantragen wir, beide Anträge an den Justizausschuss zu überweisen, um sich dort abschließend doch noch auf eine gemeinsame Initiative zu verständigen. Ich bin gespannt, ob Sie dem Ausdruck hier, dass Sie das sehr bedauern, dass wir dazu bislang nicht gekommen sind, auch Taten folgen lassen
und sich dieser gemeinsamen Initiative und der gemeinsamen Beratung im Justizausschuss anschließen. Vielen herzlichen Dank.
Ich habe jetzt keine weiteren Redemeldungen aus den Fraktionen. Für die Landesregierung spricht jetzt der Justizminister Dr. Poppenhäger.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Bundesrat hat mit Beschluss vom 12. Oktober letzten Jahres die Bundesregierung aufgefordert, Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung für die nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten vorzuschlagen. Thüringen hat sich bei Fassung dieser Entschließung der Stimme enthalten. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Grund für diese Enthaltung war nicht, und dies betone ich noch mal ausdrücklich, dass die Landesregierung nicht ebenfalls bedauert, dass § 175 des Strafgesetzbuchs in seiner nationalsozialistischen Fassung in der Bundesrepublik unverändert in Kraft blieb und auch § 151 des Strafgesetzbuchs der DDR von 1968 bis 1987 bzw. 1988 homosexuelle Handlungen unter Strafe stellt. Auch die Landesregierung ist überzeugt, dass homosexuelle Bürgerinnen und Bürger durch die strafrechtliche Verfolgung in ihrer Menschenwürde, in ihren Entfaltungsmöglichkeiten, ihrer Lebensqualität und in ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz empfindlich beeinträchtigt wurden. An dieser Stelle möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass es in Thüringen, jedenfalls in der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis 1994, also in der Zeit nach der Wiedervereinigung, in der es in der Bundesrepublik Deutschland teilweise noch Strafvorschriften gab, die Homosexuelle diskriminierten, bereits aufgrund des Einigungsvertrags keine Verurteilungen mehr nach § 175 StGB gab. Hintergrund für die Enthaltung der Landesregierung bei der Beschlussfassung über den Entschließungsantrag des Bundesrats war die Forderung nach Rehabilitierung und unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich deren verfassungs- und rechtspolitischer Vertretbarkeit. Bereits zur verfassungsrechtlichen Vertretbarkeit werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Teilweise werden einer solchen Rehabilitierung, jedenfalls aber einer Aufhebung bzw. Nichtigerklärung von Verurteilungen, durch die Legislative selbst grundsätzliche Überlegungen zu den verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien der Gewaltenteilung, der Rechtssicherheit und der Unabhängigkeit der Rechtsprechung entgegengehalten. Bislang wurden durch den Bundesgesetzgeber nur Urteile aufgehoben, die aus der Zeit des Nationalsozialismus oder des SED-Regimes stammten. Teilweise wird befürchtet, sobald der Bundesgesetzgeber auch Urteile aufheben würde, die unter den vom Grundgesetz garantierten rechtsstaatlichen Bedingungen zustande gekommen sind, könnte sich das verfassungsrechtliche Gleichgewicht zwi
schen Legislative, Exekutive und Judikative zuungunsten der Rechtsprechung verschieben. Nach dieser Auffassung entstünde dann die Gefahr, dass sowohl die Unabhängigkeit der Rechtsprechung als auch die Rechtssicherheit der Bürgerinnen und Bürger letztlich von wechselnden parlamentarischen Mehrheiten abhängig werden könnte. Deshalb will diese Auffassung von einer Aufhebung von nachkonstitutionellen Urteilen durch den Gesetzgeber absehen. Wenn man eine Urteilsaufhebung für grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig hält, gibt es jedoch auch rechtspolitische Argumente, die dem jeweils aktuellen Gesetzgeber Zurückhaltung nahelegen könnten, in einem Rechtsstaat ergangene rechtskräftige Entscheidungen wegen später geänderter gesellschaftlicher Auffassungen oder Anschauungen nachträglich zu beseitigen. Die Bereiche, in denen derartige Forderungen erhoben werden könnten, sind nämlich vielfältig. Als Beispiele möchte ich nur frühere Strafbarkeiten wegen Ehebruchs oder Kuppelei nennen oder auch die Änderungen der Tatbestandsvoraussetzungen eines strafbaren Schwangerschaftsabbruchs.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Thüringer Landesregierung begrüßt alle Initiativen, die die historische Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Menschen und des späteren Umgangs mit den Opfern zum Gegenstand haben. Die Landesregierung wird aber zunächst abwarten, welche Maßnahmen die Bundesregierung und eventuell der Bundesgesetzgeber zur Umsetzung der Bundesratsentschließung ergreifen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, abschließend möchte ich noch einige Worte zu dem weiteren Anliegen, das Grundgesetz um ein Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen Identität zu ergänzen, anfügen. Die Verfassung des Freistaats Thüringen enthält in Artikel 2 Abs. 1, wie Sie wissen, ein Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund sexueller Orientierung. Weltweit sind Menschen aber weiterhin aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, die in vielen Formen auftreten. Einfache gesetzliche Diskriminierungsverbote haben die rechtliche Situation der Betroffenen zwar deutlich verbessert, ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung eines Menschen wegen seiner sexuellen Identität im Grundgesetz selbst könnte jedoch eine Verstärkung schaffen. Hieraus ergäbe sich das deutliche Bekenntnis, dass die sexuelle Identität eine ungleiche Behandlung unter keinen Umständen rechtfertigt. Ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität im Grundgesetz würde zudem mittels einer Ausstrahlungswirkung über die Generalklauseln des Zivilrechts in zahlreichen Rechtsbereichen Wirkung entfalten. Der deutsche Bundestag und auch der Bundesrat haben auf der Ebene der Europäischen Union dem bestehenden
Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung aus Artikel 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zugestimmt, ebenso der Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft zur Bekämpfung derartiger Diskriminierung in ihrem Zuständigkeitsbereich. Auch deshalb halte ich die Aufnahme einer solchen Verfassungsvorschrift in das Grundgesetz, ich wiederhole noch einmal, wie Thüringen sie bereits heute hat, für angezeigt. Dies entspricht im Übrigen auch einem Vorschlag der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat aus dem Jahr 1994. Ich bin mir allerdings sicher, dass in der verbleibenden Zeit bis zur Bundestagswahl am 22. September dort keine derartige Entscheidung mehr zustande kommen wird. Eine Bundesratsinitiative würde insoweit über die Klippe der Diskontinuität fallen und in der neuen Legislaturperiode ohnehin erneut eingebracht werden müssen. Meiner Ansicht nach sollten wir deshalb die Thematik zunächst zurückstellen und zu einem Zeitpunkt nach der Bundestagswahl erneut aufgreifen, um dieses gesellschaftspolitische Anliegen einer guten Lösung im Sinne der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zuzuführen. Vielen Dank.
Es gibt jetzt offensichtlich keine weiteren Redemeldungen mehr. Ich schließe die Aussprache. Es ist die Ausschussüberweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss beantragt worden. Wer dieser seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Danke schön. Und die Gegenstimmen, bitte. Das sind die Stimmen aus der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt worden.
Demzufolge stimmen wir nun zuerst über den Antrag der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/6074 ab. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage nach den Gegenstimmen. Die Gegenstimmen kommen aus den Fraktionen SPD, CDU und FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? Gibt es nicht. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Jetzt stimmen wir zum Alternativantrag ab, und zwar dem … Frau Rothe-Beinlich, hatten Sie beide Anträge an den Ausschuss …? Dann müssen wir erst noch über die Ausschussüberweisung des Alternativantrags abstimmen. Wer dieser seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP.
Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion. Damit ist auch diese Ausschussüberweisung abgelehnt.