Protocol of the Session on June 21, 2013

(Beifall FDP)

und dies muss auch belohnt werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren, dies ist natürlich nur ein Teilaspekt des Problems. Ich will in diesem Zusammenhang gern auf die Fragen in Abschnitt 2 eingehen, die sich mit Umfang und Wirkung von bundespolitischen Programmen beschäftigen. So stellt die Landesregierung den bundespolitischen Initiativen ein positives Fazit aus. Schwarz-gelb hat also mit den Änderungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, also der Neuregelung der Regel

sätze, Bildungs- und Teilhabepakete, einen enormen Beitrag zur Reduktion der Armutsgefährdung von Familien geleistet. Im Übrigen wurden die Regelsätze für Kinder Anfang 2013 erhöht - und dies erneut.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Na super!)

So ist das, Herr Bärwolff.

Ergänzend zum SGB II, also der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dem Bundeskindergeldgesetz und dem SGB XII, also der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderungen, leistet die Bundesregierung in der Sozialhilfe für Familien mit Bezug von Kinderzuschlag oder Wohngeld einen Beitrag für 2,5 Mio. Anspruchsberechtigte. Zudem beteiligt sich der Bund an den Investitionskosten für 30.000 weitere zusätzliche Plätze für die öffentlich geförderte Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Allein hier sind es Kosten in Höhe von ca. 580 Mio. €.

Auch die Landesregierung hat zahlreiche Initiativen geplant, allerdings hat die Landesregierung trotz Vorbild des Bundes beispielsweise bei der Familienförderung keinerlei Gesamtevaluation der Thüringer Einzelmaßnahmen und Maßnahmenpakete vorgenommen. Und genau hier liegt unserer Ansicht nach das Problem. Es wird nicht zu wenig in Deutschland ausgegeben, sondern eher wie mit der Gießkanne verteilt. Wir messen gerade in der Politik oftmals die Qualität der Maßnahmen an der Höhe des eingesetzten Betrages anstatt an der Wirkung, die sich für die Betroffenen entfaltet.

(Beifall FDP)

Allein im Freistaat setzen wir weit über 200 Mio. € jährlich für über 3.000 niederschwellige Beratungsund Betreuungsstellen ein. Hinzu kommt noch einmal eine Vielzahl untereinander nicht vernetzter Anlaufstellen. Ich möchte ein paar einzelne als Beispiel nennen: 12 Stellen für Quartiersmanagement, 11-mal ThINKA, 24 Stellen für das Landesarbeitsmarktprogramm, 30-mal TIZIAN-Stellen, 10 Mehrgenerationenhäuser usw. Dies ist ein aus unserer Sicht unübersichtlicher und undurchdringlicher Dschungel an Zuständigkeiten und Kompetenzen.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Weil Ihr es nicht versteht, deswegen.)

Hören Sie zu, Herr Baumann! Nicht einmal die Beratungsstellen selbst wissen manchmal, welche weiteren Angebote es aus dem Sozialversorgemarkt noch gibt. Der Bürger ist aus unserer Sicht völlig überlastet mit dem Versuch, sich einen Überblick zu verschaffen. Nein, ich denke, wir brauchen dringend eine Evaluation der Nutzung der einzelnen Programme. Wir als Liberale wissen um die komplexe Aufgabe von Sozialprogrammen. Ergeb

nisqualität ist in diesem Bereich ebenso wenig exakt messbar wie im Gesundheitsbereich. Daher werden wir vorschlagen, zuerst einmal die Nachfrage nach den Einzelprogrammen abzufragen, denn ein Zusammenhang besteht aus unserer Sicht mit Sicherheit. Ein Programm, welches nicht nachgefragt wird oder welches scheinbar immer schlechter nachgefragt wird, muss auf den Prüfstand. Wir müssen die Ressourcen des Freistaates gerade im Sinne der Betroffenen dort einsetzen, wo den Betroffenen auch wirklich geholfen ist.

(Beifall FDP)

Diesen Anstoß hat zumindest die Große Anfrage ergeben. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Koppe. Als Nächste hat jetzt Abgeordnete Beate Meißner für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, wie aus der Antwort der Landesregierung hervorgeht, existiert bisher keine explizite Studie zur Entwicklung sozialer Mobilität in Thüringen. Daher danke ich der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, da die nun vorliegende ausführliche Antwort der Großen Anfrage „Soziale Mobilität, sozialer Aufstieg und Bedingungen für Chancengerechtigkeit in Thüringen“ die Sozialpolitik in Thüringen aus vielen Richtungen beleuchtet.

Die Anfrage, die insgesamt neun Themenbereiche umfasst, wurde von der Landesregierung sehr ausführlich und detailliert beantwortet. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle ausdrücklich. Sie stellt auf fast 300 Seiten eine Bestandsaufnahme dar und gibt einen Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen für die Landesregierung im Bereich soziale Mobilität und Chancengerechtigkeit. Damit kann sich nun jeder ein umfassendes Bild über den aktuellen Stand in Bezug auf die Sozial-, Bildungsund Wirtschaftspolitik machen und jetzt, wo uns solche detaillierten Antworten vorliegen, sollten wir diese auch nutzen. Aber die Antworten widersprechen auch dem, was oft versucht wird, zu suggerieren, nämlich, dass in Thüringen nichts getan wird, um der sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken und soziale Mobilität zu erhöhen.

Dass wir nicht mit allem, was in der Antwort aufgezählt wird, zufrieden sein können, ist keine Frage. Es gibt auch vieles zu diskutieren und das wollen wir an dieser Stelle gern tun. Im Folgenden werde ich daher auf ein paar zentrale Aussagen eingehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Grad der sozialen Mobilität ist ein Maßstab für die Offenheit einer Gesellschaft. Soziale Mobilität ist immer im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit zu betrachten. Meine Fraktion hat gemeinsam mit der SPD zentrale Schwerpunkte gesetzt auf die Bekämpfung von Armut, insbesondere Kinderarmut, auf den Einsatz für Chancengleichheit, die Verbesserung der Lebensqualität und auf erfolgreiche Integrationsschritte. Dabei geht es uns nicht nur darum, die materiellen Lebensbedingungen zu verbessern, sondern auch für alle Bevölkerungsmitglieder Teilhabe zu gewährleisten an Bildung und Beratung, an Angeboten der Jugendhilfe sowie an öffentlichen Angeboten wie Freizeitmaßnahmen, Sport, Museen und Bibliotheken.

Armut und soziale Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen sind eine zentrale Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit der Thüringer Städte und Gemeinden. Durch den demografischen Wandel ist nicht nur die Bevölkerungszahl rückläufig, sondern auch die Anzahl junger Menschen sinkt. Damit ist Kinderarmut nicht also nur ein Problem ungleicher Ausgangschancen, sondern auch ein Zukunftsproblem, denn auch gesellschaftliche Zufriedenheit, wirtschaftliches Wachstum und politische Stabilität müssen sichergestellt werden. Das Thema Armutsbekämpfung hat auch für meine Fraktion einen hohen Stellenwert und im Koalitionsvertrag wird unter anderem der Bekämpfung von Kinderarmut großer Raum gegeben und das ganz bewusst. Aber bereits vor der Bildung der neuen Landesregierung war Kinderarmut Thema in Landtag und auch im Landesjugendhilfeausschuss. Initiativen wie TIZIAN, welche die berufliche Integration benachteiligter Familien fördert, die Jugendpauschale, das Landesarbeitsmarktprogramm, die Eltern-Kind-Zentren, das Schulobstprogramm, der Maßnahmekatalog zum Kinderschutz und der Thüringer Bildungsplan setzen da wichtige Impulse.

Die Schlussfolgerung für Thüringen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und aus dem gemeinsamen sozialen Wort zur Kinderarmut in Thüringen der Sozial- und Jugendverbände wurden und werden geprüft und umgesetzt. Auch die Schulsozialarbeit, die erst kürzlich Unterstützung durch ein Landesprogramm erfahren hat, kann als Bindeglied zwischen Jugendhilfe und Schule einen wichtigen Beitrag zur Stärkung und Integration junger Menschen in deren Sozialraum leisten. Ausgehend von den tatsächlichen Lebenslagen der Kinder und ihrer Eltern müssen abgestimmte und passgenaue Angebote entwickelt werden und Wege zu einer sozialraumorientierten Armutsprävention und Bildungsförderung aufgezeigt werden. Dabei müssen vorbeugend und flächendeckend benachteiligte Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen verbessert werden.

(Abg. Koppe)

Auch in der Antwort der Landesregierung wird deutlich, dass eine wirksame Armutsprävention auch vom Engagement der handelnden Akteure im Bildungs- und Sozialwesen abhängt. Armutsprävention beinhaltet deswegen unterschiedliche Aufgaben auf verschiedenen Handlungsebenen.

Dr. Fischer, Autor der Studie „Wege aus der Armut“ hat das, wie ich finde, gut auf den Punkt gebracht. Da möchte ich ihn an dieser Stelle auch gern zitieren, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Um die Aufgaben in der Armutsprävention zu bewältigen, bedarf es neben allen staatlichen Anstrengungen auch eines nichtstaatlichen Engagements durch professionell und ehrenamtlich Handelnde in Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen.“ Wir sollten seitens der Politik diese gesellschaftlichen Leistungen unterstützen, in dem das Land, aber auch der Bund aktiv die Rahmen setzende Verantwortung übernimmt. Denn der Staat sollte auch die gesellschaftlichen Akteure zum armutspräventiven Handeln befähigen und bewusst nichtstaatliches Engagement fördern.

Meine Damen und Herren, die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, steigt bei Kindern von 36 auf 50 Prozent, wenn sie eine frühkindliche Bildungseinrichtung besucht haben. Diese Tatsache zeigt, wie wichtig die frühkindliche Bildung für die spätere erfolgreiche Entwicklung ist. Die Kompetenzen, die aber zuallererst durch Eltern vermittelt werden sollten, sind für das weitere Leben unverzichtbar. Dazu gehören Sprachfähigkeit, rechnerische Fähigkeiten, soziale Kompetenzen, Motivation und Selbstdisziplin. Neben den Familien leisten die Kindertagesstätten in Thüringen in der frühkindlichen Entwicklungsphase aber einen wesentlichen Beitrag zur Erziehung und Bildung. Das Netz der Kindertagesstätten in unserem Freistaat ist gut entwickelt. Die Betreuungsquote und die Ganztagsquote erreichen deutschlandweit Spitzenwerte. Das neue Kindergartengesetz und der Rechtsanspruch auf einen Platz ab August sind hier wichtige Signale. Mit der Einführung des Thüringer Bildungsplans für Kinder legte Thüringen ein durchgängiges und kindgerechtes Bildungskonzept vor. Auch die Entwicklung der Kitas zu Eltern-Kind-Zentren hat sich nicht nur bewährt, sondern ist ein guter Weg.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, die derzeit 151 Thüringer Erziehungseinrichtungen für Kinder in speziellen Lebenslagen bieten in einer breiten Trägerlandschaft eine Vielfalt an Betreuungseinrichtungen und -formen an. Dazu gehören unter anderem Heimgruppen, therapeutische Gruppen oder Intensivgruppen, familienintegrative Settings, betreutes Wohnen oder Tagesgruppen. Seit 2006 steigen die Hilfefälle an, was laut Antwort der Landesregierung unter anderem mit der Einführung des § 8 a SGB VIII, Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, zusammenhängt. Die Bevölkerung und auch die zuständigen örtlichen Träger der öf

fentlichen Jugendhilfe reagieren sensibler auf Problemlagen von Kindern und Jugendlichen und das ist auch gut so. Mich freut, dass Angebotsstrukturen der erzieherischen Hilfen immer flexibler gestaltet werden, um die Durchlässigkeit der erzieherischen Hilfen letztendlich auch zu erhöhen. So kann Hilfe nicht nur situationsorientiert, sondern auch prozessangepasst gestaltet werden. Erfreulich ist auch, dass die durchschnittliche Verweildauer von Kindern und Jugendlichen seit 1997 um drei Monate gesenkt werden konnte.

Leider gibt es an dieser Stelle keine Statistik, die belegt, dass Kinder in Einrichtungen der Erziehungshilfe dieselben Bildungschancen haben wie Kinder, die in Familien aufwachsen. Aber ich selbst bin Patin einer Familienwohngruppe in Sonneberg und ich weiß, welche hingebungsvolle Arbeit in diesen Einrichtungen geleistet wird.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, zu vielen Fragen im Themenbereich soziale Mobilität und Migration hat die Landesregierung aufgrund der fehlenden Datenlage keine Antwort geben können. Dennoch ist ersichtlich, dass sie sich bemüht, nicht nur die berufliche Integration voranzutreiben. Sei es durch die Förderung beim Spracherwerb mit Stipendien für Gymnasiasten, mit Vernetzung und Beratungsangeboten, dem Ausländerbeauftragten und arbeitsmarktpolitischen Förderprogrammen. Allerdings sind Rahmenbedingungen nicht die einzige Voraussetzung für eine Verbesserung der sozialen Mobilität für Menschen mit Migrationshintergrund. Auch die Familie, vor allen Dingen die Eltern, spielen hier eine große Rolle. Das macht beispielsweise der Soziologe Aladin ElMafaalani klar. Ihn möchte ich zitieren und er sagt: Wer als Migrant aufsteigen will, muss sich von seinem Herkunftsmilieu trennen. Aufsteiger aus unteren Schichten auch ohne Migrationshintergrund verlören die Verbindung zu ihrer früheren Welt. Aufstieg sei deshalb nicht nur ein Gewinn, man verliere einen Teil seiner Identität. Aufstieg ist ein biografisches Risiko, vor dem sich so mancher auch fürchtet, zumal viele Aufsteiger auch mit dem neuen Milieu fremdeln. Eine solche Entwicklung müssen eben beide Seiten zulassen, die Eltern und der Nachwuchs und nicht immer ist das auch gewollt. Oft lassen die Eltern ihre Kinder nicht los, obwohl sie für sie eigentlich nur das Beste wollen. Manche Eltern wollen ihren Kindern insbesondere ein Scheitern ersparen, oder sie sorgen sich, dass sie dem Nachwuchs auf der höheren Schule nicht helfen können.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, bei all den sozial-, bildungs- und wirtschaftspolitischen Betrachtungen darf aber nicht übersehen werden, dass nicht allein die bestehenden Rahmenbedingungen für eine wachsende soziale Ungleichheit verantwortlich sind. Der mangelnde Aufstiegswille vieler junger Menschen ist oft ge

prägt durch ihr Elternhaus. In der erwähnten Pollack-Studie kommt es nicht nur auf die schulische Bildung an, sondern vor allem auch auf die Familienstruktur. Während nach den Zahlen des Allensbach-Instituts 86 Prozent der Eltern aus der höheren Schicht wollen, dass der Nachwuchs das Abitur macht, sind es in bildungsferneren Kreisen eben nur 47 Prozent. Hier wird sichtbar, dass bei all den guten Rahmenbedingungen, die Thüringen bietet, Eltern noch viel mehr Unterstützung benötigen. Angesichts der immer engeren Kopplung von Bildungschancen an Lebenschancen ist das wohl die größte politische Herausforderung und das nicht nur für uns hier in Thüringen, sondern in ganz Deutschland und daran müssen wir weiterhin arbeiten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Frau Meißner. Als Nächster hat jetzt Herr Abgeordneter Matthias Bärwolff für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst erst mal, Frau Meißner, vielen Dank für das Rezitieren dieser Großen Anfrage. Jetzt sind wir alle umfänglich über jede einzelne Zahl informiert. Da hatte ich mir schon ein bisschen mehr vorgestellt, als dass Sie hier nur die Antworten …

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da widerspreche ich.)

Ja, aber im Großen und Ganzen. Soziale Mobilität, das ist ein wichtiges Thema. Die Frage ist aber für uns als LINKE, warum ist soziale Mobilität eigentlich ein so wichtiges Thema. Was ist daran so wichtig, dass wir zwischen oben und unten, dass wir da sozusagen, dass die Leute Aufstiegschancen haben und so nicht und so weiter und so fort. Da muss ich irgendwie feststellen, dass diese Erwartungen und die Anforderungen und die Notwendigkeit der sozialen Mobilität zum einen damit zusammenhängen, dass wir eine erodierende Mittelschicht haben. Das heißt, durch Prekarisierung, durch Niedriglohn, durch Globalisierung und Wettbewerb, durch Liberalisierung und Privatisierung werden natürlich die Arbeitsverhältnisse und die Lohnverhältnisse immer weiter unter Druck gesetzt und, die Friedrich-Ebert-Stiftung gibt diesbezüglich regelmäßig Studien heraus, die Mittelschicht erodiert und hat Abstiegsängste. Das zum Beispiel ist eines der Probleme, wenn es um soziale Mobilität geht.

Ein viel weitergehendes Problem ist aus unserer Sicht dasjenige, das unsere gesellschaftliche Spreizung derer, die arm sind, und derer, die besonders reich sind, derartig aus dem Ruder gelaufen ist,

dass wir hier eigentlich nicht nur mit Armutsbekämpfungsmaßnahmen ansetzen müssen, sondern dass wir hier mit einer ganz massiven Umverteilung von oben nach unten ansetzen, damit die Wege bei der sozialen Mobilität nicht mehr so weit sind. Ich denke, das ist ein zentraler Punkt, den man vorab noch einmal diskutieren muss und den man hier vorab stellen muss.

Grundsätzlich hat die Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage jede Menge Zahlenmaterial bereitgestellt und ich will da auch zu einigen Punkten etwas sagen. Die grundsätzliche Haltung oder der grundsätzliche Eindruck, der erweckt wird, wenn man die Antwort auf die Große Anfrage liest, ist derjenige, dass in Thüringen immens viel passiert, dass hier richtig rangeklotzt wird. Das ist in einigen Teilen sicherlich auch gerechtfertigt, aber bei Lichte betrachtet, wenn man sich anschaut, was mit TIZIAN passiert, wenn man sich anschaut, was eigentlich mit dem Landesarbeitsmarktprogramm beispielsweise passiert, dann stellt man hier fest, es sind nur Tropfen auf den heißen Stein, es ist eben nicht eine flächendeckende Arbeit, sondern es sind nur Modellprojekte, es sind gezielte wenige Programme. Da muss man auch noch mal ansprechen, dass die Landesregierung auch in der Haushaltsberatung ja natürlich die Prioritätensetzung vermissen lässt.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir breit für öffentliche Beschäftigung arbeiten wollen, dann brauchen wir ein Landesarbeitsmarktprogramm, was entsprechend auch ausfinanziert ist. Ich denke, davon ist die Landesregierung meilenweit entfernt. Sie, Frau Meißner, hatten ja von vielen Sachen berichtet, wo die Landesregierung so richtig ranklotzt und wo auch schon Dieter Althaus damals angefangen hatte, aber eben viele Dinge aus dieser Zeit, gerade im Rahmen der Familienpolitik, haben wir heute noch als Altlast vor uns herzutragen, die wir endlich überwinden müssen. Ich möchte an dieser Stelle nur noch einmal das Landeserziehungsgeld ansprechen.

Eine weitere Sache, die, denke ich, noch einmal beleuchtet werden muss, das hatte ich gestern bei dem Thema Kinderschutz schon einmal gesagt, ist natürlich die Frage, was passiert eigentlich mit Modellprojekten. Wir haben viele Modellprojekte und Modellprojekte sind immer tolle Sachen, aber Modellprojekte müssen irgendwann verstetigt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Modellprojekte müssen irgendwann aus der Modellphase rauskommen und Modellprojekte müssen irgendwann zum Regelbetrieb überführt werden. Und dieser Regelbetrieb, den vermissen wir beispielsweise bei dem Modellprojekt, Kitas zu Eltern-KindZentren auszubauen. Diese Modellprojekte, die Überführung der Modellprojekte, vermissen wir

(Abg. Meißner)

eben auch bei TIZIAN und auch bei dem Landesarbeitsmarktprogramm, so dass wir hier tatsächlich breit in die Fläche hineinkommen. Weil ich gerade bei diesen Modellprojekten bin, eine Sache, wo man aus der Anfrage herauslesen kann, dass alles in Butter ist, aber bei Lichte betrachtet sieht man dann zum Beispiel im Bereich der Kinderkarte, dass da eben doch nicht alles so ist, wie die Landesregierung das so aufgeschrieben hat. Das Erfolgsrezept ist die Kinderkarte leider nicht. Vielleicht sollte man sich davon auch verabschieden und nach anderen Wegen und Möglichkeiten suchen, wie man Kindern und Jugendlichen andere Förderinstrumente hinzugeben kann.

Eine Sache, die mit der sozialen Mobilität massiv im Zusammenhang steht, ist die Frage, wie ist der gesellschaftliche Reichtum verteilt. Da haben wir von der Bundesregierung den Armuts- und Reichtumsbericht überreicht bekommen nach einigem Zetern. Das hat nicht ganz funktioniert, dass man sich Realität so hinschreibt, wie man sie gern hätte. Da ist die FDP leider gescheitert oder zum Glück, so dass der Armuts- und Reichtumsbericht doch noch relativ deutliche Zahlen hat. Aus dem Armutsund Reichtumsbericht geht ja hervor, wie stark die Armut angeschwollen ist in unserem Land, wie dramatisch eigentlich die Situation ist. Auf der einen Seite haben wir ein Heer von Arbeitslosen, ein Heer von niedrigqualifizierten und niedrigbeschäftigten Leuten, die mit ihrem Lohn gar nicht über die Runden kommen und auf der anderen Seite haben wir einen exorbitanten Reichtum in diesem Land, der gar nicht mehr weiß, wohin er will. Wenn dann der Herr Winterkorn von VW sagt, ach, er ist ganz großzügig, er verzichtet von seinen 17,5 Mio. € Jahresgehalt auf 7 Mio., da muss ich sagen, das ist wirklich der falsche Weg, er hätte ja auf 17 Mio. verzichten müssen und nicht auf nur ein paar Millionen, die er da jetzt gespendet hat. Ich denke, das sind so die Dimensionen, in denen wir auch die Debatte um die soziale Mobilität führen müssen. Ein Rezept, um die Frage sozialer Aufstieg und die Auseinanderentwicklung in der Gesellschaft zu umgehen, ist natürlich eine ganz große Umverteilung von oben nach unten. Man kann sich ja vielleicht auch einmal so ein paar volkswirtschaftliche, ökonomische und andere Kennziffern anschauen, wie das in Deutschland eben passiert. Da gibt es zum Beispiel den Gini-Koeffizienten, der über die soziale und wirtschaftliche Gleichheit und Ungleichheit Auskunft gibt. Da muss man sagen, dass Deutschland da nicht ganz weit vorn ist, sondern dass es kaum ein OECD-Land gibt, in dem die Schere zwischen Arm und Reich so groß ist und in dem die Geburt und die Herkunft so sehr darüber entscheidet, wie der Bildungserfolg und später natürlich auch der berufliche Erfolg stattfindet. Das wurde zum ersten Mal in der PISA-Studie dargelegt, wo es ja so eine schöne Korrelation gab zwischen sozialer Herkunft und dem Bildungserfolg. Da war Deutsch

land und da ist dann auch in den Ländertests herausgekommen, dass auch Thüringen da nicht ganz weit an der Spitze liegt. Ich glaube, deshalb ist ein wesentlicher Punkt hierbei, in die Bildung zu investieren. Dabei geht es nicht nur um die Schulbildung, um die Frage des Sitzenbleibens, um die Frage des gemeinsamen Lernens, um die Frage der Gemeinschaftsschule, sondern dabei gilt es natürlich auch, schon viel weiter anzusetzen, nämlich bei der Kindertagesstätte. Nun haben wir in den letzten Wochen und Monaten viele Diskussionen gehabt, vielleicht insbesondere in Erfurt, aber auch in anderen Städten findet das ja statt, dass es Diskussionen gibt über hohe Kita-Beiträge. Wir als LINKE sagen natürlich, wir brauchen eine kostenlose Kita.